Meine Damen und Herren! Ein alter Rechtsgrundsatz lautet: "Die Strafe soll der Tat auf dem Fuße folgen!" Dieser Rechtsgrundsatz ist in der vorliegenden Angelegenheit außer allem Zweifel reichlich verletzt. Denn die Immunitätsangelegenheit, die heute dieses hohe Haus hier beschäftigt, ist eine Lappalie, die nun schon seit Jahr und Tag zurückliegt. Bis in das Jahr 1930 geht die Sache zurück und wenn sie nicht Gegenstand dieser Behandlung hier wäre, so würde sich kein Mensch mehr daran erinnern und auch ich würde keine Ahnung mehr davon haben. Lediglich dem Berichte des Immunitätsausschusses kann ich entnehmen, daß ich am 22. November 1930 an einem Begrüßungsabend der Grenzlandjugend in Mähr. Neutitschein teilgenommen habe und dort im Verlauf einer kurzen Begrüßungsansprache angeblich irgendwelche Äußerungen gebraucht habe, welche es notwendig erscheinen lassen, daß sie nach dem Gesetze zum Schutz der Republik verfolgt werden. Der Wahrheit will ich die Ehre geben und feststellen, daß sich der Immunitätsausschuß, und zwar schon im Frühjahr 1931 mit dieser Angelegenheit nicht in rein formeller, sondern wirklich in meritorischer Hinsicht befaßt hat. Das Auslieferungsbegehren, das von der Staatsanwaltschaft von Neutitschein gestellt wurde, geht weit über den Rahmen dessen hinaus, was schließlich zum Beschluß des Immunitätsausschusses erhoben wurde. Es ist aber doch bezeichnend, welches Ansinnen und welche Anforderungen seitens der Staatsanwaltschaft an den Immunitätsausschuß wie an das Parlament in Prag gerichtet werden und es erscheint daher zweckentsprechend, daß man über das ursprüngliche Auslieferungsbegehren einige Worte spricht. Die Anforderung des Staatsanwaltes von Neutitschein ist soo recht kennzeichnend dafür, daß sehr häufig die Staatsanwaltschaft ihre Aufgabe darin sieht, durch Wortverdrehungen und aus wenigen Worten womöglich irgendwelche Delikte herauszukonstruieren, um eine Strafverfolgung zu ermöglichen. Ich möchte aber vor allem auf ein System hinweisen, das allen Kollegen der Opposition wohlbekannt sein wird. Unsere öffentlichen Veranstalltungen und Versammlungen pflegen nicht nur des öfteren von Regierungsvertretern, sondern noch öfter von Spitzeln und geheimen Horchern besucht zu werden. Die Berichte solcher nicht angemeldeter schwarzer Regierungsvertreter langen oft hin, daß auf Grund dieser Mitteilungen Auslieferungsbegehren gegen Parlamentarier gestellt werden. Es pflegt erfahrungsgemäß dann so zu sein, daß dem Berichte irgendeines Spitzels mehr Glauben zugebilligt wird, als einem Abgeordneten und einer ganzen Anzahl von Zuhörern und Zeugen, die an solchen Versammlungen und Veranstaltungen teilgenommen haben.
In dem vorliegenden Falle war uns ebenfalls unbekannt, daß an dem gutbesuchten Begrüßungsabend der Grenzlandjugend in Neutitschein überhaupt ein Regierungsvertreter anwesend gewesen wäre. Aus seiner Relation, die er gegeben hat, ist ganz deutlich ersichtlich, daß er, was übrigens auch nicht überraschend ist, offenkundig der deutschen Sprache nur in beschränktem Maße mächtig gewesen ist, und daß er die Äußerungen in einer vollkommen entstellenden und fehlerhaften Weise wiedergegeben hat. Das war auch die Ursache, warum der Immunitätsausschuß die Angelegenheit mehrmals zu weiteren Untersuchungen zurückgestellt hat und schließlich nur einem Teil des Auslieferungsbegehrens stattgegeben hat.
