Støeda 29. listopadu 1933

Im allgemeinen ist aus dem Staatsvoranschlag zu ersehen, daß sich die Regierung bewußt ist, daß die Zahlungskraft der Steuerträger keine weitere Belastung zuläßt. Diese Erkenntnis stellen wir mit Befriedigung fest, müssen aber auch verlangen, daß die präliminierten Beträge keinesfalls überschritten werden. Zum Finanzministerium habe ich nur einige Bemerkungen über das Verwaltungstechnische zu machen. Das heutige Veranlagungsverfahren krankt an der systematischen Mißachtung des Steuerträgers, aber auch an der eingeführten schlüsselmäßigen Veranlagung, die ungerecht und unrichtig ist. Es krankt aber auch an seiner Schwerfälligkeit, weil dadurch Rekurse und Eingaben unerledigt liegen bleiben. Es fehlt der Kontakt der Beamten mit der Bevölkerung. Infolgedessen ergibt sich eine Unzahl von Rechtsmitteln und damit weiter eine Überlastung der Beamten in den unteren Instanzen, deren Zahl zur Erledigung der Akten nicht hinreicht. Dadurch wird einerseits der Fiskus geschädigt und andrerseits der Steuerträger unglaublichen Schikanen ausgesetzt. Wir verlangen daher in dieser Richtung eine Steuergleichheit in dem Sinne, daß die Steuermoral so aufgefaßt wird, daß man den Steuerträger als Menschen und als glaubwürdigen Bürger seines Staates behandelt. Wir sind als Partei nicht grundsätzlich gegen die Staatserfordernisse, wir geben dem Staat, was er zu seiner Erhaltung braucht, verlangen aber auch gleiche Behandlung und gleiche Förderung in kultureller, sozialer, wirtschaftlicher und nationaler Beziehung. Ich nehme an, daß sich auch in diesem Sinne eine Wandlung vollziehen wird und deswegen geben wir als Beweis hiefür unsere Zustimmung zu einzelnen Kapiteln des Staatsvoranschlages. Wir werden den Kapiteln des Präsidenten der Republik, der gesetzgebenden Körperschaften, ferner dem Handelsministerium und des Gesundheitsministerium unsere Zustimmung geben. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Jaksche (viz str. 39 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! In den Ziffern dieses Staatsvoranschlags spiegelt sich die Größe der Heimsuchung wieder, welche die Weltwirtschaftskrise über dieses Land gebracht hat und die Schwere der Opfer, die sie der Bevölkerung auferlegt. Diese Ziffern spiegeln aber auch das hartnäckige Bemühen einer disziplinierten Demokratie, mitten im zentraleuripäischen Chaos ein gesundes und geordnetes Staatswesen zu erhalten. Läßt man das Gleichgewicht des Staatshaushaltes als Maßstab für die innere Kraft eines Regimes gelten, dann hat unsere parlamentarische Mehrheit, gestützt auf die parlamentarische Sparkommission, den Diktaturen und Halbdiktaturen rings um uns auch mit diesem Voranschlag ein Armutszeugnis ausgestellt; denn trotz aller Härten, die er beinhaltet, ist der Staatsvoranschlag eine demokratische Anklageschrift gegen den ersten Etat des Hitlerregimes, dessen Detailziffern heute noch als Staatsgeheimnis behandelt werden.

Mit unserer schwer abgerungenen Zustimmung zu diesem Staatsvoranschlag bringen wir zum Ausdruck, daß nach unserer innersten Überzeugung eine konsolidierte Staatswirtschaft, eine feste Währung die Voraussetzungen jeder sozialen Leistung, aber auch jeder ernsthaften Krisenabwehr sind. Wir verhehlen uns dabei nicht die Schattenseiten der Deflationspolitik. Man kann die Augen nicht davor verschließen, daß bei einem stabilen Geldwert und bei sinkenden Warenpreisen das Problem der Privatschulden, das Problem der Kommunalschulden und nicht zuletzt das Problem der Staatsschulden immer schwieriger wird. Wir sind uns dessen voll bewußt, daß die Krise nicht durch Injektionen von der Kreditseite her überwunden werden kann, wir sehen aber auf der anderen Seite die krisenverschärfende Wirkung der Kreditnot. Deshalb sprechen wir aus diesem Anlaß die Erwartung aus, daß die Finanzverwaltung und die Nationalbank ihre Hilfeleistung für die Selbstverwaltung und für die notleidenden Sparkassen nicht versagen werden. Wir bringen ferner in diesem Zusammenhang zum Ausdruck, daß nach unserer Auffassung ein kleiner Staat sich in der Währungsfrage keine großen Experimente leisten kann und daß bei der Inangriffnahme sowohl des öffentlichen wie des privaten Kreditproblems schon mit Rücksicht auf die kleinen Sparer mit der größten Vorsicht vorgegangen werden muß.

