Hohes Haus! Um Mißverständissen von vornherein vorzubeugen, beginne ich mit der Erklärung, daß trotz wesentlicher Mängel der Vorlage unser Klub für dieselbe stimmen wird. Im Gegensatz zu den hochtrabenden Debatten, die sich bei sogenannten politischen Dingen hier abspielen, scheint eine Wirtschaftsvorlage weit geringerem Interesse zu begegnen, welcher Umstand neben der kurzbemessenen Redezeit auch in der geringen Rednermeldung bei dieser Vorlage zum Ausdruck kommt. Es ist tief bedauerlich, daß eine der seit vielen Monaten von der Bevölkerung erhofften generellen Maßnahmen zur Besserung der Wirtschaftslage nur eine Teilaktion darstellt, von der jeder, der sich mit den Dingen befaßt, die Überzeugung gewinnt, daß anderswo diese Gesetzesvorlage als längst erprobt und unzulänglich und unzureichend erkannt, inzwischen wieder von der Tagesordnung verschwunden ist. Es ist das nicht nur die Einrichtung der Warrants, die wir in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und in Kanada nächst anderen zur Stützung der Getreidepreise getroffenen Maßnahmen in den verschiedensten Fo rmen negativer und positiver Kritik und praktischen Mißerfolgen hinter uns haben, sondern die Vorlage ist auch an und für sich geeignet, die Hoffnungen, die sich gerade in den Kreisen der Landwirtschaft und vor allem jener Teile der kleinen Landwirtschaft, die am stärksten in Not sind, daran knüpfen, neuerdings zu enttäuschen und an Stelle einer schnellen direkten Hilfe ein langwieriges bürokratisches Verfahren einzuleiten. Wie wohl viele Wochen schon verstrichen sind und trotz der verschiedenen Mitteilungen im Wege der politischen Bezirksbehörden, wissen weder die Gemeinden noch die sonstigen Wirtschaftskörper wie die Länder und Bezirke nicht, wann und wie weit sie aus der Arbeitsanleihe irgendwelche Mittel zur Fortsetzung nicht nur der gegenwärtig meist unterbrochenen Arbeiten erwarten können, sondern noch weniger, welche Vorkehrungen sie zu den vor der Türe stehenden Winterarbeiten, die dringend notwendig sind, werden treffen können. Es ist ein Zeichen wirtschaftlicher Ratlosigkeit, daß mit langatmigen Gesetzesbestimmungen ein Versuch gemacht wird, der bei einem kritischen Studium dieser Bestimmungen erkennen läßt, daß der bürokratische Apparat der dazu in Bewegung gesetzt wird, auch den Schein einer direkten Hilfe vermissen läßt und daß manche Maßnahme sich wahrscheinlich in ihr Gegenteil kehren wird. Wenn ich auf die vielen Hunderte Millionen Dollar verweise, die in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, und auf die vielen Millionen Pfund verweise, die in Kanada zu Stützungsaktionen hauptsächlich auf dem Gebiete der Hilfsaktion im Wege der Warrants ergebnislos verpufft wurden, so werde ich auch bei dieser Gesetzesvorlage meine Zweifel in dieser Richtung nicht los.
