Aber freilich, wenn Deutschland und Italien es nicht vermochten, sich über die Abgrenzung ihrer Interessensphären zu verständigen, so sind sie dennoch durchaus einig in dem Willen, die gesamte internationale Politik unter faszistische Führung zu bringen. Diesem Bestreben ist der Vorschlag Mussolinis auf Schaffung eines Viermächtepaktes entsprungen, der über Europa ein Direktorium der Großmächte aufrichten sollte.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Italien und Deutschland dabei damit rechnen, dieses Direktorium zu beherrschen und damit das Schicksal der internationalen Politik entscheidend bestimmen zu können.
Mit vollem Rechte hat der Herr Außenminister diese Konzeption entschieden abgelehnt, und wir erklären uns mit der Ablehnung des Viermächtepaktes zur Gänze vollkommen einverstanden. (Sehr richtig!) Daraus ergibt sich aber auch zwingend die Notwendigkeit einer selbständigen Politik der kleinen Staaten und wir finden durch die jüngste Entwicklung all das, was wir vor wenigen Wochen im außenpolitischen Ausschuß in diesem Punkte gesagt haben, nur bekräftigt. Mehr als jemals ist es notwendig, zur Abwehr des Faszismus alle Kräfte zusammenzufassen, einer Verwicklung in gefährliche Konflikte entgegenzuwirken.
Wir dürfen dabei auch nicht verkennen, daß der Faszismus die Entwicklung des Völkerbundes zu einem wirksamen Instrument internationaler Zusammenarbeit und wahrer Friedenspolitik aufs schwerste hemmt und gefährdet. Die heutige Machtlosigkeit des Völkerbundes, sein offensichtliches Versagen auf allen Gebieten der internationalen Politik und Wirtschaft ist gar nichts anderes als der Ausdruck dieser Tatsache. Wir finden darin unsere wiederholt ausgesprochene Auffassung wiederum bestätigt, daß nur vom Zusammenwirken der Demokratien die Förderung des Friedens erwartet werden kann. Darum sehen wir heute durch den Sieg des Faszismus die ohnehin geringen Hoffnungen auf ein positives Ergebnis der Abrüstungskonferenz völlig in Frage gestellt. Darum sehen wir, daß die internationale Wirtschaftskonferenz sogar in ihrem Zustandeko mmen gefährdet ist. Welch ein Hohn auf den Namen des Sozialismus, den sich der deutsche Faszismus zur Tarnung seiner dunklen Zwecke angeeignet hat! Aber au ch eine Mahnung an die Arbeiter der ganzen Welt, sich umso fester unter den Fahnen des demokratischen Sozialismus zusammenzuschließen. (Souhlas.) All diese Erscheinungen im Bereich der Völkerbundpolitik legen allen verantwortungsbewußten Faktoren wieder mit aller Eindringlichkeit die Verpflichtung auf, alle Kraft für die Demokratie einzusetzen, um die internationalen Beziehungen in Politik und Wirtschaft nicht völlig vom Faszismus beherrschen zu lassen, um einer künftigen gesamteuropäischen Zusammenarbeit, die nach wie vor unser Ziel bleibt, wenigstens vorzuarbeiten.
Von diesem Gesichtspunkte aus dürfen wir mit Genugtuung unterstreichen, daß der Herr Außenminister mit solcher Deutlichkeit seine Ablehnung des europäischen Direktoriums aus dem Gegensatz des demokratischen und des antidemokratischen Europa begründet. Wir begrüßen sein Bekenntnis zur Demokratie und wir erklären im Namen der deutschen Arbeiterklasse dieses Staates, daß sie zum Schutz und zur Verteidigung der Demokratie bereit ist. (Potlesk.)
