Eine Frage, die ich auch schon vor Jahren aufwarf, ist allerdings, ob es von Vorteil war, die Projekte und die Konzession von den früheren Eigentümern überhaupt zu enteignen. Staat und Land hätten sich in der damaligen Gesellschaft der Firma Thaya-Werke allen Einfluß auch für den Bau und den Betrieb sichern können. Unter der Privatinitiative mit Unterstützung Schweizer Interessenten würde wahrscheinlich manches anders, vielleicht auch sparsamer ausgefallen sein und es wäre niemands Schade gewesen, wenn ausländische Kapitalien ins Land gebracht und unter normalen Bedingungen Verwendung gefunden hätten.
Was den technischen Teil anbelangt, will ich mich nur auf das äußerste beschränken und vor allem die Frage stellen, wer denn eigentlich in dieser Hinsicht für den Bau die Verantwortung trägt. Aus den Polemiken, die sich aus der Kostenüberschreitung ergeben haben, war deutlich zu ersehen, daß die Änderungen, welche nach der Übernahme des Projektes vorgeno mmen wurden, für die Ausführung größtenteils unmöglich waren. Die Weglassung des im ursprünglichen Projekte vorgesehenen Umlaufstollens hatte zur Folge, daß das Fundament nur stückweise aufgedeckt und ebenso der Bau nur in Teilstücken ausgeführt werden konnte. So waren beispielsweise die beiden Seitenteile der Mauer über die halbe Höhe betoniert, als man noch gar nicht wußte, wie es eigentlich im Mittelfundamente aussieht. Die Herren haben Glück gehabt und als die Thaya dann durch den linksseitigen Blockteil abgeführt werden konnte, mußte man, um einer Hochwasserführung möglichst zuvor zu kommen, das Mittelfundament mit aller Beschleunigung ausheben; zwischen diesen beiden Mauerblöcken wurden durch drei Monate täglich bis 80 Borlöcher auf einmal in die Luft gesprengt, ein Vorgang, der nach den Erfahrungen im Talsperrenbau die Sicherheit der Anlage gewiß nicht erhöht. Namhafte Geologen haben die Verantwortung hiefür abgelehnt. Vielfach wird auch darauf verwiesen, daß die Mauer durch die vier Grundablaßrohre von 160 cm Durchmesser und dem darüber und seitlich angeordneten Überfall an der linken Einbindungsseite ungünstig und einseitig beansprucht sei. Ich habe vor 3 Jahren, nicht im Mißtrauen gegen die Tüchtigkeit unserer Staats- und Landestechniker, sondern im Bewußtsein der kolossalen Verantwortung und in Kenntnis, daß bei solchen Großbauten eine langjahrige Erfahrung von höchstem Werte und Nutzen ist, wenigstens die zeitweise Berufung des Baurates Bachmann aus Hirschberg empfohlen. Ich habe ihn nicht deshalb empfohlen, weil Baurat Bachmann ein Reichsdeutscher ist, sondern weil er auf dem Gebiete des Talsperrenbaues als europaische Autorität gilt. Diese Berufung wurde mir auch zugesagt, und es würde heute nicht nur mich, sondern ich glaube, die ganze Öffentlichkeit interessieren, welche Stellungnahme der Genannte zu der gesamten Anlage, der Ausführungsweise und nicht zuletzt auch der Kostenüberschreitungen eingenommen hat. Ist diese Berufung aber trotz der Zusage unterblieben, so tragt man nicht nur für die Kostenüberschreitungen, sondern für alle eventuellen Unzukommlichkeiten nicht in Frain und Brünn, sondern ausschließlich in Prag die Verantwortung.
Was die Wasserführung beim Betriebe der Talsperre anlangt, so wird zwar erklärt, daß durch eine einheitliche und gleichmäßige Beaufschlagung der Turbinen Wasserstöße im allgemeinen vermieden werden. In Wirklichkeit dürfte es sich hier so verhalten, wie mit dem Kostenvoranschlag, umsomehr, als es geradezu unverständlich wäre, eine solche außergewöhnliche Spitzenkraft, wie sie durch die Talsperre gegeben ist, nicht auszunützen. Unmittelbar unter der Talsperre liegt die bekannte Sommerfrische Frain und dort weiß heute kein Mensch, wie sich eigentlich die Wasserabführung, aus der Talsperre gestalten wird. Da das Wasser bei einem normalen Seestand von 42 Metern für den Betrieb in einer Tiefe von zirka 15 Metern entnommen wird, ist es naheliegend, daß das Wasser im Winter warm, dagegen im Sommer sehr kalt den Ort Frain und seine Badegelegenheiten durchfließt. Es wäre interessant zu hören, welche Vorkehrungen hier getroffen werden sollen.
