Wir stimmen für das Gesetz in
der Erwartung, daß die agrarischen Parteien auch in Arbeiterfragen
Entgegenkommen zeigen werden. (Potlesk.)
Hohes Haus! Als Vertreter des Handelsund Gewerbestandes fühle ich mich veranlaßt, zu der in Beratung stehenden Regierungsvorlage, betreffend die zeitliche Regelung des Exekutionsvollzuges gegen Landwirte, Stellung zu nehmen. Nach dem Wortlaut dieser Vorlage darf in Exekutionsangelegenheiten, welche gegen Landwirte auf Grund eines in der Zeit vom Wirksamkeitsbeginn dieses Gesetzes an bis zum 31. Dezember 1933 gestellten Antrages eingeleitet werden, der Verkauf, bezw. die Feilbietung erst nach dem 31. Dezember 1933 durchgeführt werden. Ferner hat in Exekutionsangelegenheiten gegen Landwirte, die bereits eingeleitet waren, das Gericht, bezw. die Behörde den Verkauf oder die Feilbietung beweglicher oder unbeweglicher Sachen auf Antrag des Schuldners auf einen Zeitpunkt nach dem 31. Dezember 1933 zu verschieben.
Dieser Entwurf ist ein ausgesprochenes Ausnahmsgesetz, den die Landwirtschaft auf Grund ihres politischen Einflusses durchzudrücken in der Lage war. Wir sind der Anschauung, daß außerordentliche Verhältnisse, wie die jetzige Wirtschaftskrise, auch außerordentliche Maßnahmen erfordern, um nie wieder gutzumachenden Schäden an der Volkswirtschaft vorzubeugen. Uns Gewerbeund Handelstreibenden, die wir in engster Fühlungnahme mit der Landwirtschaft stehen, ist die schwere Notlage dieses Standes wohl bekannt. Wir sehen auch die Notwendigkeit ein, der Landwirtschaft Schutz und Hilfe zu gewähren. Ob allerdings dieses Gesetz allein geeignet sein wird, dieser Notlage abzuhelfen, ist jedoch zu bezweifeln. Daß durch diesen Entwurf die Steuerexekutionen gegen die Landwirtschaft bis nach Neujahr 1934 aufgeschoben werden, ist zweifellos eine wesentliche Erleichterung.
Wir dürfen aber die Folgen nicht übersehen, die dieses Gesetz nicht nur für die Geldanstalten, sondern auch für die übrigen Gläubiger der Landwirtschaft nach sich ziehen wird. Daher müssen wir auch feststellen, daß der Handels- und Gewerbestand, der ja zum Großteil auch als Gläubiger für Warenlieferungen und Arbeitsleistungen an Landwirte in Betracht kommt, von diesem Gesetz stark betroffen werden wird. Denn nicht nur daß die Forderungen, auf welche bereits ein Exekutionstitel erwirkt wurde, bis 31. Dezember dieses Jahres uneinbringlich bleiben werden, kann man sich, psychologisch genommen, nicht der Tatsache verschließen, daß auch die Zahlungswilligkeit für Forderungen, welche nicht eingeklagt wurden, nachlassen wird. Durch diesen Umstand steht außer Zweifel, daß auch die schwere wirtschaftliche Notlage des Handels- und Gewerbestandes eine weitere Verschärfung erfahren muß.
Da wir jedoch von dem Grundsatze ausgehen "Leben und leben lassen", werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung unter der Voraussetzung nicht versagen können, wenn die gleichen Schutzmaßnahmhmen auch dem Handels- und Gewerbestande eingeräumt werden.
Wir erwarten daher, daß das Parlament auch unseren bezüglichen Abänderungsantrag, nach welchem der Exekutionsaufschub auch auf den Gewerbe- und Handelsstand ausgedehnt werden soll, annehmen wird. Denn es ist heute leider eine offensichtliche Tatsache, daß auch Gewerbe und Handel von der gleichen Notlage betroffen ist, unter der Last der Schulden, Steuern und Abgaben zusammenzubrechen droht und daher einen harten Kampf um die Erhaltung der Existenz führt. Der größte Teil der Handels- und Gewerbetreibenden weiß heute nicht, wo die Mittel herzunehmen, um neben den laufenden Betriebsausgaben das nackte Leben zu erhalten. Herzerschütternd sind die Berichte, die aus allen Teilen des sudetendeutschen Gebietes, insbesonders aus den Randgebieten über die furchtbare Not der kleinen Gewerbetreibenden eingehen.
