Úterý 8. listopadu 1932

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

214. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 8. listopadu 1932.

1. Øeè posl. dr Hassolda (viz str. 10 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Die Regierungserklärung, die zur Debatte steht, wurde schon von unserem Klubobmann Kollegen Dr. Schollich behandelt. Ich habe die Aufgabe, einige Gebiete der Regierungserklärung besonders herauszugreifen und einer besonderen Behandlung zu unterziehen. Die Regierungserklärung erscheint mir sehr oberflächlich auf die augenblicklichen Nöte des Tages einzugehen, ohne zu weitergehenden und grundlegenden Fragen dieses Staates Stellung zu nehmen, die eigentlich viel dringlicher und wichtiger wären als die späte Erkenntnis, wie nunmehr auch eine Regierungserklärung zugeben muß, daß dieser Staat sich in wirtschaftlichen Nöten befindet und daß man jetzt reichlich spät erst zu diesen wirtschaftlichen Nöten näher Stellung nimmt.

Gleich im ersten Absatz, ja sogar im ersten Satz der Regierungserklärung ist ein neues Wort geprägt, mit welchem man scheinbar über eine große Frage dieses Staates zur Gänze hinwegkommen will, eine Frage, die unbehandelt ist, die aber trotzdem durch die Tagesereignisse die Zeit vollkommen beherrscht. In diesem ersten Absatz ist die Rede von der "Mitverantwortlichkeit" und der "Gleichwertigkeit aller Komponenten" der bisherigen Mehrheit. Man hat früher von einer Gleichheit unter Gleichen überhaupt nicht gesprochen, dann wurde das berühmte Ministerwort von den "Gleichen unter Gleichen" ausgesprochen und diese Regierungserklärung hier beschränkt sich indirekt darauf, eine "Gleichwertigkeit aller Komponenten" im ersten Satze auszusprechen. Nur meine ich, daß wohl vielen der Glaube schon zu diesem ersten Satze der Regierungserklärung fehlen wird, denn in der Praxis sehen wir von einer Gleichwertigkeit aller Komponenten nicht das mindeste. Dieses Wort der Regierungserklärung ist wohl doch nicht anders aufzufassen, als ein gewisses Kompliment für die deutschen Regierungsparteien. Es ist aber auch das einzige und spärliche Kompliment, weil sonst von der Frage der Beteiligung der Deutschen an der Regierung und überhaupt von der nationalen Frage dieses Staates bezeichnenderweise in der ganzen Regierungserklärung mit keinem Worte die Rede ist. Das macht geradezu den Eindruck, als ob die deutschen Regierungsparteien bei der Abfassung dieser Regierungserklärung überhaupt nicht anwesend gewesen wären, weil man sonst denn doch annehmen müßte, daß man wenigstens versucht hätte, mit einem Worte die nationale Frage in irgend einer Form in diese Regierungserklärung hineinzubringen.

Meine Damen und Herren! Ich werde Ihnen nun an einem besonderen Beispiele, das mir nahe liegt, an der Hand einer Anzahl gerichtsmäßiger Verfahren und Urteile nachweisen, wie diese Gleichwertigkeit in diesem Staate in Wirklichkeit aussieht. Es ist nichts lehrreicher als an der Hand von Gerichtsurteilen zu überprüfen, ob diese Gleichwertigkeit auch im Leben draußen in die Wirklichkeit umgesetzt wird oder ob wir nicht vielmehr an der Hand dieser unumstößlichen Beweise klar erkennen können, mit welchen großen Unterschieden und wie stark mit zweierlei Recht gearbeitet wird. Ich werde Ihnen eine Anzahl von Prozeßerscheinungen und Urteilsbegründungen aufzeigen, aus denen sie ersehen, daß die verschiedenen Gerichte aus denselben wenigen Zeilen des gleichen Gesetzes die entgegengesetzten Interpretationen herausfinden. Die Tatsache bedeutet für alle, gegen die das Gesetz in Anwendung kommt, eine ungeheuerliche Gefahr, weil damit die Rechtssicherheit überhaupt aufgehoben ist und weil es in die Hand der Gerichte gegeben ist, oder in die Hand der Staats anwaltschaft, jeweils nach Bedarf aus den Paragraphen und gesetzlichen Bestimmungen das herauszulesen, was für die augenblickliche politische Konjunktur wünschenswert erscheint.