Bezüglich der Kostenüberschreitung wäre es wohl zwecklos, hier noch ein besonderes zu erwähnen. Man weiß heute im allgemeinen, daß der Voranschlag zu niedrig war und daß der Bau bei den vielfachen Änderungen ein wesentlich höheres Erfordernis verlangte. Vielleicht ist es sogar als ein Glücksfall zu betrachten, daß man sich wenigstens bei der Ausführung nicht an den Kostenvoranschlag gehalten, sondern der absoluten Notwendigkeit entsprochen hat. Daß hiebei Materialschiebungen und ähnliche in den Zeitungen angeführt gewesene Manipulationen vorgekommen sein sollen, entspricht nicht den Tatsachen.
Ein nicht sehr erfreuliches Kapitel scheint auch die Arbeiterfrage zu sein, wo vielfach darüber geklagt wird, daß die einheimische deutsche Arbeiterschaft durch weit hergeholte èechische Leute verdrängt wi rd. Das genügt aber noch nicht und es mußte, wahrscheinlich unter dem Einfluß der Jednota, damit auch gleich Politik gemacht werden. So wurden beispielsweise vor der letzten Frainer Gemeindewahl fremde Arbeiter angemeldet, die noch gar nicht am Baue waren, nur um in der Wählerliste Aufnahme zu finden. Ebenso wurde bei der Volkszählung für das Talsperrengebiet ein eigener èechischer Kommissär bestellt und es müssen bei der Talsperre sehr viele èechische Arbeiter gezählt worden sein, weil man aus dem sich daraus ergebenden Schlüssel die deutsche Gemeinde Frain nunmehr zur Doppelsprachigkeit verhalten will. Es ist begreiflich, daß wir uns gegen derartige Machinationen auf das entschiedenste verwahren müssen.
Aber auch in rechtlicher Hinsicht muß ich abermals darauf verweisen, daß die Entschädigungsansprüche eines Großteiles der Grundbesitzer von Frain sich noch immer auf einem Gerichtstisch befinden. Das mährische Landesamt hat seinerzeit gegen die Entschädigungsbeträge, die durch die Bezirkshauptmannschaft im Einvernehmen mit den behördlichen Sachverständigen festgesetzt wurden, rekurriert und gleich in eigener Sache als Berufungsinstanz entschieden und die Entschädigungsbeträge um ein Drittel herabgesetzt. Ein solches Vorgehen ist natürlich nach Recht und Gesetz gänzlich unmöglich und als sich die Parteien dies nicht gefallen lassen wollten, wurden sie eben auf den Gerichtsweg verwiesen und ich würde den Betroffenen wünschen, daß sie die Entscheidung noch erleben. Es wäre höchste Zeit, daß die Sache endlich ausgeglichen wird und daß man auch jenen Grundbesitzern, welche ihre Felder eben wegen des bevorstehenden Baues nicht mehr anders verwerten konnten und frühzeitig abtreten mußten, diejenigen Nachträge vergütet, die ihnen in Gleichstellung der anderen ausdrücklichst versprochen wurden. Interessant ist auch, daß die Leute, für die abgetretenen Felder heute, nachdem der Bau fast einer Vollendung entgegengeht, noch immer Steuern und Steuerzinsen bezahlen müssen und vielfach sogar exequiert werden.
