Meine Damen und Herren! Im Namen des Klubs der deutschen christlichsozialen Volkspartei habe ich die Ehre, nachfolgende Erklärung abzugeben:
Wir christlichsozialen Abgeordneten des sudetendeutschen Volkes können der Auffassung nicht beipflichten, daß der Antrag zur Auslieferung der deutschen nationalsozialistischen Abgeordneten eine natürliche Konsequenz des Volkssportprozesses und formelle Notwendigkeit der Strafrechtspflege sei. Wir erblicken vielmehr darin in Übereinstimmung mit der Gesamtheit unseres national fühlenden Volkes einen nationalpolitischen Angriff und Prozeß gegen das um seine wirtschaftliche und nationale Existenz schwer ringende deutsche Volk. (Sehr richtig!) Ich berufe mich da auf die Erklärung der deutschen und ungarischen Oppositionsparteien, welche der Abg. Fritscher bereits zu dem dem heutigen Auslieferungsantrag zugrundegelegten Volkssportprozeß am 7. April 1932 in diesem Hause abgegeben hat. Seither hat sich nichts ereignet, das geeignet gewesen wäre, diese unsere damalige Auffassung zu ändern.
Die èechische nationalsozialistische Presse hat die Auslieferung der Abgeordneten mit allen ihr verfügbaren Mitteln bis zum heutigen Tage betri ben und der allgemeine Eindruck ist der, daß gerade unter diesem nationalistisch-chauvinistischen Einfluß der Auslieferungsantrag der èechischen Mehrheitsparteien auf Auslieferung der deutschen nationalsozialistischen Abgeordneten überhaupt erst zustandegekommen ist. Wenn wir über den politischen Hintergrund noch Zweifel gehabt hätten, so sind sie durch die klassische Auslegung unseres Strafrechtspolitikers Dr. Stránský im Immunitätsausschuß endgültig behoben worden. Das Anklagematerial des Volkssportprozesses ist lückenhaft, beruht ja größtenteils nur auf Kombinationen und Vermutungen. Das Polizeiprotokoll des gewissen Wenzel Rebitzer ist ein Polizeistückel für sich, und trotzdem geeignet und genügend, um einen deutschen Abgeordneten in diesem Hause auszuliefern. (Výkøiky posl. Krumpe.) Sind denn das keine Merkmale eines hochpolitischen Prozesses, der da anhebt? Oder wenn nicht, warum sollen denn dann die deutschen Regierungsparteien unter Koalitionsdrohung - ob echt oder unecht, ist uns nicht ganz erklärlich (Sehr richtig!) - im letzten Moment noch gezwungen werden, für die Auslieferung ihrer Volksgenossen zu stimmen, nachdem sie ja ohnedies im Immunitätsausschuß schon das klägliche Schauspiel einer Vogelstraußpolitik der Absentierung betrieben haben. (Sehr richtig! - Rùzné výkøiky.) Das alles ist für uns ein klares Bild des politischen Zweckes und der politischen Hintergründe des Auslieferungsantrages. Es ist deshalb selbstverständlich, daß wir den Ausführungen des Herrn Justizministers Dr. Meissner im Budgetausschusse des Senates, daß unsere Haltung, nämlich die Haltung der nicht nationalsozialistischen deutschen nationalen Oppositionsparteien nicht objektiv sei, entgegentreten müssen. Wir sind objektiv. Wir können das nach dem Vorgesagten beweisen, wir sind aber nicht naiv genug, Worte über Tatsachen zu stellen. (Potlesk.) Wir stehen deshalb mehr denn je unter dem Eindruck, daß es Zweck der Auslieferung ist, mit der Führung der deutschen nationalsozialistischen Partei, vielleicht als Vorläufer für andere, vor den Schranken des Gerichtes abzurechnen. (Souhlas.) Auch das bestimmt uns, mit aller Eindeutigkeit dagegen entschiedenst Verwahrung einzulegen. Denn - ebenso offenkundig, wie es unsere Pflicht ist als Christlichsoziale - unsere grundsätzlich verschiedene Auffassung in vielen Fragen der Politik des deutschen Volkes im politischen Kampfe mit der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei innerhalb unseres Volkes mit aller Entschiedenheit auszufechten, ebenso klar ist es, daß wir, soweit es sich um die freiheitswidrige Vergewaltigung einer politischen deutschen Gesinnung eines anderen Teiles unseres Volkes handelt, als deutsche Volkspartei entschiedenst hiegegen Stellung nehmen müssen. (Potlesk.)
