Ein Verband junger Menschen, die alle im Berufe stehen und durchaus freiwillig mitarbeiten, können schon aus Zeitnot keine militärische Ausbildung erhalten. Hiezu noch die Tatsache, daß die Kräfte und Personen gefehlt haben, die eine derartige Ausbildung hätten anordnen und durchführen können. Weiters die Feststellung, daß kein einziges Schriftstück von der Verbandsleitung herausgegeben wurde, womit die schweren Anschuldigungen des Militärs und der Justitz begründet wären. Bleibt nichts anderes übrig als der Ausflug einiger Jugendlicher ins romantische Land, Stilübungen und Entwürfe, die nie zur Tat wurden. Ein wenig Spielerei, da und dort, aber nie die Aufzäumung einer militärischen Organisation im Sinne der Anklage und des Urteils. (Výkøiky.) Schon deshalb nicht, weil die Waffe fehlt, fehlen mußte und gefehlt hat eine einheitliche Führung in dieser Richtung und eine bestimmte Zielsetzung. Es ist nicht besonders rühmlich von der Staats- und Militärgewalt, wenn sie sich durch eine derartige Organisation bedroht fühlt.
Wenn aber alles das richtig wäre, was im Brünner Prozeß der öffenliche Ankläger behauptet, dann hätte er unter allen Umständen:
1. Jedweden Zeugen zulassen müssen, weil ja die Anklage angeblich nicht zu entkräften war, um wenigstens den Schein der Objektivität zu wahren.
2. Hätte er Straf- und zumindest Disziplinarverfahren gegen alle jene Bezirkshauptleute und Gendarmen beantragen müssen, die 2 Jahre lang all die angeblichen Schandtaten kannten, ja sie teilweise behördlich genehmigt haben.
Das Märchen von den militärischen Geheimorganisationen werden wir im Prozeß gründlich zerstören, wenn Sie uns hiezu Gelegenheit geben. Sie müssen dies, wenn Sie ein Rechtstaat sind, Sie müssen dies, wenn Sie die schlotternde Angst Ihrer verhetzten Bevölkerung vor der deutschen. Gefahr aus der Welt schaffen wollen, deren Angstpsychose ja die Balloniade bewiesen hat. Das Werk der Verhetzung, dessen Sie uns beschuldigen, scheint noch nicht sehr weit gediehen zu sein, denn die Staat und Kasernen haltende Betätigung von NS. und Volkssportlern beim Brünner Faschistenputsch paßt nicht in das Konzept Ihrer Vernaderung.
Und so wollen wir der Erwartung
Ausdruck geben, daß der Prozeß es uns ermöglicht, für unsere Tat
einzutreten und alles zu widerlegen, was an unsinnigen Behauptungen
aufgestellt wurde. Der französische Revolutionär Danton sagt:
Recht, mein lieber Freund ist, daß wir oben und die anderen immer
unten sind. Wenn Sie den Prozeß so führen wollen, dann veleugnen
Sie Ihre Geschichte, schlagen ans Kreuz jene Grundsätze, denen
Sie Ihre staatliche Existenz verdannken. Wollen Sie im Prozeß
aber die Wahrheit suchen, wollen Sie uns nicht jenes prozessuale
Recht rauben, das das Gesetz jedem Raubmörder zubilligt, so erweisen
Sie damit nicht uns einen Dienst, sondern Ihrem Staat. Sie haben
die Wahl zwischen Recht und Gewalt. Wenn der Prozeß dazu beiträgt,
eine Wendung im sudetendeutschen Parteilager herbeizuführen, wenn
er Sie lehrt, daß höchstes Staatsinteresse eine gerechte Lösung
der nationalen Frage erheischt, so sind die Opfer nicht umsonst
gebracht, die wir bereit sind zu bri ngen. (Potlesk.)
Hohes Haus! Ich habe am Beginne dieser Debatte den Herren Kollegen von der èechischen Seite zugerufen, daß ein derartiger Immunitätsfall, so lange ich Abgeordneter des österreichischen Reichsrates war, nie das österreichische Parlament beschäftigt hat. Mir ist kein Fall bekannt, daß in Österreich ein Parlamentarier wegen seiner politischen Gesinnung oder Überzeugung gerichtlich verfolgt worden, bzw. vom Parlamente der gerichtlichen Verfolgung übergeben worden wäre. Es wurde mir vom Herrn Koll. Pik entgegengehalten, daß das nicht richtig sei. Er verwies auf seinen persönlichen Fall, darauf, daß er selbst wegen Majestätsbeleidigung im Kerker saß. Nun, meine Herren, zwischen diesem Fall hier und einer Majestätsbeleidigung ist denn doch ein himmelweiter Unterschied. Das läßt sich nicht vergleichen. Im übrigen dürfte sich der Fall Pik während der Kriegszeit begeben haben, während welcher bekanntlich das Parlament lange ausgeschaltet war.