Von dieser positiven Grundeinstellung aus, warnen wir aber vor einer Überschätzung des rein etatmäßigen Ausgleiches der Krisenfolgen. Das wirtschaftliche Gleichgewicht ist mit dem Voranschlag nicht hergestellt. Die Diskrepanz zwischen Produktion und Konsum besteht weiter. Die für unsere Betrachtung bestimmende Tatsache ist jedoch, daß im körperlichen wie im seelischen Haushalt der Arbeitslosen das Defizit immer größer wird. Es tut sich mit der Dauer der Krise eine wachsende Kluft auf zwischen den sinkenden finanziellen Möglichkeiten des Staates und der steigenden Hilffsbedürftigkeit der Krisenopfer.

Schweren Herzens hat Fürsorgeminister Dr. Czech in seinem Exposé im Budgetausschuß auf die Gefahr hingewiesen, daß die Durchführung der Brot- und Kartoffeelaktion für die Arbeitslosen im vorjährigen Ausmaß für diesen Winter bedroht ist. Meine Freunde und ich sind davon überzeugt, daß der Fürsorgeminister mit übermenschlichen Kräften gegen jede Einschränkung der Krisenfürsorge gekämpft hat, ja daß er ein Stück seiner Gesundheit hineingepflastert hat, um die bisherigen Leistungen des Staates aufrechtzuerhalten. Es ist unser Stolz, bei dieser Gelegenheit aussprechen zu können, daß er sein Amt nicht als Parteimann sondern als übernationaler Anwalt aller notleidenden Bürger dieses Staates versieht. Umso größer aber ist unsere Pflicht von dieser Tribüne aus Zeugnis abzulegen von dem tragischen Notstand des deutschen Industriegebietes dieses Landes. Wir haben Zehntausende von Familien verschuldet, aller Reserven bar, außerstande, die Blößen ihrer Kinder zu decken, in der Gefahr, auch noch das Obdach über dem Haupte zu verlieren. So gehen sie wieder einem neuen schrecklichen Krisenwinter entgegen. (Pøedsednictví pøevzal místopredseda Špatný.)