Als Partei streng parlamentarischer Gesinnung verurteilen wir übrigens grundsätzlich jeden Versuch gewaltsamer Unterdrückung der politischen Gesinnungsfreiheit. Nebenbei bemerkt, auch eine Tradition jener èechischen Mehrheitspartei im österreichischen Reichsrat, welche heute mit der größten Verve für die Auslieferung Stimmung macht. (Souhlas.)
Wenn wir diesen grundsätzlichen Standpunkt einnehmen, ist das selbstverständlich um so mehr der Fall, wenn, wie jetzt, die Absicht ganz offenkundig ist, mit der Auslieferung den Stempel einer deutschfeindlichen Persekution abermals kundzutun.
Die Demokratie, welche verfassungsmäßig hier in diesem Staate als die erste Grundlage des Staates erklärt wurde, ist mit solchen Bestrebungen jedenfalls unvereinbar. Die Existenzberechtigung einer politischen Volksbewegung oder Partei darf in der Demokratie wohl niemals durch den Staatsanwalt, sondern immer nur durch das Volk entschieden werden. (Sehr richtig! - Rùzné výkøiky.) Politische Ideen sind nicht mit absolutistischen Methoden der Gewalt zu bekämpfen, sondern nur durch bessere Ideen im geistigen Kampfe zu überwinden. Das ist doch grundsätzliche Auffasssung der Demokratie; und dort, wo die Praxis einer solchen widerspricht, beweist sie die Unaufrichtigkeit und Unechtheit der demokratischen Formen. Es ist deshalb auch kein Wunder, daß unter diesen obwaltenden Umständen die Geger der Demokratie immer weiter und stärker Fuß fassen. (Souhlas.) Wir halten deshalb auch im Falle der Auslieferung der nationalsozialistischen Abgeordneten das Vorgehen nicht nur für ganz undemokratisch, sondern auch praktisch politisch als ganz unwirksames Mittel, diese Volksbewegung oder auch eine andere dadurch ersticken zu können.
Endlich müssen wir feststellen, daß mit dem Auslieferungsantrag abermals das parlamentarische Grundr ht der Immunität abgebaut und immer mehr illusorisch gemacht wird. Das Ansehen und die Unabhängigkeit des Parlamentes steht und fällt unserer Meinung nach mit der Unversehrtheit dieses Grundpfeilers des Parlam entarismus. (Sehr richtig!) Und wir sind daher immer dagegen, bei politischen Delikten die Immunität aufzuheben, um nur mißliebige Parteien oder Einzelpersonen um die Volksrechte ihrer Wähler zu bringen. (Sehr richtig!) Denn Zehntausende von Wählern, welche hier für einen Abgeordneten notwendig sind, haben unserer demokratischen Überzeugung nach ein stärkeres Recht auf Vertretung durch ihre erwählten Abgeordneten als der Staatsanwalt auf Durchsetzung seiner Anklage. (Potlesk.) Dies ist besonders im vorliegenden Falle sicher, wo es sich um Auslieferung auf der Grundlage eines Prozesses handelt, welcher noch nicht einmal rechtskräftig entschieden ist. (Souhlas.)
Das alles sind Erwägungen, welche
es uns zur nationalen und politischen Pflicht machen, als Deutsche
Christlichsoziale mit aller Offenheit und vor aller Öffentlichkeit
gegen die Auslieferung des halben Klubs der deutschen nationalsozialistischen
Partei entschieden Stellung zu nehmen und selbstverständlich auch
gegen diese Auslieferung zu stimmen. (Potlesk.)
Meine Herren! Koll. Krebs hat bereits in ausführlichen Darlegungen zum Auslieferungsbegehern Stellung genommen. Wenn ich nun hie und da wiederholen muß, weil ich ja auch zu dem Auslieferungssbegehren zu sprechen habe, das mich selbst betrifft, so bitte ich das zu entschuldigen.