Das Gesetz, über das ich dabei zu sprechen habe, ist jenes, welches seit Jahr und Tag in der èechischen Republik die meiste Anwendung findet, das Schutzgesetz. Es geht langsam in eine Unzahl von politischen Prozessen, bei denen das Schutzgesetz das willfährige Objekt abgegeben hat, um mit Hilfe der Gerichte und mehr noch mit Hilfe der Verwaltungsinstanzen "Recht" vortäuschen zu wollen. Die praktische Auswirkung zeigt sich darin, daß jedes einzelne Gericht aus der gleichen Gesetzesstelle die entgegengesetzte Auffassung herausliest. Wenn ich Ihnen z. B. etwas aus dem Urteil und aus der Urteilsbegründung des bekannten politischen Prozesses Schwarz-Müller beim Kreisgerichte in Pilsen sagen will, so können Sie sich vielleicht daran erinnern - ich habe schon Gelegenheit genommen, darüber in der Sitzung vom 2. Juni d. J. in diesem Hause zu sprechen - daß bei der damaligen Urteilsbegründung ein bekannter Paragraph des Schutzgesetzes eine außerordentliche Rolle gespielt hat, der gerade vom politischen Standpunkt aus von größter Gefährlichkeit ist. Ich muß nochmals auf diesen Paragraphen hinweisen, der in allen politischen Prozessen eine Rolle spielt, den § 12 des Schutzgesetzes, welcher die Nichtverhinderung oder die Nichtanzeige strafbarer Unternehmungen behandelt. In diesem Paragraphen heißt es: Wer es unterläßt, die in den §§ 1, 2, 6 bis 9 angeführten strafbaren Handlungen zu verhindern, obzwar er dies leicht und ohne Gefahr für sich und die ihm nahestehenden Personen hätte tun können, wird wegen Verbrechens zu Kerkerstrafe von 6 Monaten bis zu einem Jahr bestraft. In diesem Punkte wird also eine Anzeigepflicht, ein Anzeigezwang ausgesprochen und es kommt außerordentlich stark auf die Interpretation dieser Gesetzesstelle an, ob nicht dieser Paragraph geeignet ist, eine ungeheuere Zwangsmaßnahme auch im politischen Leben darzustellen, weil unter Umständen bei einer politischen Auslegung dieses Paragraphen der Zustand gegeben sein könnte, daß jeder einzelne verpflichtet ist, auch seine politischen Gesinnungsgenossen zu denunzieren, daß also eine verächtliche Handlung, daß eine Denuntiation im Gesetze verlangt werden könnte. Ich kann mich einer solchen Interpretation nicht anschließen, weil sie gegen einen der hauptsächlichsten Grundsätze des Rechtslebens verstößt, sie ist contra bonos mores. Eine Gesetzesstelle kann und darf nie so ausgelegt werden, daß sie gegen die guten Sitten verstößt. Daß dieser § 12 und seine Auslegung von besonderer Bedeutung ist, erweist sich daraus, daß das Schutzgesetz im § 39 selbst versucht, eine Interpretation, eine Erklärung des Ausdruckes "nahestehende Personen" zu geben.