Von jeglicher staatlicher Fürsorge ausgenommen, haben diese kleinen Leute für sich und ihre Familie oft nicht das Notwendigste zum Leben. Ja, es geht schon so weit, daß viele Handwerker nach einem Leben hharter Arbeit ihren Unterhalt durch Almosen fristen müssen. Wiewohl diese traurigen Tatsachen den Behörden kein Geheimnis sein können, fanden bisher alle unsere diesbezüglichen Einschreiten auf Schutzmaßnahmen für Gewerbe und Handel nur taube Ohren. Die Regierung ist bis nun leider nicht zu bewegen gewesen, auch nur das geringste zur Erhaltung des gewerblichen Mittelstandes zu unternehmen. Im Gegenteil; die Regierung hat nur neue Steuern und Abgaben auf die Schultern des Handels- und Gewerbestandes aufgelastet. Mit einer nicht mehr zu überbietenden Rücksichtslosigkeit und Härte werden die Steuern oft durch Verkauf der letzten Habe eingetrieben.
Der Steuerexekutor ist bei vielen Kleingewerbetreibenden heute öfter zu sehen als zahlende Kunden. Die Steuerbehörden kennen leider kein Einsehen, Ansuchen um Steuererleichterungen werden rücksichtslos abgewiesen. Diese furchtbaren Zustände schreien nach Abhilfe, wenn nicht ein Großteil der kleinen Handwerker und Kaufleute um Hab und Gut kommen sollen.
D er Regierung erwächst daher die Pflicht, endlich auch einmal für die Erhaltung und Stärkung des Gewerbe- und Handelsstandes entsprechende Vorsorge zu treffen. Wir wissen wohl, daß wir vom Staate nur in einem beschränkten Maße Hilfe erwarten können, aber selbst dort, wo dies möglich ist, hat diese Hilfe bis heute versagt.
Wir fordern daher vor allen Dingen in nächster Zeit ausreichende Kredithilfe für Gewerbe und Handel, wozu in erster Linie die Sozialversicherungs-Anstalten beizutragen hätten. Es geht nicht an, daß die Kapitalien der Sozialversicherungs-Anstalten, die ja zum größten Teil aus Beiträgen des Gewerbestandes stammen, einzig und allein in die Staatskasse fließen. Ferner muß ich ganz besonders gegen die Ausschaltung der selbständigen Gewerbetreibenden bei der Vergebung der Brotlieferungen für Arbeitslose protestieren, die über Weisung des Ministeriums für soziale Fürsorge zumeist den Konsumgenossenschaften zugeschanzt wurden.
Dieses geradezu skandalöse Vorgehen ist daher ehestens abzusstellen, denn " Gleiches Recht für alle".
Desgleichen stellen wir nachdrücklichst folgende Forderungen:
1. Äußerste Rücksichtnahme bei Veranlagung und Eintreibung der Steuern, wohlwollende Erledigung der Steuerabschreibungs- und Stundungsgesuche.
2. Einbeziehung der erwerbslosen und bedürftigen Kleingewerbetreibenden in die Notstands- und Ernährungsaktion.
3. Gleichstellung der Konsumgenossenschaften hinsichtlich der Besteuerung mit den Einzelunternehmern und Einstellung der staatlichen Begünstigung dieser Konsumvereine.
4. Zuteilung entsprechender Beträge aus der Arbeitsanleihe für öffentliche Arbeiten im deutschen Gebiete.
5. Strenge Maßnahmen gegen das Pfuscherunwesen unter gleichzeitiger Bestrafung der Auftraggeber.
6. Einstellung der Einheitspreisgeschäfte und eheste Pauschalierung der Umsatzsteuer, insbesondere bei Textilien.
Wir fordern nichts unmögliches, wir fordern nur das Recht zum Leben.
