Lassen Sie mich auch einige Worte
über die Lohnverhältnisse sagen. Wie sah es schon bisher mit der
Lohnhöhe, also mit dem Lebensstandard der Joachimsthaler Bergarbeiter
aus? Die Bergarbeiter fast aller Reviere erhielten im Frühjahr
1928 Lohnerhöhungen von 3 bis 5 % und eine einmalige Teuerungsaushilfe
von 50, 70 und 90 Kè. Für die Joachimsthaler Bergarbeiter hat
dies der Verwaltungsrat der staatlichen Berg- und Hüttenwerke
abgelehnt, trotzdem dieser kümmerlichen Leistungen in Anbetracht
der allgemeinen Lage der Arbeiterschaft gänzlich unzureichend
waren. Die Joachimsthaler Berg- und Hüttenarbeiter leisten eine
für die Volksgesundheit unbedingt notwendige Arbeit. Sie leisten
diese Arbeit unter der höchsten Gefährdung ihrer eigenen Gesundheit
und im Gefühl eines frühen und schmerzvollen Todes. Als vor einigen
Jahren bekannt wurde, daß in New-York einige junge Brillenarbeiterinnen,
die sich mit Radium zu beschäftigen hatten, ihre Sehkraft verloren
haben, da wurde gleich helfend und schützend eingegriffen, so
wie es sich auch gehört, da war eine ganze Welt moralisch entrüstet.
Wann endlich wird die Èechoslovakei die Kulturschande von Joachimsthal
beseitigen und die Forderungen der Union der Bergarbeiter erfüllen?
(Potlesk.)
Meine Herren! Ein Vorschlag in Güte! Wäre es nicht besser, man würde die handschriftlichen Aufzeichnungen der Reden übergeben, damit sie ins stenographische Protokoll aufgenommen werden? Das wäre das einfachste, würde wenig Zeit in Anspruch nehmen und hätte eben denselben Zweck.
Daß die Landwirtschaft in der Èechoslovakischen Republik kein rosiges Dasein führt, das sehen heute schon diejenigen Menschen ein, die immer mit einer gewissen Voreingenommenheit die Vorgänge in den landwirtschaftlichen Betrieben abfällig beurteilten. Man liest und spricht sehr viel von einer Industriekrise, von einer Arbeiterkrise, einer Handels- und Gewerbekrise, von einer Beamtengehaltskrise und von einer Weltwirtschaftskrise im allgemeinen. Daß alle diese Krisen in der schon Jahre vorausgegangenen landwirtschaftlichen Krise ihren Ursprung haben, das fiel keinem Menschen ein, so lange eben die sogenannten Berufs- und Erwerbskrisen nicht so schroff einsetzten bis zu den gänzlichen Stillegungen.
Neben dieser wirtschaftlichen Krise trägt der politische Krisenerreger in der ganzen übrigen Welt ein gerüttelt Maß bei.
Von den 13 1/2 Millionen Einwohnern dieser Republik sind 40% in der Landwirtschaft beschäftigt. Daß diese 40 % ein sicher arbeitendes, sparsames und höchst genügsames Völkchen sind, die sich immer und immer wieder neue schwere Lasten an Steuern und Abgaben aufbürden lassen, damit die Lenker dieses Staatsschiffleins nicht in geldliche Nöte und Sorgen geraten, das wissen die Lenker dieses Staates ganz genau. Grund- und Bodenbesitzer zählt man hierzulande 33%. Diese 33% sind mit dem Ackerboden, mit dem ererbten Heimatsboden so vielfach verwachsen, daß sie lieber alles erdulden und ertragen, um nur ja nicht den durch so viel Fleiß und Schweiß gedüngten Heimatsboden zu verlieren. Dieses Festhalten an der ererbten Scholle läßt unsägliche Entbehrungen ertragen, wovon die übrigen dreiviertel der Einwohnerschaft in der Republik oft keine Ahnung haben.
Dieser Zähigkeit und Arbeitskraft ist es zu danken, daß noch immer fortgewurstelt werden kann. Man hat noch nicht gehört, daß ein Bauer, wenn in seinem Wirtschaftsbetrieb Fehlschläge vorkamen, z. B. Mißernten, Hagelschlag, Dürre, Viehseuchen, Brände u. s. w., so daß Schulden gemacht werden mußten, die Tore der Scheuern, die Türen der Viehställe geschlossen hätte, die Dienstboten und Arbeiter entlassen hätte, um sie der Arbeitslosenfürsorge anheimzustellen, oder daß er die Steuerleistungen eingestellt hätte. Immer und immer wieder pflügte der Bauer den Boden um, senkte das Samenkorn in die Erde, borgte sich wieder und wieder Geld aus, um den staatlichen Anforderungen halbwegs gerecht zu werden, in der Hoffnung, doch ein gutes Erntejahr zu haben, um neuerich freudig weiter arbeiten zu können. Schon seit Jahren srnken die Getreidepreise in erschreckender Weise. Weizen sank von 190 Kè im Jahre 1928 auf 130 Kè im Jahre 1932, in der gleichen Zeit Korn von 185 Kè auf 70 Kè, Gerste von 180 Kè auf 65 Kè und Hafer von 165 Kè auf 50 Kè. Der Preisverfall für Schlacht- und Nutzvieh war noch viel ärgeren Preisschwankungen ausgesetzt, so daß es Wochen und Monate gab, wo das Schlachtvieh überhaupt nicht an den Mann zu bringen war.