Ich weiß, daß wir wegen dieses Bekenntnisses wiederum den Angriffen der Ko mmunisten ausgesetzt sein werden. Ich halte es für nötig, auch nach dieser Richtung einige Worte zu sagen. Die Kommunisten brauchen uns nicht darüber zu belehren, daß die politische Demokratie allein noch lange nicht die Aufhebung des kapitalistischen Wirtrtschaftssystems bedeutet. (Výkøiky.) Die Kommunisten müssen uns nicht auseinandersetzen, daß die politische Demokratie allein die Ansprüche der Arbeiterklasse an die Gesellschaft nicht zu befriedigen vermag. Aber wir haben geglaubt, daß die Kommunisten, wenn sie schon den Wert der Demokratie ein Jahrzehnt lang nicht begriffen haben, wenigstens jetzt aus den Folgen der Zerstörung der Demokratie die notwendige Belehrung empfangen hätten. Wir hätten erwartet, daß sie aus den Erfahrungen der letzten Zeit endlich verstehen lernen, daß ihr Kampf gegen die Demokratie nicht zur Ersetzung der Demokratie durch die Herrschaft der Arbeiterklasse, sondern zur Niederwerfung der Arbeiterklasse dient. Darum ist die Weigerung der Kommunisten, sich klar und ohne Vorbehalt zur Verteidigung der bedrohten Demokratie zu bekennen, eine unverzeihliche Versündigung an den Lebensinteressen der Arbeiterklasse. (Potlesk.) Die Taktik der Kommunisten, das muß in aller Offenheit ausgesprochen werden, vermag absolut nicht die Politik der Arbeiterklasse in eine schlagkräftige Offensive zu verwandeln, wohl aber vermag sie die proletarische Deffensive, die Abwehrkraft der Arbeiter gegen die politische Reaktion zu lähmen und dadurch dem Faszismus geradezu in die Hände zu spielen.
Schier noch unbegreiflicher als diese Stellungnahme der Kommunisten zum Problem der Demokratie ist die Haltung jener deutschen Parteien in diesem Staate, die mehr oder weniger offen mit dem Faszismus kokettieren, ohne auch nur einen Augenblick zur Besinnung zu kommen, und darüber nachzudenken, was der Faszismus für die nationalen Minderheiten bedeuten würde! Mit vollem Recht hat der Herr Außenminister in seinem Exposé gesagt, daß sich die Freiheit der Minderheiten und das Recht auf ihr freies politisches Leben nur in einem demokratischen Regime wahren läßt. Wir haben uns zu dieser Auffassung immer bekannt, wir haben jederzeit, unbekümmert um den Vorwurf des nationalen Verrates, der uns entgegengeschleudert wurde, für das friedliche Zusammenleben der Völker dieses Staates auf dem Boden dieser Demokratie gewirkt und gekämpft. Wir stehen zu dieser Auffassung auch heute, und heute erst recht. Für eine Politik freilich, die der Vernichtung der Demokratie in Deutschland Beifall klatscht, hier aber alle demokratischen Rechte für sich in Anspruch nimmt, die der Verfolgung und Unterdrückung rassischer und weltanschaulicher Minderheiten im Deutschen Reich begeistert zustimmt, hier aber die Freiheit der nationalen Entwicklung für die Minderheiten in Anspruch nimmt, für eine solche Politik der Unaufrichtigkeit und Doppelzüngigkeit haben wir kein Verständnis. Eine solche Politik dient am allerwenigsten den Interessen der Deutschen in diesem Staate. Darum ist gerade unsere Politik der Verständigung, an der wir konsequent festhalten, der einzige Weg, den die deutsche Bevölkerung dieses Staates gehen kann, wenn sie ihre Interessen richtig versteht. Darum ist auch unsere Politik der innigen Verbundenheit mit dem èechischen Proletariat die wahre und einzig mögliche Politik im Interesse der Arbeiterklasse, aber auch die feste und zuverlässige Stütze der Demokratie und des Staates. (Potlesk.)
Nur so vermögen wir der Welle des Faszismus Einhalt zu gebieten, die politische Freiheit der Arbeiterklasse als Waffe für die Kämpfe der Zukunft, als Instrument ihres Aufstieges zu behaupten. Denn so trüb der Blick in die von der Wirtschaftskrise zerstörte, vom Faszismus politisch verwüstete Welt der Gegenwart ist, so fest und unerschütterlich ist unser Vertrauen in die Kraft der Arbeiterklasse, unser Bewußtsein, daß die ökonomische Entwicklung sich nicht aufhalten läßt, und darum der geschichtlich notwendige Aufstieg der Arbeiterklasse auch durch die Methoden brutalster Gewalt nur vorübergehend gehemmt werden kann. Denn der Faszismus mag die Parteien der Arbeiter unterdrücken, ihre Presse verbieten, ihre Führer mißhandeln, und ins Gefängnis setzen; er vermag mit alledem die Widersprüche der kapitalistischen Wirtschaft nicht aus der Welt zu schaffen, die Krise des Kapitalismus nicht zu überwinden, das Elend, das er über die Welt gebracht hat, nicht zu beseitigen. Er mag den betörten Massen in Fackelzügen, in Rundfunkveranstaltungen, in Judenboykotten, in politischen Tendenzprozessen, noch soviele Fechterspiele bieten: Brot vermag er ihnen nicht zu geben. Und darum muß er scheitern! (Sehr richtig!)