Im Abs. 4 des § 39 heißt es: "Nahestehende Personen sind diejenigen, zu denen der, um den es sich handelt, in einem solchen Familienverhältnis oder analogen Verhältnisse steht, daß er einen von ihnen erlittenen Nachteil wie seinen eigenen Nachteil empfinden würde." Sehen Sie sich nun die Anwendung dieser Gesetzesstelle in der Praxis an. In der Praxis liegen heute zwei Urteile vor uns, die ich besprechen will und die einander, beidemale auf dieselben gesetzlichen Bestimmungen gestützt, diametral gegenüberstehen. Im Falle des Prozesses Schwarz-Müller hat das Kreisgericht in Pilsen Schwarz zu schwerem Kerker verurteilt und Müller freigesprochen. Im Falle Müller war der § 12 in Anwendung gebracht worden, daß Müller von der Tätigkeit des Angeklagten Schwarz gewußt hat, jedoch eine Anzeige unterlassen hat und infolgedessen ebenfalls straffällig sei. In der Urteilsbegründung und in der Argumentation hat das Kreisgericht in Pilsen ausdrücklich ausgesprochen, daß der Angeklagte Müller nicht nur freigesprochen wird, weil eine Verbindung mit dem Angeklagten Schwarz überhaupt nicht bewiesen werden konnte, sondern der Angeklagte Müller hätte auch freigesprochen werden müssen, wenn ihm diese Verbindung mit dem Angeklagten Schwarz nachgewiesen worden wäre, weil Schwarz sein engster Gesinnungsgenosse gewesen ist und daher eine im Sinne des Abs. 4 des § 39 des Schutzgesetzes "nahestehende Person", für ihn also keine Anzeigepflicht bestand. Es ist von großer Bedeutung, diese Interpretation festzuhalten, daß also ein Gericht ausgesprochen hat, daß es nicht auf dem Standpunkte steht, daß dieser § 12 ein ausgesprochener Denuntiationsparagraph ist, daß also der Gewissenszwang nicht so weit gehen kann, daß politische Gesinnungsgemeinschaft selbst zur Anzeige verpflichtet.

Nun sehen Sie sich zum Unterschied von dieser Urteilsargumentation das Urteil des Kreisgerichtes in Eger im Falle des Hochverratsprozesses Wilfer an. In diesem Prozesse hat es sich um zwei Söhne und deren Vater gehandelt. Der eine Sohn hat beim Militär im Inland gedient, die Familie selbst ist eigentlich reichsdeutsch, weil sie in Sachsen ständig wohnt. Der Vater Wilfer ist ein österreichischer 100%iger Kriegsinvalider, er ist daher noch in die Èechoslovakei zuständig. Durch sein Verhältnis zum hiesigen Staate ist auch die militärische Dienstpflicht seiner Söhne gegeben. Der eine Sohn wurde vom Pilsener Divisionsgericht verurteilt, der zweite Prozeß wurde vom Kreisgericht Eger durchgeführt. Dort wurde der zweite Sohn Wilfer ebenfalls verurteilt und bezüglich des Vaters argumentierte das Kreisgericht in Eger zum Unterschied vom Kreisgericht in Pilsen folgendermaßen: Der Vater Rudolf Wilfer wird von der Anklage freigesprochen, jedoch nach § 12 des Schutzgesetzes zu 6 Monaten schweren Kerker verurteilt, da er es in Kenntnis der verräterischen Maschenschaften seines Sohnes unterlassen hat, den èechoslovakischen Behörden pflichtgemäß Anzeige zu erstatten. So hat also im Falle Pilsen das Kreisgericht entschieden, daß auch nur eine politische Gesinnungsgemeinschaft nicht zur Anzeigepflicht führt und daher zur Verurteilung nicht auslangt, während das Kreisgericht Eger in diesem Falle ausdrücklich erklärt, im Falle des Vaters sei das Gericht nicht zur Überzeugung von dessen Schuld gekommen, doch habe er sich dadurch strafbar gemacht, daß er gegen den Sohn keine Anzeige erstattete und ihm bei einer Grenzüberschreitung noch behilflich gewesen ist. Es ist also hier § 12 nicht einmal in dem Sinne interpretiert, daß selbst das nahestehende Verhältnis zwischeh Vater und Sohn genügt hätte, um die Anzeigepflicht zu verhindern. Wir haben also bei zwei Kreisgerichten den Fall, daß das eine Kreisgericht freispricht mit der Begründung, daß die Gesinnungsgemeinschaft nicht zur Anzeige verpflichtet, während im Falle des Kreisgerichtes in Eger das Gericht ausgesp rochen hat, daß nicht einmal die nahe Verwándtschaft - wohl die nächste - zwischen Vater und Sohn genügt, um den Vater von der Anzeigepflicht zu entbinden.