Ich will Ihnen aber doch an einem Beispiel zeigen, was ein Staatsanwalt aus Worten für Verbrechen zu machen vermag! In dem Auslieferungsbegehren sind folgende Worte enthalten, welche ich im Verlaufe der Ausführungen dort gesagt haben soll: "Notland sind wir und Freiland wollen wir werden" - ein Ausdruck, der eine rhetorische, meinetwegen poetische Redewendung bedeutet und aus der der Staatsanwalt Folgendes gemacht hat: "Notland", d. h. also ein vom Feinde besetztes Land, das die Obrigkeit nicht anerkennt und gegen diese Obrigkeit sich stellt; und "Freiland", das bedeutet ein Land, das mit Waffengewalt vom Staate befreit werden soll. Das kann nur mit militärischen Mitteln geschehen und wenn man es als Freiland bezeichnet, ist das eine Aufforderung zum militärischen Verbrechen und infolgedessen ist diese Äußerung ein militärisches Verbrechen nach § 15 des Schutzgesetzes Punkt 3, welcher die gerade nicht unbescheidene Strafe von Kerker von 6 Monaten bis zu 5 Jahren vorsieht! (Posl. dr Keibl: Was sagt der Generalstab dazu?) Lieber nichts, es würde wahrscheinlich nichts besonderes herauskommen.
Ich bitte, ein Beispiel, wie aus einer Redewendung, die in unserem Sprachgebrauch vollkommen geläufig ist, durch Wortklauberei und Entstellung und durch weitestgehende Interpretationen und Verdrehungen, Verbrechen nach dem Schutzgesetz gemacht werden, das nicht nur Kerkerstrafe bis zu 5 Jahren vorsieht, sondern Aberkennung des Parlamentsmandates, Aberkennung des akademischen Grades und - horribile dictu auch die Aberkennung der sogenannten "bürgerlichen Ehrenrechte".
Aus diesem Beispiel ersehen wir doch, wie die Parlamentarier eigentlich willkürlich Spitzelberichten ausgeliefert sind, die zu jeder Zeit und aus jeder Versammlung lieferbar sind und die von dem Betreffenden einfach beeidet werden und dann als sicher und fest hingenommen werden. In diesem Punkt vermochte der Immunitätsausschuß dem Wunsche des Staatsanwaltes von Neutitschein nicht zu folgen, und er hat in diesem Punkte die Auslieferung abgelehnt.
Ein zweiter Punkt entbehrt auch nicht eines gewissen Interesses. Zur Strafverfolgung wird gestellt, daß ich angeblich in dieser Versammlung - ich hatte übrigens Gelegenheit, schon vor 2 Jahren in diesem Hause über diese Sache zu sprechen - das Wort gebraucht habe: "Èechoslovakisch ist ein häßliches Wort, ein häßlicher Ausdruck". Es steht in dieser Relation "Èechoslovák jest ošklivé slovo". Nun, meine Damen und Herren, wer gut deutsch versteht, wird von vornherein wissen, daß diese Übersetzung ein Unsinn ist, weil es erstens Geschmacksache ist, welches Wort einem gefällt oder nicht, ob ein Wort einem zusagt oder nicht. Mir gefällt das ganze Unternehmen nicht, von dem Worte will ich gar nicht reden! Infolgedessen halte ich es für außerordentlich kleinlich und lächerlich, wenn man sich jetzt an das Wort klammert. Ich habe auch vorher niemals darüber nachgedacht, ob dieses Wort "Èechoslovakisch" schönn oder nicht schön ist, weil das ja vollkommen gleichgültig ist. Erst durch diesen sonderbaren Einfall des Auslieferungsbegehrens wurde ich veranlaßt, über dieses Wort eigentlich näher nachzudenken.
Ich will Ihnen aber auch sagen, wodurch dieser Irrtum der Übersetzung entstanden ist. Ich habe damals tatsächlich nicht gesagt: "Das Wort èechoslovakisch ist ein häßliches Wort", sondern ich habe gesagt, schon die Bezeichnung èechoslovakisch ist eine falsche Bezeichnung, u. zw. eine falsche Bezeichnung deswegen, weil man bereits in der Überschrift des Staates zwar ein Volk von 2 Millionen nennt, aber ein Volk von 3 1/2 Millionen bereits verschweigt. (Posl. Krumpe: Etwas derartiges hat schon einmal Hlinka gesagt!) Übrigens ist richtig, was Koll. Krumpe sagt, ich erinnere mich auch, daß Abg. Hlinka diese Äußerung ebenfalls gemacht hat. (Posl. Krumpe: Sogar etwas schärfer!) Jawohl, in noch schärferer Form.