Die Vorlage, zu deren Besprechung ich jetzt schreiten will, gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste handelt von den Getreidepfandscheinen und will die illiquide Landwirtschaft in die Lage versetzen, ihr Getreide auch dann anzubringen, wenn es nicht effektiv verkauft wurde. Das ist also eine Art Bevorschussung ohne bestimmten Käufer. Der zweite Teil umgrenzt den Wirkungskreis der Getreidelagerhäuser, die eine neue rechtliche Fundierung bekommen und der dritte Teil, der für den Finanzminister interessanter ist, spricht in groß en und ganzen von den Gebühren und Strafen, um auf diese Weise der Staatskasse neue Mittel zuzuführen. Ich will nun in der Hauptsache den ersten Teil besprechen, der eine indirekte Hilfe für die Landwirtschaft bedeuten soll. Infolge der Beschränkung der Redezeit auf 20 Minuten bin ich nicht in der Lage, auf alle Punkte einzugehen, ich kann nur gegenüber gewissen Paragraphen meine Bedenken vorbringen. So erscheint mir schon im § 1 die Beschränkung, daß solche Pfandscheine nur auf eine Mindestmenge von 25 Meterzentnern ein und derselben Gattung ausgestellt werden dürfen, gerade für Landwirte mit kleinem Ausmaß unbedingt, aber für jene von 1 bis 5, je selbst zu 10 Hektar illusorisch. Besonders bei den Kleinsten ist es fraglich, ob sie überhaupt in dieser Höhe pro Gattung Getreide, ob Roggen, Weizen oder Hafer in der verlangten Menge auf einmal verpfänden können. Dadurch, daß man die Vorschrift macht, daß von einer Gattung mindestens 25 Meterzentner in Pfand gegeben werden müssen, scheidet der Großteil der kleinen Landwirte aus und sie bekommen keine Gelegenheit, einen Teil ihres Getreides zu verpfänden. Eine Verpfändung ist es ja und diese Landwirte können daher den betreffenden Betrag nicht eskomptieren. Auf diesen Mangel muß ich ganz besonders hinweisen und Sie werden finden, daß die Praxis meine Worte bestätigen wird. Aus der Statistik, die Ihnen ja mehr oder weniger bekannt ist, geht hervor, welch ungeheuren Teil die Kleinlandwirtschaft bis zu 5 ha (73%) von der gesamten Berufsschicht der Landwirte ausmacht und Sie haben dadurch diese Beschränkung bis zu 73 % der gesamten landwirtschaftlichen Bevölkerung von der Möglichkeit ausgeschlossen. Also erst bei größeren Mengen über 25 q kommen Landwirte in die Lage, sich des Pfandscheines zu bedienen. Daß der Getreidepfandschein nicht gilt auf eingelagertes Getreide, ist selbstverständlich, weil andererseits das Lagerhaus die Möglichkeit hat, für Sammel- oder Einzeleinlagerungen in seinem Wirkungskreis solche Lagerscheine auszustellen, diese weiter zu begeben und dadurch mittelbar dem Einlagerer Gelegenheit zu geben, auch auf dem Wege der Verpfändung eine Bevorschussung des künftigen Ertrages zu bekommen.
Ein schwerer Mangel, weniger der Vorlage als der praktischen Auswirkung der Verpfändung wird sich zeigen, wenn der Pfa ndschein zur Einlösung kommen soll und zwischen Begebung und Einlösetag die Voraussetzungen sich geändert haben. So, wenn der Landwirt über nicht genügende Mittel zur Einlösung verfügt oder eine wesentliche Verminderung der verpfändeten Getreidemenge durch Schwund oder andere Umstände eingetreten ist, oder endlich ein Preisfall innerhalb der Laufzeit des Pfandscheines die Einlösung ganz oder teilweise unmöglich macht. In all diesen Umständen liegen schwere Gefahren, die prozessuale Weiterungen und damit schwere finanzielle Schädigungen des Ausstellers auslösen können. Denn mit dem in der Vorlage ausgesprochenen Protest- und Regreßrecht des Besitzers des Pfandscheines braucht weder diesem noch dem Aussteller geholfen sein, im Gegenteil eine unabsehbare Reihe von Protesten wird die Gerichte noch mehr als bisher belasten, den Landwirt, in vielen Fällen auch den Gläubiger, den Pfandschein als Danaergeschenk erkennen lassen.