Meine Damen und Herren! Der Punkt ist erreicht, wo die Arbeitslosenfrage in den Industriezentren des Randg bietes aus einem sozialpolitischen zu einem staatspolitischen Problem geworden ist. Im Erzgebirge grassierte in den Jahren des Krieges Hungerödem, gab es ein Massensterben aus Unterernährung. Mit Erschrecken müssen wir wahrnehmen, daß sich diese Kriegserscheinungen zu wiederholen beginnen. Ich habe hier einen Bericht aus dem Graslitzer Krankenhaus, aus dem hervorgeht, daß die Krankenziffer in dieser Anstalt vom Jahre 1929 gegenüber 1933 von 1423 Fällen auf 2110 Fälle gestiegen ist, daß der Infektionspavillon dieser kleinen Anstalt überfüllt ist. In 19 Betten sind 40 Patienten untergebracht meist mit Infektionskrankheiten, die auf gesteigerte Anfälligkeit der Menschen nach den jahrelangen Entbehrungen zurückzuführen sind. Nicht ein Graslitz gibt es, sondern Dutzende von Bezirken, mit erschreckenden Pauperisierungserscheinungen, mit einem regelrechten physischen Verfall der Menschen. Diese menschliche Seite des Krisenproblems, die immer ernster wird, je länger die Krise dauert, sollte kein Staatsmann übersehen. Gegen hohlwangige Gesichter, gegen leere Mägen und vor allem gegen die vorwurfsvoll anklagenden Blicke welkender Kiinder gibt es kein inanzpolitisches Argument. Für diese simplen Menschen steht der paradoxe Zustand im Vordergrund, daß in den Zeitungen gelehrte Betrachtungen über die Verwertung unserer Ernteüberschüsse mit Meldungen abwechseln, daß ganze Familien aus Hunger und Elend den Freitod gesucht haben. Ich will keine Drohungen aussprechen und keine falschen Hoffnungen erwecken. Aber ich erfülle eine menschlicche Pfflicht als Vertreter eines der ärmsten Notstandsgebiete im Lande, wenn ich an alle Verantwortlichen in diesem Staate die Frage stelle: liegen unüberwindliche Hindernisse vor, einen Bruchteil unserer Vorräte von Zucker, Kartoffeln, von Korn, von Kohle in diesem Winter gegen Hunger und Kälte der Arbeitslosen zu mobilisieren? Diese Frage stelle ich, weil wir die tiefe Überzeugung haben, daß menschlich und politisch das Scchlimmste nur dann zu verhüten ist, wenn die bestehende unzureichende Arbeitslosenfürsorge durch zusätzliche Naturalleistungen errgänzt wird. Die Hindernisse sind uns wohl bekannt. Die verantwortlichen Faktoren mögen aber bedenken, daß im Falle äußerer Bedrohung ganz andere Leistungen aus dem Boden gestampft werden müssen. Es geht hier im wahrsten Sinne des Wortes um die Sicherheit des Staates, um ein Stück prräventiver Landesverteidigung, es geht um Menschen, die am 28. Oktober aus ehrlicher Überzeugung heraus sich zur Verteidigung der demokratischen Republik bekannt haben. Es geht nicht um Konjunkturpatrioten, die aus taktischer Berechnung ihre Fahne diesmal nach dem Prager Wind gehängt haben.

Ich habe bei dieser Gelegenheit auch hinzuzufügen, daß die Forderung nach Brot, die Forderung nach gesteigerter Krisenfürsorge nicht die Hauptforderung der deutschen arbeitenden Menschen dieses Landes ist. Ihr heißester Wunsch ist, daß Staat und Gesellschaft ihnen die Möglichkeit geben, wieder ein Stück Brot in Ehren selbst zu verdienen.

Bei den fälligen Handels- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen geht es um das Schicksal unserer Exportindustrie. Wir melden hiezu den Daseinsanspruch unserer Qualitätsarbeiter an. Diese Fragen können nicht allein entschieden werden zwischen Agrariern und Unternehmern, sondern wir fordern gleichberechtigte Mitbestimmung der Gewerkschaften.

Ein Wort in diesem Zusammenhange an die èechische Öffentlichkeit: Wer den Exportindustrien die Existenzberechtigung abspricht, der zerstört den Glauben von hunderttausenden deutscher Mitbürger, daß sie in diesem Staate eine wirtschaftliche Zukunft haben. Eine Autarkieproklamation der Èechoslovakischen Republik wäre das wirtschaftliche Todesurteil über die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Für die drangvolle Menschendichte auf den Erzgebirgshöhen, im Isergebirge, auf den Hängen des Riesengebirges, des nordmährisch-schlesischen Gebirgsbodens gibt es für Vierfünftel der Einwohner keine anderen als industrielle Existenzgrundlagen. Man spricht von Innenkolonisation - ein Fantom in einer Zeit, wo die Landwirtschaft selbst ihren Geburtenüberschuß noch immer in die Städte abschiebt, wie die Ziffern der Volkszählung beweisen. Innenkolonisation kann für uns kein Ausweg sein, weil in unseren Industriedörfern kaum ein Bauplatz, kaum ein Feldrain für Ziegenfutter frei ist. Wir warnen daher davor, die Bedeutung der Industrie und ihrer Angehörigen rein aus der Tagesperspektive zu messen. Sie müssen noch immer ein wertvoller Besitzstand des Staates sein, sonst würden Japaner, Chinesen und Egypter nicht zu uns kommen, um Industriespionage zu betreiben. Wir erinnern heute auch daran, was die deutsche Industrieleistung zum wirtschaftlichen Aufbau dieses Staates beigetragen hat. Wäre Rašíns Finanzpolitik erfolgreich gewesen ohne den Devisenzustrom, der über Gablonz, Haida. Asch, Weipert, Reichenberg und Jägerndorf in dieses Land geströmt ist? Wahre Goldgruben sind manche dieser Exportzentren, auch die kleinen Exportzentren, für den Staat gewesen. Hier nur einige Ziffern aus dem Elendbezirk Graslitz, den ich vorhin erwähnte. Im Jahre 1928 haben die kleinen Exportindustrien von Graslitz noch 90 Millionen Kè Ware exportiert, im Jahre 1932 noch immer 37.5 Millionen. Wer will das dem Staate ersetzen, wenn die Exportindustrie vernichtet ist, wer will die Lasten übernehmen, welche früher und bisher diese Industrie getragen hat? Und ich frage noch mehr! In welchem Agrarstaate, sei es Ungarn, Rumänien oder Jugoslavien, gibt es so hervorragende Förderungseinrichtungen für die Landwirtschaft, wie bei uns? Wo gibt es ein solches Prachtgebäude, wie es das landwirtschaftliche Forschungsinstitut in Dejvice ist? Unsere Landwirtschaft ist mit der Industrie emporgeblüht, sie müßte mit dem Verfall der Industrie ebenfalls verfallen. Wollen unsere Landwirte, die sich für die Autarkie begeistern, wenn die industrielle Kaufkraft zerstört ist, in Rotterdam mit ungarischen und kanadischen Produzenten oder in Gdingen mit polnischen Konkurrenten in Wettbewerb treten? Damit will ich sagen, daß die ganze wirtschaftliche, soziale und politische Potenz dieses Landes aufgebaut ist auf seiner gemischtwirtschaftlichen Struktur, daß sie damit steht und fällt. Es müssen daher alle Anstrengungen gemacht werden, unsere Position als industriellagrarischer Veredelungsstaat zu behaupten.