Auf diesen Bänken sitzen noch
viele Kollegen, die gleich mir im österreichischen Reichsrat saßen
und sie werden mir bestätigen können, daß im österreichischen
Parlament - und Österreich warbei Gott kein fortschrittlicher
Staat, der etwa auf den Parlamentarismus und sein Wesen besonderes
Gewicht gelegt hätte - eine Verfolgung von Parlamentariern wegen
ihrer politischen Gesinnung oder Betätigung, nicht vorgekommen
ist. (Posl. dr Rosche: Das alte Österreich hat auch kein Schutzgesetz
gehabt!) Richtig, aber es hatte genügend Gesetze, um ebenso
wie hier nach dem Schutzgesetze jeden zu belangen. Die normalen
strafgesetzlichen Bestimmungen hätten hingereicht. (Výkøiky
posl. inž. Kalliny.)
Místopøedseda Roudnický (zvoní):
Prosím, aby øeèník nebyl vyrušován. Slovo má pan posl. Knirsch.
Posl. Knirsch (pokraèuje): Die Zurückweisung meiner Behauptung von Seiten des Herrn Koll. Pik war nicht berechtigt. Der österreichische Parlamentarismus stand in der Auffassung des Wesens und des Wertes des Parlamentes, sowie des Ansehens der einzelnen Volksvertreter tu rmhoch über dem Parlamentarismus, den wir hier sehen. (Výkøiky posl. inž. Kalliny.) Ich gebe gerne zu, daß dieser Verfall des Perlamentarismus sich nicht nur auf diesen Staat hier beschränkt, sondern eine ziemlich allgemeine Erscheinung geworden ist.
Hohes Haus! Der vorliegende Immunitätsfall wurde von èechischer Seite sowie vom Herrn Justizminister und, wenn ich nicht irre, auch vom Herrn Berichterstatter als ein persönliche Angelegenheit der Auszuliefernden bezeichnet. Es wurde gesagt, daß irgendwelche politische Begleiterscheinung oder gar ein allgemeines nationales Interesse gar nicht gegeben sei. Nun, meine Verehrten, wie kann man so etwas sagen angesichts der Tatsache, daß seit vielen Wochen dieses Auslieferungsbegehren die ganze Öffentlichkeit des Staates in Atem hält. (Výkøiky posl. Krebse.) Wie kann man so etwas annehmen von einem Ereignis, das das sudetendeutsche politische Leben ins einen Tiefen aufwühlt? Meine Herren, es ist kein persönliches Interesse. Diese Angelegenheit berührt in tiefstem Maße selbst die Regierungskoalition. Es ist ja uns allen bekannt, was sich innerhalb der Regierung in den letzten Wochen und Tagen wegen dieses Auslieferungsbegehrens abspielt, (Sehr richtig!) weil man auf Seite der deutschen Regierungsparteien wohl weiß und fühlt, was diese Angelegenheit für das ges amte sudetendeutsche Volk und vor allem andern für die Grundsätze bedeutet, deren Träger bisher insbesondere auch die deutschen Sozialdemokraten gewesen sind. (Sehr richtig!) Das Auslieferungsbegehren, das uns beschäftigt, berührt im hö chsten Maße - das ist unsere tiefste Überzeugung - das größte Problem dieses Staates, das nationale Problem. Was Sie in diesen Tagen an Scheidewand aufgerichtet haben zwischen den Nationen, das können die Herrn von der èechischen Seite vielleicht im Angenblick noch gar nicht erfassen. (Souhlas na levici.)