Im großen und ganzen paßt sich das System der Pfandscheine an das Wechselrecht an, nur mit dem Unterschied, daß bei der Begebung eines Wechsels Aussteller und Gläubiger einander bekannte Personen sind, während hier in diesem Verfahren eine dritte Stelle eingeschoben wird, und das ist das Bezirksgericht. Umständlich und langwierig ist aber das ganze Verfahren, weil entgegen der Wechselordnung, wo bekanntlich 7 bestimmte Dinge zur Gültigkeit des Wechsels gehören, Datum, Summe usw., hier 10 Dinge angeführt werden, die weder das Gericht wissen kann, die einander fernstehenden Personen nicht wissen können, infolgedessen vor Annahme eines solchen Pfandscheines sie sich gewisse Sicherungen schaffen müssen. Es sind natürlich selbstverständliche Dinge im Pfandscheine über die Höhe des Betrages, Art des Getreides, Qualität usw., aber wenn ich alle diese zehn Punkte hier anführe, wenn ich sie verlesen wollte, so nimmt ein solcher Getreidepfandschein schon die Form nicht nur eines Frachtbriefes, sondern einer ganzen Inventuraufnahme an. An jedem einzelnen Punkte der Inventuraufnahme sind gerichtliche und andere Befugnisse des Fernstehenden, eines Mannes, auf den es in Form des Indossements übertragen werden kann und es entsteht ein derartiger Aktenverlauf, eine derartige Summe von bürokratischer Arbeit, die das wesentliche außer Acht läßt, daß der Landwirt schnell Geld braucht und über den Weg des Bezirksgerichtes, über verschiédene geforderte Nachweise viele Tage und Wochen vergehen können, ehe er eine Belehnung erreichen kann. Wenn auch dem Bezirksgericht zur Registrierung ein 24stündige Frist eingeräumt ist, so besteht immerhin die Möglichkeit einer Verzögerung - weil der § 3 ausdrücklich dem Gerichte auferlegt, wenn ein Zweifel geäußert wird oder eintritt, das Gericht verpflichtet ist, diesem Zweifel nachzugehen - und daurch sind die Fristbestimmungen natürlich hinfällig geworden. Es ist selbstverständlich, daß auch die Getreidepfandscheine mit gewissen Sicherheiten ausgestattet werden müssen. Derjenige, der einen Pfandschein annimmt und ein Darlehen darauf gibt, tritt in die Rechte eines Wechselgläubigers ein und ist natürlich nicht nur verpflichtet, sondern auch berechtigt, sich von den im Pfandschein angegebenen Punkten bezüglich des Einlagerungsortes und der Qualität des Getreides jederzeit zu überzeugen. Infolgedessen schreibt der § 4 dem Aussteller, also dem ersten Besitzer des Getreides vor, daß er jedem, der an den Pfandscheinen mittelbar oder unmittelbar ein Anrecht hat, die Möglichkeit geben muß, während des Tages das Lager zu sehen, sich von der Qualität usw. des Getreides zu überzeugen. Sie können sich vorstellen, daß auf dem Dorfe, wo einige hundert solcher Pfandscheine in Betracht kommen, den Leuten nur unnütze neue Arbeit entsteht und der Landwirt sich zur Ausweisung in den vorgeschriebenen Stunden sich bereit halten muß.
Das sind Umständlichkeiten, die beim Wechsel niemals eintreten, bürokratische und rechtliche Umständlichkeiten, die dazu führen, daß der Landwirt auf den Gebrauch eines solchen Pfandscheines verzichtet. Nun kommt noch dazu, daß im Falle des Verzuges Komplikationen eintreten, daß im Wege der politischen Exekution wegen Verzuges entweder ein Teilbetrag oder der Rest der Forderung hereingebracht werden muß, sodaß hier der Weg noch länger und umständlicher ist wie beim gewöhnlichen Wechselverfahren. Durch die Übertragung, durch das Indossement, werden alle diese Schwerfälligkeiten noch übersteigert und besonders entstehen Komplikationen, wenn etwa der Aussteller eines Getreidescheines nachträglich sein Getreide, weil er zuhause nicht die nötigen Räume hat, ins Lagerhaus einlagert. Dann beginnen die Komplikationen erst recht, es tritt eine Verschiebung in Rechten und Pflichten ein, der Getreidepfandschein muß eventuell zurückgenommen werden, was ungemein schwierig ist, weil er beim Gericht umgereiht werden muß, um das Pfand rückgängig zu machen. Dann tritt noch das Recht des Lagerhauses hinzu, weil es für die Gebühr nach der Lagerhausordnung auch das Pfandrecht auf das Getreide erlangt. Gerade diese Schwerfälligkeit, die bis zu einem gewissen Grade aus dem Titel der Sicherheit geboten ist, wird es mit sich bringen, daß diese Pfandscheine natürlich enttäuschen müssen.