Bei solchen katastrophalen Entwertungen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist es gar kein Wunder, wenn dann all die anderen Erzeugungsstätten in Mitleidenschaft gezogen werden und Verdienstentgang und Arbeitslosigkeit die Folge wird. Diese ungeheuere Wertverminderung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die damit gleichen Schritt haltende, immer ärger werdende Verschuldung der landwirtschaftlichen Liegenschaften hat es zu Wege gebracht, daß die Verschuldung des bäuerlichen Klein-, Mittel- und Großbesitzes die erschreckende Ziffer von 35 Milliarden erreicht hat. Diese Verschuldungsziffer zeigt uns allen recht deutlich, welch großen Wert die Landwirtschaft für den Staatshaushalt ausmacht. Mit allen erdenklichen Mitteln sollte daher der Landwirtschaft geholfen werden. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Taub.)
Die Regierungsabgeordneten werden mir vielleicht sagen: sind das etwa keine helfenden Maßnahmen, die wir seit Jahren in Gesetzeskraft gekleidet haben? Das Zollgesetz, das Viehzollgesetz, das Schweinezollgesetz, das Mehlmischungsgesetz, die Handelsverträge mit Rumänien, Südslavien, Polen und Ungarn, das Getreidesyndikat, die Kornstützung und noch manches andere alles, alles für die Landwirtschaft! Flickwerk war alles und ist alles, wird es auch weiterhin bleiben, weil man nicht den Mut aufbringt, Gesetze zu schaffen, die wirklich und wahrhaftig der Landwirtschaft helfen könnten. Die vorgenannten Gesetze haben immer nur der Staatskasse geholfen, die unheimliche Leere aufzufüllen. Handelsgesellschaften, Trusts, Konsum- und Einkaufsgenossenschaften, auch einzelne Personen waren Nutznießer dieser Einrichtungen. Der Bauer hatte von den schönen Gesetzen die Hoffnungen, die an jedes Gesetz geknüpft wurden, nach Jahr und Tag der Wirksamkeit dieser Gesetze aber niedere Preise für die Erzeugnisse und bittere Enttäuschungen.
Dieses Hoffen und Warten auf bessere Zeiten, dieser Ausdauer und Geduldprobe mit schweren Entbehrungen wird den schon sehr stark mißtrauisch gewordenen deutschen Bauern mit der grünen politischen Standesparteipeitsche recht lebhaft eingebläut. Der Glaube an die rettungbringende deutsche Regierungsmithilfe will nicht mehr verfangen, es müssen schon alle Register aufgezogen werden, um die Standesparteiler am Regierungswagen zu halten. Ich habe eine ganze Reihe von der Landwirtschaft helfenden Anträgen eingebracht, weiß aber schon im voraus, daß die deutschen, wie auch die èechischen Agrarier dagegen stimmen werden. Dann kann Herr Koll. Dr. Hodina wieder vor die Bauern zu Freiwaldau hintreten und sagen: "Anträge einbringen, das ist sehr einfach, aber das Mitregieren: ein Geschäft, ein bitteres Geschäft!" Herr Hodina erzählte auch, daß sein koll. Abg. Franz Heller Betrügern, die in Salz machten, in die Hände gefallen sei, dabei habe er fast sein ganzes Vermögen verloren; mit dem letzten Rest habe er sich an einem Autounternehmen beteiligt. Da aber das neue Autosteuergesetz auch diese Hoffnungen zerstören würde, darum der verbitterte Ausspruch des Abg. Heller in einer Protestversammlung.