Eine Regi erung, die diese Mindestforderungen
eines für den Staat so wichtigen Faktors, wie es der Handels-
und Gewerbestand ist, gefliessentlich weiterhin außeracht läßt
und damit zur Vernichtung dieses Standes beiträgt, hat das Recht
verwirkt, sich als demokratisch zu bezeichnen, und kann daher
eine positive Einstellung zu einem solchen Regime nicht erwarten.
(Potlesk.)
Hohes Haus! Ehe der vorliegende Gesetzenwurf noch Gesetzeskraft erlangt hat, hören wir schon auf allen Seiten das Geschrei anheben: "Wieder ein Präsent an die Landwirtschaft, schon wieder haben die Landwirte einen Erfolg errungen." Ja, es ist einer der vielen Erfolge, die uns die vielen Landwirtefreunde so gerne gönnen, da selbe von vornherein nur von geringster Wirkung sein können oder so spät Gesetz werden, daß der Zweck des Gesetzes bereits überholt ist. Heute wird wieder viel zum Fenster hinausgeredet werden, insb esondere von Parteien, die bei der Behandlung lebenswichtiger landwirtschaftlicher Fragen versagt haben. Heute werden wieder Agitationsreden gehalten und Abänderungsanträge, bezw. Verbesserungsanträge gestellt werden. Gilt es doch eine landwirtschaftliche Vorlage zum Gesetz zu erheben, die nur problematischen Wert hat.
D er Regierungsantrag Druck Nr. 2228 sieht den Exekutionsaufschub bei den Landwirten bis nach dem 31. Dezember 1933 vor. Dies soll schon wieder ein Erfolg für den Landwirten sein? Von Erfolg ist hier keine Spur. Es wird dadurch lediglich eine Zeitspanne gewonnen, in welcher die so unendlich schwer herauszuarbeitenden wirklichen Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft geschaffen werden sollen. Da werden nun die vielen Landwirtefreunde Gelegenheit haben, ihre Freundschaft für den Landwirt zu beweisen und die vielen Versprechungen von der Wahlzeit her endlich einmal auch zu verwirklichen. Dieser Exekutionsaufschub ma cht lediglich dem Raubzug ein Ende, den ein paar Bestien in Menschengestalt gegen die um ihre Existenz ringende Landwirtschaft unternahmen.
Ich will nicht neuerlich auf all die Verbrechen hinverweisen, die geduldet, von den Steuerbehörden an der Landwirtschaft begangen worden sind. Mutwillen war es, der Steuerforderungen eintreiben ließ, wenngleich Forderungen des betreffenden Exekutierten an den Staat vorlagen und als Ersatz angeboten wurden. Landwirte, die sonst immer den Steuerausgleich durchführten, wurden exekutiv belangt, wenn sie lediglich 1/4 Jahr über den Termin hinaus Steuerreste auszuweisen hatten. Dabei wurden auch Exekutionen geführt gegen Steuerreste, die noch im Rekursverfahren anhängig gemacht waren, sodaß es noch gar nicht sicher war, ob dieser Steuerrest tatsächlich besteht. Bei dem kleinen und mittleren Landwirte wurde jede Steuersumme mit einer derartigen Härte eingetrieben, daß auf Seite dieser Gruppe von Steuerträgern von den großen, dem Staat heute fehlenden Steuerforderungen sicherlich nicht gesprochen werden kann. Protektionistische Steuereintreibung allein war es, die es ermöglichte, daß der Staat immer Steuerreste von über 5 Milliarden Kauszuweisen vermochte, die man versäumt hat zur Zeit der Konjunktur entsprechend einzutreiben, die dann später womöglich infolge der Konjunktursenkung bei Minderertrag der Unternehmungen durch Abschreibungen ve rmindert wurden und auf die Art den betreffenden Steuergemeinden in ihrer Geldgebarung noch ungeheure Schädigungen und Erschwerungen erwuchsen.