Wir haben das Brünner Urteil als einen schweren Justizirrtum aufgefaßt und wir waren dher in den letzten Wochen und Monaten bemüht, diesen Justizirrtum aufzuklären. In Wort und Schrift haben wir das versucht, auch die èechische Öffentlichkeit und die Behörden mit dem vertraut zu machen, was in unserer Bewegung und in unserem Volke lebt, wirkt und arbeitet. Sie gingen daran vorüber. Seit 2 Tagen bemüht man sich nicht nur von Seite der Kollegen meiner Partei, sondern von Seiten der deutschen Opposition, in sa chlichster und einndringlichster Form der èechischen Seite des Hauses darzulegen, auf welch falschen Voraussetzungen, auf welch falschen Annahmen dieses Verfolgungssystem beruht. Vergeblich, meine verehrten Herren, wir reden aneinander vorüber. Es ist Schade um jedes Wort der Aufklärung (Sehr richtig!), weil Ihr Urteil von vornherein feststeht und so weit Sie ein anderes in Ihren Herzen und Hirnen haben, dürfen Sie es nicht zum Ausdruck bringen. (Souhlas na levici.)
Meine Herren! Wenn man sich die Tragweite vor Augen hält, um was es bei diesem Verfahren geht, und betrachtet dann das Bild, das disese Haus in den zwei Tagen der Debatte geboten hat, dann kommt man zu der Ansicht, daß wir uns einfach nicht verstehen und verständigen können. (Posl. inž. Kallina: Der Justizminister betreibt Wintersport!)
Er soll krank sein, aber wenn auch der Justizminister aus Gesundheitsrücksichten nicht anwesend war, so saß doch auch, abgesehen vom ersten Tag, an welchem drei Minister kurze Zeit im Hause weilten, auf der Ministerbank kein einziger Minister mehr. Der Herr Berichterstatter hat sich nur die ersten Redner angehört. Wir geben zu, er kann nicht zwei Tage von früh bis abends hier am Platze sitzen, aber es sind doch andere èechis che Kollegen als Vertreter hier, die berufen gewesen wären, zuzuhören. Die Ministerbank blieb leer und auf den Bänken der èechischen Kollegen saß nur ab und zu einer oder der andere, der nur kam, weil dieser oder jener ihm persönlich bekannte oder sympathische Redner sprach. Teilnahmslosigkeit. Interesselosigkeit, fest gefaßter Vorsatz und festgefaßtes Urteil von vornherein - so ist das Bild in diesen zwei Tagen gewesen. Und so, wie es in den zwei Tagen war, war es all die Zeit her. Wir reden an einander vorüber, wir gehen aneinander vorbei, wir verstehen uns nicht, d. h. Sie wollen uns nicht verstehen, Sie haben keine Ahnung, was sich im deutschen politischen Leben abspielt und nur so ist es möglich, daß aus dieser Atmosphäre heraus sich ein Skandalprozeß entwickeln konnte, wie es der Brünner Prozeß war und in Fortsetzung desselben das Verfahren, das heute gegen vier unserer Kollegen eingeleitet wird.
Ich hatte die Absicht, in disem Hause darzulegen, aus welcher Atmosphäre heraus der Staatsanwalt, das Gericht, die èechis chen Kollegen und die Regierung zu der Auffassung, in der sie leben, kommen konnten. Ich bin überzeugt, daß viele von den èechischen Kollegen wirklich glauben, daß alle diese Dinge so lieg, wie es in dem militärischen Gutachten und Urteil steht. Sie haben sich in all den Jahren nicht gekümmert, was in Deutschland vor sich ging. Erinnern Sie sich der Besprechungen, die wir geführt haben, in denen wir Sie aufmerksam machten, was in der deutschen Nation vor sich geht, welcher innere Umbruch, innere politische Revolution. Sie bezogen Ihre Kenntnis bestenfalls aus irgendwelchen vollständig gegnerisch eingestellten Zeitungen und standen nun plötzlich vor einer weltpolitischen Umwälzung, unorientiert, unwissend. So ähnlich stehen und standen Sie uns in diesem Staat gegenüber.
Ich versage es mir, auf alles das einzugehen, was ich für notwendig gehalten hätte, um aus einer positiven politischen Einstellung heraus zu versuchen, diese Atmosphäre zu zerreißen. Ich begnüge mich im Hinblick auf diese Erscheinungen unseres Parlamentes nur noch eine kurze Erklärung abzugeben im Namen derjeniger Klubkollegen und Vorstandsmitglieder meiner Partei, die von dem Auslieferungs-, bezw. Strafverfahren nicht betroffen sind.
