Es hebt meiner bescheidenen Meinung nach keineswegs das Ansehen der Justiz dieses Staates, wenn sich das Kreisgericht Prag in seinem Auslieferungsbegehren gegen die fünf nationalsozialistischen Abgeordneten auf ein derart erschüttertes Urteil beruft, das noch gar nicht in Rechtskraft erwachsen ist und dennoch zur Grundlage eines neuen folgenschweren Prozesses gemacht wird. Muß eine solche Vorgangsweise nicht den Glauben an die sogenannte Gerechtigkeit der Justiz vollends erschüttern? Es hätte daher zumindest abgewartet werden müssen, bis das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, wenn man den Eindruck in der Öffentlichkeit nicht verstärken ollte, daß es sich bei der Verfolgung der Nationalsozialisten und ihrer Parlamentarier um nichts anderes als um eine politische Persekution schlimmster Art handelt. Wie sehr die ganze Verfolgungsaktion an den Haaren herbeigezogen ist, geht weiters aber auch daraus hervor, daß, es im ersten Auslieferungsbegehren heißt, daß lediglich der Verdacht besteht, daß im Verein "Volkssport" Abgeordnete der nationalsozialistischen Arbeiterpartei tätig waren. Mit Recht verlangte daher der Immunitätsausschuß eine genaue Konkretisierung der Taten, die den einzelen Abgeordneten zur Last gelegt werden. So berechtigt diese Forderung des Immunitätsausschusses war, so wenig wurde ihr seitens des Gerichtes entsprochen, denn auch die Ergänzung zum Auslieferungsbegehren auf Grund deren der Immunitätsausschuß die Auslieferung von 4 Abgeordneten beschloß, erging sich wieder nur in der allgemeinen Behauptung, daß aus dem Brünner Prozeß der Verdacht entspringt, daß sie (Jung, Krebs, Knirsch, Schubert, Kasper) alle das Verbrechen begangen haben, für das Heider und Genossen verurteilt worden sind. Dem Koll. Knirsch und mir wird sowohl im Auslieferungsbegehren, als auch in der Ergänzung dazu, nichts anderes zur Last gelegt, als die Tatsache, daß unsere Namen gemeinsam mit jenen der anderen Kollegen auf Spenderkarten für den Bau eines Parteihauses festgestellt wurden. Da sowohl Koll. Krebs als auch Koll. Jung zu den sie betreffenden Beschuldigungen bereits näher Stellung genommen haben und Koll. Schubert die im Zusammenhange mit seinen Darlegungen über den Verband "Volkssport" noch tun wird, so erscheint es wohl nur notwendig, mich mit dem wir zur Last gelegten Verbrechen etwas näher zu befassen. Dies umsomehr, als es sich bei meiner Auslieferung um einen besonderen Fall handelt und weil die gegen mich erhobenen Beschuldigungen es verdienen, in den Annalen des Parlamentes und der Geschichte dauernd festgehalten zu werden.
Bevor ich das tue, möchte ich jedoch ganz einwandfrei feststellen, daß ich mich mit den übrigen Kollegen sowohl im Bezug auf Handlung als auch Verantwortung völlig eins fühle und auch nicht den geringsten Anspruch darauf erhebe, unter ein anderes Recht als sie gestellt zu werden. Werden sie als schuldig erkannt, so will ich es auch sein; denn ich weiß, daß sie ebenso wenig Verbrechen beganngen haben als ich und alle Angehörigen unserer Bewegung. Werden jedoch, wie Koll. Krebs bereits darlegte, ihre Namen im Urteil allerdings nur in nichtssagenden Zusammenhängen genannt - so suchte ich darin nach meinem Namen, als ich mich vergewissern wollte, welcher strafbaren Taten ich verdächtigt werde, vergeblich. Er konnte auch gar nicht darin vorkommen, weil ich mich im Verbande "Volkssport", wie ja Koll. Krebs schon mehrmals angeführt hat, niemals betätigt habe. Ich betone jedoch ausdrücklich, daß dies nicht etwa deshalb geschah, weil ich nach dem Muster des Staatsanwaltes im "Volkssport" eine geheime, militärische oder gar staatsfeindliche Organisation gesehen hätte, sondern lediglich deshalb, weil mir infolge anderer Betätigung gar keine Zeit dafür zur Verfügung stand.