Dem Wucher, der bei solchen Exekutionen Platz griff, traute sich keine Behörde an den Leib zu rücken, trotzdem in tausenden von Fällen erwiesen wurde, daß hier Bereicherungen vorkamen, die tausende und abertausende von Prozenten erreichten im Verhältnis zu dem, was der exekutierte Landwirt für sein oft zur Weiterführung der Landwirtschaft notwendiges lebendes oder totes Inventar bekam.
Diesem Unfug wird nun gesteuert und bleibt angeblich der Landwirt bis 31. Dezember ohne Sorge, da während dieser Zeit die entsprechenden Rettungsmaßnahmen getroffen werden sollen. Als einen Anfang der ganzen Sicherungen können wir diese Vorlage wohl ansehen, doch muß ich die dringendste Mahnung erheben, die übrigen Maßnahmen sofort folgen zu lassen, wenn nicht das erschütterte Vertrauen der Massen von Landwirten zur Regierung vollständig schwinden soll. In 6 bis 8 Wochen stehen wir vor der neuen Ernte und ist die Preisbildung der landwirtschaftlichen Produkte verworrener denn je. Es muß endlich eine Preisangleichung zwichen unseren und den übrigen Produkten, zwischen unseren Produkten- und den Konsumentenpreisen hergestellt werden. Niemals darf es jedoch geschehen, daß diese Angleichung durch Herabsetzung sämtlicher Produktenpreise auf das Niveau unser Produkte versucht wird, im Gegenteil, es muß eine Preisangleichung derart durchgeführt werden, daß unsere Preise erhöht und den Preisen der übrigen Produkte, bezw. den Konsumentenpreisen angeglichen werden. Es muß endlich die Regierung den Mut aufbringen, dem hohen Zwischengewinn der wenigen tausend Menschen, die zwischen dem Produzenten und Konsumenten womöglich nur durch Herumschieben von ein par Zahlen in den Büchern Riesengewinne heute noch einstecken, ein Ende zu machen. Es geht nicht an, daß sich heute noch Erwerbsgruppen finden, die von dem gewohnten Gewinn unter keiner Bedingung nachlassen wollen, trotzdem ein Gewinn in den weitesten Schichten der sonst erwerbenden Kreise nicht mehr auszuweisen ist. Dies ist wohl das Hauptproblem und hier muß meines Erachtens nach die Aktion zur Stützung der Landwirtschaft einsetzen, wenn überhaupt daran gedacht werden soll, Landwirte vor der Verzweiflung zu bewahren und eine Verzinsung bezw. Tilgung der Schulden der Landwirtschaft in Aussicht zu nehmen.
Ich verweise bei dieser Gelegenheit auf die Stützungsmaßnahmen in Deutschland in der Milchfrage. Dort wurde der Konsument auf seine Pflicht aufmerksam gemacht, selbst auf die Gefahr hin, Opfer bringen zu müssen, der Landwirtschaft in ihrer Not beispringen zu müssen, wenn überhaupt an eine beginnende Gesundung der Wirtschaft im allgemeinen gedacht werden soll. 268 Millionen Mark wurden der reichsdeutschen Landwirtschaft schon dadurch zugeführt, daß der Liter Milch um einen Pfennig erhöht wurde. Was geschieht bei uns? Heute finden sich noch Bezirkshauptleute, angespornt und getrieben von verschiedenen Konsumkreisen, bereit, den ohnehin schon geradezu trostlosen Milchpreis, der vielfach nur schon 70 bis 80 h beim Produzenten erreicht, noch weiterhin herabzusetzen. Noch immer wird geduldet, daß dieser Preisverfall durch weitere Duldung und Förderung der Margarine-Kunstfett-Einfuhr und Kunstbutter-Erzeugung im Inland weiterhin gefördert wird und der Absatz heimischer Buttervorräte schi er unmöglich gemacht wird. In seiner Not und Verzweiflung wird nun auch noch der Landwirt selbst zum Schädiger an sich selbst. Um nur Geld zu schaffen, mit welchem die dringendsten Notwendigkeiten bezahlt werden sollen, liefert der Landwirt jeden letzten Liter Milch an die Molkerei ab oder verkauft ihn auf sonst mögliche Weise, verwendet jedoch zu seinem eigenen Schaden selbst dann in seinem Haushalt künstliche