Ich hätte auch noch gerne über alle übrigen Punkte gesprochen, ich muß es mir versagen über die Lagerhäuser viel zu sprechen, aber die neuen Bestimmungen enthalten weiter nichts, als eine bessere, konkretere Ausgestaltung der bisherigen Statuten. Die Lagerhäuser haben jetzt nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Getreide zu übernehmen und es zu lagern, sie dürfen es nicht zurückweisen, so daß dadurch die bisherigen Satzungen der Lagerhäuser noch mit dem Pflichtenkreis erweitert sind. Ich möchte noch hinzufügen, daß in den Straf- und Gebührenbestimmungen ein wesentlicher negativer Teil der Vorlage erblickt werden muß, wobei der Getreideschein durch Gebühren, Zinsen und Stempel sehr belastet erscheint. Denn der Getreidelagerschein wird der Stempelskala wie der Wechsel unterworfen. Bei einer kürzeren Laufdauer oder nur einer teilweisen Inanspruchnahme dieser Pfandscheine werden diese durch die Höhe der Gebühren und zwar nicht nur durch Wegfall der Aktivzinsen, bei sonstiger Barzahlung bei Verkauf, sondern auch durch die Passivzinsen (Eskompte) und Wechselgebühren so belastet, daß der Landwirt, der davon Gebrauch macht, eines sicher hat: Erstens eine Reihe von Unannehmlichkeiten, zweitens einen langen bürokratischen Zopf und drittens Gebühren und Auslagen in dreifacher Form: nämlich Aktivzinsen bei Barverkauf, Passivzinsen als Diskont, eventuell Lagerhausgebühren, wenn er den Pfandschein zurückzieht und das Getreide auf das Lagerhaus überträgt und die nicht unbeträchtlichen Gebühren nach der Wechselskala.
Eines aber ist im ganzen Entwurf nicht positiv ausgedrückt und darauf scheint es mir hauptsächlich anzukommen. Denn der § 13 sagt - und das ist meines Erachtens nach das Grundlegende - daß die Èechoslovakische Nationalbank ber echtigt ist Getreidescheine unter den gleichen Bedingungen zu eskomptieren usw., wie sie einen Handelswechsel eskomptieren kann. Hier fehlt der Zusatz: Sie ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Denn wer soll heute bei den angespannten Verhältnissen in privaten Banken, bei landwirtschaftlichen Kassen diese Warrants oder Pfandscheine eskomptieren, d. h. bevorschussen, wenn nicht hinter diesen Instituten der landwirtschaftlichen Kassen ein anderes Institut steht, das in erster Linie wieder diese Institute bevorschussen muß? Nach dieser Fassung ist die Nationalbank nur berechtigt, aber nicht verpflichtet. Wenn infolgedessen die Nationalbank aus irgendeiner Begründung sagt: "Ich kann für diesen Monat keinen Warrants bevorschussen", können die Bezirksvorschußkassen es nicht, die Sparkassen und auch die Banken nicht und der Effekt der ganzen Erscheinung bleibt vorläufig nur bei Gericht registriert und der Kreisslauf schließt sich nicht, da beim eventuellen Versuch, auf Umwegen zum Ziel zu kommen, die nicht unbeträchtlich ausgesetzten Strafen abschrecken müssen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine Sa che hinweisen, ohne viel Worte dar über zu verlieren, nämlich auf die Agonie der Londoner Wirtschaftskonferenz. Es scheint mir im Gegensatz hiezu notwendiger zu sein, wenn ich neuerdings auf die von mir in diesem Hause schon oft und oft erwähnte Wirtschaftsbelehrung auf anderem Wege hinweise. Meines Erachtens nach hat die Weltwirtschaftskonferenz London als Konferenzort schlecht gewählt. Sie werden vielleicht sagen, ich spreche da vermessen. Ich hätte der Wirtschaftskonferenz empfohlen, in ein anderes Land, nach Österreich, nach Wörgl zu gehen, dort in der Natur ein neues Wirtschaftsprinzip zu studieren und möchte es auch von hier aus allen empfehlen, nicht nur den Referenten der Landwirtschaft, sondern auch den Experten aus anderen Resorts und nicht zuletzt dem Herrn Finanzminister. Meines Erachtens wäre der richtige Platz für die Weltwirtschaftskonferenz der kleine Ort Wörgl in Tirol gewesen. Was sich im Laufe der letzten Monate in Wörgl abgespielt hat, hat alle Staaten, alle Wirtschaftsführer aufhorchen lassen, und sollte vor allem auch unsere maßgebenden Faktoren der Finanzverwaltung, der Nationalbank und des Wirtschaftsministeriums ermutigen, einmal den Versuch zu machen, sich an Ort und Stelle davon zu überzeugen. Das, was durch Jahre von mir hier vorgetragen wurde, und das was als Utopie immer zurückgewiesen worden ist, ist in Wörgl zur Tat geworden, nachdem es schon vorher in Schwankirchen in Thü ringen und anderen Orten in die Tat umgesetzt worden ist, aber durch Engherzigkeit und Kurzsichtigkeit der Regierung Brünnings wieder vom Boden weggestampft wurde.