Erst dem Auslieferungsbegehren konnte ich entnehmen, daß ich im Verdacht stehe, Verbrechen nach § 2 und § 17 des Schutzgesetzes begangen zu haben. Allerdings besagt das Auslieferungsbegehren, soweit es auch mich mitbetrifft, lediglich folgendes:
"Braunes Haus" war eine Zweigstelle bei der Zentrale, die die Erbauung eines Vereinshauses zur Aufgabe hatte, nach dem Muster der reichsdeutschen Hakenkreuzler. Beiträge wurden gesammelt und Urkunden in großdeutschen Farben mit einer Bulle hherausgegeben, womit der Empfang der Beiträge bestätigt wurde. Die Urkunden waren von den Abgeordneten Jung, Krebs, Knirsch und Kasper unterfertigt."
Nun wußte ich es, was ich furchtbares verbrochen hatte. Ich hatte also die Bestätigungen über Sonderbeiträge der Parteimitglieder zum Bau eines Parteihauses, wie solche die Sozialdemokraten in fast allen größeren Städten besitzen, mit unterschrieben. Es spielt hiebei wahrlich keine Rolle, wenn das so geplante Parteihaus fälschlicherweise als eine Zweigstelle der Zentrale bezeichnet und wenn ganz irriger Weise behauptet wird, daß die ausgegebenen Bestätigungen angeblich in großdeutscher Farbe gehalten waren.
Es wäre sicherlich noch lange kein Verbrechen, am allerwenigsten ein solches nach § 2 und § 17, wenn die Urkunden tatsächlich mit schwarzer und roter Schrift auf weissem Grunde gedruckt wären. Diese Farbenzusammenstellung kann man täglich nicht nur bei deutschen, sondern auch bei èechischen Zeitungen, Plakaten usw. finden. Wie jedoch dem vorliegenden Original zu entnehmen ist, trifft diese Farbenzusammenstellung bei der in Frage stehenden Urkunde gar nicht einmal zu. Wohl weist sie, um einigermaßen wirkungsvoll zu sein, schwarze und rote Schrift auf, während jedoch der Untergrund teils grau, teils gelb ist. Zu alledem aber ist die Fahne auf dem auf der Urkunde abgebildeten Hause rot mit einem weißen Hakenkreuze. Es gehört wahrhaftig schon sehr viel Phantasie dazu, bei dieser willkürlichen Farbenzusammenstellung großdeutsche Farben zu sehen. Noch mehr Phantasie aber ist nötig, aus dieser Urkunde ein Verbrechen nach § 2 und § 17 abzuleiten. Meines Wissens nach ist bisher aus derartigen Bestätigungen oder Urkunden weder geschossen noch sind sie zur Erstürmung von Kasernen u. dgl. m. verwendet worden. Sie dienten lediglich dazu, um das Geld für den Bau eines Parteihauses aufzubringen, wovon die Behörden und die Aussiger Staatspolizei genau unterrichtet waren. Der geplante Bau wurde in allen Zeitungen angekündigt, während der diesbezügliche Aufruf, der in den "Nationalsozialistischen Nachrichten" vom Feber 1932 erschien, ordnungsgemäß der Zensur vorgelegt und vor der sicherlich einwandfrei arbeitenden Aussiger Staatspolizei unbeanständet gelassen wurde. Diesem Aufruf hätte der Staatsanwalt u. a. auch entnehmen können, welchen Zwecken das geplante Parteihaus dienen sollte. Das Kreisgericht Prag hätte sich dann eine Blamage erspart. Zu alledem sei aber auch noch fesstgestellt, daß es bisher zur Verwirklichung dieses Planes noch gar nicht gekommen ist und dem Staate daher eine Gefahr von dieser nichtbestehenden Zweigstelle der Zentrale rekte Parteihaus nicht entstehen konnte.