Herr Koll. Dr. Luschka hat soeben als Klubvorsitzender der christlichsozialen Partei eine Erklärung abgegeben, die wir begrüßen. Er möge es nicht als Angriff gegen seine Partei auffassen, wenn ich eine Meldung seines Parteiblattes "D eutsche Presse" vom 21. d. M. richtigstelle. Das Blatt bringt unter dem Titel: "Der erste Akt - Verhaftung der nationalsozialistischen Abgeordneten" folgende Mitteilung: "Wie wir erfahren, hat man von nationalsozialistischer Seite versucht, mit dem Innenmiminister und dem Ministerpräsidenten zu verhandeln, daß die ausgelieferten Abgeordneten auf freiem Fuß belassen werden sollen. Da die Verhandlungen zu keinem Ziele führten, ist anzunehmen, daß die Staatanwaltschaft eventuell sofort Präventivhaft über die Ausgelieferten verhängt."
Zu dieser Meldung stelle ich fest, daß von unserer Seite keinerlei derartige Verhandlungen geführt wurden, mir ist auch nicht bekannt, daß von anderer Seite derartige Verssuche unternommen worden wären. Es handelt sich also lediglich um ein Gerücht. Da man das Auftauchen von Gerüchten schwer verhindern kann, möchte ich wenigstens an die deutsche Presse aller Zeitungen oppositioneller Richtung das Ersuchen richten, nicht all zu viel Sensationsnachrichten über unsere Partei zu bringen, weil durch derartige Sensationsnachrichten leicht ein Eindruck erweckt wird, der sicherlich nicht beabsichtigt ist. Im Zusammenhang mit dem uns betreffenden Auslieferungsbegehren muß ich auch eines Vorfalles gedenken, der auf das, was in Festreden als deutsche Volksgemeinschaft gepriesen wird, ein bezeichnendes Licht wirft.
Am 9. Feber hat bekanntlich der Immunitätsausschuß unsere Auslieferung beschlossen. Drei Tage darnach hielt der parlamentarische Führer des Bundes der Landwirte Abg. Ehrendoktor Hodina auf dem Kreisparteitag zu Saaz eine Rede, die man beim besten Willen nur als eine Unterstützung des Staatsanwaltes zu werten vermag. Diesen Dolchstoß hätte ich von einem Kollegen, den ich noch aus seiner deutschradikalen Zeit her kenne und der Ehrendoktor einer deutschen Hochschule ist, nicht erwartet. Das sage ich ganz offen. Die Brünner deutsche Studentenschaft hat ihm auch in einem offenen Brief die Antwort erteilt. Seine Bemerkung, daß im Brünner Volssportprozeß Staatsanwalt und Richter gefrotzelt und in Wut gebracht wurden, (Posl Krebs: Hodina war ja niemals dort!) - sehr richtig - und daß dieser Umstand zur schweren Verurteilung der Angeklagten führte, veranlaßte Herrn Rechtsanwalt Dr. Stark bereits zu einem offenen Brief. Koll. Krebs hat sich auch mit dieser Bemerkung beschäftigt und wenn ich neuerlich dazu Stellung nehme, muß ich offen erklären, daß diese Ausführungen des Herrn Koll. Dr. Hodina bezeichnend sind für die Beurteilung der èechoslovakisch en Justiz auch im Lager der deutschen Regierungsparteien.
Wir haben übrigens ähnliche Äußerungen auch aus dem Lager der zweiten deutschen Regierungspartei gehört. Über diese Wertung der èechoslovakischen Rechtspflege mögen sich die Herren, die der Regierung angehören, untereinander und mit dem Herrn Justizminister auseinandersetzen. Wir verzeichnen jedenfalls, daß selbst führende Mitglieder von Regierungsparteien an der Objektivität der Gerichte in politischen Prozessen gegen Deutsche zweifeln.