Die Gemeinde Wörgl hat am 5. Juli 1932 unter dem Namen "Arbeitsscheine" zur Selbsthilfe gegriffen, der diesen Marktflecken mit 4.000 Einwohnern den vorigen Winter glatt überdauern ließ. Unter der Führung seines tatkräftigen Bürgermeisters wurden neben dem Gelde der Nationabank Arbeitss heine eingeführt, Anweisungen, die an die Arbeiter der Gemeinde allwöchentlich zur Auszahlung kamen und nach dem Prinzip der Freiwirtschaft so ausgestattet waren, daß sie allmonatlich durch Zukleben einer Marke von 1% des Nominalwertes auf gleicher Höhe erhalten werden mußten. Ich bitte hauptsächlich die èechischen Kollegen sich mit dieser Frage zu befassen. Ich mache aufmerksam, daß ich hier im Parlament von einer Reihe junger Leute aus Ihren Kreisen aufgesucht wurde und mit ihnen, Parteianhängern aller Ihrer Richtungen, manche Viertelstunde in der Hovorna über diese Frage gesprochen habe. Ich möchte also heute darauf aufmerksam machen und das Wörgler Beispiel empfehlen. Die Gemeinde Wörgl hat auch einen Prospekt herausgegeben, es ist das die Schrift des "Aufwärtsverlages Wörgl", Nr. 1 von Dr. Sonderegger: "Die Rettung Österreichs. Das Wörgler Beispiel", in welchem die Entwicklung des Beispiels Wörgl seine Befreiung aus Wirtschaftsnot geschildert wird, in welchem aber auch wieder zum Augenschein kommt, daß die Übermächte des Finanzkal pitals - es ist das in der Schrift nicht gesagt, aber ich weiß es aus positiver Quelle - im Wege der Goldwährungsanhänger auf die österreichische Nationalbank einen Druck ausgeübt haben, der dazu führte, daß im Feber d. J. die Aktion eingestellt wurde.
Ich will einige wenige Daten aus dem Prospekt vorbringen: am 5. Juli vorigen Jahres wurde die Ausgabe der Arbeitsscheine beschlossen und bereits am 11. Juli über einstimmigen Beschluß der Gemeinderäte und Gemeindevertreter mit der Ausgabe begonnen. Ich möchte das unterstreichen, seit die Arbeitsscheine sind, gibt es in Wörgl keine Parteien im Sinne des gegenseitigen Kampfes mehr. Seit diese Arbeitsscheine sind, gibt es in Wörgl nur eine Partei die von der Finanznot sich befreiende Gemeinde. Da wirken der sozialdemokratische Bürgermeister und neben ihm noch die christlichsozialen und Hakenkrkreuzler-Stadträte und Vertreter aller Schichten. Sie arbeiten alle einmütig zusamen, kennen keine Parteipolitik mehr, hab en nur ein Programm Wörgl aus der Schlamastik herauszubringen. Wie es vordem war, ist sschon in Zeitungen zu lesen gewesen. Die Gemeinde hatte große Steuerschulden an das Land, an den Bezirk und an den Staat, leere Kassen, gegen 500 Arbeitslose, die täglich auf das Gemeindeamt um Arbeit und Brot kamen. Der Winter 1932 hat diese Dinge vollständig geändert. Die Bürgerschaft hat sich zusammengetan, ein Treuhänderkomitee eingesetzt und dieses hat Arbeitsscheine ausgegeben. Bei einer Einwohnerzahl von 4.000 Seelen wurden für 12.600 Schilling Arbeitsscheine ausgegeben. Im Laufe des Winters, also bis Dezember, hat die Gemeinde damit - Sie müssen bedenken, daß die Steuerb asis der Gemeinde 6.000 Schilling im Jahre ausmacht - Notstandsarbeiten und Reparaturen