Ohne jedoch diese wahren Zusammenhänge auch nur im entferntesten zu berücksichtigen wird auch in der Ergänzung zum Auslieferungsbegehren erneut ganz kühn behauptet, daß "im Zuge des Verfahrens gegen Haider und Genossen der Verdacht entstand, daß Jung, Krebs, Schubert, Kasper und Knirsch sich einer Tätigkeit nach § 2 und § 17 des Schutzgesetzes schuldig machten". Zum Zwecke der näheren Konkretisierung der Straftat, an der ich neben den anderen Kollegen mitbeteiligt bin, wird in der Ergänzung zum Auslieferungsbegehren folgendes angeführt:
"Bei der Zentrale des VS. in Fulnek war eine besondere Organisation eingerichtet worden. Diese hieß "Braunes Haus". Diese Institution arbeitete genau in den Intentionen des VS und nach dem Muster der reichsdeutschen SA. (Sturmabteilung). Sie hatte die Beherbergung des Vereinhauses und der Angehörigen der DNSAP. des VS. und der verwandten Formationen zum Zwecke. Sie gab eine Urkunde in den großdeutschen Farben an jene ab, die sie finanziell unterstützten. Diese Urkunden waren unterschrieben von den Abgeordneten Jung, Krebs, Knirsch und Kasper."
Ganz abgesehen von den Widersprüchen in dem Wortlaut dieser Ergänzung gegenüber jenen des Auslieferungsbegehrens, vermag man darüber hinaus auf den ersten Blick bereits festzustellen, wie gewaltsam Beschuldigungen an den Haaren herbeigezogen werden. Der Wortlaut der Ergänzung enthält nämlich soviel Unwahrheiten, soviel Behauptungen aufgestellt erscheinen. Mit den Vorarbeiten zum Bau eines Parteihauses war ein Unterausschuß der Parteileitung beauftragt. Es ist daher unwahr, daß das "Braune Haus" eine besondere Organisation bei der Zentrale des VS. in Fulnek war. Das geplante Parteihaus sollte in Schreckenstein bei Aussig errichtet werden und hatte weder etwas in Fulnek noch mit dem "Volkssport" zu tun. Es ist daher eine ganz besondere Uuwahrheit, um nicht einen schärferen Ausdruck zu gebrauchen, wenn es heißt, daß die angebliche Organisation "Braunes Haus" genau nach den Intentionen des VS. und nach dem Muster der reichsdeutschen SA. arbeitete. Es gehört wahrhaftig eine sehr lebhafte Phantasie dazu auf Grund des Vorhandenseins einer Spenderkarte für einen Hausbau auf eine nicht vorhandene geheime Organisation zu schließen und der dann anzudichten, daß sie nach den "Intentionen des VS. und der SA. gearbeitet habe." Noch phantastischer aber klingt es, wenn behauptet wird, daß das "Braune Haus" die "Beherbergung des Vereinshauses und der Angehörigen der DNSAP., des VS. und der verwandten Formationen zum Zwecke hatte." Dazu hätte fürwahr ein Haus nicht ausgereicht, sondern es wäre schon eine recht große Stadt notwendig gewesen. Es fehlt nur noch, daß das Kreisgericht Prag angegeben hätte, daß auch noch die Angehörigen der reichsdeutschen nationalsozialistischen Partei und die gesamte SA. darin untergebracht werden sollten.
In dem geplanten Parteihause sollte jedoch in Wirklichkeit garnichts anderes als Räume für die Hauptgeschäftsstelle der Partei, für die Verwaltung und Redaktion der Parteiblätter geschaffen werden. Daß es unwahr ist, wenn behauptet wird, "die ausgegebenen Urkunden seien in den großdeutschen Farben gehalten" habe ich bereits festgestellt, so daß sich eine weitere Stellunggnahme dazu wohl erübrigt. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.)
Einzig und allein auf Grund dieser Entstellungen sollte bei Koll. Knirsch und mir die Immunitätaufgehoben werden. Auf die Behauptung des Herrn Koll. Ježek, der in seinem Berichte am Dienstag erwähnte, daß mein Name "zwei- oder dreimal im Brünner Prozeß genannt worden sei" stelle ich ausdrücklich fest, daß nicht einmal das zutrifft. Im übrigen aber scheinen sowohl Herr Koll. Ježek als auch die Vertreter der Koalitionsparteien selbst der Ansicht zu sein, daß die Unterfertigung der in Frage stehenden Urkunde eine sehr schwache Begründung für eine Auslieferung und noch dazu für eine Strafverfolgung nach § 2 und § 17 des Schutzgesetzes ist. (Sehr richtig!)