Darum muß auch seine Macht zerbrechen, weil gerade die Herrschaft des Faszismus weite und immer weitere Massen darüber belehren wird, daß nur der proletarische Sozialismus Krise und Not, Krieg und Kriegsgefahr zu überwinden vermag!
Darum läßt sich das Proletariat, das allen Rückschlägen zu trotzen und sie immer wieder zu überwinden vermag, auch durch die Entwicklung der letzten Monate nicht beugen und nicht beirren:
Der Tag des proletarischen Sozialismus
wird kommen! (Potlesk.)
Verehrte Anwesende! Wie allgemein bekannt ist, wurden die Friedensverträge hier im Jahre 1922 parlamentarisch behandelt. Damals war ich hier im Parlamente so frei zu erklären, daß diejenigen, die diese Friedensverträge gemacht haben, alles andere waren, nur keine Staatsmänner. Denn die wichtigste Eigenschaft eines Staatsmannes ist Voraussicht, an der es den Verfassern der Friedensverträge, wie die heutigen Verhältnisse zeigen, außerordentlich gemangelt hat. Natürlich habe ich unter den Verfassern der Friedensverträge auch unseren Außenminister verstanden, was ich, um eventuellen Mißverständnissen vorzubeugen, eigens betonen muß.
Ich hatte mir damals aber auch erlaubt, diese Friedensverträge, die uns der Herr Außenminister als für ewige Zeiten gemacht zur freundlichen Annahme empfahl, als Papierfetzen zu erklären. Hiefür erhielt ich einen Ordnungsruf, doch bin ich trotzdem noch heute am Leben und freue mich bewegten Herzens, daß die Friedensverträge im Sterben liegen. Denn das ist schon kein Leben, das die Verträge heute führen. Sie mußten im Laufe der vierzehn Jahre mehrfach amputiert und operiert werden und wenn die Kurpfuscher die sie schufen, in der Welt nichts mehr zu reden hätten, so wären die Verträge schon tot und in eine andere Welt übergegangen, wo sie dann als Gespenster der künftigen Roßlenker von Staaten ihr papierenes Dasein weiterführen könnten, zur Warnung, wie man Friedensverträge nicht macht.
Heute, wo alles so schön eingetroffen ist, wie ich es mir erlaubte im Jahre 1922 vorauszusagen, schmeichle ich mir nicht, daß ich damit ein hohes Ausmaß an Weisheit und Prophetentum bekundet hätte. Durchaus nicht. Ich habe mir nur die Friedensverträge durchgelesen und fand darin so viel Unvernünftiges und Unnatürliches, daß ich mit meiner Zukunftsformel rasch fertig war. Die Sache war sehr einfach: Nur das hat langen Bestand, was vernünftig und natürlich ist, und so kam ich gerade aus zu meiner Papierfetzentheorie, im Gegensatz zur Ewigkeitstheorie unseres Außenministers.
Ich freue mich außerordentlich, daß der Herr Außenminister wenigstens derzeit - es hat ja genug lange gedauert - mit uns endlich darin übereinstimmt, indem er seinen Zuhörern eigenmündig - ni cht etwa durch einen Sektionschef oder bevollmächtigten Minister - mitgeteilt hat, daß die Friedensverträge nicht ewig sind. Denn er war so freundlich zu sagen, freilich unter Vorbehalten und Bedingungen, daß man ja mit ihm über die Abänderung der Friedensverträge verhandeln könne. Er nannte das mit dem schönen und gütigen Ausdruck "Verständigung". Über Verständigung und Völkerbund läßt er mit sich reden. Druck und Gewalt bedeuten aber den Krieg.