Es kann nicht Wunder nehmen, wenn unsere Parteipresse zu den Ausführungen des
Herrn Abg. Hodina Stellung nahm und sie zurückwies. Die "Landpost" antwortete am 17. Feber in einem Leitaufsatz: "Der Mut an der unrichtigen Stelle." Dieser Aufsatz ist ein merkwürdiges Gemisch von Widersprüchen. Er enthält eine unverständliche Drohung mit Enthüllungen über die "Hintergründe gewisser Vorgänge". Weiters die Feststellung, daß der Bund der Landwirte unsere Auslieferung nicht als eine gesamtdeutsche Angelegenheit betrachtet, wovon wir längst überzeugt sind; ferner die Behauptung, daß einer von uns angeblich noch im September "offen und mit vollen Backen erklärt habe, er würde als erster für seine Auslieferung stimmen", eine Erklärung, die mir unbekannt ist, und schließlich wohl zur eigenen Entschuldigung und Beruhigung des Gewissens folgende köstliche Stelle, die ich im stenographischen Protokoll festgehalten sehen möchte:
"Außerdem sind die deutschen Regierungsparteien überzeugt, daß die Auslieferung noch keine Verurteilung bedeutet, sondern den ausgelieferten Gelegenheit geboten wird, ihre so oft den Èechen gegenüber beteuerte Unschuld und Staatsloyalität vor Gericht darzutun, und damit den Èechen ein für allemal den gegen das Deutschtum erhobenen Vorwurf der Staatsfeindlichkeit und Irredenta zunichte zu machen. Außerdem steht zu hoffen, daß in diesem Prozeß die Beteiligten wiederum jene nationale Würde finden werden, deren Abhandensein ihnen und damit dem ganzen Deutschtum in der èechischen Öffentlichkeit bereits so unendlichen Schaden bereitet hat." (Posl. Krebs: Ist das ein juristischer oder ein politischer Prozeß?) Sehr richtig.
Die Kritik an diesen Worten erspare ich mir. Aber ich stelle die Frage, weshalb in dem Aufsatz die Bemerkung enthalten ist, daß der Bund der Landwirte deshalb nicht für unsere Auslieferung stimmen kann und wird, weil das Urteil im Volkssportprozeß, auf das sich das Auslieferungsbegehren stützt, noch nicht rechtskräftig ist. Man muß sich dann fragen, warum ist eigentlich in Saaz auf dem Kreisparteitag diese Rede gehalten worden? (Sehr richtig!) Denn auch dort hätte diese Feststellung genügt.
Nach dem übrigen Teil des Aufsatzes müßte man eigentlich annehmen, daß der Bund der Landwirte wenigstens einen Teil jenes Mutes aufbringt, dessen Mangel uns sein Hauptblatt vorwirft, nämlich den Mut, für unsere Auslieferung zu stimmen. Die "Landpost" schildert uns in ihrem Aufsatz vom 17. Feber den Prozeß, der uns erwartet, in den rosigsten Farben als eine herrlich schöne Angelegenheit, unseren von ihr angezweifelten Mut zu erweisen. Die "Landpost" aber weiß genau so gut, wie der "Sozialdemokrat" und wie wir, daß uns nach dem Beispiel von Brünn kein Prozeß, [ ] erwartet, weil wir es ja doch mit einer vorgefaßten Meinung zu tun haben: was allgemein übersehen wird, nämlich mit einem Gutachten militärischer Sachverständiger. (Posl. Geyer: Das sind lauter Fiktionen darin, da kann man sagen was man will!) Ich komme noch darauf zu sprechen und werde insbesondere die außenpolitischen Zusammenhänge darlegen. "Landpost", "Sozialdemokrat" und alle übrigen Blätter, die in den lezten Wochen über uns herfielen und uns der Schwäche ziehen, wissen sehr gut, daß wir uns niemals gegen einen Prozeß wendeten, der gegen uns etwa unserer Gesinnung wegen angestrengt wird, obzwar wir derartige Prozesse keineswegs als einen Ausfluß der