Diesem Umstande dürfte es auch zuzuschreiben sein, daß Herr Koll. Ježek selbst beantragte, daß die Auslieferung des Koll. Knirsch vorläufig gnädigst zurückgestellt werde, bis man etwas anderes gegen ihn ausgegraben haben wird. Vielleicht hätte man auch mir die gleiche Gnadenfrist wie dem Koll. Knirsch gegeben, wenn sich nicht inzwischen ein überaus verläßlicher Zeuge dafür gefunden hätte, daß ich doch gewaltsame Anschläge auf die Republik vorbereitet haben soll.
In seinem Bericht am Dienstag hat Herr Koll. Ježek erklärt, daß sich "der Verdacht gegen Abg. Kasper wesentlich verstärkt hat durch das Verhör des Zeugen Wenzel Rebitzer, der den Abg. Kasper der antistaatlichen Tätigkeit beschuldigt hat." Trotz eifrigster Bemühungen meinerseits konnte ich jedoch bis zum heutigen Tage den genauen Wortlaut der Aussagen Rebitzers nicht erfahren, da Herr Koll. Ježek jeden Einblick in das Protokoll hartnäckig verweigert. Mir und wohl auch dem Großteil der Mitglieder des Immunitätsausschusses vollständig unbekannt, zog in der entscheidenden Sitzung des genannten Ausschusses Herr Koll. Ježek als Berichterstatter ein mich angeblich schwer belastendes Protokoll aus seiner Aktenmappe. Herr Koll. Ježek gab nach den mir zugekommenen Mitteilungen an, daß am 8. Oktober 1932 ein gewisser Wenzel Rebitzer aus Tannawa bei Taus beim Polizeikommissariate in Gablonz erschienen sei und dort ungefähr folgendes zu Protokoll gegeben habe:
"Ich kam Ende 1929 nach Teplitz-Schönau und trat dort der Volkssportgruppe der Nationalsozialisten bei. Diese Gruppe veranstaltete jeden Samstag und Sonntag Geländeübungen am Mückenberg und Milleschauer und anderen Orten, die immer unter der persänlichen Leitung des Herrn Abg. Kasper aus Aussig stattfanden.
Abg. Kasper war Gaukommandant des Volkssport-Verbandes im Teplitzer Gau und sein Stellvertreter war Herr Ginzel. Die Volkssport-Geländeübungen fanden immer unter der persönlichen Leitung des Herrn Abg. Kasper statt."
Diesen Angaben gegenüber stelle ich vor allem fest, daß Wenzel Rebitzer niemals der Volkssportgruppe in Teplitz-Schönau angehört hat (Hört! Hört!) und daß es sich auch bei seinen übrigen Angaben um ebensoviele Unwahrheiten handelt, als er Behauptungen aufstellt. So ist es vor allem unwahr, daß es im Verbande "Volkssport" Gaukommandanten gab. Ebenso unwahr ist es, daß ich Gaukommandant des Teplitzer Gaues gewesen bin. Es ist daher auch unwahr, daß Herr Ginzel mein Stellvertreter war. Wahr ist vielmehr, daß ich nie im Verbande Volkssport tätig war und daher auch nie eine Funktion in demselben, am allerwenigstens jedoch im Teplitzer Gebiete bekleidet habe. Wahr ist weiters, daß ich nie in Teplitz gewohnt habe, sondern meinen Wohnsitz früher in Ostböhmen und seit Mai 1927 in Aussig habe. Es ist unwahr, daß jeden Samstag und jeden Sonntag Geländeübungen am Mückenberg, am Milleschauer oder an anderen Orten stattfanden. Es ist weiters frei erfunden, daß diese Übungen unter meiner persönlichen Leitung stattfanden. Da ich nie Gaukommandant war und auch keine andere Funktion im Volkssport bekleidete, habe ich natürlich auch nie Geländeübungen geleitet. Lediglich um der Wahrheit die Ehre zu geben stelle ich ausdrücklich fest, daß ich die genannten Berge nur vom Sehen kenne. Noch nie in meinem Leben, also nicht einmal in privater