In welcher Art und Weise die Übergabe des Projektes im Jahre 1921 im Auftrage der Regierung an das Land Mähren erfolgen mußte, habe ich bereits vor 3 Jahren dargelegt. Ich will hier nicht neuerlich auf die Details eingehen, sondern nur darauf verweisen, daß die Übergabe im Ausfluß der Nachkriegspsychose, unter Zwang, ganz ungesetzlich erfolgte, wodurch Personen, die sich aufopferten, um eine Lebensarbeit gebracht und ganze Existenzen vernichtet wurden. Ich verlange zunächst neuerlich und zwar, bevor es zu einem zwischenstaatlichen Konflikt mit der Schweiz kommt, daß hier endlich gut gemacht wird, was schon längst hätte geschehen müssen. Geradezu als eine Ungeheuerlichkeit muß auch die Behandlung der von mir ebenfalls vor 3 Jahren erwähnten Angestelltenfrage der Thayawerke bezeichnet werden. Dem gesamten Personal wurde bei der Übergabe im Jahre 1921 die Anstellung für Bau und Betrieb in Aussicht gestellt. Ûbernommen wurde in Wirklichkeit kein einziger Beamter, obwohl eine große Anzahl fremder Leute bei dem Bau Aufnahme fanden. Erst in letzter Zeit war es möglich, einen technischen Beamten, der 18 Jahre bei den Thayawerken gearbeitet hat und infolge seiner dortigen Entlassung mit 3 Kindern vor der Verzweiflung stand, nicht etwa als Angestellten, sondern im Taglohn unterzubringen; dabei wird der Mann als sehr brauchbar und tüchtig geschildert. Auch hier muß die dringende Erfüllung der gemachten Zusage und der daraus resultierenden Entschädigungen verlangt werden.
Ich hoffe, daß die zuständigen Stellen meine Ausführungen in der Frainer Talsperren-Angelegenheit diesmal einer wohlwollenden Berücksichtigung unterziehen und daß für die bevorstehende Aufnahme des Betriebes jene Bedingungen geschaffen werden, damit dieses große Werk zu erfüllen in der Lage ist, was man seit 30 Jahren davon erwartet.
Meine Herren! Anläßlich meiner letzten Rede in diesem hohen Hause, als Erwiderung der Regierungserklärung, habe ich wiederholt darauf hingewiesen, daß speziell bei uns in Mähren die Národní jednotas eine außerordentlich große Rolle spielen und große Bedeutung haben. Es wäre sonst nicht anders möglich, daß Gesuche jahrelang bei dem Landesamt liegen, ohne einer Erledigung zugeführt zu werden. Ich bin in der Lage, dem hohen Haus mitzuteilen - ich spreche nur von Südmähren - daß der Kulturverband für eine Schule in Milleschitz bei Znaim am 10. Feber 1926 eine Eingabe gemacht hat, die bis heute noch nicht erledigt wurde. Es sind dort 31 schulpflichtige Kinder vorhanden und die nächste Schule ist 3 Kilometer weit. Für die Gemeinde Baumöhl bei Znaim hat der Kulturverband ebenfalls im Jahre 1920 ein Gesuch überreicht. Auch dort ist die gesetzliche Anzahl von Schulkindern vorhanden; die nächste Schule ist ebenfalls 3 Kilometer entfernt. Ebenso wurde für die Gemeinde Guttenfeld bei Nikolsburg im Jahre 1927 ein Gesuch überreicht, für die Gemeinde Ölhütten ein solches Gesuch im Jahre 1932. Es existieren auch unerledigte Gesuche des Kulturverbandes um Errichtung eines Kindergartens in Fröllersdorf bei Nikolsburg seit dem Jahre 1929. Sie ersehen daraus, daß die Klagen gegen die Wirksamkeit der Národní jednotas genügend berechtigt sind und daß wir allen Grund haben bei jeder Gelegenheit auf diese schädliche Wirkung dieser Leute meiner Ansicht nach doch nicht mehr notwendigen Körperschaften hinzuweisen.
Zum Schluß will ich einige Worte
über die jüngste Heldentat des früheren Chefs des Generalstabes
sagen, die vor einigen Tagen das Militärkommando in Brünn nötigte,
zu nachtschlafener Zeit die Militär- und Zivilbevölkerung zu alarmieren
und die Samariter zu mobilisieren. Der Überfall auf die Infanteriekaserne
mit 63 Mann ist an und für sich eine Dummheit, die Wahnsinnstat
eines Fanatikers zu nennen. Es ist nur interessant, daß es in
Brünn ein Deutscher und gestern wie ich hörte und las, in Theresienstadt
ein ungarischer Soldat war, der die Situation erfaßte und rettete.
