Nun zu diesem Tatbestand. Ich frage zunächst: Ist etwa schon die Teilnahme eines sudetendeutschen Volksvertreters an einer reichsdeutschen Veranstaltung verboten und Hochverrat? Diese Auffassung, die uns jeden Verkehr mit reichsdeutschen Stellen verbieten wollte, wäre ohne Zweifel geeignet, Aufsehen in der Welt zu erregen, besonders wenn man sie mit der Tätigkeit der èechischen Abgeordneten im alten Õsterreich, mit ihren vielen Reisen nach Serbien, Rußland und Frankreich, nach Belgrad, Moskau und Paris in eine Parallele bringen würde. Ich hatte ja schon des öfteren Gelegenheit, besonders auf diese Tätigkeit der èechoslovakischen Fre iheitskämpfer Masaryk, Beneš, Kramáø, Klofáè und anderer hinzuweisen und die Hetzreden in Erinnerung zu bringen, die bei solchen Auslandsbesuchen bei den slavischen Brüdern gehalten wurden. Gerade dieser Tage nahm das èechische Volk den 30. Todestag des alten èechischen Führers Franz Ladislaus Rieger zum Anlaß wohlverdienter Ehrungen. Worin bestand das Hauptverdienst Riegers? In seiner regen Auslandstätigkeit zu Gunsten seines Volkes, Auslandsreisen nach Moskau und Paris, in den Verhandlungen mit französischen, russischen, polnischen und serbischen Kreisen. Man kann wohl behaupten, daß diese Auslandsreisen, diese Aufklärungsarbeit Riegers wesentlich und vielleicht vor allem die Wiedererlangung der staatlichen Selbständigkeit des èechischen Volkes vorbereitet hat. Und heute sollen deutsche Volksvertreter schon deshalb verfolgt und bestraft werden, wenn sie an harmlosen reichsdeutschen Versammlungen teilnehmen? Oder unterscheidet man auch hier noch zwischen deutscher Regierungspartei und deutscher Oppositionspartei? (Výkøiky nìm. nár. soc. poslancù: Selbstverständlich!) Jawohl, meine sehr Geehrten, denn ich erinnere daran, daß der Landbundabgeordnete und jetzige Vizepräzident des Abgeordnetenhauses Zierhut im Jahre 1927 wegen der Teilnahme an einer Tagung des sudetendeutschen Heimatbundes in Furth in Bayern seinerzeit nicht ausgeliefert wurde und zwar, wie es im Bericht des Immunitätsausschusses Druck 815 damals hieß, deshalb, weil die Zeitungsnachrichten einer Further Zeitschrift den Referenten für den Immunitätsausschuß nicht davon überzeugt haben, daß die Feier des ausländischen Vereins einen Charakter trug, der die staatliche Selbständigkeit der Republik oder deren demokratisch republikanische Form gefährdet. Und weiters! Sind denn die Herren von der Sozialdemokratie nicht bei jeder Gelegenheit in Deutschland gewesen, in dem Wahlkampf, selbst im jüngsten Wahlkampf noch? Ich verstehe diesen Unter schied nicht und kann auch hier nur sagen, wenn zwei das gleiche tun, ist es doch nicht das gleiche.
Meine Herren von der èechischen Seite, nehmen Sie zur Kenntnis, daß, wenn Sie sich zu dieser Auffassung bekennen, der Immunitätsausschuß auch in Zukunft noch reichliche Arbeit finden wird, denn ich erkläre Ihnen mit allem Freimut, daß wir uns durch gar nichts hindern lassen werden, auch in Zukunft mit unseren reichsdeutschen Brüdern zu verkehren, daß wir uns durch nichts hindern lassen werden, nach Berlin und Wien zu fahren, so oft es uns paßt, reichsdeutsche Versammlungen aufzusuchen und unsere Auffassung auch drüben im Reiche zu vertreten. Was Ihnen im alten Polizeistaat Österreich möglich und erlaubt war, das wollen Sie uns heute in einer Demokratie, in einer angeblich freien Republik, in einem Freiheitsstaat, in einem demokratischen Zeitalter, wo die Menschen, die Völker doch mündig geworden sind, verbieten? Hat nicht Ihr Führer, der jetzige Staatspräsident Masaryk, einstens einmal die große Sendung der Slaven unter der Menschheit darin gesehen, die Ideen der westeuropäischen Demokratie in ganz Europa zu verwirklichen? Da werden Sie wohl zunächst einmal, meine Herren, in diesem Hause, im eigenen Staat damit beginnen müssen, denn Sie sind heute von der Verwirklichung dieser demokratischen Ideen noch sehr weit entfernt, Sie sind noch sehr sehr weit davon entfernt, daß dieser Staat ein wahres Eiland wahrer Demokratie werde.