Ich glaube, es ist außer Zweifel, daß die Urteilsbegründung des Kreisgerichtes Eger ganz unhaltbar ist, nicht nur juristisch, sondern sie ist auch nach jeder Richtung hin unmoralisch, aus dem einfachen Grunde, weil dem Vater zugemutet wird, daß er seinen eigenen Sohn dem Gerichte ausliefern sollte. Es ist in dem speziellen Fall noch unhaltbarer, weil die Familie im Auslande lebt und weil der alte Wilfer in die sonderbare Lage gekommen wäre, auf jeden Fall straffällig zu sein: Macht er die Anzeige zu Gunsten der èechischen Behörden, so ist er strafbar in seinem Heimatsort, weil er in Deutschland, Sachsen, lebt; macht er keine Anzeige, wird er vom èechischen Gericht verurteilt, weil er die Anzeige unterlassen hat. Sie sehen also bei diesen beiden Beispielen, daß sich das Gesetz selbst ad absurdum führt oder anders betrachtet, daß derselbe kurze Absatz jede Art der Interpretaton zuläßt bzw., daß das Gericht jede Art von Interpretation anwenden kann.

In diesem Zusammenhange müßte ich auf den bedeutendsten politischen Prozeß, der gegen uns Sudetendeutsche in der letzten Zeit geführt wurde, zu sprech koenmen, auf den Volkssportprozeß in Brünn. Ich habe nicht die Absicht, heute diese Frage aufzurollen. Es liegt das schriftliche Urteil noch nicht vor und es wird erst auf Grund der schriftlichen Ausfertigung des Urteils die Nichtigkeitsbeschwerde gegen dasselbe eingebracht werden. Dann wird die Zeit auch gekommen sein, zu diesem Urteile Stellung zu nehmen. Ich werdee auch in diesem Zeitpunkt zu den verschiedenen Vorkommnissen strafprozessualer Art in Brünn Stellung nehmen, weil ganz einwandfrei von der Verteidigung im Volkssportprozeß in Brünn der Beweis erbracht wurde, daß in einer ganzen Unzahl von Fällen die strafprozessualen gesetzlichen Bestimmungen ausgesprochen verletzt worden sind. Die Verteidiger im Volkssportprozeß in Brünn haben bisher in zwei eigenen Eingaben an den Herrn Justizminister gegen derartige strafprozessuale Verletzungen Beschwerde geführt und haben eine dritte Sammelangabe an den Herrn Justizminister in Vorbereitung, in der in ganz trockener Art die juristische Materie bearbeitet wird und wo in diesen Ausführungen ganz klipp und klar die Verletzungen des streng gesetzlichen strafprozessualen Standpunktes, der strafprozessualen Vorschriften nachgewiesen wird. Es ist verfrüht, heute schon eine Antwort zu verlangen, aber es wird wohl noch vor der endgültigen Urteilsfällung in diesem Prozesse möglich sein, daß diese Verletzungen noch eine sachliche Kritik finden werden, bevor in dieser Frage das letzte Urteil gesprochen wird.