Durch die Brünner Geschichte ist die Zahl der Köpenikiaden um
ein köstliches Kapitel vermehrt worden. Wenn es wirklich nur die
Tat eines Wahnsinnigen wäre, könnte man über den Fall zur Tagesordnung
übergehen und den Führer einfach ins Narrenhaus stecken. Hinter
ihm, bzw. als Verfechter seiner Idee stehen große Massen des èechischen
Volkes und während der Verhandlungen im Budgetausschuß machte
ein Mitglied der nichtkoalierten Parteien das lehrreiche Geständnis,
daß er wohl zugeben müsse, daß den Ideen die dem èechischen Faszismus
zugrundeliegen, die Angehörigen aller èechischen staatsaufbauenden
Parteien beipflichten müssen, daß aber die Personen, die an der
Spitze dieser Bewegung stehen, nicht die Gewähr bieten, daß hier
nicht persönliche Ambitionen ausschlaggebend seien. In den Reihen
der Deutschen suchen Sie die Hochverräter, die Staatsfeinde! Während
Sie halbwüchsige junge Menschen wegen Leibesübungen, wegen Singens
alter deutscher Studentenlieder vors Gericht zitieren und verurteilen,
verlieren Sie den Überblick über die eigenen Leute, von denen
ein Großteil in wahrlich nicht schmeichelhafter Weise und nicht
schmeichelhaften Worten über Staat und Regierung spricht und trotz
aller Verwarnungen ihre eigenen Wege gehen, die weitab von der
offiziell vorgeschriebenen Linie liegen. Der Staatsanwalt in Brünn
wird wieder Arbeit bekommen. Wir werden Gelegenheit haben, sein
Vorgehen mit denen im Volkssportprozeß zu vergleichen. Er wird
vielleicht auch den wegen des Brünner Putsches Angeklagten, wie
damals den Deutschen zurufen, wir werden uns niemals verstehen.
Wenn der Staatsanwalt in Vertretung der Staatsgewalt eine Verständigung
mit den Deutschen für ausgeschlossen hält und eine Verständigung
mit den Faszisten, jenen, die sich offen zu dieser Umsturzpartei
bekennen, und den vielen, die im geheimen Anhänger sind, doch
nicht gut anbahnen oder als wünschenswert bezeichnen kann, dann
ist wohl die Frage berechtigt: wer bleibt dann noch übrig, auf
den sich der Staat verlassen kann? Diese Frage sollten sich die
Herren von der Regierung öfters vorlegen und Maßnahmen treffen,
die wahre Demokratie und Gerechtigkeit erheischen. Es entspricht
nicht den Tatsachen, daß, wie man zwischen den Zeilen der Regierungserklärung
lesen konnte, die Regierung die Macht in Händen habe. Wie bei
den Bezirken die Jednotas kommandieren, so haben auch in der Staatspolitik
außenstehende Elemente das Heft in der Hand und bilden eine Nebenregierung,
für die nur jene Gesetze gelten, die sie sich selbst gegeben haben.
Unter diesen Umständen wäre man versucht, das berühmte Wort Hamlets
zu zitieren. Den Lenkern des Staates rufe ich im Hinblick auf
ihre Umgebung und mit Rücksicht auf die Vorkommnisse der letzten
Zeit zu: "Caveant consules!" (Potlesk.)
Hohes Haus! Ich will mich mit den Kapiteln des Gesundheitsministeriums beschäftigen und mich vor allem einer der wichtigsten Agenden dieses Ministeriums, dem Krankenhauswesen, zuwenden, wobei ich heute mich mitder Prager Krankenhausmiserie nicht beschäftigen will. Aber auch die Größe und Beschaffenheit der Provinz-Spitäler steht in keinerlei Einklang zu den Erfordernissen der Wissenschaft, insbesondere in Bezug auf die Bettenanzahl. Wir haben eine Statistik über die Betten der Krankenhäuser, die geradezu erschreckend ist. Ich will das grauenvolle Bild hier nicht näher ausmalen, jeder, der nur einen Blick in unsere Spitäler wirft, kann sich von diesen erschreckenden Zuständen überzeugen. Die kleinen Krankenhäuser, wie sie in letzter Zeit in der Provinz vornehmlich gebaut wurden, sind schon im Vorhinein zur Leistungsunfähigkeit verurteilt, schon deswegen, weil sie sich keine Fachabteilungen angliedern können. Selbst sogenannte große, inmitten volksreicher Industriebezirke gelegene Spitäler besitzen die so notwendigen Fachabteilungen nicht. So haben wir heute in ganz Böhmen