Und noch etwas weiter, meine Herren. Ich habe also in meinen Ausführungen zum Ausdruck gebracht - nach dem Wortlaut dieser Zeitungsnotiz - daß wir uns unserer Verbindung zum deutschen Vaterland, zum deutschen Muttervolk bewußt sind, daß wir sie hegen und pflegen wollen. Das ist ja scheinbar der wahre Grund der beantragten Auslieferung, weil ich eben unumwunden diesem Gedanken Ausdruck gegeben habe. Ich will mich zu dem Worlaut der Zeitungsnotiz heute noch nicht äußern. Dazu werde ich bei Gericht Gelegenheit haben. Aber auf den Inhalt will ich noch ein wenig eingehen. Ich frage Sie: Wäre es wirklich Hochverrat, wenn ich gesagt hätte, daß wir Deutsche hüben und drüben erst in den Kämpfen des Weltkrieges durch das gemeinsam vergossene Blut uns zur Erkenntnis durchgerungen haben, daß wir eines Blutes, eines Stammes sind, daß wir zusammengehören, wenn wir auch heute durch staatliche Grenzen, die entgegen dem Rechte der Selbstbestimmung aufgerichtet worden sind, voneinander getrennt leben müssen. Dieses klare Geständnis ist gewiß das wertvollste Ergebnis des Weltkrieges, das von nun an - das kann ich Ihnen wohl sagen - fest in unserem Herzen verankert ist und durch gar nichts ausgelöscht werden kann. Diese Erkenntnis wird Staaten und Völker überdauern, weil sie auf dem natürlichen Begriff des Volkstums fußt. Und dann, meine Herren von der cechischen Seite, haben sich denn die Èechen nicht selbst und stets zu der gleichen Auffassung bekannt? Erst anläßlich des Sokolkongresses im Vorjahre, der bekanntlich vom 1. bis 3. Juli in Prag stattfand, hat hier auch der erste Kongreß des Auslandèechentums stattgefunden. Die Tagung selbst wurde mit einer Ansprache der Ministerpräsidenten Udržal eröffnet. Alle Beratungen waren von dem Leitgedanken der Treue zum angestammten Volkstum erfüllt, was dem nationalen Bewußtsein der Èechen gewiß nur zur Ehre gereicht. Bei der Schlußsitzung des Kongreses wurde auf die Pflicht der èechischen Regierung hingewiesen, sich des Schicksals der 2 Millionen außerhalb der Grenzen wohnenden Volksgenossen anzunehmen und über ihr Wohlergehen zu wachen. Und der damalige Ministerpräsident Udržal gab namens der èechoslovakischen Regierung die Erklärung ab, daß diese bereit sei, den vorgebrachten Wünschen der Auslandsèechischen nachzukommen.
Nun frage ich Sie: War dieser Kongreß, die Zusammenkunft dieser Auslandsèechen hier in Prag Hochverrat gegenüber jenen Staaten, in denen sie sonst leben und deren Staatsbürger sie sind? Wie haben Sie doch bei diesem Anlaß in überschwenglichster Weise die Abordnung der Lausitzer Serben, die doch reichsdeutsche Staatsbürger sind, gefeiert! Mir ist nicht bekannt geworden, daß diese deutschen Staatsangehörigen, die sich in Prag als Vortrupp der slavischen Irredenta verherrlichen ließen, wegen Teilnahme an dem Sokolkongreß in Prag verfolgt wurden oder vielleicht deshalb verfolgt werden, weil vielfach Beziehungen zwischen hüben und drüben bestehen. Werden doch die ganzen Hilfsmittel des èechischen Chauvinismus, der chauvinistischen Kreise eingesetzt, um in diesem Gebiete draußen eine wendische Irrendenta zu züchten und lebendig zu erhalten. Es ist uns sehr genau bekannt, meine Herren von der èechischen Seite, daß èechises Großkapital drüben eine wendische Volksbank geschaffen hat, es ist uns bekannt, daß èechisches Kapital in den Lausitzer Brankohlebergbau eingedrungen ist, daß in Bautzen ein wendischer Sokol gegründet wurde, der mit dem èechischen Sokol in innigster Verbindung steht. Es gibt in Prag einen starken èechisch-wendischen Verein "Adolf Èerný", der sich die Agitation für die wendische Lausitz zur Aufgabe gemacht hat, es ist uns auch bekannt, daß in Prag auf Kosten èechischer Kreise eine Anzahl wendischer Studenten studiert, welche zur Agitation unter der Lausitzer Bevölkerung und zu Vorkämpfern für die großèechische Idee erzogen werden. (Posl. Slavíèek: To sám nevìøíte!) Das sind Tatsachen, die nicht wegzuleugnen sind.