Wäre ich nicht schon lange Jahre Mitglied dieses Parlamentes, so wäre ich beinahe erschrocken, aber wie ich die gute Seele des Herrn Außenministers kenne, weiß ich: er tut nur so, er wird keinen Krieg führen, bestimmt nicht. Er weiß es sehr gut, warum nicht, und er weiß, daß auch ich es weiß.
Was nun die aufgestellten Bedingungen der Verständigung anbelangt, scheint es, daß sie eine Verständigung ausschließen. Aber bei der außerordentlichen Lebenserfahrung des Herrn Ministers ist die Voraussetzung gerechtfertigt, daß die Bedingungen nicht als unabänderlich aufgestellt wurden. Ich möchte 1: 10 wetten: Wenn sich jemand finden würde, der auf Grund der Einladung zur Verständigung verhandeln wollte, dann würde der Herr Minister versichern, daß er es billiger gibt, als sein Preiskourant für die Verständigung die Preise angibt. Mein Gott, was man heute nicht alles tun muß, um ein Geschäft oder ein Staatsgeschäft zu machen! Denn die Verständigung braucht der Herr Minister. Die Hinweise darauf, daß er die Kleine Entente jetzt noch besser zusammengeschmiedet hat, gilt nur für die Furchtsamen. Man muß etwas tun, um die Fi rma, die schon beinahe Zwangsausgleich angesagt hat, zu stützen. Früher war sie eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, jetzt macht man aus ihr eine Aktiengesellschaft. Aber sie ist dadurch nicht besser geworden, denn es ist ihr bisher kein neues Kapital zugeführt worden; aber man hofft das Aktienkapital zu erhöhen und das Packet neuer Aktien Polen zu überlassen.
Die Bemühungen, Polen in die Firma der Kleinen Entente einzubeziehen, dauern schon lange, aber Polen kannte die Verlustbilanz der Kleinen Entente und die Sirenenklänge sind wirkungslos geblieben. Polen band sich lieber gleich Odysseus an die Säule seines Korridors und schloß einen Nichtangriffspakt mit den Sowjets, ohne Rumänien, lieber als mit Rumänien in derselben Gesellschaft zu sitzen. Jetzt, seit Hitler gegen den Korridor schielt und insbesondere seit Pilsudski's militärische Schriftsteller es schriftlich verbreiten, daß der Zweck des Krieges nicht der Sieg, sondern das Morden ist, scheinen sich die Schanzen der allslavischen Verbrüderung im Geiste der Nächstenliebe innerhalb der Kleinen Entente gebessert zu haben.
Wenn der Herr Minister uns mitteilt, daß der heutige Zustand, nachdem die Österreichisch-Ungarische Monarchie zertrümmert ist, besser ist als früher, muß ich ihm entgegenhalten, daß die Kleine Entente mit dieser Ansicht allein dasteht und die übrige Kulturwelt, Frankreich am meisten, es tief bedauert, daß man Dr. Beneš seinerzeit aufgesessen ist und die Österreichisch-Ungarische Monarchie zertrümmert hat. Am meisten bedauert diese seine seinerzeitige Schwäche Frankreich, denn die Sorgen um den österreichischen Anschluß lassen es nicht ruhig schlafen. Für diese Reminiszenz werden die Franzosen dem Herrn Minister Beneš nicht allzusehr danken, denn der Hinweis auf eine begangene Dummheit tut auch noch nach vielen Jahren weh. Es mag sein, daß sich jede èechische Brust gehoben gefühlt hat, als es Tatsache wurde, daß èechisches Streben jenes Österreich zertrümmert hat, von welchem die Èechen so viel Gutes genossen haben. Heute natürlich beklagen auch Èechen die Zertrümmerung Österreich-Ungarns, so vor allem Dr. Kramáø und viele seiner Genossen. Es ist aber viel schwerer eine Dummheit gutzumachen, als eine zu begehen. Man kann eine Kleine Entente machen, man kann sich drehen und wínden, man kann versichern, daß das, was geschaffen wurde, besser ist: Tatsache bleibt, daß auch selbst vom Standpunkte der Èechen wirtschaftlich die Zertrümmerung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie der größte Fehlgriff seit hundert Jahren war. Und jetzt büßt die Folgen dieses Fehlgriffes die Wirtschaft der Kronländer. In der Slovakei ist schon lange nichts mehr wirts chaftlich einzubüßen, dafür hat der èechische Zentralismus schon gesorgt.