Angelegenheit war ich bisher am Mückentü rmchen oder am Milleschauer. Mir blieb dazu bisher, so gern ich es getan hätte, noch keine Zeit übrig, geschweige denn, daß ich sie für Geländeübungen auf den genannten Bergen hätte verwenden können. Wie ich einwandfrei nachzuweisen in der Lage bin, weilte ich im 2. Halbjahr 1929 und im 1. Halbjahr 1930 fast jeden Samstag und Sonntag teils in Süd-, Nord-, Ost- oder Westböhmen auf Versammlungen. Da die angeblichen Aussagen Rebitzers vollständig aus der Luft gegriffen sind und jeder wahren Grundlage entbehren, habe ich durch den Rechtsanwalt Dr. Kreissl, Bodenbach, gegen Rebitzer die Strafanzeige wegen Verleumdung einbringen lassen. Es wird mir daher hoffentlich in allernächster Zeit Gelegenheit geboten sein, Rebitzer überhaupt kennen zu lernen und seinen unwahren Behauptungen entgegenzutreten. (Posl. Krebs: Er kennt dich ja nicht!) Es wäre interessant, wenn er gezwungen werden würde, mich aus einer Gruppe von Menschen als den Abg. Kasper heraus zu finden. Heute schon bin ich in der Lage fast 1000 Zeugen nachzuweisen, welche bestätigen, daß ich nie Gaukommandant des Teplitzer Gebietes war und daß ich in der in Frage stehenden Zeit fast jeden Samstag und Sonntag auf Versammlungen weilte, daher gar keine Geländeübungen leiten konnte, wenn ich es auch selbst gewollt hätte. Dadurch wird es mir auch gelingen, in einwandfreiester Weise die Begründung meiner Auslieferung als jenes Machwerk dunkelster Art und Herkunft zu enthüllen, das es eben in Wirklichkeit ist.
Inzwischen habe ich aber auch genaue Erkundigungen über den jüngsten Kronzeugen des Herrn Kol. Ježek und des Prager Kreisgerichtes, in Teplitz als auch in Tannawa und Gablonz, sowie auch in einer Reihe anderer Orte eingezogen. Meine diesbezüglichen Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg. Schon wenige Stunden nachdem Herr Koll. Ježek im Immunitätsausschuß Mitteilung über das Vorhandensein dieses geheimnisvollen Protokolls gemacht hatte, lag der Lebenslauf des Zeugen Rebitzer viel klarer als das beim Auslieferungsbegehren gegen uns der Fall ist, in allen Einzelheiten vor mir. Wenzel Rebitzer ist demnach im Jahre 1909 in Tannawa bei Taus geboren. In Staab erlernte er das Bäckergewerbe. Von Ende 1929 bis zum Sommer 1931 war er beim Bäckermeister Schmied in Turn als Gehilfe beschäftigt. Er hat jedoch wie ich im städtischen Meldeamte in Teplitz erheben ließ, nie in Teplitz gewohnt und gehörte daher nie der Teplitzer Volkssportgruppe an. Er war jedoch auch in keinem anderen Orte Mitglied des Volkssportverbandes. Lediglich kurze Zeit gehörte er der Ortsgruppe Turn des Jugendverbandes an, wurde jedoch sofort aus derselben entfernt, als bekannt wurde, daß er sich Straftaten schuldig gemacht hat. Rebitzer trat wiederholt unter falschen Namen auf. Beweise liegen mir sowohl aus Turn wie auch aus Gablonz vor. So stahl er in Turn seinem Arbeitskollegen Stobner die Ausweisdokumente und gab sie als die eigenen aus. (Výkøiky.) In Gablonz war er viele Monate als Wenzel Hoffmann gemeldet, da er sich mit einem auf diesen Namen lautenden Zeugnis auswies. Belege dafür befinden sich in meiner Hand. Bei seiner Verhaftung sollen bei Rebitzer nicht weniger als 5 auf verschiedene Namen lautende Heimatscheine vorgefunden worden sein. (Rùzné výkøiky.) Außerdem