Demokratie betrachten. [ ]. Wenn man Støíbrný heißt, darf man damit rechnen, daß es ein Prozeß wird, das hat Iglau erwiesen. Wenn man jedoch zu den von allen Seiten verleumdeten deutschen Nationalsozialisten gehört, zu den verlästerten "Hakenkreuzlern", dann ist das sehr zweifelhaft, denn gerade der "Sozialdemokrat" hat beispielsweise Monate hindurch gegen unsere Bewegung eine Verleumdungshetze getrieben, die die Prozeßatmosphäre von vornherein vergiftet. Ich erinnere an die Bilder, die im Mai 1931 in diesem Blatte und auch in anderen sozialdemokratischen Blättern, "Volkswille" z. B., erschienen sind, in welchen der Verband "Volkssport" als eine Organisation geschildert wurde, die Pogrome, Fehmemorde und "verbrecherische Kriegsspiele" veranstaltet. Das waren die Titel, die diesen Bildern beigegeben wurden. Diese Hetze hat natürlich auch ihre Früchte getragen. Sie hat nicht nur dazu geführt, daß sich die èechische Hetzpresse dieser Dinge bemächtigte, daß wir in den èechischen Blättern heute noch Bilder finden von Reichswehrübungen unter dem falschen Titel "Kriegerische Übungen der Hakenkreuzler" u. dgl. mehr. In der Hinsicht macht ja ein Blatt dem anderen Konkurrenz. Das Blatt der èechischen Gewerbepartei hat, um nicht zurückzustehen, erst gestern wiederum ein solches Bild gebracht. Es haben diese Verleumdungen schließlich zur Auflösung des Volkssports, zum Verbot der Benützung des Hakenkreuzes, zur Einstellung der Tätigkeit des nationalsozialistischen Jugendverbandes und in weiterer Folge zum Volkssportprozeß und auch zu der Auslieferung geführt, die uns heute beschäftigt. (Posl. inž. Kallina: Diese Partei will als Vorkämpferin der Freiheit gelten!) Jawohl.
Ich verweise übrigens auf eine Äußerung des ehemaligen Ministers Slávik, im März des Vorjahres, wonach sich nicht nur èechische, sondern auch deutsche Parteien über unsere Tätigkeit beschwert haben. Die Erklärung der beiden deutschen Regierungsparteien, mit der sie ihr Fernbleiben von der Abstimmung begründen, ist eine Halbheit. (Posl. Geyer: Ihre Prominenten haben gesagt, daß sie kämpfen wie Löwen!) Jawohl.
Es wäre auf Grund dieser Erklärung eigentlich Pflicht dieser Parteien gewesen, gegen die Auslieferung zu stimmen, und zwar schon deshalb, um einen Teil des Schadens gutzumachen, den ihre Presse angerichtet hat. Denn der Prozeß ist leider mit ihr Werk, ein Werk der Zügellosigkeit ihrer Presse, der unverantwortlichen Reden, die ohne Kenntnis des Zusammenhanges und der tatsächlichen Vorgänge gehalten wurden.
Wir dürfen also mit Fug und Recht einen Tendenzprozeß erwarten. Darauf deutet nicht nur der Inhalt des Auslieferungsbegehrens, sondern auch der Umstand, daß beispielsweise gegen Koll. Kasper die Aussage eines übelbeleumundeten Subjektes als Anklage dient. (Posl. Geyer: Es genügt zu sagen, daß man den Kaiser von China umgebracht hat!) Jawohl. Und das, was den Koll. Kasper mit dem berüchtigten Wenzel Rebitzer passiert ist, kann natürlich jedem anderen von uns ebenfalls passieren. Der Herr Justizminister hat sich sowohl im Budgetausschusse des Abgeordnetenhauses wie des Senats gegen die Auffassung gewehrt, daß der sogenannte Volkssportprozeß und besonders jener Teil, der uns trifft, ein Glied in der Kette politischer Prozesse gegen das Deutschtum sei und daß es sich hiebei insbesondere um die Verfolgung einer bestimmten politischen Meinung und Richtung handle.