Die strukturelle Krise der Welt wird in Mitteleuropa noch verschärft durch eine regionale Krise. Die Vorteile der alten Wirtschaftsgemeinschaft Österreich-Ungarns sind in entscheidenden Augenblicken verkannt worden. Nun sind Bestrebungen im Gange, diese alte Wirtschaftsgemeinschaft wenigstens teilweise wieder zu erneuern. Ohne die Möglichkeiten zu überschätzen, welche unter der heutigen europäischen Situation gegeben sind, melden wir unsere Bereitschaft zur Mitarbeit an diesem Plane an. Die wirtschaftliche Fundierung der Kleinen Entente mag zunächst der einzige Angriffspunkt gegen die chaotischen Verhältnisse im Donauraum sein. Wir verkennen aber nicht, daß diese Bemühungen nur dann einen größeren Erfolg zeitigen können, wenn Österreich und Ungarn freiwillig mittun.

Und so habe ich in diesem Zusammenhang einen Wunsch über die Grenzen hinaus auszusprechen: Die friedliebende österreichische Bevölkerung möge wissen, daß die mitteleuropäischen Kooperationspläne unseres Aussenministers dr Beneš auch von den Sympathien der Mehrheit der deutschen Bevölkerung dieses Staates getragen sind, daß auch die deutsche Bevölkerung ein Interesse daran hat, diese wirtschaftliche Zerstückelung in Mitteleuropa zu überwinden. Gegenüber der Gefahr, die dem kleinen Österreich droht, durch die Rivalität zweier fascistischer Großmächte zerstückelt zu werden, ist die engere Zusammenarbeit mit der Èechoslovakei für dieses Land der demokratische und friedliche Ausweg, vielleicht die einzige Rettung seiner Selbstständigkeit.

Meine sehr verehrten Herren! Es geht aber nicht nur um allgemeine Kooperationspläne. Wenn wir auf dem Gebiet der außenpolitischen und handelspolitischen Zusammenarbeit vorwärts kommen wollen, muß zuerst das Werk der inneren Rekonstruktion, der inneren Organisation der Wirtschaft in Angriff genommen werden. Es geht nicht um hochfiegende Pläne, es geht dabei um praktische Dinge, um Gegenpaßnahmen gegen die Krise, die schon längst fällig sind. Wir machen die Gegner der Arbeitszeitverkürzung darauf aufmerksam, daß sie auf einem verlorenen Posten stehen. Es wird langsam eine Prestigefrage, ob eine kleine rechthaberische Gruppe es zuwege bringen darf, den Staat so weit zu bringen, daß er nicht nur bei der Anerkennung Sowjetsrußlands, sondern auch mit der Verkürzung der Arbeitszeit in letzter Reihe rangiert.