befanden sich in seinem Besitze mehrere gestohlene Mitgliedsbücher verschiedener Parteien, darunter auch solche der nationalsozialistischen Arbeiterpartei, der Kommunisten usw. Jedoch nicht nur wegen Kameradschaftsdiebstählen, sondern auch wegen verschiedener anderer Diebereien wurde Rebitzer von der Gendarmerie gesucht. Wird ihm in Turn und Umgebung der Diebstahl von Fahrrädern nachgesagt, so werden auch in den mir zugekommenen Berichten aus Gablonz und fast allen anderen Orten, in denen sich Rebitzer aufhielt, ähnliche oder gleiche Straftaten und Delikte dieses Kronzeugen angeführt. (Posl. dr Rosche: Das sollte Herr Ježek hören, aber der Berichterstatter ist den ganzen Tag nicht im Haus!) Er hat ja von vornherein erklärt, daß das nebensächlich sei, es sei Sache des Gerichtes festzustellen, um welch sauberes Element es sich handle. Vom August 1931 an war Rebitzer in Schöbritz bei Aussig, Eulau bei Bodenbach sowie in anderen Orten aushilfsweise beschäftigt. Am 1. Oktober 1931 rückte er zur aktiven Militärdienstleistung ein, wurde aber bereits im Feber oder März 1932 flüchtig und hielt sich dann als Deserteur bis Juni 1932 in Deutschland auf. Von dieser Zeit an war Rebitzer wieder in verschiedenen Orten der Èechoslovakei beschäftigt, bis er mit 4. Oktober 1932 in Gablonz polizeilich gemeldet erscheint, wo er auch am 8. Oktober 1932 - an welchem Tage das fragwürdige Protokoll gegen mich zustande kam - verhaftet und dem Garnisonskommando in Reichenberg übergeben wurde. Gegenwärtig sitzt Rebitzer im Divisionsgefängnis in Königgrätz in Haft, (Posl. Krebs: Ist er schon in Haft einvernommen worden?) Er wurde verhaftet und am selben Tage wurde das Protokoll mit ihm gegen mich aufgenommen. Gegenwärtig sitzt er also, wodurch die beste Gewähr besteht, daß dieser kostbare Kronzeuge nicht verloren gehen kann.
Rebitzer, dessen frei erfundenen Aussagen meine heutige Auslieferung bedingen, ist somit ein mehr als übel beleumdetes Element. Er wird von denen, die mit ihm in Berührung kamen, als zu allen Schandtaten fähig und als geistig minderwertig bezeichnet. Er ist allen Polizei- und Gendarmeriestationen als ein verdächtiges und argbelastetes Individuum bekannt und wird als Betrüger, Dieb und Deserteur seiner Bestrafung zugeführt. Und auf Grund der erlogenen Aussagen eines solchen Menschen wird ein Abgeordneter seiner Immunität entkleidet und den Gerichten nach § 2 und § 17 des Schutzgesetzes ausgeliefert. Es bedarf wohl keines besonderen Kommentars, um die Ungeheuerlichkeit dieses Vorganges, um den Wert der Immunität und die hierzulande herrschende Art der Demokratie entsprechend zu kennzeichnen. Ein solches Vorgehen richtet sich von selbst und trägt dem Staate, der sich solcher Gewaltmittel und solcher Zeugen gegen freigewählte Volksvertreter bedient, fürwahr kein besonderes Ansehen ein. Es gibt eben nur zwei Möglichkeiten, die Rebitzer dazu veranlaßt haben können, die von ihm aufgestellten Behauptungen zu Protokoll zu geben! Entweder wurde er, da man bei seiner Verhaftung auch eine ganze Anzahl von gestohlenen Mitgliedsbüchern der Partei fand, dazu gezwungen, bzw. durch Versprechungen aller Art dazu veranlaßt, in der angegebenen Form unwahr auszusagen oder er hat es aus eigenem getan, in der Meinung, dadurch seine mehr als bedrängte Lage zu erleichtern.