Ich will durchaus nicht bezweifeln, daß der Herr Justizministers seine Äußerungen im guten Glauben getan hat. Allerdings muß er äußerst schlecht unterrichtet sein. (Posl. dr Schollich: Irrglauben!) Ja. Wenn er aber in seiner Antwort auf die Ausführungen des Koll. Krebs im Budgetausschuß darauf hinweist, daß es sich um keine Persekution handelt, weil man nicht gleich nach den Führern griff, sondern zuerst ganz unbekannte Leute hernahm, so sage ich, daß gerade dieser Umstand sehr bedenklich ist. Man hat eben zuerst einige Leute hergenommen, von denen man annahm, sie könnten sich nicht richtig verteidigen, die Verurteilung werde daher sehr leicht sein. Und jetzt geht man mit dem fertigen Urteil her. (Posl. Geyer: Als corpus delicti!) Jawohl. Als ein corpus delicti. Und macht nach dieser Schablone alle anderen Prozesse und wird natürlich in jedem auf das Urteil der militärischen Sachverständigen hinweisen. Will man den Eindruck einer politischen Verfolgung nicht erwecken, dann muß man uns Gelegenheit geben, das militärische Sachverständigengutachten zu entkräften, statt es geradezu als sacrosankt hinzustellen. (Posl. Geyer: Dazu wäre jetzt Gelegenheit gegeben, Diskussion auf der anderen Seite!) Jawohl. Begreiflicherweise, daß sie sich von der anderen Seite für diese Sache nicht hieher stellen wollen. Wird man uns diese Gelegenheit geben? Wir werden ja sehen.
Noch auf einen Umstand möchte ich den Herrn Justizminister aufmerksam machen, auf den bereits Koll. Krebs hingewiesen hat, nämlich darauf, daß das Brünner Kreisgericht jetzt, nachdem gegen das Urteil die Nichtigkeitsbeschwerden eingebracht wurden, auf Betreiben des Staatsanwalts Änderungen im Protokoll vornimmt. Was ist das für eine Justiz? Das ist die Justiz, die der Bund der Landwirte und die Sozialdemokraten mitzuverantworten haben.
Zum Inhalt des Auslieferungsbegehrens stelle ich fest: Konkrete Handlungen, die die §§ 2 und 17 des Schutzgesetzes betreffen, werden gegen uns auch jetzt nicht ins Treffen geführt. Rein persönlich führe ich an, daß gegen mich drei Delikte angeführt werden. Das eine ist ein Aufsatz, den ich verlesen werde, ein Aufsatz, der erschienen ist im Nationalsozialistischen Jahrbuch 1932, das ist im Taschenkalender unserer reichsdeutschen Bruderpartei. Die zweite Angelegenheit betrifft meine Funktion als Vorsitzender, des sogenannten "Ältestenrates", mit anderen Worten des Überwachungsausschusses des nationalsozialistischen Jugendverbandes und die dritte Angelegenheit ist die durch ihre Lächerlichkeit berühmte Angelegenheit des "Braunen Hauses" in Schreckenstein, jenes Braunen Hauses, zu dessen Besichtigung ich das Hohe Haus freundlichst einlade. Es wird, auch wenn es sich alle möglichen Vergrößerungsgläser mitnimmt, das Braune Haus überhaupt nicht sehen können, weil es eben gar nicht vorhanden ist. Aber das Delikt ist in den Augen des Herrn Staatsanwalts vorhanden.
Was diesen Aufsatz anlangt verlese ich ihn, damit die Herren auch von den gegnerischen Parteien sehen, wie hierzulande der Begriff Demokratie praktisch geübt wird (ète):
"Nationalsozialismus. Vom Abgeordneten Ing. Rudolf Jung, ersten Vorsitzenden der DSNAP der Sudetenländer.