Großes Gewicht legen wir auf die vom Fürsorgeminister im Budgetausschuß erhobene Forderung nach einer öffentlichen Kontrolle der wilden Rationalisierung. Hier besteht eine Lücke in der öffentlichen Verwaltung. Bei jedem Ansuchen um eine neue Schankkonzession wird die Notwendigkeit des Bedarfes überprüft und kontrolliert, ob nicht schon bestehende Existenzen geschädigt werden. Den Unternehmern ist jede Rationalisierungsmaßnahme schrankenlos erlaubt auch wenn sie auf Kosten der Arbeiterschaft und noch mehr auf Kosten der Öffentlichkeit geht. Bei solchen Neuerungen muß unterschieden werden zwischen privatwirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Rentabilität. Zu all den Projekten, die heute durch die Öffentlichkeit schwirren, zu den Projekten, von Industriesyndikaten, Agrarmonopolen, zu den Vorschlägen auf Anbauflächenverschiebung ist zu sagen, daß eine wichtige Voraussetzung der Realisierung fehlt, nämlich der Organismus einer wirtschaftlichen Verwaltung. Man ruft nach einem Wirtschaftsparlament, man schwärmt für Korporationen nach italienischem Muster. Wozu in die Ferne schweifen, wozu ausländische Vorbilder heranziehen? Es würde doch genügen, die Handelskammern, die Landeskulturräte zu regenerieren, Arbeiterkammern zu schaffen. Die Vereinigung dieser Spitzengruppen wäre auszustatten mit öffentlichen Vollmachten, mit Beratungs- und Kontrollfunktionen, und wir hätten neben unserer politischen Administrative auch den Apparat einer wirtschaftlichen Verwaltung. Diese Dinge kann man auch in der Demokratie machen. Deswegen braucht man die Demokratie nicht abzuschaffen. Woran diese Dinge bisher gescheitert sind, ist die Unbelehrbarkeit der Gegner der Arbeiterbewegung, der Anhänger des unbegrenzten kapitalistischen Schaltens und Waltens in der Wirtschaft. Diese Unbelehrbaren würden auch in der Diktatur nicht gescheiter sein. Es sei in diesem Zusammenhange festgehalten, daß die notwendigen Krisenmaßnahmen bisher verzögert wurden, nicht weil der Sozialismus versagt hat, sondern, weil maßgebende bürgerliche Kreise auf die Schwäche der Arbeit erschaft spekulieren. Wie will man von einem Versagen des Sozialismus reden, wenn bisher nicht einmal die Zustimung zu den bescheidenen Vorschlägen des Fürsorgeministers zu haben war, das Chaos auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen, eine Neuregelung der Arbeitsvermittlung mit öffentlicher Kontrolle einzuführen? Wir müssen diesen Kreisen, von denen der Widerstand ausgeht, in Erinnerung bringen, daß die Krise längst nicht mehr das Arbeiterschicksal allein betrifft, sondern daß sie eine Frage von Sein und Nichtsein der ganzen menschlichen Gesellschaft geworden ist. Die Dollarmillionäre, die auf der Kapitalsflucht vor der stolzesten Währung der Welt über den Erdball reisen, sind ein Menetekel eine Warnung für die, die glauben, daß sie unbelehrbar bleiben können.