an verschiedenen Brücken und Wegen durchgeführt in der respektabeln Höhe von über 100.000 Schilling. Man hat die Gemeindeschulden abgetragen. Ein Voranschlag ist im Juli nicht aufzustellen gewesen. Auf Grund der Arbeitsscheine ist das Budget im Laufe des Jahres so verbessert worden, daß am Schluß des Jahres das Defizit für 1932 in ein Aktivum umgewandelt wurde. Es wurden über 79.000 Schilling an rückständigen Steuern eingebracht bei einer Steuerbasis von 6.000 Schilling, so daß die zurückliegenden Steuern mit Hilfe der Arbeitsscheine der Gemeinde zugeführt wurden, welche ihre rückständigen Schulden an Bezirk, Land und Staat wieder zahlen konnte, so daß, wie bereits gesagt, das Ergebnis am Ende des Jahres ein Aktiv-Voranschlag gegenüber dem bisherigen Passivum war. Wörgl hat Sensation gemacht und diese Arbeitsscheine sind heute ein Instrument, das mit dem Arbeiter den Handwerker und den Bauer wieder flott gemacht hat. Sie müssen die Schilderungen des Bürgermeisters lesen, wie sich der Kreislauf dort vollzogen hat und das, was die Pfandscheine nach der vorliegenden Vorlage bewirken sollen, das faulliegende Geld auf die Beine zu bringen, es ins Laufen zu bringen. Das hat Wörgl erreicht. Daran ist es gesundet. Aber die internationale Hochfinanz hat ja kein Interesse daran: Wörgl kommt aus der Zinsknechtschaft heraus, ein großes Stück hat es schon absolviert, aber wie erwähnt, die Goldwährungsanhänger haben kein Interesse daran, im Gegenteil, die Selbsthilfe macht sie überflüssig. Darum mußte die Regierung in Österreich das Experiment einstellen. Der Bezirkshauptmann in Kufstein war sehr einsichtsv oll - er sah die Arbeiten im Vertreterkomitee mit Interesse vorwärts schreiten - er hat dem Auftrag der Regierung nicht sofort Rechnug getragen, sondern die Sache weiterlaufen lassen bis ein positives Ergebnis vor aller Welt sichtbar war. Nicht weniger als 22 oder 25 Delegierte amerikanischer Städte sind nach Wörgl gefahren, wenn ich Zeit gehabt hätte, wäre ich auch schon heruntergefahren. Aber ich weiß die Richtigkeit der Theorie, ich kenne die Richtigkeit des Zieles und des Weges. Ich halte es gerade heute als eine sittliche Pflicht erneut auf dieses Prinzip aufmerksam zu machen. Die Londoner Konferenz liegt in den letzten Zügen, ist bei der Vertagung angelangt. Sie können den heurigen Winter nicht vertragen, die Not nicht vertragen. Die Gemeinden sind schon zusammengebrochen, viele Sparkassen stehen vor einem Moratorium oder haben es schon. Die kleinen Landwirte können nicht weiter, die Bauern können nicht zahlen, die Handwerker und Industrie sind zusamm engebrochen. Warum? Weil seit 3 Jahren das Geld immer mehr zum Stillstand kommt und irgendwo gehortet ist - ob aus Angst, Mißtrauen oder Vorsicht, ist nebensächlich - es zirkuliert nicht. Darum gehört das Geld heraus, wie ein Eisenbahnwaggon gehört es besteuert zu werden, sonst verschwinden ja die Eisenbahnwaggons von der Strecke. Und dieses Prinzip nach Silvio Gesell haben Wörgl, Schwankirchen und Thüringen u. a. O. bereits in die Tat umgesetzt, und zwar mit besten Erfolg.