Wenn die Friedensverträge gerecht waren, wie sich der Herr Minister ausdrückt, dieselben aber ein solches sittliches und wirtstschaftliches Chaos gezeitigt haben, dessen Zeugen wir sind, dann wird ein jeder, der nicht von seiner eigenen Tat verblendet ist, sich einbekennen müssen, daß Europa recht hat, wenn es trachtet, etwas ähnliches wie Österreich-Ungarn wieder aufzurichten; und gerade, daß die Franzosen mit Tardieu an der Spitze sich bemüht haben - natürlich gehetzt durch die Kleine Entente auf falscher Grundlage -etwas ähnliches wie Österreich-Ungarn wieder aufzurichten, ist dies klar zu erkennen. Den Personen aber, die mit der Ausbrütung der Friedensverträge belastet erscheinen, wird dies nicht gelingen, weil man zu ihnen kein Vertrauen hat.
Was im Exposé fehlt, was aber hochwichtig ist, ist der Umstand, daß der Herr Minister von allem Möglichen spricht, nicht aber von dem Grundübel des Mißtrauens Aller gegen Alle.
Deshalb hatten auch die vielen internationalen Konferenzen kein Resultat, weil Leute dorthin geschickt wurden, deren Zweck es war, die Gegenpartner hineinzulegen. Man hat die Welt nach Beendigung des Krieges damit irregeführt, daß man versprach, die alte angeblich lügnerische Diplomatie zu begraben. Man versprach volle Öffentlichkeit in der Diplomatie, die Lügenhaftigkeit ausschließt. Tatsache ist, daß die heutige demokratische Diplomatie umso lügenhafter ist je demokratischer sie ist, wobei noch erschwerend wirkt, daß es der demokratischen Diplomatie an der Bremse der guten diplomatischen Kinderstube fehlt, weil sie keine Tradition hat. Ausnahmsfälle lasse ich gerne gelten. Es werden dem Völkerbunde nichtssagende Blankett-Verträge vorgelegt und die sich dahinter verbergenden militärischen und sonstigen Geheimverträge müssen durch verwegene und gutbezahlte Spione entlüftet werden. Ist also nicht alles beim alten geblieben?
Dr. Beneš hat uns mitgeteilt, daß die Kleine Entente eine Lebensnotwendigkeit ist. Mag sein, für die Mitglieder derselben; aber für das übrige Europa ist die Kleine Entente eine lebendige Kriegsdrohung, ein künstliches Hindernis der Gesundung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Europas. Entstanden aus der Furcht, daß man allein die gemachte Beute nicht wird behalten können, legt man die Kräfte zusammen, versichert man sich gegenseitig, daß man durch sie ein internationaler Machtfaktor geworden ist. Natürlich, am Papier zeigt es sich so. Ich beklage, daß wir in etwas hineingezogen werden können, was dann alle bereuen werden. Es wäre viel klüger, nachdem man ein kleiner Staat ist, Kleinstaatpolitik zu machen als dem Größenwahn nachzulaufen.
Ich konstatiere, daß der Herr Minister auch in anderen Beziehungen fest in dem Fehler des Größenwahnsinns steckt. Sein langes Exposé hat auf mich den Eindruck gemacht, daß er sich in alle Dinge hineinmischt, zumeist in solche, die ihn gar nichts angehen. Er steckt überall seine Hand hinein, er urteilt über innerpolitische Einrichtungen aller Länder, er kritisiert, gibt Ratschläge, erteilt Lob und Tadel. Wenn uns das nichts kosten sollte, möchte ich ihm die Freude nicht verderben; aber wer überall seine Hand haben will, auch dort, wo sie mit mehr Recht schon andere haben, dann droht die Gefahr, einmal eins darauf zu bekommen, und das müssen wir Steuerrzahler bezahlen. Was geht es uns an, wie sich Italien einrichtet, ob es durch Faszismus oder durch Demokratie glücklich werden will? Wie kommt der Herr Minister dazu, ein befreundetes Land wie Italien zu kritisieren? Glaubt er, daß die Republik die Freundschaft Italiens leicht entbehren kann, daß sie mit Mussolini hadern und sich herausnehmen kann, den Faszismus in den politischen Abgrund zu stoßen? Mussolini bedarf wohl auch der Lobesworte des Herrn Ministers nicht, nachdem er sein System herabgesetzt hat. Der Herr Minister soll sich bei Lloyd George und andern englischen Berühmtheiten ein bißchen informieren, wie sie Mussolini und den Faszismus einschätzen und soll lieber schweigen von den inneren Einrichtungen der anderen Staaten, nach dem Prinzip: "Was mich nicht brennt, das blase ich nicht". Er soll zufrieden sein, daß er seine ihm anscheinend gutstehende Demokratie hat, soll sich freuen, daß diese nichts merkt, daß sie keine Demokratie ist und soll innere Einrichtungen fremder Staaten, wenn sie auch besser sein sollten als die eigene Demokratie, in Ruhe lassen, umsomehr als er z. B. im Bezug auf die eigene Souveränität sehr empfindlich zu sein pflegt, allerdings bisher nur Schwächeren gegenüber.