Jedoch selbst dann, wenn Rebitzer auch ohne jeden Zwang oder gelinden Druck die angegebenen Unwahrheiten ausgesagt hat, können die amtlichen Stellen keineswegs von einer gewissen Mitschuld freigesprochen werden. Ihnen war die Unglaubwürdigkeit Rebitzers bekannt. (So ist es!) Außerdem ist, wie ich an Ort und Stelle feststellen ließ, die Unwahrheit der Angaben Rebitzers durch Gendarmerieerhebungen in Turn und Umgebung sichergestellt worden. Es ist daher keine Vermutung meinerseits, sondern ein weit begründeterer Verdacht als er gegen mich besteht, wenn ich erkläre, daß jene Stellen, die das in Frage stehende Protokoll an den Immunitätsausschuß weitergeleitet haben, sehr genau gewußt haben, daß es sich um offenkundige Unwahrheiten, somit um eine niederträchtige Verleumdung meiner Person und des weiteren um eine bewußte Irreführung der Behörden handelt. Und trotz alledem benützt man diese offensichtlich falschen Angaben eines Betrügers, Diebes und Deserteurs dazu, um eben einen mißliebigen Abgeordneten aus den Reihen der Opposition seiner Immunität zu entkleiden und ihn den Strafgerichten auf Grund des § 2 und § 17 des Schutzgesetzes auszuliefern.
Dieser Fall kennzeichnet deutlich genug, welchen Wert die Immunität eines oppositionellen Abgeordneten besitzt und wirft ein grelles Schlaglicht auf die zur Debatte stehende Auslieferung und den bevorstehenden Prozeß.
Meiner bescheidenen Meinung nach gehöre nicht ich, sondern es gehören neben Rebitzer auch jene Personen angeklagt zu werden, die Veranlassung gaben, daß dem Immunitätsausschuß ein solches Protokoll als Beweismaterial vorgelegt wurde.
Ich kann mich jedoch des Eindruckes nicht ganz erwehren, daß auch Herr Koll. Ježek selbst über die Qualität des Gablonzer Protokolls, auf Grund dessen er als Berichterstatter meine Auslieferung beantragte, wenig entzückt ist. Es ist mir auffällig, daß wir wohl Einblick in die beiden Auslieferungsbegehren erhielten, indessen uns jedoch die Existenz des Protokolls verheimlicht wurde. Ich weiß es nicht, ob Herr Koll. Ježek zu dieser Verheimlichung einen bestimmten Grund hatte, der etwa darin hätte bestehen können, daß es nicht erwünscht war, uns die Möglichkeit zu geben, vor der entscheidenden Immunitätsausschußsitzung Erkundigungen über Rebitzer einzuholen. (Souhlas na levici.) Bezeichnend ist, daß selbst Koll. Krumpe im Immunitätsausschusse über dessen ausdrücklichen Wunsch ein Einblick in das Protokoll verweigert wurde. So sehr mir jeder Verdacht fern liegt, muß ich denn doch wohl sagen, daß diese Zusammenhänge zweifelsohne ein recht bezeichnendes Licht auf die Auslieferung und den kommenden Prozeß gegen die 4 nationalsozialistischen Abgeordneten werfen. Sie kennzeichnen wohl zur Genüge das herrschende System und die Methoden, mit denen gegen uns Nationalsozialisten vorgegangen wird. Sie bestätigen aber auch erneut, daß es sich im Brünner Prozeß um nichts anderes als um eine politische Persekution handelte [ ].
Diese Vorgänge stehen jedoch auch im Widerspruche zu den Feststellungen des Herrn Justizministers, der ausdrücklich erklärte, daß man "nicht davon sprechen könne, daß eine politische Meinung verfolgt wird" und daß "der Antrag auf Strafverfolgung nur gegen jene Mitglieder der Nationalvers ammlung gestellt wurde, gegen die in den Akten eine bestimmte Behauptung enthalten war." Da die Akten des Brünner Prozesses keine - zumindest keine hinreichenden "bestimmten Behauptungen" gegen mich enthalten, so stüzt sich meine Auslieferung einzig und allein auf das fragwürdige Protokoll des Deserteurs und Diebes Rebitzer. Ohne für mich eine andere Behandlung zu fordern, als sie meinen genau so wenig belasteten Kollegen zugedacht ist, muß ich schon sagen, daß Regierung, Justiz und Parlament wohl wenig zur Hebung ihres Ansehens beitragen, [ ].