Wir erklären: Gestützt auf das
unbestätigte Brünner Urteil beantragt der Staatsanwalt die Auslieferung
unserer Kameraden Jung, Kasper, Krebs und
Schubert zur strafrechtlichen Verfolgung. In der Begründung
wird gesagt, daß die Genannten leitende Funktionäre der als militärische
Organisationen mit verbrecherischen Zielen qualifizierten Verbände
der Partei waren und deshalb gegen sie der Verdacht bestehe, sich
des gleichen Verbrechens schuldig gemacht zu haben, wie die in
Brünn Verurteilten. Wir anderen Vorstands- und Klubmitglieder
der Partei erklären hiemit auf Grund genauer Kenntnis der Vorgänge
innerhalb unserer Bewegung, des Zweckes und Zieles ihrer einzelnen
politischen und nicht politischen Gliederungen, daß das Brünner
Urteil auf irrigen Anahmen beruht. Alles, was unsere Bewegung
berührt, ihre programmatischen Grundlagen, ihr organisatorischer
Aufbau und ihre politischen Richtlinien wurden von der Gesamtvertretung
der Partei beraten und festgelegt. Es kamen, aus dem Bestreben
heraus, die Organisationsformen zu ändern, wohl vereinzelte geringfügige
Überschreitungen des Vereinsgesetzes vor, nirgend und niemals
aber haben die führenden Parteistellen Bestrebungen feststellen
können, die Pläne verfolgt hätten, wie sie das militärische Gutachten
und das Urteil als erwiesen annahmen. Die Annahme verbrecherischer
militärischer Gewaltpläne durch die militärischen Sachverständigen
und durch das Gericht hätte sich als irrig herausgestellt, wenn
auch nur einer der leitenden Funktionäre als Zeuge einvernommen
worden wäre, statt daß man diese heute auf Grund eines Fehlurteils
auch strafrechtlich verfolgen will. Wir erklären uns mit der Parteiführung
solidarisch und tragen mit ihr die volle Verantwortung für die
programmatische Zielsetzung, den organisatorischen Aufbau und
die Tätigkeit innerhalb der Gesamtbewegung. Wir stehen in Vertrauen
und Treue zu den verfolgten Kamaraden. Wir legen von dieser Tribüne
schärfsten Protest ein gegen die Unterstellung geheimer politischer
Ziele, die wir angeblich mit illegalen militärischen Kräften durchsetzen
wollen. Wir protestieren am schärfsten gegen das Unterdrückungssystem
der staatlichen Machthaber, die nun auch noch die Justiz in den
Dienst ihrer nationalpolitischen Ziele stellen. Wir wissen, daß
der tiefere Zweck der ganzen Verfolgungsaktion sich gegen das
gesamte Sudetendeutschtum richtet. Sie gilt der Unterbindung des
Kampfes um das Eigenrecht und Eigenleben unseres Volkes auf seinem
Heimatboden. Uns wird diese Verfolgung nicht zermürben, sondern
im Gegenteil unsere Kräfte und unseren Willen stählen, mit allem,
was wir sind und haben, weiter zu kämpfen für nationale Freiheit
und soziale. Gerechtigkeit. (Potlesk.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Es wäre wohl zuerst meine Sache, auf die Ausführungen des Herrn Vorredners ze reagieren. Ich glaube, daß ich mich dessen selbst entheben kann, - allerdings wenn ich eine Feststellung mache, die in meine Konzepte hineinpaßt. Hier hat jetzt gesprochen der rasend gewordene èechoslovakis che Kleinbürger, der bei uns Staatspolitik macht; er spricht manchmal von dieser Tribüne, manchmal von diesen Sesseln, manchmal von den Sesseln der Sektionschefs, manchmal aus den Redaktionen der kulturellen Zeitschriften. Kurz: das ist der Typus, der die èechoslovakische Politik macht und bei dem es ganz gleichgültig ist, ob er in der Opposition ist oder in der Regierung.
Ich habe mir heute vorgenommen, mit aller Offenheit und Klarheit nicht irgendwie aus der Situation irgendetwas herauszuschneiden, etwa nach den Reden von der anderen Seite, sondern sowohl nach der deutschen wie nach der èechischen Seite hin zu sprechen. Das Unglück der ganzen Entwicklung ist, daß es eben in diesem Hause genügt, auf dem Niveau des Herrn Vorredners zu sprechen. Ich achte jeden Beruf, ich achte jede Bildung, jeden Stand, ich verlange nur, daß die Staatspolitik gemacht wird von Menschen, die entweder die Herzenskultur oder die Bildung dazu haben. Aber mit Wald- und Wiesenreden werden Sie Ihren Staat zu Tode reden, weil der Staat mehr braucht als irgendwelche von dieser Tribüne zu den Fenstern hinausgehaltenen Reden.