Aber wenn der italienische Faszismus dem Herrn Minister so weh tut, dann ist es ganz merkwürdig, daß ihm die jugoslavische Diktatur ganz gut zu Herzen steht. Warum hat er keine Worte gegen die Bestialitäten dieser Diktatur? Es scheinen im Herrn Minister mehrere Seelen zu leben, die sich je nach Bedarf ganz gut einregulieren lassen. Es hat mich gepackt, als der Herr Minister uns aus seinem Exposé vorgelesen hat, daß die Èechen in den Jahren 1960 bis 1970 schon 14 Millionen Seelen zählen werden. Vor allem ist es heute, wo man nicht weiß, was der Morgen bringt, nicht gut, so @a la longue zu denken, auf 20 bis 30 Jahre hinaus. Dann ist es auch nicht empfehlenswert, den Propheten abzugeben. Ich kann mich erinnern, daß der Herr Minister, als er im Jahre 1918 den gesegneten Boden der Republik nach 4 Jahren mannigfacher Irrfahrten wieder betrat, prophezeit hat, daß in 10 Jahren in der Republik kein Ungar sein wird. Und wenn ich diejenigen, die seine Volkszähler dem Ungartum weggestohlen haben, nicht hinzurechne, auch dann hat sich die Zahl der ungarischen Minderheit in 14 Jahren ärgster Bedrängnis kaum um 10% gemindert. Aber die amtliche Statistik beweist, daß sich gerade die Èechen nicht beeilen, die Seelenzahl um das Doppelte zu heben. Warum? Weil der Herr Minister selbst mit schlechtem Beispiel vorangeht. Er hat die èechischen Stimmen bisher legitim nicht vermehrt, er soll sich Mussolini zum Beispiel nehmen, der 5 Kinder hat. Es ist halt eben so, daß die Demokratie nur redet, redet, höch stens liest sie vor, hingegen der Faszismus handelt, erzeugt Kinder. Vielleicht sollte man den Faszismus wenigstens im Bezug auf die Liebe hierzulande doch irgendwie einwurzeln lassen, dann dürfte sich der Traum für die Jahre 1960 bis 1970 verwirklichen lassen, oder kalkuliert vielleicht der Herr Minister wie im Jahre 1918, daß alle Minderheiten sich zufolge der ihnen zuteil gewordenen Wohltaten beeilen werden, ihre nächste Generation schon als Èechen in die Welt zu setzen? Ich muß offen bekennen, daß ich von dem Exposé des Herrn Ministers mehr erwartet habe als Kritiken und Vormalung von vagen Zukunftsbildern. Ich habe mir gedacht, er wird uns Mitteilung machen, was er für den Frieden schon alles erreicht hat. Da wäre z. B. die Abrüstungsfrage, die er als Hauptreferent bearbeitet. Nun scheint es deshalb damit schlecht bestellt zu sein, weil er sie bearbeitet. Da ist mir aufgefallen, daß er bei einer Gelegenheit eine Verfügung in ein Protokoll hereinzupraktizieren versucht hat, welche alle Mächte verpflichtet hätte, den sstatus quo der Republik zu garantieren. Sehr lobenswert! Aber ich hätte gerne mehr davon gehört, wie sich der wachsame englische Präsident der Abrüstungsk ommission unterstanden hatte, eine so löbliche Tat zu verhindern. Ich möchte beinahe ausrufen: "Gott strafe England!"