kein Spital mit einer Kinderabteilung, die von einem Spezialarzt für Kinderheilkunde geleitet würde. Haut- und Geschlechtskranke werden von Internisten behandelt. Wir haben keine Gynaekologen zur Behandlung von Frauenkrankheiten, besonders stiefmütterlich werden die Abteilungen für Tuberkulöse behandelt. Die Einrichtung unserer Krankenhäuser entspricht weder dem modernen Stande der medizinischen Wissenschaft, noch der heutigen sozialen Moral, die die Forderung aufstellt, daß jeder bedürftige Kranke alle Heilmittel, die die Wissenschaft errungen hat, durch die Gesellschaft zur Heilung seiner Krankheit übermittelt erhält. So ist es die Tragödie unserer Zeit, daß all die wundervollen Erfindungen der modernen Wissenschaft den Weg in die Provinzkrankenhäuser nicht finden. Unsere Krankenhäuser müßten die Zentren der Volksaufklärung sein. Von hier müßte der Kampf gegen Tuberkulose und gegen Geschlechtskrankheiten ausgehen. Das Wort Krankenhausfürsorge ist bei uns ein leerer Begriff und es ist so, daß infolge des wirkenden Bettenmangels Kranke, die erst eine Operation durchgmacht oder eine schwere fieberhafte Krankheit überstanden haben, aus dem Spital entlassen und der Familie überstellt werden und dann aus rein körperlichen Gründen nicht mehr den Weg in den Arbeitsprozeß finden. Unsere alten unmodernen kleinen Provinzspitäler müßten in Siechenhäuser umgewandelt werden, die wir draußen so außerordentlich notwendig brauchen. Die Krankenhäuser müßten sich Rekonvaleszentenhäuser angliedern, damit solche Fälle nicht mehr möglich sind.
Charakteristisch für unser Krankenhauswesen ist der Mangel an Ärzten im allgemeinen. Ich kenne ein Krankenhaus mit 70 Betten, das von einem einzigen Arzt betreut wird, der noch Privatpraxis ausübt, um existieren zu können. Wir haben zu wenig Ärzte, nahezu keine Spezial- und Fachärzte und vor allem viel zu wenig Pflegepersonal. Ich habe von dieser Stelle wiederholt darauf aufmerksam gemacht, welche Auswirkungen der Mangel an Pflegepersonal für die Pflegeschwestern mit sich bringt, die überarbeitet, nach einer anstrengenden Arbeit den Nachtdienst versehen müssen, keine Reserveschwestern für die Fälle von Urlaub oder für schwere Krankheitsfälle keine Roentgenschwestern, keine Laborantinnen, die Schwestern Tag und Nacht in einem engen Raum zusammengepfercht, vier, fünf, sechs, ja sieben, und wie die einen die andern zwangsläufig stören müssen. Ich möchte den Herrn Minister Dr. Spina darauf aufmerksam machen, daß alle unsere Interventionen und Vorsprachen, ja auch seine eigene Interessennahme es nicht zustande gebracht haben, daß auch die Frage des Urlaubs der Schwestern in würdiger Weise geregelt wird.
Wenn ich schon hier vom Krankenhausbau spreche, so will ich auf den Krankenhausbau des größten Kurorts der Republik hinweisen, auf die Spitalsschande von Karlsbad. Anläßlich einer Revision, welche am 20. Feber 1926 im Karlsbader KKrankenhause stattgefunden hat, wurden die Stadtvertreter Karlsbads von Seite der Delegierten der Landesbehörde sehr ernstlich vermahnt, den Bau eines neuen Krankenhaueses ins Auge zu fassen. Dann wurde über den Weg der Bezirksbehörde der Gemeinde ein Erlaß übermittelt, wodurch sie beauftragt wurde, ein über mehrere Jahre sich zu erstreckendes Investitionsprogramm auszuarbeiten. Die Stadtgemeinde Karlsbad beauftragte darauf hin den bekannten Spitalbauer, den Wiener Sektionschef Dr. Fritz Knoll, einem gebürtigen Karlsbader, den Plan eines neuen Infektionspavillons zu entwerfen. Dieses Projekt aber fand nicht die Genehmigung der Landesbehörde. In weiterer Folge wies die Landesbehörde auf eine Mitteilung des Ministeriums für Volksgesundheit hin, daß dieses das Projekt wegen seiner Plazierung bekämpfe. Dadurch war die Stadt geradezu gezwungen, die Errichtung eines neuen Wirtschaftsgebäudes und die Verlegung des Infektionspavillons ins Auge