Mir wird es keine Schwierigkeit bereiten, die gegen mich erhobenen Beschuldigungeh einwandfrei zu entkräften, ob es aber dem Prestige des Staates dienlich ist, das muß ich Ihrer Entscheidung überlassen, da es nicht meine Sache ist darüber zu wachen.
Im übrigen aber glaube ich, daß anderes und wichtigeres zu tun wäre, als frei erfundenen Aussagen minderwertiger Elemente nachzujagen und darob einen ungeheueren Apparat in Bewegung zu setzen. Draußen in unseren sudetendeutschen Rand- und Siedlungsgebieten hungern und darben seit Jahren hunderttausende von Menschen und warten dringend auf baldige Hilfe. Ihre Not ist hart am Rande des Erträglichen angelangt. Die Armee der Hungernden und Darbenden ist der vollständigen Verzweiflung nahe. Es wäre weit zweckmäßiger, da mit ganzer Kraft einzusetzen, ans tatt die Zeit mit Verfolgungsaktionen zu vergeuden. Auf die Dauer wird es nicht möglich sein, die Ruhe und Ordnung mit Polizei- und Gendarmeriegewalt aufrecht zu erhalten. Blaue Bohnen und Gummiknüppel sind keine geeigneten Mittel, den Hunger zu stillen. Da wird man schon mit anderen Hilfsmaßnahmen einsetzen müssen, die leider aber bisher auf sich warten ließen. Jedoch auch im èechischen Teile dieses Staates beginnt sich Not und Elend auszuwirken, wenn auch noch lange nicht in jenem Maße, wie in unseren sudetendeutschen Industriegebieten. Auf die Dauer wird man jedoch auch die èechische Staatsbevölkerung mit Deutschenverfolgungen nicht über die wahre Situation hinwegtäuschen können. (Sehr richtig!)
Der Ruf nach Arbeit und Brot wird
immer lauter. Wir verbinden ihn mit dem Rufe nach Freiheit und
Recht. Das berechtigt und verpflichtet uns aber auch noch intensiver
als bisher, allen Verfolgungen zum Trotz für die Forderung nach
nationaler Selbstverwaltung einzutreten. Sie haben die Macht dazu,
uns aus nichtssagenden Gründen den Gerichten zu überstellen und
in die Kerker zu schicken. Wir werden es zu tragen wissen. Es
wird Ihnen jedoch nicht gelingen, damiamit auch den Willen unseres
Volkes nach Selbsterhaltung und Selbstbehauptung zu brechen. Nach
wie vor wird daher die nationale Selbstverwaltung solange unsere
Losung sein und bleiben, bis es gelungen sein wird, sie zu verwirklichen!
(Potlesk.)
Hohes Haus! Ich möchte auch meine Ausführungen mit der Erklärung einleiten, daß sie nicht zu dem Zwecke erfolgen, um von diesem hohen Haus oder von der Koalition irgendwelche Gnaden zu erbitten. Was wir fordern, in hunderten von Versammlungen und auch im Saale des Gerichtes fordern werden, ist nichts als das gute Recht, wir fordern, daß die Wahrheit siegt.
Das Auslieferungsbegehren wurde von der politischen und rechtlichen Seite nicht nur von meinen Kollegen, sondern auch von den Rednern der Opposition genügend erörtert, sodaß mir nur noch obliegt nachzuweisen, daß die Behauptungen der Anklage, des Gutachtens und des Urteils über den Verband "Volkssport" vollkommen unrichtig sind. Es ist dies umsomehr notwendig, als ich ja nur als Obmann des Verbandes angeklagt bin, ohne daß mir bestimmte Straftaten zur Last gelegt werden. Eine Aufklärung ist auch deshalb am Platze, weil wir nicht wissen, ob unser Prozeß nicht ebenso geführt wird, wie der Brünner, in welchem nur eine Seite gehört und nur einer Seite die Vorlage von Beweismaterial gestattet wurde. Wir behaupten nicht zu viel, wenn wir sagen, daß Staatsanwalt, Richter und militärische Sachverständige über den Verband Volkssport nicht oder nicht genügend informiert wurden, sodaß sie zu Fehlschlüssen kommen mußten, zumal die gesamte èechische Öffentlichkeit durch die Hetze einer verantwortungslosen und hemmungslosen Presse wissentlich falsch unterrichtet wird.