Wir sehen, daß der Bestand der ganzen menschlichen Zivilisation von der Wiedereingliederung der Arbeiter in den Produktionsprozeß abhängt. Unsere Universitäten, unsere Theater, unsere Schulen, unsere Spitäler, unsere Forschungs-, Pensions- und Sozialinstitute brauchen die Tragkraft eines breit dahinflutenden werktätigen Lebens. Im Kampf um die Budgetziffern zeigt sich das verzweifelte Ringen gegen den drohenden Kulturabsturz. Kultur kann ohne die Basis einer lebenskräftigen Wirtschaft nicht gedeihen. Deshalb ist es an der Zeit, den Interessenten an dem Kulturaufwand des Staates zuzurufen, daß sie ihrer eigenen Sache nicht durch Verärgerung dienen, sondern daß sie in ihrem eigenen Interesse Hand anlegen müssen an eine wirtschaftliche Reorganisation und soziale Erneuerung der Gesellschaft. Hunderttausende stehen im Krisensturm, ausgestoßen aus der Werk- und Kulturgemeinschaft des Volkes. Kann es heute noch ausschließlich Aufgabe der Technik sein, weiter Menschen arbeitslos zu machen? Hat nicht auch die Wissenschaft die Pflicht mitzuhelfen, die Folgen der blinden einseitigen Rationalisierung zu überwinden? Seit dem großen Werk Rauchbergs über den nationalen Besitzstand in Böhmen haben die deutschen Hochschulen dieses Landes noch keinen nennenswerten Beitrag zurAufhellung der sozialen und bevölkerungspolitischen Probleme beigesteuert. Ein unerträglicher Zustand in einer solchen Zeit schwerster Not und Bedrängnis der arbeitenden Volksmasse, daß, abgesehen von den wenigen rühmlichen Ausnahmen, die Stimme der Wissenschaft nur laut wird, wenn es sich um ihre materiellen Ansprüche an die verarmte Gesellschaft handelt. Dessen ungeachtet vertreten wir den Standpunkt, daß auch im kommenden Jahr heroische Anstrengungen gemacht werden mü ssen, den Kern unseres hochentwickelten Schulwesens unversehrt durch die schwere Zeit hinüber zu retten. Wir sind ni cht zuletzt diese Rettung des Kerns unseres Schulwesens und unserer Schulorganisationen unserer jungen und jüngsten Generation schuldig, die den heiteren Glanz ihrer Jugendjahre durch die Schatten einer sorgenvollen Gegenwart getrübt sieht.

Ein Überblick über den Problemkreis, den die Ziffern des Budgets umspannen, zeigt, daß auf sozialem, auf kulturellem und auf wirtschaftlichem Gebiete riesenhafte Aufgaben gestellt sind, die nur durch Zusammenfassung aller schöpferischen Kräfte in den Völkern des Landes bewältigt werden können. Ich will hier zum nationalen Probleme keine einzelnen Beschwerden der uns anvertrauten Menschen vorbringen, sondern ich will ein Bekenntnis zur historischen Mission der beiden Völker in diesem Staate ablegen. Die wirtschaftliche Bedrängnis hat Èechen und Deutsche zu einer unlösbaren Schicksalsgemeinschaft verbunden. Nun kommt es darauf an, daß die Erkenntnis dieser Schicksalsgemeinschaft zur tragenden Idee des Zusammenlebens der Völker in diesem Staate wird. Das deutsche Volk in der Èechoslovakei durchlebt nicht nur eine materielle, sondern auch eine seelische Krise. Erdgebunden wie kein zweites, sieht es sich vor die Aufgabe gestellt, im Rahmen dieses Staates sein Schicksal zu meistern. Über die Grenzen her dringen die Sirenenklänge eines gefühlsbetonten Nationalismus. Weise èechische Staatspolitik kann viel dazu beitragen, unter den deutschen Mitbürgern der Vernunft zum Siege über das Gefühl zu verhelfen. Verständigungspolitik, zu der wir uns bekennen, verlangt Einsicht auf beiden Seiten, verlangt Verzicht auf billige agitatorische Erfolge eines überheblichen krankhaften Nationalismus, verlangt, daß auch in den kleinen Entscheidungen des Tages der Grundsatz: "leben und leben lassen" respektiert wird. Der Kampf gegen die Nutznießer des Nationalitätenkampfes, gegen die böswilligen Brunnenvergiftungen der chauvinistischen Presse, gegen die kleinliche Nadelstichpolitik der Behörden, kann im deutschen Lager nicht von uns allein geführt werden, darf aber auch auf èechis cher Seite nicht ausschließlich auf unsere Bruderpartei beschränkt bleiben. Alle Schichten, die an der nationalen Zus ammenarbeit interessiert oder durch ihre religiös kosmopolitische Einstellung dazu verpflichtet sind, müssen sich offen zu ihr bekennen. Einmal muß auch, was das Verhältnis der Völker dieses Staates zu einander anbelangt, mit den Rekriminationen Schluß gemacht werden. Durch Rekriminationen wird niemand satt und es kann vor allem die junge Generation nicht davon leben, weil sie weder im guten noch im bösen an den politischen Entscheidungen, die vor dem Kriege gefallen sind, Anteil hat. In meritorischer Hinsicht habe ich, was die nationale Frage anbelangt, den freundlichen Worten des Herrn Außenministers Dr Beneš, die er den Deutschen im Budgetausschuß gewidmet hat, einen sachlichen Einwand entgegenzustellen. Der Herr Außenminister steht auf dem Standpunkt und hat es so formuliert, daß der Anteil der Deutschen an den öffentlichen Diensten eine Frage des Parteieinflusses, der Durchsetzens innerhalb der Regierungsgewalt, ist. Ich glaube, daß man diese ernste Frage nicht dem Zufall des politischen Kräftespiels überlassen kann. Es geht im wesentlichen nicht um eine Machtfrage, sondern um eine Rechtsfrage, und ich sage mehr: es geht um eine Frage der Staatsraison, die durch eine grundsätzliche Entscheidung gelöst werden muß. Genau so wie sich im Lager des èechischen Volkes die Mehrheit dafür entschieden hat, daß es im Interesse des Staates liegt, die deutschen Parteien zur Mitarbeit in der Regierung heranzuziehen, so muß diese Erkenntnis des èechischen Volkes erkämpft werden, daß auch der angem essene Anteil der Minderheitsnationen an der Administrative im Interesse des Staates und des èechischen Volkes liegt. So kristalisiert sich heraus, daß eine dauernde Zusammenarbeit der Nationen dieses Staates auf dem Boden der vertraglichen Lösung angestrebt werden muß. Die Forderung nach einer bestimmten Abgrenzung, nach einer gewissen Sicherung des Lebensbereiches der nationalen Minderheiten kann keine deutsche Partei aufgeben. Dabei vertreten wir nach der deutschen Öffentlichkeit hin die Auffassung, daß dieses Ziel nicht in vereisten Schützengräben nationaler Einheitsfronten am frühesten und leichtesten erreichbar wäre, sondern daß dieses Ziel erreicht werden muß durch das mutige Vorgehen, durch die beispielgebende Zusammenarbeit der verständigungsbereiten Gruppen beider Völker. Herr Henlein, der heute in unserem Gebiet die nationale Einheitsfront predigt, möge sich zuerst mit Herrn Støíbrný soweit verständigen, wie sich die deutschen und die èechischen Sozialdemokraten bereits verständigt haben. Dann wird er vielleicht ein wenig Bescheidenheit gelernt haben, Bescheidenheit vor den großen geschichtlichen Aufgaben, die auf dem Boden dieses historischen Raumes zu lösen sind.