zu fassen und die Leichenhalle abzuräumen. Die Gemeinde entschloß sich dann dem Drängen der Landesbehörde nachzugeben und dem Wunsche nach einem großzügigen Bauplan Folge zu leisten, zumal bei der Vorsprache einer Karlsbader Abordnung am 9. Oktober 1928 der Landesoberrat, Herr Dr. Pankratz, den Delegierten mitteilte, daß die Regierung im Falle der Erbauung des neuen Spitales ein Drittel der Kosten in der Form einer Subvention tragen würde, die in 6 Raten ausbezahlt werden würde. Bei einer späteren Vorsprache des Karlsbader Gemeindevertreters stellte sich auch Minister Dr. Spina auf den Standpunkt, daß die Regierung die gesetzliche Quote, das heißt, ein volles Drittel der Kosten tragen würde. Allerdings wurden diese mündlichen Zusicherungen niemals schriftlich der Gemeindevertretung intimiert. Heute ist es so, meine Herren und Frauen, daß weder die Subvention, noch eine Rate ansbezahlt wurde, ja, daß nicht einmal der von der Landesbehörde versprochene Druck auf die Kreditanstalten ausgeübt wurde, die es der Stadtgemeinde ermöglichen sollten, den Bau zu einem gedeihlichen Ende zu führen. So besteht der Skandal, daß im größten und bedeutendsten Kurort der Welt ein Torso von Spital steht, der deshalb nicht zu Ende geführt werden kann, weil die Stadtvertretung den Worten höchster Funktionäre des Staates geglaubt hat. Ich möchte den Herrn Minister Dr. Spina insbesondere darauf hinweisen, daß es nun eine Ehrenpflicht des Gesundheitsministeriums ist, im Kreditwege einstweilen durch Druck auf die Kreditanstalten der Stadtgemeinde die notwendigen Mittel, 12 Millionen Kronen, an die Hand zu geben, damit endlich dieser Skandal beseitigt und der größte und wichtigste Kurort der Welt seine Infektionskrankheiten nicht mehr unsachgemäß betreuen und verwahren kann. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.)
Es ist eine unserer Forderungen an die Regierung, es ist eine wichtige volkshygienische Notwendigkeit, daß die Ausbildungszeit der Geburtsassistentinnen an den staatlichen Anstalten verlängert werde, weil diese Ausbildungszeit mit den Erfordernissen der Wissenschaft nicht mehr im Einklange steht. So haben auch die deutschen Kinderärzte an ihrer am 17. Dezember des vorigen Jahres stattgefundenen Tagung erklärt, daß die Ausbildungszeit der Geburtsassistentinnen bezüglich der Säuglingspflege eine gründlichere sein müsse, weil die Kindersterblichkeit in den ersten Lebenstagen eine geradezu erschreckende ist und in manchen Orten 50% beträgt. So haben auch wir bei der Beratung des einschlägigen Gesetzes, eines der kargen und wenigen Ergebnisse einer mehr als vierzehnjährigen Tätigkeit des Gesundheitsministeriums, darauf hingewiesen, daß die Ausbildungszeit der Geburtsassistentinnen eine Verlängerung erfahren müsse, sich auch auf die Sozialhygiene erstrecken müsse, und wir haben schon damals darauf hingewiesen, daß dieser Gesetzesantrag, der ja sicherlich manchen Vorteil brachte, an den eigentlichen Problemen des Berufes und damit auch an wichtigen Problemen der Volksgesundheit blind vorübergegangen sei. Wir haben schon damals darauf hingewiesen, daß die Geburtsassistentinnen in den öffentlichen Dienst zu übernehmen seien, dadurch würden sie in die Kranken- und in die Unfallversicherung einbezogen werden - denn der Beruf birgt schwere Schäden in sich - dadurch könnten sie in die Altersversicherung einbezogen werden. Denn es ist moralisch nicht zu rechtfertigen, daß Frauen, die Tausenden von Frauen in ihren schweren Stunden zu Hilfe kommen, wenn sie selbst alt werden und arbeitsunfähig sind, hilflos auf sich allein gesellt dastehen. Dann wäre auch ihre Rayonierung durch Gesetz. Ist es nicht ein Skandal, daß in der Èechoslovakei, mitten im Herzen Europas, und nicht nur in der Slovakei, sondern auch in den Sudetenländern, es weite Gebiete gibt ohne geregelten geburtshilflichen Dienst!