Ich bin objektiv genug zu sagen, daß auch wir auf unserer Seite nicht immer diejenige Höhe haben, die im englischen, aber auch noch in dem österreichis chen Parlament gegeben war. Ich bekämpfe nicht die einen, und mache die anderen gut; aber ich bin der Auffassung, daß es im Interesse derjenigen Menschen, die Geschichte machen, liegt, sich nicht trtreiben zu lassen von irgendwelchen demagogischen, agitatorischen Gedanken, sondern den Mut zu finden, zu sagen, daß für die Führer des Staats ein solcher Dilettantismus, eine solche leidenschaftliche, unobjektive, undurchgebildete Politik nicht genügt.
Diese falsche Einstellung hat Sie in die heutige Situation gefùhrt, in der Sie die Hälfte eines Parteiklubs aus diesem Parlament hinauswerfen und in der eigentlich die Klugen unter Ihnen - allerdings gibt es wenig Mutige unter Ihnen - vollständig überzeugt sind, daß seit einem Jahr die politische Entwicklung falsch geht und daß dadurch, daß Sie nicht den Mut haben, ein bischen gegen den Strom zu schwimmen, ein bischen gegen die Boulevardpresse des Herrn Støíbrný und gegen Ihre eigene chauvinistische Presse aufzutreten, verhindert wird, sich wieder in eine staatspolitische Entwicklung hineinzubegeben. Es geht daher nicht an, daß heute hier die Gelegenheit nicht wahrgenommen wird, die Fehler und Irrtümer festzustellen, die sowohl die innere Verwalltung als auch die Justitzverwaltung innerhalb dieses einen Jahres auf sich geladen hat.
Ich fühle mich verpflichtet, nicht als Oppositioneller, sondern als Kulturmensch, als Mensch, der die Entwicklung sieht und kritisiert und sie als einen Bestandteil menschlicher Geschihte und Geschicke ansieht, darüber ganz offen zu sprechen. Der ganze Volkssportprozeß, die ganze Verfolgung der Volkssportleute wird in wenigen Tagen ein Jubiläum feiern, nämlich, daß schon ein Jahr vergangen ist, seitdem die Verfolgung der Volkssportleute begonnen hat. Wie ist denn die Sache entstanden? Ist Ihnen bekannt, daß die Sache durch den konfidentiellen Bericht eines Studenten ihren Anfang genommen hat, eines gekauften Mitgliedes der akademischen Jugend? Das sind die Mittel der Staatspolitik. Es ist natürlich sehr einfach, wenn einer um des Geldes, um des Lohnes willen politische Nachrichten bringt, daß er daraus ein Geschäft und natürlich möglichts ein gutes Geschäft macht und daß er seine Freunde und Kollegen bespioniert, damit er seinen Judaslohn bekommt. Als man die Dinge der Polizei übergab und es plötzlich notwendig schien, nach allen Seiten Recherchen zu pflegen und Unruhe in die ganze, nicht nur in die deutsche Bevölkerung hineinzubringen, da hat man einfach aus diesen durch Konfidenten festgestellten Nachrichten schon halbe Wahrheiten gemacht und einem hysterischen, in der staatspolizeilichen Tätigkeit absolut unerfahrenen Menschen mit einem Sondererlaß der Landesverwaltung alle Rechte in die Hände gegeben, die staatsbürgerlichen Rechte aufzuheben und Ordnung und Ruhe selbst zu unterbrechen, indem man ihn hemmungslos zugreifen ließ, um die Gerüchte oder konfidentiellen Mitteilungen zu bestätigen. (Posl. dr. Bacher: Meinen Sie Preininger?) Ja freilich! Sehr richtig ist dieser Beamte, der wahrscheinlich dahinter eine Riesenknkarriere erwartet, hinter der Sache hergewesen und hat sehr rasch eine Denkschrift zusammengebracht, welche er an die maßgebenden Stellen gegeben hat und auf Grund deren Kenntnis die einzelnen Sektionschefs und der Herr Minister des Innern das Grauen und Grausen bekamen, weil es schien, daß die Èechoslovakei von einer militärischrevolutionären Bewegung unterminiert sei, die sich freilich einerseits die Konfidenten und andererseits der Polizeikommmmisär - um es drastisch zu schildern - aus den Fingern gezutzelt haben.