Fette und fördert dadurch die gegen die Landwirtschaft gerichtete Aktion. Wie schauts auf den andere Gebieten aus? Mit Entsetzen müssen wir hören, daß in den verschiedenen Syndikaten die Handelsund Konsumentenkreise derart stark sind, daß sie noch Einfuh rmengen erzwingen, trotzdem auf dem betreffenden Gebiet im Inland Überschüsse ausgewiesen werden. So hörte ich, daß ein Maikontingent für Vieheinfuhr und Schweineeinfuhr festgelegt sein soll, das aufgebaut ist auf den Einfuhrzahlen aus den egalen Monaten der Jahre 31 und 32. Wo bleiben da die Vertreter der Landwirtschaft? Mit allem möglichen Druck wurde verhindert, daß wir von deutscher Seite energischeste Verfechter der Landwirtschaft hinein entsendeten und nun hören wir, daß die landwirtschaftliche Gruppe in den Syndikaten dem Druck der übrigen dort vertretenen Kreise nicht gewachsen ist. Ich fordere deshalb namens der deutschen Landwirtschaft sofort die Auswechselung dieser Personen, da ja doch jedem Schulkind heute schon klar sein muß, daß bei dem ungeheuerlich gesunkenen Fleischkonsum und der unterdessen gesteigerten Vieh-, und Schweineproduktion im Inland derartige Vergleichszahlen niemals zur Unterlage von Verhandlungen im Jahre 1933 genommen werden können. (Sehr richtig!) Wie soll bei einer weiteren Duldung des Preisverfalles der Landwirt daran denken, nebst seinen sonstigen Verpflichtungen und Leistungen auch noch die Verzinsung und Tilgung seiner Schulden wahrzunehmen? Die bisher durchgeführte Zinsfußsenkung kommt für die Darlehensnehmer und Schuldner unter den Landwirten nicht in Betracht, da sie sich bei den ländlichen Volksgeldanstalten gar nicht oder nur zu einem verschwindenden Bruchteil eines Prozentes auswirkt.
Nun kommt noch eine neuerliche Belastungsfrage des Landwirtes zur Bereinigung! Vor wenigen Wochen wurde die Zeichnung der Arbeitsanleihe aufgelegt und darin dem Steuerschuldner im Zeichnungsfalle eine 25 % ige Ermäßigung seiner Steuerrückstände bis einschließlich des Jahres 1930 zugestanden, wenn er in der Zeit vom 24. März, d. i. vom Tage der Wirksamkeit des Gesetzes, bis zur Beendigung der Zeichnungsfrist, also bis 15. Mai die im § 7 angeführten Voraussetzungen erfüllt. Zu diesen Voraussetzungen gehört, daß er in dieser Frist die verbleibender 75 % der Steuern zur Hälfte bar und zur Hälfte in früheren Staatsanleihen bezahlt. Diese Bestimmung ist für die Landwirtschaft außerordentlich ungünstig und macht es heute jedem Landwirt unmöglich, diese gelegentlich der Auflegung der Arbeitsanleihe gegebene Begünstigung für die Begleichung der Steuerrückstände in Anspruch zu nehmen, da heute jeder Landwirt ohne Bargeld dasteht. Und wenn er selbst allenfalls vorhandene Einlagen in Kassen beheben wollte, oder um zeichnen zu können ein Darlehen aufnehmen will, werden diese Möglichkeiten dadurch unmöglich gemacht, daß überhaupt kein Bargeld zur Verfügung steht, um diesen Wünschen des betreffenden, noch in den glücklichen Verhältnissen lebebenden Landwirtes Rechnung tragen zu können. Die Zeichnung der Arbeitsanleihe ist für den deutschen Landwirt ohnehin schwerer gemacht durch die Verhältnisse, die er seit dem Umsturze in diesem Staate über sich ergehen lassen mußte. Dem deutschen Landwirt wurde jeder Heller Steuerschuldigkeit seit dem Umsturz eingetrieben, und war der Exekutor fort schon ungern gesehener Gast in den deutschen Dörfern. Die Vermögensabgabe wurde mit außerstem Druck eingetrieben, die gesetzlichen Abschreibungen sind vielfach bis heute nicht durchgeführt. Auf èechischer Seite fand sich der Steuerexekutor erst seit ca. 2 Jahren ein. Schon daraus möge ersehen werden, daß die Mögli chkeiten einer Zeichnung verschiedene sind, daß