Außer dem Volkssportprozeß muß ich noch auf den jüngsten Prozeß - es überholen sich die Ereignisse so, daß es nicht möglich ist, auf dem laufenden zu bleiben - zu sprechen kommen und möchte sagen, daß dieser Prozeß in gewissem Sinne noch mehr Aufsehen zu erregen imstande wäre wie der Volkssportprozeß. Dieser wurde als ein politischer Prozeß - man kann dies ruhig feststellen von beiden Seiten geführt und hat weite Wellen auch ins Ausland geschlagen. Der jüngere Prozeß, der sog. Jungsturmprozeß in Brünn wurde von deutscher Seite nicht politisch aufgezogen. Es hat sich um Jugend gehandelt, die keiner politischen Partei angehörte oder nahestand. Man hat ursprünglich vermeiden wollen, das Gericht in die unangenehme Lage zu bringen, der Kontrolle der nervösen politischen Öffentlichkeit unterworfen zu sein. Es hat sogar ein èechischer Verteidiger, ein Kriminalist in Brünn die Hauptverteidigung in diesem Jungsturmprozeß geführt. Man war der Meinung, daß es in diesem Falle möglich sein werde, eine ausgesprochen politische Justifizierung dieser jungen Leute zu verhindern. Trotzdem ist das Urteil wieder außerordentlich schwer und und hart ausgefallen. Ich will mich aber auch hier nur mit einer rein juristischen Frage des Prozesses befassen und sie zur Diskussion stellen. In der Urteilsbegründung des Jungsturmprozesses wird ausgeführt, daß für alle Verurteilten der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen wird. Es ist ja, möchte ich sagen, den Mund reichlich vollgenommen, wenn man so jungen Burschen die bürgerlichen Ehrenrechte abspricht, Leuten, die noch gar nicht in diese bürgerlichen Ehrenrechte hineingewachsen sind. Man nimmt ihnen etwas, was ihnen von Natur aus noch gar nicht zugekommen ist. In der Begründung des Urteils des Brünner Jungsturmprozesses ist aber eine Stelle, die sich meiner Auffassung nach widerspricht, es heißt nämlich dort in den Ausführungen des Senats-Vorsitzenden: Bei der Strafbemessung führte der Vorsitzende unter anderem aus, daß die strafbaren Handlungen, deren die Angeklagten schuldig erklärt werden, von dem Bestreben zeugen, einen Einfluß auf die Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten auszuüben, daß sie nicht besonders verwerflich sind und nicht aus niedrigen und unehrenhaften Beweggründen begangen wurden. Es wird also in einem Atemzuge in derselben Urteilsbegründung erklärt, daß der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen wird und gleichzeitig, daß die Handlungen nicht aus niedrigen und unehrenhaften Beweggründen begangen wurden. Es gehört entweder eine ganz außerordentlich feine Unterscheidung zwischen den bürgerlichen Ehrenrechten und den niedrigen und unehrenhaften Beweggründen dazu oder ich halte es für einen inneren Widerspruch, wenn die Urteilsbegründung zu gleicher Zeit erklärt, daß die Handlungen nicht aus niedrigen und nicht aus unehrenhaften Beweggründen begangen wurden, trotzdem aber der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen wird.