Ich habe damals gesagt, wir sehen in unserer Verschweigung eine absichtliche Mißachtung! Wir haben ja keine Ambition, in dieser Firma genannt zu werden, aber wenn man sie schon nach Völkern benennt, müßte man wahrheitsgetreu èechisch-deutsch-slovakisch-rumänisch-polnisch-russischer, wenn Sie wollen noch jüdischer Staat sagen, dann hätte man die Völker dieses Staates aufgezählt! Nachdem diese Bezeichnung zweifellos zu lang ist, habe ich damals gesagt, wäre es vielleicht glücklicher gewesen, an Stelle einer ethnographischen vielleicht eine geographische zu wählen, hätte man "Sudeten-Karpathen-Republik", oder vielleicht "Großmährisches Reich" oder "Groß-Böhmen" sagen können. Jedenfalls ist das Wort èechoslovakisch eine Bezeichnung, bei der zum Ausdruck kommt, daß man die sog. Staatsnationen in zwei Namen des Staates bezeichnet hat, während man die anderen Nationen der Mißachtung der Nichtnennung überließ.
Diese Bezeichnung èechoslovakisch habe ich als falsch bezeichnet und der damalige Spitzel hat das kurzerhand übersetzt "Èechoslovák jest ošklivé slovo." Angeregt durch diese falsche Übersetzung seitens des Spitzels und die Aufnahme dieses Gedankens seitens des Staatsanwalts habe ich einige Sprachforschungen durchgeführt und mich mit diesem Wort, das mich sonst gar nicht interessiert hat, erst einmal näher befaßt. Ich bin hier auf sonderbare Bundesgenossen gestoßen und muß diese Bundesgenossen mitteilen, die hoffentlich davor gefeit sind, auch einer Strafverfolgung ausgesetzt zu werden, denn es sind derart waschechte Patrioten, daß für sie keine Gefahr besteht, verfolgt zu werden. Ich empfehle dem Herrn Referenten Dr. Suchý, der meine Auslieferung beantragt hat, in dem Werke "Naše øeè" aus dem Jahre 1920, Seite 41 einen Artikel durchzustudieren, in welchem sich der Verfasser des längeren mit der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Wortes "èeskoslovenský" in sprachwissenschaftlicher Hinsicht befaßt. Er kommt dort zu dem Ergebnis, daß die Sprachwissenschaft das Wort falsch findet! - Ich will hiezu betonen, daß die sprachwissenschaftliche Abteilung der èechischen Akademie für Kunst und Wissenschaft in einer eigenen Sitzung über den Ausdruck "èeskoslovenský" beraten und diese Bezeichnung als eine Neubildung erklärt hat, die mit dem bisherigen Sprachgebrauch nicht übereinstimmt und den bisherigen Sprachgebrauch verletzt, und zwar war das in einer Sitzung, die am 28. Jänner 1920 stattfand. Die Sprachwissenschaftler haben damals erklärt, daß die Verbindung eines Hauptwortes mit einem Eigenschaftswort ein Unsinn ist, und daß infolgedessen vom èechischen sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus dieses Wort falsch ist. Also nicht ich sagte, das sei falsch und unrichtig, sprachwissenschaftlich und grammatikalisch eine unrichtige Bezeichnung. Ich staune selbst darüber, daß ich zu solchen Untersuchungen gekommen bin, weil ich kein Sprachforscher bin und auch kein Interesse dafür habe, aber es war mir heiter, festzustellen, daß eine eigene Sitzung der èechischen wissenschaftlichen Akademie letzten Endes zu dem gleichen Ergebnis vom sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus gekommen ist wie ich!