Aber noch etwas anderes. Auf dem Wiener Sokol-Gautag vom 10. Juni 1928 leistete ein Sokol vor einer èechischen Fahne den Schwur der Treue dem freien èechoslovakischen Staat; ich stelle fest: in Wien. An der dritten Tagung der südösterreichischen Èechen, die am 30. und 31. März 1929 in Graz stattfand - ich war einige Tage später gleichfals in Graz und hörte es aus erster Quelle - nahm auch unter anderem der H. Abgeordnete Špatný mit dem Prager Sekretär des Komenský-Vereines teil. Der Abgeordnete Špatný beleu chtete die Pflichten seiner Landsleute dem Vaterlande gegenüber. Sie werden es nicht leugnnen, Herr Kollege, denn dies war damals auch in den Grazer Zeitungen zu lesen. War das vielleicht Hochverrat, frage ich Sie. Zum 80. Geburtstag des Präsidenten Masaryk lief eine Stafette von Wien nach Prag und überbrachte Glückwünsche. Stellen Sie sich vor, wir würden eine Stafette zur Beglückwünschung, sagen wir Hindenburgs, hinausschicken. Eine Revolution würde hier ausbrechen. Unsere Leute werden eingesperrt, wenn sie "Heil Hitler" oder "Heil Hindenburg" rufen. In einem Aufsatz "Die Èechen in Wien während des Weltkrieges", der im Kalender für das èechische arbeitende Volk in Österriech im Jahre 1930 erschienen ist, werden die Verdienste des Wiener Èechentums um die Entstehung der Èechoslovakischen Republik behandelt. Und in der "Èítanka dìtem vídeòským", einem Lesebuch, heißt es: Wien ist euer Wohnort, aber euer Vaterland ist unsere Republik. (Posl. Slavíèek: Když jsou Èeši!) Pardon, ich mache Ihnen keinen Vorwurf daraus, absolut nicht. Aber ich sage nur: Was dem einen recht ist, muß dem anderen billig sein und wenn Sie sich zu dieser Auffassung bekennen, dann dürfen Sie uns wegen dieser gleichen Auffasung nicht strafrechtlich verfolgen. Dann dürfen Sie uns derartige Beziehungen zwischen Angehörigen desselben Volkes nicht verbieten.
Gehen wir in der Betrachtung ein wenig weiter. Wäre es Hochverrat, wenn ich gesagt hätte, daß menschlicher Wille die unnatürlichen staatlichen Grenzen geschaffen und sie wieder beseitigen kann? Die Geschichte zeigt durch Jahrhunderte in Hunderten von Beispielen, daß nichts ewig währt, daß es auch in der Politik und in der geschichtlichen Entwicklung kein Unmöglich gibt und daß die Friedensverträge, selbst wenn sie mit den heiligsten Eiden beschworen sind, doch nur ein Fetzen Papier sind, den der lebendige Wille eines machtbewußten, gesunden Volkes zur gegebenen Zeit wiederum zerreißt. Nun beruft man sich allerdings demgegenüber Ihrerseits immer auf die Heiligkeit der Eide und läßt das gottesfürchtige, fromme sudetendeutsche Volk in Ihrem èechischen Staat bei jeder Gelegenheit derartige heilige Eide schwören, Eide der Treue für die Èechoslovakische Republik, auch für die Beobachtung und Einhaltung Ihrer Gesetze. Nun auch dieses Beginnen halten wir für außerst lächerlich. Die èechische Vergangenheit mit ihren tausendfach dem alten Österreich gebrochenen Eiden sollte doch die èechischen Machthaber belehrt haben, daß es von Grund aus falsch ist, den Staat auf Eide, auf Bajonette, auf Gewehre und auf Gummiknüttel aufzubauen, weil alle diese Dinge im Augenblick der Entscheidung und Gefahr nicht standhalten und an dem lebendigen Willen eines selbstbewußten Volkes einfach zerschellen. Und ich frage weiter: Ist es vielleicht unwahr, wenn ich behauptet hätte, daß der èechische Staat als unser neuer Herbergstaat heute schon unser aufrechtes deutsches Bekenntnis, unsere natürliche Liebe zum angestammten Volkstum, unsere treue Anhänglichkeit an unserem deutschen Heimatsboden als gegen den èechischen Staat gerichtet empfindet, ja vielfach sogar als Hochverrat qualifiziert, obwohl für uns doch gerade die Stärke des Nationalbewußtseins der Èechen stets ein bewundernswertes Beispiel