Ich stelle mir Folgendes vor: Der Zeichnungserfolg der Arbeitsanleihe - ich habe mich positiv zu ihr ausgesprochen - wird da und dort zu einer Erleichterung führen, aber zu keiner generellen Aufrollung und Auflockerung des ganzen Prinzips. Wir haben angeblich einen Umlauf von 6 Milliarden, aber ich bin sicher, daß Zweidrittel irgendwo liegen und nicht arbeiten, nicht rollen, nicht tauschen. Sie müssen endlich dazu kommen, entweder sich selbst zu helfen und dem von mir wiederholt eingebrachten Antrag auf Schaffung eines Währungsamtes hier im Staat nachkommen, wen Sie den Staat aus der Krise retten und die Bevölkerung aus der Not herausführen wollen. Oder Sie müssen wenigstens den Gemeinden erlauben, ihrerseits das Beispiel von Wörgl aufzugreifen und die Revolution im künftigen Winter zu verhindern. - Wörglgeld hilft jedenfalls mehr als alles andere. (Místopøedseda Taub zvoní.)
Der Staat, der zu allererst darnach
greift oder es wenigstens den Gemeinden erlaubt sich selbst zu
helfen, wird der erste sein, der aus der Krise herauskommt. Diesen
Appell richte in an Sie. Eingangs meiner Rede habe ich mich zu
diesem Gesetz über die Warrants positiv eingestellt und im Namen
meines Klubs die Erklärung abgegeben, daß wir für die Vorlage
stimmen. Ich erinnere daran, daß wir schwere Bedenken wegen der
Umständlichkeit des bürokratischen, notariellen, gerichtlichen
und politischen Exekutions-Verfahrens haben, das damit zus ammenhängt.
Das steht im Gegensatz zu der Selbststeuerung und allgemeinen
Hilfe der Landwirtschaft mit Hilfe dieser Wörgler Arbeitsscheine.
Sie müssen soviel Interesse aufbringen, daß Sie, wie ich früher
gesagt habe und jezt unterstreiche, diese neuen Erscheinungen
an Ort und Stelle studieren oder wenigstens sich dem Studium dieser
Broschüre unterziehen und sich von der Richtigkeit meiner Anschauungen
überzeugen. Das soll der Zweck meiner Ausführungen sein. (Potlesk.)
Hohes Haus! Ich begrüße das vorliegende Gesetz über die Verlängerung der Zeichnungsfrist der Arbeitsanleihe zu gunsten derjenigen, welche die Arbeitsanleihe namentlich dazu benützen wollen, um die rückständigen Steuern zu bezahlen. Ich begrüße dieses Gesetz deshalb, weil es ei nmal im Dienste der Arbeitsbeschaffung steht und die Arbeitsbeschaffung heute, wenn nicht das wichtigste, so eines der allerdringlichsten Probleme in der Republik darstellt; ich begrüße es aber auch deshalb, weil es geeignet ist, die Finanzbehörden zu einem Teil von der Last zu befreien, mit der sie nun durch Jahre hindurch überbürdet sind und auch von dem Gesichtspunkte aus, daß gerade diese enorme Arbeit, die von den Finanzbehörden geleistet werden muß, mit großen Kosten verbunden isst. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.) Ich bin der Ansicht, daß unser Steuersystem eigentlich zu kompliziert ist. Diese Komplikationen führen zu außerordentlich hohen Verwaltungsausgaben und dadurch wird eigentlich ein Teil der Steuerzahlungen und der Zahlungen an Abgaben dem eigentlichen Zweck entzogen. Ich glaube, daß wir sowohl bei den direkten als auch bei den indirekten Steuern zu einem einfacheren System werden übergehen müssen, um die Kosten der Steuerverwaltung zu verringern und um auch die Aufgaben der Steuereinnehmer etwas einzuschränken. Heute sind die großen und auch die mittleren Industrieunternehmungen mit Steueraufgaben ungeheuer belastet, sie müssen eigenes Personal halten, um ihren Verpflichtungen der Steuerbehörde gegenüber zu genügen. Vieles von dem wäre zu beseitigen, wenn man gewisse Vereinfachungen im Steuersystem herbeiführen würde, wenn man sich insbesondere bei der Zahlung von indirekten Steuern des Markensystems bedienen würde, welches eine bedeutende Vereinfachung für viele Fälle darstellt.