Ich berufe mich aber auch noch auf einen zweiten èechischen Vertreter, der in politischer Richtung an dem Firmenwortlaut des Staates sehr viel auszusetzen gefunden hat und eigentlich in gewissem Sinne den gleichen Gedankengang gehabt hat, den ich hier zum Ausdruck gebracht habe. Und zwar ist es Herr Dr. Vlastimil Kybal, Gesandter der Èechoslovakischen Republik in Madrid, der in den "Národní Listy" vom 1. Jänner 1933 einen zwei Spalten langen Artikel veröffentlicht und sich in diesem zwei Spalten langen Artikel mit dem Namen der Republik befaßt hat, wobei er zu folgendem Ergebnis gekommen ist: Er erklärt, daß für einen Vertreter der Republik im Auslande - hier zum Beispiel für den Gesandten Kybal in Madrid die Vertretung deswegen schwierig sei, weil den èechoslovakischen Staat die Welt nicht kennt, weil eine ganze Menge von Schwierigkeiten zu überwinden sind, da der Name vollständig ungeläufig und vollständig unbekannt ist. (Posl. Horpynka: Trotz der ungeheuren Summen, die für Propaganda ausgegeben worden sind!) Jawohl, trotz der Propaganda, die allerdings ergebnislos geblieben ist.
Er erklärt, daß einzelne Namen bekannt sind, wie z. B. Boheme, Bohemia, daß die Bezeichnung èechoslovakisch mit allen möglichen Unterschieden geschrieben wird, zum Beispiel mit Cs, oder mit Cz, daß kein einziger dieser Ausdrücke durchschlagenden Erfolg hatte, daß also dadurch die Vertretung außerordentlich erschwert ist. Er erklärt in dem Artikel, daß der Name "Bohemia" wohl im Auslande bekannt sei, wie z. B. der Name "Polonia", daß durch seinen Namen der èechoslovakische Staat den Eindruck eines exotischen Staates mache, daß besonders durch die Bezeichnung "Slovakei" ein Hinweis auf den Osten Europas gegeben sei und daß dadurch geradezu die Kreditfähigkeit und die Handelsbeziehungen des Staates ungünstig beeinflußt würden. Sie sehen, zu welchen sonderbaren Betrachtungen man gezwungen wird, wenn man eine solche Angelegenheit überhaupt des näheren ansehen muß. (Posl. dr Schollich: Es existiert darüber auch eine französische Stimme!) Ich habe Kenntnis davon, daß vor kurzem, ich glaube in der "Reforma" der Artikel eines Franzosen wiedergegeben wurde. Mir ist es leider im letzten Augenblick nicht möglich gewesen, diesen Artikel der "Reforma" herbeizuschaffen, er wird aber in der Schriftleitung der "Reforma" zu bekommen sein. In diesem Artikel erklärt der Franzose, daß sie mit dem Namen und der Schreibweise des èechoslovakischen Staates nichts anzufangen wüßten. Sie sehen also letzten Endes, daß verschiedene Personen aus verschiedenen Richtungen sich aus verschiedenen Gründen mit dieser Frage befaßt haben und alle zu dem gleichen Ergebnis gekommen sind.
Wenn ich aus einer Mücke einen Elefanten zu machen gezwungen war, und überhaupt zu dieser Frage eines Wortes Stellung zu nehmen gezwungen war, so trifft das natürlich nicht das Wesen der Sache. Das Wesen der Sache ist doch das, daß man einen solchen Schmarren - ich kann es nicht anders bezeichnen - durch Jahr und Tag herumzieht und wir jetzt am Tage des erwachenden Frühlings hier gezwungen sind, da zu stehen und uns einen solchen Unsinn überhaupt anzuhören, daß man tatsächlich so lange über eine solche Sache sprechen muß, weil daraus eine Haupt- und Staatsaktion gemacht wird und eine derartige Angelegenheit Grund genug ist, einen Parlamentarier seines sogenannten Volksrechtes, der Immunität zu entkleiden, und einer Strafverfolgung vor Gericht auszusetzen! (Posl. Horpynka: Dabei hast Du ganz übersehen, daß naturwissenschaftlich der Ausdruck begründet ist! Wenn der Vater ein Èeche und die Mutter eine Slovakin ist, ist das Kind ein Èechoslovake!) Ich will kein Urteil abgeben, weil ich mich hier nicht auch noch mit Zuchtfragen befassen kann!