und Vorb ild sein soll, während doch besonders im Weltkriege, wo doch viele Èechen offen zum Feinde überliefen, geradezu ihr Leben in die Schanze geschlagen haben, obwohl sie im alten Österreich, wie ich weiters sagen möchte, nachahmungswürdig und unübertroffen geradezu Meister des Hochverrats gewesen sind, wo sie unzähliche Male doch immer wieder erklärt haben, daß es im Leben eines Volkes überhaupt keinen Hochverrat gibt und daß es erlaubt wäre, ja höchste patriotische Pflicht und völkische Tugend ist, verhaßten fremdvölkischen Zwang abzuwerfen? Auch darüber habe ich schon bei früheren Gelegenheiten zahlreiche Beispiele angeführt, ich greife nur einen Ausspruch heraus, der gerade in den letzten Tagen an die Öffentlichkeit gelangt ist, von dem ehemaligen èechischen Abgeordneten Dr. Koerner, dem jetzigen Präsidenten des èechoslovakischen Obersten Rechnungskontrollamtes, der im österreichischen Reichsrat am 4. Juni 1917 nach dem stenographischen Protokoll unter anderem erklärt hat: "Ich frage mich: Ist es überhaupt begrifflich möglich, ein Volk des Hochverrats zu beschuldigen? Ist es möglich, ein Volk der Staatsfeindlichkeit zu beschuldigen? Ja, was sind wir denn hier? Sind wir denn nicht auch der Staat? Kann ein Volk, das den Staat mitbewohnt, gegen diesen Staat Hochverrat betreiben?" Durchaus richtig! "Völker sind keine Schulkinder und jene Liebe, die festhalten soll, durch Strafen, durch Einengung herbeizuführen, ruft niemals Gegenliebe hervor."
Nun war es vielleicht Hochverrat, wenn ich die Tatsache ausgesprochen habe, daß das Schicksal des Sudetendeutschtums innig verknüpft, ja geradezu bedingt ist von der Stellung, die Reichsdeutschland im Konzert der Völker einnimmt? War nicht unsere geradezu erbärmliche Behandlung, unsere nationale Unterdrü ckung hier in diesem Staat nur ein Ausdruck der rei chsdeutschen Ohnmacht, der blinden und ergebnislosen reichssdeutschen Erfüllungspolitik?
War es vielleicht Hochverrat, wenn ich unsere deutschen Brüder draußen im Reiche an ihre selbstverstänliche Pflicht erinnerte, an uns ni cht zu vergessen, genau wie es beim Auslandskongreß der Èechen gesch ehen ist, wenn ich dafür gelobte, daß wir an unserem Volkstum festhalten wollen gegenüber allen Bedrückungen, daß wir unseren Heimatboden verteidigen wollen, daß wir auch an dem uns vorenthaltenen Recht der Selbstbestimmung festhalten wollen? Jeder, der vorurteilsfrei zu denken vermag, wird zugeben müssen, daß weder an der Teilnahme an einer deutschnationalen Versammlung im Reiche noch in meinen Ausführungen irgend etwas Neues zu finden oder Strafbares zu suchen ist, etwas, was wir nicht schon früher, bei anderer Gelegenheit ebenso mit gleichen Worten gesagt hätten, und was leztenends auch ganz offen in unserem Parteiprogramm enthalten ist. (Výkøiky posl. Horpynky.) Selbst die Betonung unseres unverrückbaren Festhaltens an dem Selbstbestimmungsrecht ist Ihnen nichts Neues und bereits zur Genüge bekannt. Hat sich doch die deutschnationale Partei seit ihrer Gründung dazu offen bekannt und dies offen und unerschrocken im Parteiprogramm zum Ausdruck gebracht. § 4 unserer Parteisatzung sagt ausdrücklich: "Die deutsche nationale Politik fordert daher für das deutsche Volk und ebenso für jedes andere Volk die volle Staatshoheit über sein Siedlungsgebiet. Kein Volk hat das Recht, ein anderes oder Teile eines anderen Volkes zwangsweise seinem Nationalstaat einzuverleiben, um es auszubeuten und dadurch seinen Staat besser und leichter aufzubauen und zu entwickeln. Daher fordert sie für diejenigen Teile des deutschen Volkes, die heute unter Fremdherrschaft stehen, sonach auch für das Sudetendeutschtum, das uneingeschränkte Recht auf Selbstbestimmung und will es durch eine unbeeinflußte Volksabstimmung ausgeübt wissen."