Abschließend will ich betonen, daß es bei der Annäherung der Deutschen und Èechen nicht um die äußere, sondern um die gegenseitige innere Loyalität geht und um die Erringung eines solchen Maßes von Nächstenachtung, wie sie zwischen den deutschen, französischen und italienischen Bewohnern der Schweiz schon längst errungen ist. Jeder Fortschritt in der nationalen Frage ist bedingt durch den Grad des gegenseitiggen Vertrauens. Wir rühmen uns dessen, daß wir im Kampfe gegen die moralische Gleichschaltung des deutschen Bürgertums mit Hitlerdeutschland verhindert haben, daß die Vertrauensbrücke zwischen Deutschen und Èechen aufs neue zerbrochen wurde. In dem Kampf gegen die drohende europäische Katastrophe, in dem Ringen um neue Wirtschaftsgrundlagen, in der Abwehr der fascistischen Barberei, die über die Grenzen dieses Landes zu fluten droht, liegt die große gemeinsame Aufgabe der besten Söhne des deutschen und èechischen Volkes. Zu dieser Aufgabe bekennen wir uns, indem wir diesem Voranschlag zustimmen. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für weitere staatspolitische Zusammenarbeit der èechischen und deutschen Arbeiterklasse, dienen wir den Interessen unserer arbeitenden Menschen, dienen wir aber auch den Interessen des europäischen Sozialismus. (Potlesk.)