aber für den gegenwärtigen Ausgenblick eine Zeichnung überhaupt ausgeschlossen ist und gebe ich daher der Regierung zu erwägen, auch dem deutschen Landwirt die Zeichnung und die damit verbundene Wohltat der 25 % igen Verminderung der Steuerrückstände durch eine Verlängerung der Zeichnungsfrist bis in den Spätherbst zu ermöglichen. Den Herrn Finanzminister erlaube ich mir bei dieser Gelegenheit aufmerksam zu machen, daß die Steuerbehörden schon wieder daran sind, die Moral dadurch zu heben, daß sie selbst zu möglichst unmoralischen Mitteln greifen. Landwirte mit ausgewiesenen Steuerresten erhalten die Aufforderung, binnen 8 Tagen zur Zeichnung der Arbeitsanleihe Stellung zu nehmen und die Höhe des gezeichneten Betrages der Steuerbehörde auszuweisen, ansonsten gegen sie die Exekution verhängt wird. Will nun der Finanzminister Steuermoral beim Steuerträger erreichen, dann muß wohl diese geforderte Moral auch bei den Steuerbehörden Einzug halten. Und soll nun auch der Landwirt, auch der kleinste, mithelfen, dem Staatssäckel die Mittel zur Verfügung zu stellen, um an den Versuch der Besserung der verfahrenen Verhältnisse auch nur denken zu können, so dürfen doch nicht derartige unmoralische Mittel in Anwendung gebracht werden, da sie das Gegenteil von dem Gewünschten hervorrufen.
Der vorliegende Gesetzesentwurf soll für uns nur das Zeichen sein, daß die Regierung mit ernstestem Willen an die Lösung der landwirtschaftlichen Stützungsfragen herantritt, daß die in Vorbereitung befindlichen Regierungsvorlagen betreffend weitere Zinsfußsenkung, die Kreditbeschaffung und die Preisangleichung durch die Ausschaltung der Spanne zwischen dem Einkauf und Verkauf landwirschaflicher Produkte in ehester Zeit vorgelegt und dadurch wirklich der ernste Wille bewiesen wird, dem Landwirte endlich auch das zu geben, was ihm gebührt. Das Treiben in den verschiedenen, landwirtschaftliche Produkte und deren Preisbildung beeinflußenden Körperschaften werden wir auf das Strengste verfolgen und nicht anstehen, mit schärfster Kritik einzusetzen und sofortige Abhilfe zu fordern.
Dem Gesetzesantrage werden wir
selbstverständlich unsere Zustimmung nicht verweigern. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Das in Behandlung stehende Gesetz veranlaßt mich zu einer Stellungnahme, weil ich aus meiner beruflichen Tätigkeit heraus mit dieser Materie vertraut bin und gegen die Auswirkungen dieses Gesetzes eine Anzahl von Bedenken habe. Das Gesetz will einen Aufschub von Exekutionen gegen Landwirte bis Ende des Jahres 1933 herbeiführen. Die Absicht ist, der durch Exekutionen bedrängten Landwirtschaft damit zu helfen und ihr eine gewisse Erleichterung wenigstens über eine Zeit hinaus zu bieten. Es ist eine ziemlich radikale Maßnahme, eigentlich ein Moratorium, und jedes Moratorium hat natürlich seine entsprechenden Härten. Diese Härten wenden sich in erster Linie gegen die unmittelbar betroffenen Stände, die in dauernder Geschäftsverbindung mit der Landwirtschaft sind, also hauptsächlich gegen Handwerker, Gewerbetreibende, Kaufleute, dann vor allem auch gegen die Raiffeisenkassen, landwirtschaftlichen Bezirksvorschußkassen, Sparkassen, gegen Bürgen für verschiedenartige Darlehen u. s. w. Die Hauptabsicht des Gesetzes ist wohl eine Hilfe für die Landwirtschaft herbeizuführen, ohne daß man bedenkt, was für eine unmittelbare Wirkung dieses Gesetz haben wird. Die unmittelbare Wirkung wird eine vollkommene Zerstörung des Kredites für den Landwirt sein. Denn es bedeutet doch nichts anderes als daß der Betreffende, der einem Landwirt etwas borgt, vor Augen hat, daß er überhaupt keine gesetzliche Handhabe hat, um dafür in absehbarer Zeit Bezahlung