Ich glaube kaum, daß die Èechen diese unsere Forderung nach Selbstbestimmung vielleicht als hochverräterisch bezeichnen können, wo sie sich doch seinerzeit selbst ganz uneingeschränkt dazu bekannt haben und zwar sowohl vor dem Kriege, wie auch während des Krieges. Ich beziehe mich auf ein am 8. Dezember 1870, also bereits während des deutsch-französischen Krieges von èechischen Abgeordneten dem Reichskanzler Beust überreichtes, philosophisch gehaltenes Memorandum, das von Palacký verfaßt war, in dem sie ausdrücklich das freie Selbstbestimmungsrecht der Völker verlangen. Ich bitte, 1870 bereits! Es heißt darin wörtlich. "Das Recht der freien Selbstbestimmung der Völker ist höher anzuschlagen, wo immer es sich um die Umbildung oder Neubildung von Staaten handelt, als alle anderen politischen Interessen. Alle Nationen, ob groß oder klein, haben ein gleiches Recht auf Selbstbestimmung." Etwas weiter heißt es: "Das èechische Volk erkennt konsequent das volle Recht der verschiedenen deutschen Stämme an, sich zu einer staatsrechtlichen Vereinigung zusammenzuschließen." In der bekannten Dreikönigsdeklaration aller èechischen Reichsratsund Landtagsabgeordneten von 1918 haben sie dieses Recht der Selbstbestimmung geradezu als Gewähr eines allgemeinen und dauernden Friedens hingestellt, und in der Washingtoner Unabhängigkeitserklärung vom 18. Oktober 1918, die bekanntlich das Werk Masaryks war, wird die Überzeugung ausgesprochen, daß kein Volk gezwungen werden könne, unter einer Herrschaft zu leben, die es nicht anerkennt.
Das ist doch alles deutlich genug, und Sie haben ja auch im bewußten Memoire III sich ausdrücklich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker berufen und angeblich hat zur Verwirklichung dieses Selbstbestimmungsrechtes die Entente auch den Weltkrieg geführt. War es denn nicht Wilson, der das Selbstbestimmungsrecht als die Grundlage der Neubildung der Staaten ausgegeben hat und haben Sie nicht diesem Mann gegenüber dem Wilsonbahnhof, ein Denkmal für ewige Zeiten gesetzt? Und verdankt nicht die Èechoslovakei der teilweisen Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes ihre Entstehung?
Aber das ist ganz merkwürdig. Hier kommt der Berichterstatter des Immunitätsausschusses Koll. Dr. Suchý zu einer merkwürdigen, ja höchst bemerkenswerten Auff assung, indem er sagt, daß eine politische Meinungsäuß erung, die im Inlande noch als im Rahmen des politischen Programms gelegen aufgefaßt werden könnte, z. B. die Vertretung des Selbstbestimmungsrechtes, wenn sie im Auslande erfolgt, als ein gegen den Staat gerichteter, feindseliger, strafbarer Akt bezeichnet werden müsse. Es ist merkwürdig, daß die èechischen Parteien, einschließlich der deutschen Regierungsparteien dieser Auffassung zustimmten. Denn es blieb Dr. Suchý vorbehalten, eine derart spitzfindige, einzigartige Begründung zu finden. Jeder vernünftige, klardenkende Mensch ohne jede juristische Belastung muß diesen ins Gesicht schlagenden Unsinn einer solchen Begründung sofort erkennen. Es gibt nach meiner Auffassung keinen Tatbestand und keine Tathandlung, welche gleichzeitig im Inlande erlaubt und kein Verbrechen ist, im Auslande aber verboten und als Verbrechen zu qualifizieren ist. Damit, glaube ich, qualifiziert sich meine - beantragte Auslieferung als das, was sie in Wirklichkeit ist, als eine politische Verfolgung der Gesinnung wegen, und reiht sich damit ein in die Verfolgungen Sudetendeutscher in den letzten Monaten, deren Zahl tagtäglich größ er wird, und ich sage Ihnen, ich bin geradezu stolz darauf, daß Sie mich nicht ausgelassen haben, daß Sie mich nicht übersahen. Es gereicht mir zur Ehre, daß Sie mich für würdig befunden haben, mich gleichfalls wegen meines unerschrockenen Bekenntni sses zum Volkstum auszuliefern. Denn durch Nacht zum Licht, durch Kampf, Bedrüückung und Verfolgung zur Freiheit!