3. Øeè posl. dr Petersilky (viz str. 54 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wenn wir an die Behandlung des Voranschlags für das Jahr 1934 herantreten, so tun wir das wohl mit gemischten Gefühlen. Zunächst löst ein Gefühl der Befriedigung der Umstand aus, daß sich endlich das Parlament darauf besonnen hat, daß es nicht bloß dazu da ist, formell dasjenige, was Beamte ausgearbeitet haben, mit der Abstimmung zu bekräftigen, sondern daß es auch ein Recht hat, den Inhalt dessen, was es abstimmt, selbst zu bestimmen. Die Schaffung einer Sparkommission war der Ausdruck des Bewußtseins, daß das Parlament selbst an der Zusammenstellung des Budgets arbeiten soll. Angenehm hat weiter der Umstand berührt, daß das Budget sowohl seitens der Koalition, als auch der Opposition mit einer Offenheit kritisiert wurde, daß man wirklich den Unterschied zwischen den beiden verwischt sah, und dieser Unterschied erst bei der Abstimmung zutage tritt, da die einen die Hand für und die anderen gegen das in gleicher Weise kritisierte Budget erheben. Ein weiterer Umstand, der uns mit Befriedigung erfüllen kann, ist die Tatsache, daß man endlich mit Ernst daran gegangen ist, zu sparen. Diese Befriedigung wäre noch größer, wenn die herrschende Koalition zugeben würde, daß die Opposition Recht gehabt hat und wenn sie nicht durch die Notlage des Staates zum Sparen gezwungen worden wäre. Und schließlich hat uns angenehm berührt die Versicherung, daß das Budget kein fiktives, kein frisiertes ist, (Posl. Krumpe: Na, Gott gebe es!) sondern aufgebaut ist auf einem wirklichen Ausgleich zwischen Ausgaben und Einnahmen. Und noch mehr hatten wir Freude als wir hörten, dieses Budget sei das letzte Deflationsbudget. Nur: des Lebens, des Budgets ungemischte Freude, ward keinem Politiker in der Èechoslovakei zu teil. Auch in diese Freude mischt sich ein bitterer Wermuthstropfen. Das Parlament hat mitgearbeitet, aber sehr wenig, denn die Sparkommission war so bescheiden, daß sie die Arbeit sogar einer Unterkommission überließ, wobei selbstverständlich die Opposition ausgeschlossen wurde, damit sie ja keinen Blick tun könnte hinter den Vorhang der intimsten Geheimnisse der Staatsökonomie.

Wenn das Parlament den Staatsvoranschlag behandelt, so muß es sich auch heute in derselben Rolle fühlen wie alle Jahre bisher. In 50 Stunden soll in diesem Saale dieses große schwierige Gesetz abgetan sein! Wir stehen doch der Versicherung nur mit Skepsis gegenüber, daß dieses Budget das letzte Deflationsbudget sein wird. Wir erinnern uns der Worte des Herrn Außenministers Dr. Beneš' vor einem Jahr, in denen er verkündete, daß im Jahre 1932 die Krise bereits überwunden sein werde. Es ist eben für einen Politiker schwer, ein Prophet zu sein. Denn die Politiker denken und andere lenken die ganze Geschichte. Wir hoffen, es wird das letzte Deflationsbudget sein; es ist ein bitterer Gedanke, daß das Gleichgewicht zwischen Ausgaben und Einn ahmen mit sehr schweren Opfern erkauft ist. Gespart hat man, aber dort wo man nicht sparen sollte, und umgekehrt, dort wo man sparen sollte hat man nicht gespart. Das Ministerium für soziale Fürsorge mußte sich einen Abstrich von 18 Millionen für die Arbeitslosen, von 20 Millionen für die Invaliden gefallen lassen. Das Schulministerium mußte, trotzdem die Zahl der Volksschulklassen bedeutend gestiegen ist, einen Abstrich von 11 Millionen vornehmen. Aber bei den Minoritätsschulen wurde ihm eine Millione zugegeben. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.) Das Arbeitsministerium mußte auf 144 Millionen verzichten. Aber ein Ministerium hat auf nichts verzichtet, sondern noch höhere Ansprüche gestellt, das Ministerium für nationale Verteidigung. Dabei kommt auf 5 Mann schon 1 Offizier und auf 400 Mann schon ein General, während im alten Österreich an der Spitze eines Bataillons von 1000 Mann ein Oberstleutnant und an der Spitze eines Regiments von 4000 Mann ein Oberst stand. Man sieht, daß die Zeiten des Militarismus in der èechoslovakischen Republik nicht vorüber sind, sondern weiter ihre Blüten treiben.


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