Aber damit war der sonst übliche politische Apparat schon in Tätigkeit! Als diese Untersuchungen Einiges festgestellt haben - wir wissen, wie dumm und rücksichtslos, wie kleinherzig, wie staatspolizeilich die einzelnen Menschen einvernommen worden sind und gefragt wurden - hat man sich gesagt: es müsse etwas gefunden werden, man müsse die Grundlagen für einen konsruierten politischen Prozeß durch die Verwaltung haben; da hat man alles daran gesetzt, um tatsächlich diese Unterlagen zu bekommen. Da war die Wahrheit schon begraben und gleichgültig. Ich kann meinen Kollegen Dr. Slávik, der damals Innenminister war, nicht vor dem Vorwurf bewahren, daß er nicht im richtigen Augenblick eine ernstliche und gleichzeitig auch staatsmännische Überprüfung dieses Materials durchgeführt hat - auch dem Sektionschef Bobek nicht! - und es dadurch nicht ermöglicht hat, zwischen dem zu unterscheiden, was erkaufte Wahrheit und was einen Schein von Vergehen dargestellt hat. Das war die erste Etappe, die Sie in die heutige Situation hineingeführt hat. Man war froh, die Möglichkeit gefunden zu haben, irgendetwas zu konstruieren. Es war in diesem Augenblick ganz gleichgültig, ob die Uniformen bewilligt, die Aufzüge gestattet, die Abzeichen genehmigt waren usw. Denn es handelte sich scheinbar doch nur darum, die konstruierten Grundlagen einer politischen Affäre zu bekommmen.
Damit kommen wir zur zweiten Etappe, insbesondere zu dem Übergang zwischen der ersten und zweiten Etappe, wo die Gerichtsbehörden die Pflicht hatten, mit den Augen des Rechts und der Gesetze die Vermutungen und Phantasien der Polizei nachzuprüfen. Hier erfolgte der grundlegende Fehler, daß man diese Untersuchung nicht gewissenhaft oder überhaupt nicht vornahm - schon in der Psychose, daß irgendetwas von einer großen geheimen militärischen Organisation hier vorhanden sei, die zu beseitigen, wenn sie bestanden hätte, ich Ihnen durchaus zubilligen würde, weil ich nicht glaube, daß es möglich ist, eine solche Organisation hier zu dulden. Aber die Organisation, die gewesen ist, war mit der behördlichen Genehmigung da, und es war infolgedessen ein Fehler, hier - beim Übergang der Akten von der inneren Verwaltung zur Justiz - wenn sie etwas anderes gewesen ist, nicht polizeilich zu strafen oder Recht zu sprechen.
Ich glaube sagen zu können, nicht allein für meine Person, daß, wenn es sich herausgestellt hätte bei der Überprüfung des Materials, daß eine illegale Organisation besteht, die auf illegalem Wege irgendwie die Sicherheit des Staates gefährdet oder, wie Sie behauptet haben, die Lostrennung deutscher Gebiete von der Èechoslovakei verlangt hätte, wir uns ganz eindeutig von dieser Bewegung zurückgezogen hätten. Sie hätten es dann ni cht wie heute erleben können, daß, wenn auch in verschiedenen Formen und Tonarten das gesamte sudetendeutsche Volk und alle sudetendeutschen Parteien kundgeben, daß wir diese Formormen politischer Verfolgung entschiedenst ablehnen und sagen: Das, was dem Volkssport ges chehen ist, geschieht uns allen! (Potlesk.)