Es berührt mich nur schmerzlich, wenn wir bei dieser Henkersarbeit auch sog. deutsche Parteien auf der Gegenseite sehen. Anläßlich der Auslieferung nationalsozialistischer Abgeordneten erklärten die Sozialdemokraten in ihren Zeitungen und Versammlungen als die patentierten Hüter der Glaubens- und Gewissens- und Versams mlungsfreiheit ausdrücklich, daß sie einer Auslieferung deutscher Abgeordneter wegen ihrer Gesinnung nie zustimmen werden. Wir werden einen Augenblick später beobachten können, daß sie entgegen dieser klaren Willensäuß erung heute auch diesen Akt noch mitmachen werden. Die Vertreter der volksbewußten Bauernschaft, die. Herren vom Bund der Landwirte, werden das Gleiche tun, bzw. sie werden sich wahrscheinlich nach berühmtem Muster, wie letzthin, durch Abwesenheit der Abstimmung entziehen. Es war interessant, daß im Immunitätsausschuß bei der damaligen Sitzung der Vertreter der deutschen Sozialdemokratie fehlte und daß der Abg. Platzer vom Bund der Landwirte nicht wußte, ob er dafür oder dagegen stimmen solle, sich daher der Stimmenabgabe enthielt. Anläßlich der nationalsozialiistischen Auslieferung wurde in den bündlerischen Zeitungen mehr wie einmal betont, daß auch der Bund der Landwirte jede Verfolgung Deutscher wegen ihrer politischen Gesinnung mit aller Kraft bekämpfen werde. Ich zitiere den "Landruf" vom 2. März: "Unsere Partei hat dies wiederholt und zuletzt bei der Auslieferung der vier nationalsozialistischen Abgeordneten in einem Maße bewiesen wie keine andere sudetendeutsche Partei. Sie hat damals in eindrucksvollster Form, durch demonstrative Nichtbeteiligung an den Sitzungen gegen die Auslieferung Stellung genommen." Ich bin nun neugierig, was morgen und in den nächsten Tagen in den bündlerischen Zeitungen über das Verhalten des Abg. Platzer stehen wird, und über das Verhalten der Herren vom Bund der Landwirte, ob sie diese Täuschung noch werden aufrecht erhalten, daß sie auf Grund ihres Fernbleibens, bzw. ihres Nichtstimmens wie im Immunitätsausschuß wieder die Behauptung aufstellen werden, sie hätten auf diese Weise eindrucksvoll gegen meine Auslieferung gestimmt. Mit solchen Mätzchen werden sie auf die Dauer die Bevölkerung nicht täuschen können, es werden ihre Anhänger ganz klar sehen, in welchen Abgrund deutscher Würdelosigkeit die deutschen Regierungsparteien in ihrer bedenk enlosen Ergebenheit bereits gekommen sind. Das wird vielen Anhängern dieser Parteien die Augen öffnen und das wird im Interesse der Gesundung der sudetendeutschen Politik nur vom Vorteil sein.
Opfer müssen in diesem schweren
Kampfe, den wir um die Erhaltung des bedrohten Volkstums führen,
gebracht werden. Wir sind ohne Furcht dazu bereit, wissen wir
doch, daß aus dem Blut der Märtyrer die Saat der Freiheit sprießt.
Unserem sudetendeutschen Volke die Freiheit zu erkämpfen, den
Weg freizumachen für eine bessere, schönere Zukunft ist ja Zweck
und Ziel der Deutschen Nationalpartei. Daher sehe ich meiner Auslieferung
als der ersten Etappe auf diesem Wege in voller Ruhe entgegen.
(Potlesk.)