Könnte man über das Elend in der Landwirtschaft stundenlang reden, so ist die Wälderreform ein ebenso trauriges Kapitel. Schon vor Jahren forderte ich, daß vom Bodenamt alle Grundverkäufe grundbücherlich durchgeführt werden sollen, damit das für den Staat kostspielige Unternehmen aufgelöst werden könnte, denn um dieses Raubunternehmen wäre es wahrlich nicht schade. Wenn unter dem Schutze der Staatsmacht 4,081.200 ha Bodenfläche zu Bodenreformzwecken einem Amte zur Verfügung gestellt werden, das dem Kontrollrecht entrückt, arbeiten kann, so glaube ich, das kann und konnte nur in der Èechoslovakischen Republik möglich sein. 2.056 Privatbetriebe wurden durch die Bodenreform aus der Steuerleistung herausgeholt. Dann braucht man sich nicht wundern, wenn im Staatshaushalt das Auslangen nicht gefunden wird. Wie die neuen èechischen Besitzer den Steuerverpflichtungen für ihren Staat nachkommen, ist niemandem ein Gehe imnis geblieben. Millionenbeträge wurden an den neuen Bodenadel als Subventionen gezahlt, viele Tausende an Steuern wurden erlassen, um nur den Lieblingen des Staates zu helfen. Und trotz der in die Millionen gehenden Liebesgaben an das Staatsvolk kommen viele, viele Restgüter schon jetzt in so kurzer Zeit unter den Hammer. 33 Milliarden volkswirtschaftlicher Werte wurden aus dem Unternehmerprozeß, aus der Wirtschaftsauffrischung ausgeschieden und der Verlotterung anheimgegeben. Blühende Werte, schaffende Besitztümer und Unternehmungen wurden den Deutschen weggenommen. Der Bodenschacher hat gar traurige Blüten gezeitigt und Tausende deutsche Familien durch die geübte Bodenenteignung und Zuteilung brotund arbeitslos, besitz- und heimatlos gemacht. Verabscheuungswürdig ist aber der Vorgang, wie die Meldung durch die Blätter ging, daß die Bauern sich genossenschaftlich um den einen Hof auf den Besitzungen der Herrschaft Nostiz-Rienek bewarben, für den Hof 540.000 Kè boten und als gute Parteimitglieder des Bundes der Landwirte glaubten, die Zuteilung könne doch keine Schwierigkeiten bereiten, da doch die Regierungstreue belohnt werden müsse. Plötzlich aber sahen sie sich vor die Tatsache gestellt, daß ihr Parteisenator Stöhr für seinen Sohn das Gut um den Preis von 560.000 Kè gekauft hatte, also um 20.000 Kè mehr, als die Bauern geboten hatten. Eine derartige Handlungsweise den Parteifreunden gegenüber muß unbedingte Gefolgschaft und grenzenlose Hochachtung auslösen.
In meiner nächsten Nähe, bei Jägerndorf in Schlesien, liegt ein schöner Hof, Rother Bau, ehemals dem Fürsten Liechtenstein gehörig. Dieser Hof sollte Anfang der 20. Jahre als Restgut abgegeben werden. Mir war bekannt, daß man plane, zwischen den Gemeinden Wiese und Neu-Ebersdorf eine sehr große Staumauer aufzuführen, um eine mächtige Elektrizitätsanlage zu errichten, die ganz Schlesien mit Licht und Kraft versorgen sollte, und um den Wassermassen, die bei Wetterstürzen aus dem Altvatergebirge zu Tal stürzen, Einhalt zu tun. Durch die Stauung würde die ganze Gemeinde Neu-Ebersdorf unter Wasser gesetzt, was bei den Ortsbewohnern selbstverständlich große Besorgnisse auslöste, und es wurde die Frage laut: Wo werden wir uns neu ansiedeln können? Da glaubte ich, Rother Bau wäre ein gutes Siedlungsland als Ersatz für den zu verlierenden Heimatboden. Die Gemeinde richtete an den Bodenamtspräsidenten Herrn Dr. Viškovský ein Ansuchen um Belassung des Hofes zur Ansiedelung. Dr. Viškovský versprach mir in die Hand, der Hof werde nicht aufgeteilt werden, da er einsehe, daß zur Neubesiedlung zu welcher Zeit immer gerade dieser Hof am besten geeignet sei. Er werde verfügen, daß der Hof zu dem angesprochenen Zweck vorbehalten bleibe und weiter an den deutschen Pächter vergeben werde. Und was geschah? Nach 6 Wochen war Rother Bau an einen Èechen als Restgut verkauft. Bodenpräsidenten- und Ministerworte haben in diesem Staate große Wichtigkeit. Das gegebene Präsidentenwort war weg! Herr Minister Dr. Viškovský ist tot und der èechische Restgutbesitzer des Hofes Rother Bau wird den Hof bald versilbern, wenn ihn nicht noch die sehr wahrscheinliche Inflation rechtzeitig rettet.
Die Bodenreform hat tausendfältiges
Leid dem deutschen Volke gebracht. Die herzerschütternden Klagen
und Beschwerden, die bei dieser Haushaltsaussprache von den wahhaft
deutschen Volksvertretern vorgetragen wurden, finden keine Gnade
bei dem sich als unumschränkte Herren fühlenden Staatsvolke. Wir
Deutschen sind bettelarm geworden in diesem Staate, ob Handel,
Industrie, Handwerk, Bauerntum, Beamtenschaft oder Arbeiter, wir
können nur noch den tausend jährigen deutschen Heimatboden verlieren
und auch da nagt schon der Èeche mit scharfen Zähnen an unserem
heiligen Erbe. Ein einziger Schrei sollte durch das ganze Sudetenland
erschallen: [ ]! 3 1/2 Millionen deutsche Menschen werden
hier als Staatsbürger dritter Klasse behandelt und sind rechtlos,
dieser Staat ist ein èechoslovakischer Staat und soll sich auf
das èechische und slovakische Gebiet beschränken. Wir wollen daran
nicht rütteln. Wir Deutschen aber verlangen, daß die Staatsgrenzen
die Volksgrenzen werden damit auch wir endlich aus Not und Elend,
aus Kummer und Sorgen herauskommen. (Potlesk.).