Mittlerweile haben sich seit der Praktizierung des Gesetzes neue Mängel bemerkbar gemacht, sind alte Schäden schmerzhafter in Erscheinung getreten. Vor allem notwendig ist die Herausgabe einer neuen Geburtsassistentinneninstruktion. Jahrzehntelang hat das alte Österreich, und dem bösen Beispiel folgend, die Èechoslovakei, den Geburtsassistentinnen eine Instruktion aufoktroiert, die im Grunde nie Gesetzeskraft erlangt hat, da sie nie in der Sammlung der Gesetze und Verordnungen veröffentlicht worden ist. Nun versucht man hierzulande, deren Bestand auf merkwürdige Art zu legitimieren. Während der § 6 des Gesetzes vom 9. November 1928 eine Instruktion für die Geburtsassistentinnen fordert, sagt § 12 desselben Gesetzes, daß die bisherige Instruktion ihre Geltung behält. Eine Instruktion, die nie Geltung gehabt hat! Dabei ist die Instruktion ein sehr übles Machwerk, hat einen ganz vormärzlichen Charakter, spricht niemals von den Rechten sondern immer nur von den Pflichten der Geburtsassistentinnen, sie dürfen ohne zwingende Gründe bei Nacht ihren Wohnort nicht verlassen, sie dürfen bei Infektionsgefahr Schwangere, Wöchnerinnen nicht besuchen, wie es ja auch in der Ordnung ist. Aber sie haben keinerlei Anspruch auf eine Entschädigung für ihren Verdienstentgang, wie es durchaus nicht in Ordnung ist und im Gegensatz zur allgemeinen Praxis, daß bedürftige Menschen, die sich in ihren Verdienstentgang durch epidemiepolizeiliche Verfügun gen geschädigt fühlen, den gesetzlichen Anspruch auf 60 % des bezirksüblichen Tageslohnes haben.
Schon im Jahre 1913 hat das alte österreichische Parlament diesen Zustand als unmöglich empfunden und im Rahmen des Epidemiegesetzes eine Verordnung im Interesse der Geburtsassistentinnen verlangt. Diese Verordnung ist niemals erschienen, dafür hat die alte ungesetzliche Instruktion nun Gesetzeskraft erlangt. Hohes Haus! Eine Tagung der deutschen und èechischen Geburtsassistentinnen hat ihre Wünsche und Beschwerden in einer Resolution zusammengefaßt und sie dem Gesundheitsministerium übergeben. Ich möchte den Herrn Gesundheitsminister dringend darauf hinweisen, daß diese nur zu berechtigten Wünsche und Forderungen endlich ihre Berücksichtigung finden müssen. Die heute in Geltung stehenden gesetzlichen Maßnahmen schützen die Gebärenden ungenügend, das Recht der Geburtsassistentinnen selbst aber lassen sie gröblichst außer acht. Hier heißt es ganze Arbeit leisten und die alten Methoden zum alten Eisen zu legen, die Grillparzer mit den Worten charakterisiert hat: "Das ist der Fluch von unserem edlen Haus, auf halbem Wege und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben."
Lassen Sie mich, meine Herren und Frauen, mit einigen Worten hinweisen auf die Lage und Forderungen der Joachimsthaler Bergund Uranarbeiter, vor denen das zuständige Ministerium, das Arbeitsministerium, Ohren und Augen verschließt, denen gegenüber das Ministerium für soziale Fürsorge in seinem Wirkungskreis durch die Herausgabe des Gesetzes über die Berufskrankheiten seine Pflicht voll und ganz erfüllt hat, denen gegenüber das Gesundheitsministerium nur halbe Maßregeln ergreift. Ich möchte ohne weiters zugeben, daß auf Initiative des Gesundheitsministeriums in den Joachimsthaler Grubenanlagen Verbesserungen gemacht worden sind. Es wurde versucht, die Staubentwicklung herabzumindern, es wurde versucht, die Gruben zu durchlüften, aber am eigentlichen Gefahrenherd, am Bohrloch, strömt der Staub genau so aus wie früher und seit der Berieselung der Gruben leisten die Arbeiter ihre gefährliche Arbeit in ständig durchnäßten Kleidern.