Eine gewisse Aufklärung gibt eine Bestimmung im Schutzgesetz, in der es heißt, daß die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte notwendig verbunden ist mit dem Strafausmaß nach dem Schutzgesetz, wenn die Verurteilung auf ein Jahr oder über ein Jahr schweren Kerkers lautet. Sie müssen zugeben, daß auch das ein logischer Widerspruch ist. Entweder ist die Handlung aus unehrenhaften Motiven begangen, dann kann sie, auch wenn sie nicht strafwürdig genug ist, um ein Jahr zu erhalten, unehrenhaft sein, oder das Gericht spricht aus, daß unehrenhafte Beweggründe nicht vorhanden sind, dann ist die Tat auch nicht unehrenhaft, auch wenn die Strafe über ein Jahr beträgt. Es ist ein innerer Widerspruch, wenn dasselbe Urteil keine unehrenhaften Beweggründe gegeben sieht und trotzdem die bürgerlichen Ehrenrechte aberkennt. Aber die Sache hat einen tieferen Sinn und zeigt in weitgehendem Maße die ungeheuerliche Verschiedenheit, die bei der Anwendung des Schutzgesetzes in politischen Prozessen bei den einzelnen Kreisgerichten zu beobachten ist. Ich habe das Empfinden, daß man beim Jungsturmprozeß im Urteil die unehrenhaften Beweggründe ausdrücklich in Abrede stellte, um zu ermöglichen, daß diese jungen Leute die Strafe aus Kerker in Staatsgefängnis umgewandelt erhielten. Da muß ich auf folgendes verweisen: Bei dem politischen Prozeß Schwarz-Müller in Pilsen, wo ich selbst in meiner Eigenschaft als Anwalt tätig war, habe ich ausdrücklich den Antrag gestellt, daß dem Verurteilten Schwarz die Begünstigung des Staatsgefängnisses zuerkannt werden möge und habe mich besonders darauf gestützt, daß bei der Urteilsbegründung in Pilsen ebenfalls ausgesprochen wurde, daß der Beschuldigte aus rein ideellen Motiven gehandelt hat. Ich habe vorhin gezeigt, daß das Kreisgericht Pilsen eine außerordentlich entgegenkommende Interpretation gebraucht hat, aber trotzdem hat der Vorsitzende des Gerichtes erklärt, dem Antrage auf Verhängung des Staatsgefängnisses anstelle schweren Kerkers nicht stattgeben zu können, weil im Gesetz die unehrenhaften Motive mit einem höheren Ausmaß als ein Jahr Strafe verbunden sind und weil bei Vorhandensein von unehrenhaften Motiven Staatsgefängnis nicht zulässig ist, sondern nur Kerker. Aus diesem Grunde wurde die Zuerkennung des Staatsgefängnisses im Falle Schwarz in Pilsen abgelehnt. Nun erklärt das Kreisgericht Brünn einerseits, daß keine unehrenhaften Motive vorhanden waren, obwohl der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen wurde und gibt dann trotzdem Staatsgefängnis. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß bei derselben Materie, bei demselben Gesetzesparagraphen, das eine Gericht auf dem Standpunkt steht, daß es das Staatsgefänignis als Begünstigung geben kann, während das andere Gericht auf dem Standpunkte steht, daß es dies tun möchte, aber die Zuteilung ins Staatsgefängnis nicht gestattet ist, weil die unehrenhaften Motive eine Folgewirkung der Höhe der Strafe sind, die verlängert wurde. Es ist unbedingt notwendig, daß in dieser Frage endlich einmal Klarheit geschaffen wird, weil es einfach unerträglich ist, daß man zu gleicher Zeit auf der einen Seite das Staatsgefängnis zuerkennt, auf der anderen Seite unter gleichen Verhältnissen die schwere Kerkerstrafe ausspricht, daß man in dem einen Fall erklärt, daß auch nur die politische Gesinnungsgemeinschaft nicht zur Anzeigepflicht verhält, während man im anderen Falle den Vater mit 6 Monaten schweren Kerker bestraft, weil er seinen eigenen Sohn nicht angezeigt hat.