Dann hätte ich gerne etwas Praktisches darüber vernommen, wie die Wirtschaft der Republik gesünder gestaltet und wie die Arbeitslosigkeit vom höheren Standpunkte des Außenministeriums aus erfolgreich bekämpft werden könnte. Meint der Herr Minister nicht, daß diese zwei Fragen auch außenpolitischer Natur sind? Meiner bescheidenen Meinung nach gehören sie auch in die Außenpolitik. Und dann steht es doch fest, daß eine gute Außenpolitik nur gemacht werden kann, wenn wahre Ruhe und Zufriedenheit aller im Lande herrscht. Es scheint aber im Globus der Kleinen Entente dieser Fall nicht vorzuherrschen, denn wozu wäre dann notwendig gewesen, in den Vertrag der Kleinen Entente den Passus hineinzunehmen, daß sich die Staaten der Kleinen Entente mit gegenseitigem Einmarschieren aushelfen wollen!
Gibt man den Staatsbürgern Arbeit und Lebensmöglichkeit, dann ka nn man auch außenpolitische Pläne schmieden, früher nicht. Und was am meisten im Exposé fehlt, und was nebst seinen übrigen Schwächen seine größte Schwäche ist, das ist das Fehlen jeder Anregung zur Herstellung geregelter politischer Verhältnisse zu Ungarn. Nur Drohungen, nur militärische Bündnisse gegen Ungarn! Und doch sollte gerade das der Kernpunkt der Außenpolitik der Èechoslovakischen Republik sein, mit Ungarn in Ordnung zu kommen. Mit Diktaten und abschrekkenden Bedingungen wird es nicht gelingen, aber auch die Republik wird sich nicht beruhigen können, solange in dieser Beziehung nicht reiner Tisch gemacht wird. Das ist ein erstrangiges Postulat, hievon hängt die Zukunft der Republik ab, nicht von der Kleinen Entente. Es wird nicht mehr gelingen, Ungarn diplomatisch oder durch Zollkriege auf die Knie zu zwingen; das ist ein für allemal vorüber; hingegen kann die Kleine Entente nur leben, wenn Ungarn mittut, weil es die Lage der inneren Linie für sich hat. Das sollte man doch bedenken. Natürlich ist dieses Ziel nur auf politischem Wege, nicht auf wirtschaftlichem zu erreichen. Umsonst wird von èechischer Seite geflötet: vor allem die Wirtschaft, dann die Politik! Die Verhältnisse haben sich zuungunsten der Republik verschlechtert, man hat den psychologischen Moment der Inflation in Ungarn versäumt.
Es ist aber alles umsonst, die Minderheiten können die besten Ideen bringen, sie kommen sofort auf den èechischen Index und so gehen viele Kulturwerte inzwischen zugrunde. Was der Herr Minister in Bezug auf das geplante Direktorium der vier europäischen Großmächte vorgelesen hat, hat mich zum Lachen gereizt. Es kam mir der Magier und sein Diener in Erinnerung. Die Weltmächte haben der Kleinen Entente und Polen große Geschenke gemacht und nachdem die Geschenkgeber jetzt einsehen, daß sie unklug, zu generös waren, schreien ihnen die Beschenkten zu: "Hände weg!" Die Lehre daraus ist: "Sei auch in der Politik im Geschenkegeben klug, vorsichtig und sichere Dir eine bessere Seitentüre, als es im Völkerbundspakt vorgesehen ist."
Ich bin doch der Überzeugung: wenn alles in Europa krachen wird - es ist ja ohnehin nur sehr wenig, was nicht kracht - dann werden die Großmächte ihr Direktorium machen und werden disponieren. Ein kluger Außenminister einer kleinen Republik hat die Pflicht, solchen Gefahren zeitgerecht vorzubeugen, indem er das Haus eines Staates schon in solcher Zeit außenpolitisch durch herbeigeführte Verständigungen und durch Herstellung innerer Zufriedenheit aller Staatsbürger in Ordnung bringt, bevor die Gefahren praktisch wirksam werden.
Da in dieser Beziehung das Exposée
nichts Beruhigendes enthält, ergibt sich für meine Partei au tomatisch
die Notwendigkeit der Ablehnung des Exposé des Außenministers.
(Potlesk.)