Der Herr Minister Dr. Spina hat in seinem Exposé im Gesundheitsausschuß darauf hingewiesen, daß sich die Dinge in Joachimsthal gebessert hätten, daß die Mortalität der Bergleute sich herabgemindert habe. Aber ich möchte hier feststellen, daß der Herr Minister von seinem Informator außerordentlich schlecht bedient worden ist. Die Verhältnisse, auch die Mortalitätsverhältnisse, haben sich nicht gebessert, sondern verschlechtert. Lassen Sie micheinige Zahlen nennen. Hat ja auch das Ministerium für Gesundheitswesen eine Denkschrift erhalten, aus der hervorgeht, daß die Sterblichkeit der Joachimsthaler Bergarbeiter zweieinhalbmal so groß ist als die der übrigen Bergleute, die der Falkenauer Bruderlade angehören, daß das Sterbealter der im aktiven Dienst verstorbenen bei allen Bruderladen-Mitgliedern 43 Jahre und bei den Joachimsthaler Bergleuten 37 Jahre im Durchschnitt beträgt. Also anders wie der Herr Minister informiert wurde, daß der Durchschnitt der zurückgelegten Mitgliedszeit bei den Bruderladen 20 Jahre 5 Monate, in der Joachimsthaler Gruben dagegen nur 15 Jahre 2 Monate beträgt, daß ein Todesfall an Lungentuberkulose bei den Bruderladenmitgliedern des Falkenau-Karlsbader Gebietes auf 770 Beschäftigte, beim staatlichen Bergbau in Joachimsthal ein Todesfall auf 103 Beschäftigte entfällt, also daß die Todesfälle an Tuberkulose um mehr als das siebenfache häufiger sind.
Nach den Ausweisen des Statistischen Staatsamtes entfallen im Jahre 1930 in Böhmen auf 1000 Verstorbene 16 Todesfälle an Krebs, im Bezirk Joachimsthal 25 Todesfälle an Krebs. Im Staatsdurchschnitt entfallen in den Jahren 1927 bis 1929 auf je 1.000 Einwohner 11ÿ1 Todesfälle an Krebs, dagegen im Bezirks Jaochimsthal auf je 1.000 Einwohner 21.2 Todesfälle an Krebs. Nach den Informationen, die der Herr Minister erhalten hat, hätte die Mortalität bei den Joachimsthaler Bergleuten abgenommen. Das Gegenteil ist der Fall. Im Jahre 1931 sind 12 Bergleute an Bronchialkrebs gestorben, bis zum Oktober 1932 aber bereits 13 Bergleute. Nach der tatsächlich erreichten 15jährigen Durchschnittsdienstzeit beträgt die Bruderladenpension für das Mitglied 155 Kè, die Witwenund Waisenrente im Höchstbetrag 116 Kè im Monat. Da nun die Joachimsthaler Bergleute in jungen Jahren sterben, sind deren hinterlassene Kinder in den meisten Fällen minderjährig, sind in 80% im schulpflichtigen oder vorschulpflichtigen Alter.
Herr Minister Dr. Spina hat in seinem Exposé berichtet, daß sich die Ernährungsverhältnisse der Joachimsthaler Bergleute insofern gebessert hätten, als ihnen eine vitaminreiche Zuschußquote gewährt werde. Nun ist es richtig, daß einem kleinen Teil, jenen, die in der Uranfabrik beschäftigt sind, eine Zubuße in Form von 10 dkg Speck gewährt wird, aber nicht seit heute und gestern, sondern von altersher, vom alten Österreich her, seit 20 Jahren bereits. Es sind also die Ernährungsverhältnisse nicht gebessert worden, ja, ich werde das nachweisen, daß sie sich im allgemeinen verschlechtert haben. Nach langen Mühen - es hat zwei Jahre gedauert bis es so weit war - hat die Union der Bergarbeiter den Bergleuten endlich den so unbedingt notwendigen doppelten Urlaub erkämpft. Aber wir wurde nun diese Verfügung durchgeführt! Auf eine äußerst schikanöse und auch unlogische Art. Es wurde bestimmt, daß jene Bergleute, die nur 250 Schichten im Jahre verfahren, das sind also die gefährdesten Bergleute, das sind die bereits erkrankten Bergleute, daß gerade sie den doppelten Urlaub nicht erhalten. Gleichzeitig, förmlich wie zum Hohn, wurde eine Verfügung getroffen, nach der die Wochenarbeitszeit um einen Arbeitstag gekürzt wurde, d. h., daß den Arbeiterfamilien das Einkommen um ein Sechstel gekürzt wurde, d. h. das entgegen dem Berichte des Herrn Gesundheitsministers den Joachimsthaler Bergarbeitern der Brotkorb wesentlich höher gehängt wurde. Dabei hat bei all diesen Transaktionen der Staat gar kein übles Geschäft gemacht. Während der Betrag für den doppelten Urlaub 72.000 Kè ausmacht, beträgt der Verdienstentgang der Joachimsthaler Bergarbeiter 400.000 Kè.