Das Ernste an der Sache ist, daß man trotz mehrjähriger Dauer auch heute noch derartige Fragen behandelt, statt sie einfach ad acta zu legen, weil man durch solche Dinge nicht nur den Ernst des Parlaments, sondern auch den Ernst parlamentarischer Einrichtungen wie der Immunität des Parlamentariers lächerlich macht und sie herabwürdigt. Wenn man schon wünscht, daß ich auch noch im Gerichtssaal irgendwelche sprachwissenschaftliche Forschungen betreiben soll, so will ich dem nicht ausweichen und es wird vielleicht langsam die Heiterkeit der Öffentlichkeit erwecken und ich werde zum Schlusse "Vater der Interpretation der Staatsüberschrift" sein, weil ich glaube, daß noch niemand sich derart intensiv mit diesem Wort hat befassen müssen, als es bei mir der Fall gewesen ist.
Die Bedeutung der Sache liegt darin, daß wir die grundsätzliche Stellungnahme des Parlaments zu solchen Fragen wissen wollen, ob man in solchen Fragen grundsätzlich an die Immunität eines Abgeordneten greift und vor allem wie sich die einzelnen Parteien zu dieser Sache stellen, besonders die deutschen Regierungsparteien. Ich bin sehr neugierig, ob man in solchen Fällen, wie ich einen hier mit größter Ungeniertheit vorgetragen habe, weil nichts dahinter ist, einem Parlamentarier mehr glaubt oder einem unbekannten Spitzel, den ich mir erst 2 Jahre später aus den Anzeigeprotokollen herausgesucht habe, - falls es der richtige ist. In diesen Protokollen wird ein gewisser Eduard Kaša, seines Zeichens angeblich Inspektor, genannt und ein Stanislav Metzl, tituliert als Adjunkt. Ich habe bis dahin von der Existenz dieser Menschen keine blasse Ahnung gehabt und ich bin auch ansonsten nicht interessiert, etwas näheres von ihnen zu erfahren. (Posl. dr Schollich: Staatspolizei!) Kennst Du diese Personen? (Posl. dr Schollich: Jawohl!) Danke!
Wenn man glaubt, durch derartige
Dinge den Staat zu retten, so kann ich niemanden an dieser patriotischen
Beschäftigung hindern. Wenn es schon sein muß, müssen wir uns
als Osterlämmer auf den Altar des Vaterlandes legen und uns für
den Ruhm und die Ehre des Namens schlachten lassen. Es sei dem
Referenten vorbehalten, sich zu meinen Ausführungen zu äußern,
weil ich schließlich seine Aufgabe nicht nur darin sehe, hier
eine Formalität zu erfüllen, sondern weil er doch zu solchen Ausführungen,
die auf das meritorische eingehen, Stellung nehmen soll, damit
man sieht, daß er hier nicht nur Funktionär eines toten Formalismus
ist, sondern daß er auch auf die Ausführungen eingeht und den
Standpunkt, wenn er ihn heute noch in derselben Form aufrechterhält
wie bisher, wenigstens begründet, damit wir auch von der Gegenseite
die Meinung hören. Weiter habe ich nichts dazu zu sagen. (Potlesk.)