zu erreichen. Man kann schließlich keinem Stande zumuten, daß er einseitig durch eine solche Maßnahme eine empfindliche Störung seines Geschäftslebens über sich ergehen läßt. Infolgedessen wird die Folgewirk ung nicht nur bei Darlehensbeschaffungen für die Landwirtschaft, sondern auch im täglichen Geschäftsverkehr mit Landwirten die sein, daß er jeden Kredit verliert. Nachdem heute der Mangel an Betriebskapital, an Bargeld bei dem Landwirt doch notorisch ist, bedeutet dies, daß er in kurzer Zeit empfindlich aus den Notwendigkeiten des täglichen Geschäftsverkehres ausgeschaltet sein wird, wenn er nicht mit entsprechenden Vorschüssen arbeiten kann, wenn er nicht im Voraus Zahlungen für irgendwelche Arbeiten leisten kannann, weil die Betreffenden lieber auf Arbeit verzichten werden, wenn sie sehen, daß sie dafür keine Bezahlung erhalten können. Das Gesetz ist infolgedessen ein zweischneidiges Schwert. Man will dem Landwirt jetzt auf der einen Seite helfen, während man auf der anderen Seite ihm die Bewegungsmöglichkeit für seine gesamte Betätigung unterbindet.
Ich würde es für bedeutend besser gehalten haben, wenn mann die Handhabe der Exekutionsordnung einer entsprechenden Korrektur unterzogen hätte, denn heute sind die Steuereintreibungen die Hauptgründe der furchtbaren Bedrängnis der Landwirtschaft, denn der Staat selbst ist der häufigste Gläubiger, der mit Ex ekutionen gegen die Landwirtschaft vorgeht. Die Verschuldung der Landwirtschaft, besonders bezüglich der rückständigen Steuern, ist außerordentlich groß und es sind ungezählte Fälle bekannat, wo seitens der Steuerbehörden in der rücksichtslosesten Weise gegen die Landwirtschaft in allen Fällen von Exekutionen vorgegangen wird. Es kommt oft zu Verschleuderungen der Vermögensgegenstände und es kommt den Landwirten gar nicht überraschend, daß Exekutionsorgane mit bereitstehenden Vieh händlern zusammenarbeiten, um durch die Exekution und durch die verabredete Verschleuderung den Landwirt um die letzte Habe zu bringen.
Im direkten Zusammenhang mit dieser Frage ist die Frage der Behandlung der Abschreibungsgesuche seitens der Landwirtschaft auf Grund des § 76 der Steuernovelle. Dieser Paragraph hatte vorgesehen, daß bei nachgewiesener - Existenzgefährdung den Landwirten ein entsprechender Nachlaß von ihren Steuerschulden zu machen ist. Praktisch haben sich diese Gesuche zu Tausenden und Tausenden hier in Prag bei der Abteilung 21 der Finanzlandesdirektion angehäuft und in den allerseltensten Fällen ist eine Erledigung erfolgt. - Ungezählte Interventionen konnten nicht erreichen, daß diese Gesuche vorwärtsgebracht wurden. Was das Gesetz durch diesen § 76 als Vorteil für die Betreffenden bewilligt hat, hat das Finanzministerium durch seine Verordnungen, oder richtiger gesagt, durch seine internen Weisungen an die Finanzlandesdirektionsabteilung wieder aufgehoben. Es wäre sogar die Frage zu prüfen, ob diese Verordnungen des Finanzministeriums immer mit dem Gesetze in Einklang zu bringen sind. Ich verweise z. B. darauf, daß durch das Finanzministerium angeordnet wurde, daß die Zahlungen solcher rückständigen Steuern, wenn schon Raten bewilligt wurden, nicht länger als auf zwei Jahre in Ratenzahlungen ausgedehnt werden durften. Das bedeutet, daß das Finanzministerium angeordnet hat, daß Gesuche um Steuernachlässe überhaupt nicht im Sinne eines Nachlasses zu behandeln sind, sondern lediglich im Sinne von Ratenbewilligungen. Diese Ratenzahlungen aber hat man wieder auf das Höchstausmaß von zwei Jahren beschränkt, so daß in ungezählten praktischen Fällen Raten in einer Höhe herausgekommen sind, daß sie der praktische Landwirt überhaupt nicht zu leisten vermag.