Jeder Kampf, der nicht ziel- und sinnlos sein soll, setzt das Vorhandensein einer Idee voraus. Aber Ideen an sich ändern die Welt noch nicht. Sie tun es erst, wenn hinter ihnen eine Macht steht. Wäre es anders, so müßte die Erde heute schon das reinste Paradies sein. Betrachten wir nur das Jahr 1918. Was erwartete man sich doch damals von den 14 Punkten Wilsons, vom Selbstbestimmungsrecht, von der Weltdemokratie, dem Weltgewissen? Und was ist aus den schönen Wünschen und Träumen geworden? Die Zerstückelung Deutschlands, die Tributknechtschaft und Hörigkeit der 80 Millionen deutscher Menschen in Europa. Dieser Zustand ist die Folge des Irrglaubens an die Macht einer Idee an sich, damals dargestellt durch das Selbstbestimmungsrecht. Seine Zeit war 1918 wohl da. Wollte man es aber verwirklicht sehen, so mußte man darum unter Einsatz aller Kräfte kämpfen, statt sich auf die Weltdemokratie und das Weltgewissen zu verlassen. Heute sehen wir in Europa zwei andere Gedanken am Werke. Der eine heißt nationale Selbstverwaltung. Von den Flamen in Belgien bis zu den Ukrainern in der Èechoslovakei, Polen und Rußland und den Kroaten in Südslavien besteht eine ideelle Front von 40 Millionen Menschen, die sich unterdrückt fühlen und nach Entwicklung ihres Eigenlebens verlangen. Für uns Deutsche außerhalb der Reichsgrenzen, die wir nahezu die Hälfte dieser Menschen stellen, ist es das natürlichste, in dieser Front mitzukämpfen. Dies umsom ehr, als parallel hiezu ein zweiter Gedanke, gefördert durch die allgemeine wirtschaftliche Not, in den Vordergrund drängt. Es ist der Plan einer Zusammenfassung bestehender Staaten und damit Wirtschaftsgebiete zu größeren Einheiten. Vorläufig ist er mit politischen Vorherrschaftsbestrebungen Frankreichs stark durchsetzt. Lassen wir Frankreich und seine Vasallen gewähren, so wird All-Europa kaum je unseren Wünschen entsprechen. Auf dem Marsch ist dieser Plan und man darf nicht müßig sein. Voraussetzung zur Verwirklichung ist eine brauchbare Lösung der nationalen Frage. Europa könnte aus drei großen Einheiten: West-, Mittel- und Ost-Europa bestehen. Seinen Völkern und Volksteilen müßte allerdings die nationale Selbstverwaltung zugebilligt werden. Gewiß ist die nationale Selbstverwaltung kein eindeutiger Begriff. Aber ebenso wenig ist es das Selbstbestimmungsrecht und am allerwenigsten die Demokratie. Denn was nennt sich nicht schon alles Demokratie? Von der Zuerkennung kultureller Rechte an eine zerstreut wohnende Minderheit bis zur Anerkennung eines Volksteiles als Nation und Selbstregierung in seinem Siedlungsgebiete - also zum Staat im Staate - ist gewiß ein gewaltiger Unterschied. Und trotzdem fällt das alles unter den Begriff der Selbstverwaltung. Ob das eine oder das andere gewährt wird, gewährt werden muß, ist - wie alle politischen Fragen eine Machtfrage, hängt nicht allein von der zahlenmäßigen und wirtschaftlichen Stärke, sondern auch kulturellen Höhe und damit rassischen Tüchtigkeit des in Betracht kommenden Volkes oder Volksteiles ab. Ein Volk kann nach vielen Millionen zählen und trotzdem ein zu politischer Betätigung unfähiges und daher geschichtsloses Fellachenvolk sein. Es kann aus einigen Hunderttausenden bestehen und trotzdem Geschichte machen. Alles hängt davon ab, ob es gelingt, ja überhaupt möglich ist, ihm einen politischen Willen einzuimpfen und diesen in die Wagschale zu werfen. Es kommt dabei durchaus nicht darauf an, ein oft nur anscheinend besonders weitgestecktes Ziel aufzustellen. Denn man muß bei der Zielsetzung auch den Volkscharakter berücksichtigen. Der Deutsche der Gegenwart ist nicht revolutionär in dem Sinne, wie es der Franzose von 1789 war und heute vermutlich auch nicht mehr ist. Alle Vergleiche mit der französischen Revolution die da und dort gezogen werden, hinken deshalb. Lägen die Dinge anders, so