Im Namen der deutschen christlichsozialen Volkspartei, der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei, der deutschen Nationalpartei, der deutschen Arbeits- und Wirts chaftsgemeinschaft, der deutschen Gewerbepartei und der ungarischen christlichsozialen und der ungarischen Nationalpartei habe ich die Ehre, folgende Erklärung zur Frage der Auslieferung der Abg. Dr. Hassold und Dr. Schollich abzugeben:
Bei dem Antrag des Immunitätsausschusses auf Auslieferung der Abg. Dr. Hassold und Dr. Schollich beziehen wir uns auf die von uns anläßlich der Auslieferung der Abgeordenten der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei hier im Hause abgegebenen Erklärungen und Kundgebungen. Wir wiederholen und betonen ausdrücklich jenen Teil der Erklärungen, in dem wir die Auslieferung deutscher Abgeordneter als eine Verleugnung der Demokratie und eine Vergewaltigung der politischen Gesinnungsfreiheit bezeichneten. Wir sehen in dem neuerlichen Auslieferungsbegehren eine Fortsetzung der politischen Persekution des deutschen Volkes, die ihre höchste Verschärfung in der Aberkennung der Immunität seiner Abgeordneten findet. Wir ersehen in dem Falle des Dr. Schollich eine besondere Gefahr und Bedrohung des sudetendeutschen Volkes, weil in diesem Falle in dem Umstand, daß Dr. Schollich in Deutschland aufgetreten ist, ein Vergehen erblickt wird. Die Sudetendeutschen sind ein Zweig des großen deutschen Volkes und können nicht darauf verzichten, im großen deutschen Kulturkreis ihr Geistesleben zu führen. Wir erblicken daher darin einen Anschlag auf die deutschen Kulturbestrebungen, daß es einem deutschen Abgeordneten verwehrt sein soll, mit Volksgenossen im Ausland Beziehungen zu pflegen.
Die fortgesetzte Persekution des
deutschen Volkes schafft eine Atmosphäre, welche die Grundnotwendigkeit
dieses Staates, das friedliche Zusammenleben verschiedener Völker
verneint. Wir erheben daher gegen die Auslieferung der Abg. Dr.
Hassold und Dr. Schollich den schärfsten Einspruch
und wissen uns eins mit der überwiegenden Mehrheit des sudetendeutschen
Volkes, wenn wir den Angriffen auf die parlamentarische Immunität
den schärfsten Widerstand entgegensetzen. Wir stimmen daher gegen
die abermalige Auslieferung deutscher Abgeordneter und machen
gleichzeitig die deutschen Regierungsparteien, die Sozialdemokraten
und den Bund der Landwirte voll und ganz für dieses deutschfeindliche
Vorgehen- der Regierung vor unserem Volke verantwortlich. (Výkøiky
posl. Grünznera. - Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Wenn ich mich zu meiner vom Immunitätsausschuß beantragten Auslieferung zu Worte gemeldet habe, so geschah es nicht in der Absicht, hier nunmehr vielleicht eine Verteidigungs- oder Entschuldigungsrede zu halten oder etwa den Versuch zu machen, mich rein zu waschen und de- und wehmütig um Verzeihung zu bitten und für die Zukunft Besserung zu geloben. Eine derartig würdelose Haltung werden Sie von mir vergeblich erwarten. Ich bin gewohnt, dafür, was ich tue und lasse, restlos und unter allen Umständen einzutreten, für meine Handlungen die volle Verantwortung zu übernehmen, was immer sich für Folgen aus meiner Haltung vielleicht ergeben sollten. Ich benütze lediglich die gebotene Gelegenheit zu einigen politischen Feststellungen und Betrachtungen, die meines Erachtens wert sind, festgehalten zu werden. (Posl. Horpynka: Man muß die Feste feiern, wie sie in der Èechoslovakei fallen!) So ist es!
Zunächst ein paar Worte zur Tätigkeit des Immunitätsausschusses. Ich habe in meinen Ausführungen zur Auslieferung der nationalsozialistischen Abgeordneten vor 4 Wochen besonders darauf verwiesen, daß das arme, notleidende, darbende Volk in der heutigen wirtschaftlichen Notzeit von Volksvertretung und Regierung eine intensivste Tätigkeit zur Behebung der wirtschaftlichen Nöte, zur Wiederinbetriebsetzung der ruinierten Wirtschaft in allen ihren Teilen verlangen müßte. Die einst blühende Industrie liegt infolge einer unglücklichen einseitigen èechischen chauvinistischen Handelsp olitik vollständig darnieder. Die Zahl der Arbeitslosen hat die erschreckende Höhe von einer Million bereits erreicht. Die Landwirtschaft geht infolge der niederen Getreidepreise einer täglich zunehmenden Verschuldung, ihrer sicheren Verelendung entgegen. Handel und Gewerbe sind bereits ruiniert und werden durch die brutale Steuerexekution zur Verzweiflung getrieben. Die Beamtenschaft verelendet infolge der Gehaltskürzung immer mehr und mehr, die Staatskassen sind leer und des Finanzministers einzige und größte Sorge ist, den Staathaushalt im Gleichgewicht zu erhalten. Kurz, die wirtschaftliche und die finanzielle Situation des Staates und seiner Bevölkerung ist trostlos, ja hoffnungslos.