Ich habe zu einzelnen Herren unter Ihnen persönlich kollegiale, wissenschaftliche oder politisch - theoretische Beziehungen; ich glaube, auf Ihrer Seite zumindestens ein geachteter Kollege zu sein. Ich werfe diesen ganzen Anwert auf Ihrer Seite in die Wagschale, wenn ich sage - und zwar ohne jeden Rückhalt - daß Sie mich und meine Kollegen weder von der Richtigkeit des Vorgehens der politischen Verwaltung noch der Anklage noch des Schuldspruchs in Brünn überzeugt haben. (Potlesk.) Wir glauben nicht daran und sind der Ans chauung, daß es unsere Pflicht ist, gerade die Pflicht von uns, die demokratisch und liberalistisch denken, uns mit aller Energie und Kraft gegen eine Entwicklung auf Ihrer Seite zu stellen, die wir nicht anders als eine Reaktion im schlimmsten Sinne des Wortes nennen können. Demokratie ist nicht Sache großer Worte, nicht Sache einer überheblichen Selbstberäucherung, sondern Tat, Handeln, Wirken, ja Schaffen innerhalb einer und nach einer anständigen Gesinnung und Überzeugung, ohne Lug und Trug! Ich versichere Sie, Sie selbst machen uns zu den Zweiflern an der Demokratie, weil gerade Sie uns gegenüber so oft die demokratische Phrase zu Lug und Trug machen, weil Sie uns die Unwahrheit sagen, weil Sie uns Versprechungen machen und sie nicht halten, weil Sie Formaldemokraten sind und keine Demokraten aus echter Überzeugung!
Meine Herren! Als wir die Anklageschrift lasen, war es für uns klar, daß sie den Stempel der Lächerlichkeit bereits auf sich trage - deshalb, weil in ihr eine angebliche militärische Organisation unter Anklage gestellt wurde, für welche im Grunde genommen nach der Anklageschrift sieben, ganz willkürlich herausgegriffene junge Leute, die im Höchstfalle Feldwebel dieser militärischen Organisation sein konnten, zur Verantwortung gezogen werden und nicht die in der Anklage selbst angeführten Führer dieser Bewegung. Meine Kollegen von der nationalsozialistischen Partei werden es hoffentlich nicht als Feindseligkeit auffassen, wenn ich sage, daß darin schon ein Kardinalfehler der Anklage lag - wenn ich sage, man hätte schon längst und gleich auf die Abgeordneten die Anklage erstrecken können. (Posl. inž. Jung: Herr Kollege, ich habe dasselbe heute in meiner Rede gesagt!) Jawohl, meine Herren! Ich habe neulich erst Herren der Regierung gefragt, ob wir, die wir uns zur positiven Politik bekennen, vor der Kenntnisnahme der Anklage irgendwie eine Rücksprache über den Volkssport mit ihnen geführt haben. Erst als wir sahen, zu welcher Anklage das Material gereicht hat, das sie mit Konfidenten und Polizeiorganen gesammelt hatten, erst als wir dieses Material sahen, da haben wir gesagt, es ist im Interesse einer positiven Politik in diesem Staate, Sie, meine Herren, davor zu bewahren, in einen Prozeß hineinzusteigen, der für Sie nur mit Schimpf und Schande enden kann. (Souhlas na levici.)
Ich berufe mich auf die verschiedensten Rücksprachen mit meinen Freunden auf den èechischen Bänken, bei denen ich mich bemüht habe, Sie davon zu überzeugen, daß Sie einen falschen Weg gehen. Es fehlte jedoch derjenige, der den Mut hätte, Einhalt zu gebieten einen politischen Prozeß, dessen Effekt doch nur der sein kann, daß sie mit dem Einsperren niemals fertig werden können, weil ihre Konfidenten und ihre hysterisch gewordenen Polizeikommissäre immer und immer jemanden finden werden, der vor das Tribunal geschleift werden kann! Sie sind auf einer abschüssigen Linie, und wenn ich heute mit Leidenschaft gegen die Auslieferung spreche, so geschieht es deshalb, weil auch das Parlament es unterlassen hat, einzugreifen, Halt zu gebieten einer Entwicklung, die unter allen Umständen schädlich ist und weit, weit ab von jener Entwicklung führen muß, die Sie sich, wie ich Ihnen glatt zugeben kann, mit aller Leidenschaft im Jahre 1918 vorgenommen haben, von der Sie aber heute weit entfernt sind, weil sie sich entfernt haben von der Weite des Blickes und von den Idealen, die Sie vor dem Kriege gehabt haben. Vielleicht, sehr geehrte Herren, geht es auch ohne Ideale, und vielleicht erscheint Ihnen die Realität sicherer als jedes Ideal. Das ist nichts Neues! Jede Reaktion, wo immer und wann immer sie gewesen ist, ist von diesem Gesichtspunkt ausgegangen, ist ausgegangen von der Bequemlichkeit, von der falschen Sicherheit, von dem Gefühl: Da kann noch jemand sein, der nicht will, daß die Sache so wird, wie wir sie wollen! Ja, meine Herren, der schwerste Fehler auf Ihrer Seite ist der, daß Sie überhaupt das Verständnis dafür verloren haben, zu unterscheiden zwischen Staat und Regime.