hätte auch der Umsturz von 1918 anders ausgesehen, und andere Ergebnisse gezeitigt. Das deutsche Volk von heute ist stark ostisch durchsetzt, daher hauptsächlich wirtschaftlich eingestellt und politisch sehr genügsam. Siehe Silberstreifen am Horizont, Presseknebelungen u. dgl. Das muß man bei der Zielsetzung berücksichtigen, um keine Fehlschläge zu erleiden. Hierin liegt wohl auch einer der Hauptgründe der Legalitätserklärung unserer reichsdeutschen Bewegung, wie auch deshalb die sudetendeutsche Bewegung die nationale Selbstverwaltung in den Vordergrund stellt. Denn was nützt das radikalste Ziel, wenn dafür keine Massen zu gewinnen und in die politische Wagschale zu werfen sind? Was nützt der Hinweis auf Danton, wenn unser Volk keine Dantons hervorbringt? Alle Ziele bleiben da nur Träume, die niemals Wirklichkeit werden. Politik hat aber mit Träumen nichts zu tun, sondern rechnet mit Wirklichkeiten. In dieser Hinsicht ist Bismarck ein Vorbild. Die Achtundvierziger, waren ideale Träumer, aber ihre Träume mußte der Junker Bismarck verwirklichen, soweit dies mit den zu Gebote stehenden Mitteln überhaupt möglich war. Noch mehr Vorbild aber ist uns der Große, dessen hundertster Todestag sich am 29. Juni 1931 jährte, der Reichsfreiherr von Stein, Napoleons großer Gegenspieler. Größer in unseren Augen als dieser. Nicht nur weil er den Korsen besiegte, sondern, weil er organisch wirkte, indem er alle aus der Verwurzelung mit der Heimat herrührenden sittlichen Kräfte zu wecken und zu heben verstand. Die Aufhebung der Gutsuntertänigkeit der Bauern in den altpreußischen Provinzen hatte schon ein Vorbild. Denn Josef II hatte bereits in seinen habsburgischen Erblanden Jahrzehnte zuvor die Leibeigenschaft aufgehoben. Aber die preuß ische Städteordnung vom 19. Nov. 1808 stand ohne Vorbild da. Dieser Tag ist der Geburtstag der Selbstverwaltung und dieser vagen Idee, welcher Napoleon und mit ihm sein Caesarentum und die Anschauungen der französischen Revolution unterlagen. Steins Ged anke war der stärkere, weil er seine Wurzeln in der deutschen Vergangenheit, ja in den Wäldern Germaniens hatte. Dieses unbewußte Rückgreifen, dieses Anklingen an die Seele des Volkes ist das Geniale an ihm. Das Kaisertum war stets etwas fremdes, möchte es auch den Beinamen deutscher Nation führen. Die germanische Anschauung war, ist und bleibt: Freie unter Freien, Gleiche unter Gleichen, Führer und Gefolgsmann sind durch das Band der Treue verbunden. Der Gefolgsmann ist freiwillig Gehorchender, nicht knechtisch Unterwürfiger. Die Untertanenschaft, das Hörigentum waren undeutsch, ungermanisch. So dürfen wir Nationalsozialisten im Reichsfreiherrn von Stein einen unserer geistigen Ahnen verehren. Und so ist uns die Selbstverwaltung ein kostbares Gut, zu dem wir mit dem Herzen stehen. Denn sie ist Urväter Erbe. Sie bedeu tet den Abbau der Herrschgewalt des Staates, der gegenwärtig geradezu vergöttert wird. Der Nationalsoziali smus betont den Gedanken der Selbstverwaltung. Nicht nur Gemeinde und Bezirk, auch Kultur und Wirtschaft haben sich selbst zu verwalten, bzw. zu regieren. Die staatliche Spitze hat allerdings zu leiten und etwaige Mißstände abzustellen. In den Sudetenländern und überall sonst, wo Deutsche in der Minderheit leben, hat sie auch ihre nationale Note. Stets aber werden Volksgenossen außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches leben müssen, weil manche Volksteile von den Reichsgrenzen zu weit entfernt sind, um je die Hoffnung hegen zu können, mit dem Ganzen vereinigt zu werden. Diese müssen Selbstverwaltung fordern und das Mutterland muß mit gutem Beispiel vorangehen, indem es sie vorbildlich verwirklicht. Dadurch fördert es auch die Entwicklung, welche schon Stein anstrebte: Das Deutsche Volk soll zur deutschen Nation, d. h. zur politisch bewußten Gemeinschaft werden.