Angesichts dieser unerfreulichen Situation wäre es Pflicht und Aufgabe der Regierung und Volksvertretung, sich mit diesen wichtigen Problemen und Fragen zu beschäftigen und Vorschläge zur Besserung zu machen. Beide Faktoren des Staates und öffentlichen Lebens befleißigen sich aber einer beneidenswerten, ja geradezu sträflichen Untätigkeit. Die in Betracht kommenden Ausschüsse treten trotz größer werdender Not selten, fast nie zusammen und wenn schon, dann dreschen sie nur abgestandene Phrasen, ohne wirklich nutzbringende, Werte schaffende Arbeit zu leisten. Demgegenüber ist der Immunitätsausschuß der einzige Ausschuß im èechi schen Parlamente, der wirklich brav und fleißig arbeitet, das muß man ohne weiters sagen, der intensiv und produktiv tätig ist. Er tritt häufig zusammen, hat genügenden Verhandlungsstoff, was auch rein äußerlich dadurch sichtbar wird, daß auf jeder Tagesordnung des Abgeordnetenhauses zahlreichhe Auslieferungsbegehren mit dem Antrag des Immunitätsausschusses auf Auslieferung stehen. Wenn man sich die Mühe nimmt, die Tätigkeit der Parlamente anderer Staaten nach dieser Richtung hin zu untersuchen, kann man - ich darf sagen, mit Freude - feststellen, daß die Èechoslovakei wenigstens in dieser Hinsicht einen Rekord hält, an der Spitze marschiert, daß in keinem anderen Staate und bei keinem anderen Volke etwas Gleiches oder Ähnliches zu finden ist. Diese auffallende Tatsache hat nicht vielleicht den Grund darin, daß in anderen Staaten weniger Kritik am Staat und seinen Einrichtungen und Lebensäußerungen, an der Regierung und ihren Organen geübt wird, sondern lediglich darin, daß in diesen Staaten und bei diesen Völkern eine andere Auffassung von der Demokratie, vom Wesen der Immunität der Volksvertreter herrscht. Dort wünscht man diese Kritik der Volksvertreter an den öffentlichen Einrichtungen, weil man weiß, daß diese Kritik nicht negativ, sondern positiv, heilsam, notwendig, ja geradezu unerläßlich ist, sollen Übelstände in der Staatsverwaltung rechtzeitig aufgedeckt, Korruptionsherde im Keime erstickt werden. Nur auf diesem Wege schafft man eine klar und reibungslos funktionierende Verwaltung und einen unbestechlichen Beamtenapparat. Hierzulande aber wünschen die Nutznießer und Schmarotzer des Staates in der Bürokratie wie in der Volksvertretung keine Kritik, weil sonst die oft unerhört skandalöse Ausbeutung des Staates offenbar würde. Man wßnücht keine Opposition, die nach Ordnung drängt und sich das Recht anmaßt, alle diese Übelstände im Staate in seinen dunklen Winkeln aufzuzeigen. Die letzten Skandalgeschichten, die vielen Korruptionsaffären der letzten Jahre und ihre mehr als nachsichtige Behandlung bis zum unverständlichen Freispruch des Silbernen Georg, des ehemaligen Ministers Georg Støíbrný, haben ja die in vielen èechischen Kreisen herrschende Auffassung vom Staate und seiner Funktion als Futterkrippe für die herrschenden Parteien offenbar gemacht.
Doch ich irre ab, es kann doch wohl nicht meine Aufgabe als negativistischer Abgeordneter sein, dem èechischen Staatsvolke eine Vorlesung über staatsbürgerliche Pflichten und Aufgaben zu halten. Die unbequeme deutsche Opposition soll also mundtot gemacht werden, daaher geht das Theater der Auslieferung deutscher Volksvertreter weiter. Die notwendigen Unterlagen sind leicht zu finden. Während Regierungsparteiler nicht ausgeliefert werden, wenn gegen sie die schwersten Vorwürfe, die gröbsten Beschuldigungen erhoben werden, während sie selbst bei offensichtlicher Schuld zur strafgerichtlichen Verfolgung nicht freigegeben werden, wird die Opposition bereits der Bestrafung zugeführt, wenn sie im Rahmen ihres Parteiprogramms sich betätigt.