Ich glaube, eine gewisse Vorbildung in dieses Haus mitgebracht zu haben und kritisch zu einigen Problemen Stellung nehmen zu können. Ich staune, wie primitiv, wie undurchdacht, wie kleinherzig im Großen und Kleinen die Elemente sind, mit denen Sie glauben, Staatspolitik machen zu können. Es ist vielleicht notwendig zu sagen, daß es unmöglich ist, in dieser Art der mechanischen Zusammensetzung der èechischen Parteien zu einer Mehrheit - mit oder ohne deutsche Parteien - wirkliche Staatspolitik zu machen. Ich habe neulich einem Herrn der Regierung gesagt: "Sie sind zwischen die Presse gestellt von Reaktion und Entwicklung!" Die Parteien bilden doch bei Ihnen keine Entwicklungsgrundlage mehr. Das ist doch alles erstarrt, geistig unbeweglich, Apparat, Bureau, Ämter, da ist doch keine geistige Bewegung mehr! Sie brauchen dringlichst eine Opposition - Masaryk hat es Ihnen gesagt; Sie wollen sie aber nicht und wehe, wenn einer bei ihnen aufbäumt gegen den geistigen Kerker der Partei.
Meine Herren! Kann das so weiter bleiben? Glauben Sie, daß Sie mit Hilfe von ein paar Sektionschefs, die glauben alles zu wissen, und mit Hilfe von Konventikeln imstande sind, Entwicklung zu machen? Muß sich nicht mit der Zeit bei Ihnen selbst eine ebenso große Empörung gegen die Starrheit und Erstarrung des ganzen geistigen Lebens durchsetzen? Ich glaube, es wäre eine natürliche Sache! Es wäre ein Unglück, wenn diese Opposition nicht aus Ihren eigenen Reihen käme oder wenn Sie nicht anerkennen würden, daß auch außerhalb Ihres Volkes struktuelle Kräfte vorhanden sind, die mit Wissen, Bildung und gutem Willen bemüht und bestrebt sind, das Ganze in eine glückliche Entwicklung hereinzubringen. Ja, glauben Sie denn, die èechische Bevölkerung ist zufrieden mit dem, was sie in den 14 Jahren geschaffen haben? Glauben Sie denn, meine Herren, daß Sie alles auf das Konto der Weltwirtschaftskrise und auf die Entwicklung in den Nachbarstaaten setzen können? (Souhlas na levici.) Glauben Sie nicht, daß Sie die schlechte Verwaltung, daß Sie die Unlust der Beamtenschaft, die tausenderlei gegen die Führung der Verwaltung einzuwenden hat, irgendwie im Zaume halten könen, ohne anzuerkennen, daß Sie selbst in diese - im Grunde genommen noch einer Gestaltung wartende - Masse wirkliche Bewegung und Entwicklung hereinbringen müssen. Sie können deshalb gar nicht darauf verzichten, eine Opposition zu haben - deshalb nicht, weil sonst eine volle Erstarrung in ihren Reihen eintritt. Andererseits gehört es einfach zur staatlichen Entwicklung, daß sich immer einer Mehrheit gegenüber eie Minderheit bildet, die neue Gedanken in jeder Beziehung bringt und Möglichkeiten für eine weitere Gestaltung bietet. Und deshalb sagt Masaryk in seiner Schrift-"Demokratismus in der Politik": "Für einen jeden denkenden Menschen ist das Recht auf Revolution unstreitig. Jeder denkende Mensch hat das Recht sich zur Wehr zu setzen." (Posl. Krebs: Heute würde man Masaryk einsperren!) Einen Augenblick, Herr Kollege! Masaryk macht Einschränkungen, aber wir wollen und verlangen nicht mehr, als Masaryk gesagt hat: "Damit habe ich schon gesagt, welche Revolution. Tod und Tod, sagt der russische Revolutionär Stepniak. Das ist mir zu wenig, eine physische Gegenwehr. Jedermann hat Pflicht, sich sittlich zur Wehr zu setzen, d. h. den geistigen Absolutismus zu vernichten. Für mich ist die zerebrale, die philosophische Revolution eine unerläßliche Bedingung der modernen Demokratie."