Nunmehr hat man sich diese Behandlung leicht gemacht. Man hat Existenzgefährdungen durch zwei Gesetze zu vermeiden gesucht. Das eine ist das Gesetz über den Aufschub der Exekutionen und das zweite Gesetz, das einen gewissen innern Zusammenhang damit hat, ist das Gesetz über die Arbeitsanleihe. Die ungezählten tausende von Gesuchen, die sich bei der Finanzlandesdirektion in Prag, Abteilung 21, aufgestappelt haben, wurd en mit einem Schlage durch das Gesetz über die Arbeitsanleihe erledigt, und zwar dahingehend, daß diese Gesuche nicht mehr meritorisch behandelt werden, sondern, daß einfach jeder Gesuchssteller eine Aufforderung zur Zeichnung der Arbeitsanleihe zugesendet erhielt, mit dem Bedeuten, daß ihm im Falle der Zeichnung ein 25 %iger Nachlaß seiner Steuern bewilligt würde. Man vergißt dabei nur, daß Voraussetzung zur Zeichnung der Arbeitsanleihe die ist, daß der Betreffende über entsprechende Barmittel verfügt, um diese Anleihe zeichnen zu können, um dadurch des 25%igen Nachlasses teilhaftig zu werden. Die meisten Landwirte aber kranken gerade an einem absoluten Mangel an Geld und sind nicht in der Lage, sich Darlehen zu verschaffen. Wäre das der Fall, so würden sie schou längst ihre rückständigen Steuern bezahlt haben, weil gerade die Steuerrückstände so hoch verzinst werden, daß es nur zum Schaden des Betreffenden ist, wenn er mit der Bezahlung zögert. Gerade deshalb, weil er sich kein Darlehen beschaffen konnte, sind die Schulden ins Uferlose gewachsen. Nun geht man daran, alle Landwirte, die aus Existenzgefährdung um einen Nachlaß von rückständigen Steuern angesucht haben, einfach zur Zeichnung der Arbeitsanleihe aufzufordern.
Ich frage, was soll geschehen, wenn ein großer Teil der Landwirte einfach nicht in der Lage sein wird, von dieser "Wohltat" des Gesetzes der Arbeitsanleihe Gebrauch zu machen, weil ihm alle Mittel zur Zeichnung und jedenfalls die Mittel der 75 % zur Zahlung fehlen. So werden wir praktisch folgendes Bild erleben: Der Landwirt wird in kurzer Zeit in einer schlechteren Situation sein als die ist, in der er sich heute befindet. Sowie die Zeichnung der Arbeitsanleihe vorüber sein wird, entsteht die Frage, was mit den Schulden derjenigen geschehen soll, die von den Vorteilen des Gesetzes über die Arbeitsanleihe keinen Gebrauch gemacht haben, einfach deshalb nicht, weil sie nicht konnten, weil sie die notwendigen Barmittel nicht zur Verfügung hatten. Wahrscheinlich wird von neuem eine Flut von Nachlaßgesuchen nach Prag an die bekannte Abteilung 21 kommen und diese Abteilung wird vielleicht nach einer Unterbrechung von einem viertel oder einem halben Jahr vor derselben Situation stehen, vor der sie vor kurzer Zeit zu Beginn der Zeichnung der Arbeitsanleihe gestanden ist.