Bei der Behandlung der nationalsozialistischen Auslieferung hat sich Justizminister Dr. Meissner, um das Ansehen der èechischen Justiz zu retten, mehrfach u. zw. im Haushaltungsausschuß des Abgeordnetenhauses, des Senates und auch in der Presse den erhobenen Vorwurf, daß es sich in diesen Prozessen um eine Verfolgung, um eine politische Persekution handelt, daß nicht Tatbestände, sondern die politische Gesinnung verfolgt werde, in aller Schärfe und mit großer Entrüstung zur Wehr gesetzt, diese Anwürfe zurückgewiesen. In seiner Antwort auf die Ausführungen der Sen. Dr. Jesser und Dr. Hilgenreiner im Haushaltungsausschuß des Senates vom 13. Feber 1933 führt er unter anderem nach dem stenographischen Protokoll wörtlich aus: "Ich hatte schon während der Verhandlungen des Voranschlages im Abgeordnetenhaus Gelegenheit, eine Erklärung hiezu abzugeben, und ich hatte geglaubt, daß meine aufrichtigen Worte richtig verstanden und ihnen Glauben geschenkt werde. Ich beobachte nunmehr aber, daß noch immer auf dem präzisen und deutlichen Standpunkt beharrt wird, daß es sich hier um ein Glied aus der Kette politischer Prozesse handelt, daß diese Prozesse absichtlich hervorgerufen und daß sie nicht genug sachlich begründet wurden, daß es politische Prozesse sind, die gegen politische Meinungen und Nationen gehen und daß sie ein politischer Fehler sind. Persönlich bin ich kein Freund von politischen Prozessen und wenn es möglich wäre, sie zu umgehen, würde ich ihnen gerne ausweichen. Unter allen Umständen" - ich bitte aufzupassen - "würde ich es ablehnen, Prozesse aus politischen Gründen und zu politischen Zwecken zu inszenieren, hauptsächlich solche Prozesse, die gar keine sachliche Grundlage haben."
Meine Herren, was Sie von diesen Worten des obersten Chefs der Justizverwaltung zu halten haben, das werde ich Ihnen an Hand meines eigenen Strafvergehens nachzuweisen versuchen. Ich habe nach dem Bericht des Immunitätsausschusses am 21. März 1931 an einer deutschnationalen Versammlung in Oppeln teilgenommen und hier einige Worte folgendes Inhaltes gesprochen: "Ich bringe Ihnen die Grüße der Sudetendeutschen! Freudig sind wir hieher geeilt. Jahrelange enge Beziehungen verknüpfen uns. Es ist die Erkenntnis des Krieges und des Zusammenbruches, daß wir uns bewußt geworden sind, daß wir eines Stammes sind. Es war nicht immer so. Es gab Zeiten, in denen das Bewußtsein unserer Stammeseinheit verloren gegangen war. Wenn wir auch durch die Grenze geschieden sind, die der Machtwille der Feinde geschaffen hat, so ist doch das Volk das wertvollere und größere, das uns eint. Wir gehören zusammen. Menschlicher Wille nur war es, der diese unnatürliche Grenze geschaffen hat und menschlicher Wille kann sie wieder versetzen. Der Staat, in dem wir zu leben gezwungen sind, wirft uns unser Deutschtum als Hochverrat vor, obwohl gerade dieser Staat keine Veranlassung hätte, von Hochverrat zu sprechen. Die Geschicke des sudetendeutschen Volkes sind mit dem Schicksal des deutschen Volkes auf des engste verbunden. Wenn einmal der Traum der Zukunft wahr wird, dann vergeßt uns nicht, dann soll es heißen: Ein Reich, ein Volk, soweit die deutsche Zunge klingt." (Výkøiky posl. Horpynky.)