Was ich aber im vorliegenden Gesetzesvorschlag hauptsächlich vermisse, ist, daß zwei Umständen nichcht genügend Rechnung getragen wird: Auf der einen Seite heißt es, daß für die Zeit, als die Arbeitsanleihe gezeichnet werden kann, die Steuerbehörden angewiesen wurden, alle Gesuche um Steuernachlässe und alle Rekurse wegen Steuernachlässen zur Seite zu legen, so daß sie während dieser Zeit nicht verhandelt werden. Ich habe die Sache heute bereits im Budgetausschuß vorgebracht, der Herr Berichterstatter hat mir aber geantwortet, daß meine Informationen nicht auf Richtigkeit beruhten, sondern daß tatsächlich derartige Rekurse und Gesuche weiter behandelt werden können und weiter behandelt werden. Die Sache ist deshalb außerordentlich wichtig, weil ja bei manchen Steuervorschreibungen derart hohe Summen in Frage kommen, daß sie den 25%igen im Gesetze gewährten Steuernachlaß dem Umfange nach übersteigen. Nun habe ich mich erkundigt, und bin doch dazu gelangt, daß der Herr Berichterstatter Ježek offenbar nicht vollständig informiert ist, sondern daß tatsächlich, wenigstens in einzelnen Bezirken der Republik, die Sache so gehandhabt wird, daß die Finanzbehörden vorderhand die Gesuche um Steuernachlässe und Rekurse wegen Herabsetzung der Steuern unberücksichtigt liegen lassen. Mir wäre sehr daran gelegen, wenn die Finanzverwaltung in dieser Beziehung Klarheit schaffen würde und wenn sie die Bürger darüber aufklären würde, daß die erwähnten Eingaben auch während der Zeit der Zeichnung der Arbeitsanleihe weiterverhandelt werden können. Wird in diesem Sinne vorgegangen, so kann dadurch der Erfolg der Arbeitsanleihe noch vergrößert werden, es können nämlich gerade diese Verhandlungen dazu führen, daß sich Personen bestimmen lassen, die noch weiterbestehende Steuerschuld, soweit sie über das Jahr 1930 nicht hinausgeht, in Arbeitsanleihe zu begleichen, und es kann demnach der Intention des Gesetzgebers nachgeholfen werden.
Ein zweiter Punkt betrifft die Ratenzahlungen von Steuern. Es ist heute dem Steuerzahler schwer, auch diese von ihm verlangten 40% auf einmal aufzubringen. Er bekommt keinen Kredit bei den Banken und Sparkassen. All das ist heute für ihn mit großen Schwierigkeiten verbunden, und er ist nicht imstande, sich das Geld in der Weise zu beschaffen, daß er bei seinen eigenen Schuldnern mit einer Barzahlung rechnen kann. Nichtsdestoweniger würde er von der Erleichterung, die ihm das Gesetz über die Arbeitsanleihe gewährt, gerne Gebrauch machen, wenn es ihm ermöglicht würde, die Summe, die er nach dem Gesetze aufzubringen hat, in Raten zu bezahlen. In dieser Beziehung aber läßt ihn das Gesetz im Stich, indem es von Anfang an einen verhältnismäßig kurzen Endtermin festgesetzt hat. Gewiß bietet der neue Gesetzentwurf mit seiner Prolongationsfrist auch solchen Personen eine gewisse Erleichterung, nichtsdestoweniger glaube ich aber, daß es den Zwecken des Gesetzes nur förderlich sein könnte, wenn die Steuerbehörde sich entschließen würde, auch für den Fall, als jemand die Arbeitsanleihe zeichhnet, ihm Ratenzahlungen zuzugestehen für den in bar resp. in Wertpapieren zu realisierenden Betrag. Dieser Betrag kann der Höhe nach begrenzt werden, ebenso wie die Frist begrenzt werden kann, und zwar doch auch ziemlich enge. Wenn z. B. im Gesetze stünde, daß von dem Recht, daß bei der Zeichnung von Arbeitsanleihe zum Zwecke der Bezahlung rückständiger Steuern bis zum 31. März 1934 in Gestalt von Raten Gebrauch gemacht werden kann, so würde damit vielen Steuerschuldnern geholfen werden und die Finanzbehörde hätte dabei sicherlich nichts zu bedauern.