Noch auf einen Fall möchte ich verweisen. Dasselbe Gericht, das Kreisgericht in Pilsen, das in dem einen Falle außerordentlich scharf geurteilt hat und einem jungen Burschen zwei Jahre schweren Kerker gegeben hat, ist in einem anderen Falle außerordentlich entgegenkommend gewesen, wo es sich um die Strafverfolgung eines èechischen Beschuldigten handelte. Wenn schon ein Schutzgesetz vorhanden ist, so müßte es ganz gleichmäßig gegen jeden wirken, der sich dagegen vergangen hat. Ich habe schon Gelegenheit gehabt, darauf zu verweisen, daß seit Jahr und Tag beim Kreisgericht in Pilsen ein Straffall anhängig war, wo ein èechischer Kulturratsdelegierter, ein Restgutbesitzer - er hat es auf demselben Wege verloren wie viele andere - namens Janovec au Zebau bei Weseritz öffentlich in der Bahn die Deutschen beschimpfte, öffentliches Ärgernis erregte und alle Voraussetzungen zur Strafverfolgung nach dem Schutzgesetz gegeben hat. Seine Äußerungen gipfelten damals in der Beschimpfung: Pfui dem deutschen Volke, Räuber wart Ihr und Schweine seid Ihr heute noch. Diese Äußerung war Gegenstand eines Schutzgesetzprozesses in Pilsen. Es hat nicht weniger als 6 oder 7 Interventionen nicht nur von meiner Person, sondern auch amtlicherseits bedurft, bis sich das Kreisgericht Pilsen überhaupt dazu bequemt hat, diesen Prozeß durchzuführen, nachdem man offensichtlich versuchte, die Sache einschlafen zu lassen und nicht zur Durchführung zu bringen. Ich habe heuer am 10. Jänner in dieser Sache an den Herrn Justizminister einen offenen Brief gerichtet, den ich ihm auch persönlich zustellen ließ und in welchem ich ihn unter anderem auch auf diesen Fall ausdrücklich aufmerksam machte. Ich erhielt auch in 8 Tagen darauf diesen Brief vom Herrn Minister bestätigt und die Ankündigung, daß die Angelegenheit weiter verfolgt werde. Es hat aber tatsächlich bis in die jüngsten Tage, bis in den November gedauert, bis dieser Prozeß endlich in Pilsen durchgeführt wurde. Nun ist man doch nach dem Schutzgesetz auf schwere Verurteilungen sozusagen eingestellt, Jahre, und wenn man die Prozesse der jüngsten Zeit zusammenzählt, werden viele Jahre schweren Kerkers aus ausgesprochen politischen Gründen gegeben. Was glauben Sie, was der bekam, der das deutsche Volk als Räuber und Schweine in der Öffentlichkeit bezeichnete und es auch gar nicht leugnete, so daß der Tatbestand völlig geklärt war. Dieser erhielt vom Gericht nach einem langwierigen Verfahten, in welchem er sich außerordentlich aggressiv und renitent benahm, und darauf hi wies, daß er doch Vorsitzender der Národní Jednota Pošumavská gewesen ist und es daher sonderbar sei, wieso er keinen ausgezeichneten Ruf haben könnte, ein aufreizend gelinde Strafe, er wurde schließlich vom Gerichte zu 100 Kronen Geldstrafe oder 48 Stunden Arrest bedingt auf 1 Jahr verurteilt. Also ich bitte, in einem solchen Fall, wo immerhin eine unerhörte Beschimpfung eines Volkes vorliegt, versagt die Gerechtigkeit und Gleichwertigkeit und wenn ich jetzt auf den ersten Satz der Regierungserklärung zurückgreife, so reicht die "Gleichwertigkeit" des deutschen Volkes nur so weit und der Rechtsschutz, der Ehrenschutz, der uns gegeben wird, reicht nicht weiter als daß nach einer solchen Beschimpfung das lächerliche Urteil verkündet wird, daß der Betreffende 100 Kronen Geldstrafe bedingt auf ein Jahr erhält, d. h. also so viel eigentlich, wie daß er freigesprochen wird. Sie dürfen sich nicht wundern, wenn man selbst bei einer vollkommen ernsten sachlichen und objektiven Betrachtung dieser Fälle nicht nur Zweifel an einer Objektivität der Gerichte hegen muß, sondern an das Kernproblem kommen muß, daß den Ri chtern eine ungeheuer schwere Aufgabe gestellt wird. Sie sind zumeist auf der einen Seite Partei, auf der anderen Seite Richter. Es mag für einen èechischen Richter außerordentlich schwer sein, die Mentalität seines eigenen Empfindens unterdrücken zu sollen und gerade deswegen werden Sie es begreiflich finden, wenn wir noch mehr als je zuvor auf dem Standpunkt stehen müssen, daß wir auch die Autonomie unseres Gerichtswesens verlangen müssen, damit jeder nur vor Richter seines eigenen Volkes gestellt wird, damit nicht von vornh rein ein Richter die Macht in die Hand bekommt, über einen Angeklagten des anderen Volkes ein Urteil zu sprechen.

Wenn ich noch einen jüngsten Fall herausgreifen soll, so weise ich nur darauf hin, daß der Stadtrat von Dux bezüglich der bekannten Vorfälle im heurigen Sommer eine Entschließung gefaßt hat, in der er gegen die Ausführungen des ehemaligen Innenministers in einer Interpellationsbeantwortung Stellung genommen hat. Gegen die betreffenden Gemeindevorsteher und Gemeinderatsmitglíeder wurde nunmehr auf Grund dieser Entschließung eine Strafverfolgung auf Grund des Schutzgesetzes nach §§ 14 und 15 eingeleitet. Nun muß ich schon sagen, das ist wohl eine schwache Weisheit, wenn man auf Entschließungen gewählter Vertreter keine andere Antwort weiß, als nach dem Staatsanwalt zu rufen und eine Verfolgung gegen sie einzuleiten, weil sie sich in einer Entschließung erlaubt haben, sich gegen Ausführungen einer Interpellationsbeantwortung zu wenden. Das bedeutet nichts anderes als eine ungeheuere Knebelung der öffentlichen Meinung, eine Knebelung der öffentlichen Gedankenfreiheit, ja eine Knebelung überhaupt der politischen Gesinnung. Es haben sich doch in letzter Zeit Fälle ereignet, daß Gemeindevertretungen Entschließungen gefaßt haben und daß die politischen Behörden diese Entschließungen nicht nur beschlagnahmt, sondern verboten haben und gegen alle Personen, die an dieser Sitzung teilgenommen haben, das Strafverfahren eingeleitet haben. Es ist wohl die sonderlichste Antwort, wenn Gemeindevertretungen in ihrer doch verschiedenartigen Zusammensetzung zu einem gemeinsamen Entschluß kommen und man darauf keine andere Antwort weiß, als mit dem Stock zu drohen und mit dem Staatsanwalt. Es wäre wohl wesentlich wirkungsvoller, bei solchen Kundgebungen der Gemeinden dieselben nicht zu unterdrücken, sondern womöglich zu widerlegen, oder aber den betreffenden Beschwerden eine entsprechende Rücksicht angedeihen zu lassen, wenn sie begründet sind.

Die Verfolgung geht ins Uferlose. Es würde zu weit führen, eine ganze Liste aus den politischen Verfolgungen der letzten Zeit hier anzuführen. Aber auf eine Angelegenheit muß ich hier noch zu sprechen kommen und ich benütze die Anwesenheit des Herrn Justizministers, um auf eine Interpellationsbeantwortung aufmerksam zu machen. Mit Druck Nr. 1887 ist im Hause eine dringende Interpellation aufgelegt worden, welche von mehr Parteien, als es sonst üblich ist, unterzeichnet ist, gerichtet an die Gesamtregierung, bzw. an den Herrn Justizminister. Es handelt sich in dieser Interpellation um die Außerkraftsetzung des Gesetzes zum Schutz der Republik und der Antrag wurde begründet mit dem Hinweis darauf, daß das Schutzgesetz ein Ausnahmegesetz ist, außerhalb des übrigen Strafgesetzes, daß das Strafgesetz doch für die no rmale Strafrechtpflege auch im alten Österreich genügt hat und daß die Zeit des Umsturzes nunmehr so weit überwunden sein müßte, daß ein Ausnahmsgesetz wieder außer Kraft gesetzt wird und das Strafgesetz an dessen Stelle wieder vollinhaltlich tritt. Die Antwort der Regierung auf diese Interpellation wurde im Druck Nr. 1974 aufgelegt. In dieser Antwort wird darauf hingewiesen, daß die Bestimmungen des Schutzgesetzes ein ordnungsmäßiger Bestandteil des Strafgesetzes seien. Es ist dies in formaler Beziehung schon insofern unrichtig, als ja die gesetzlichen Bestimmungen des Schutzgesetzes über das bisherige Ausmaß des Strafgesetzes ausdrücklich hinausgehen, was ja der Zweck des Schutzgesetzes gewesen ist. Es heißt dann in der Interpellationsbeantwortung weiter, daß im Gegensatze zum Schutze der Republik Bestimmungen enthalten sind, die bereits, wenn auch in anderer Fassung, zum überwiegenden Teile im Strafgesetze selbst enthalten sind. Das ist nur sehr bedingt richtig, denn es wäre wohl die Behandlung derselben Materie im Strafgesetz vorhanden, aber gerade weil man glaubte, mit den bisherigen Strafbestimmungen nicht auszukommen, hat man die verschärften drakonischen Bestimmungen in das Schutzgesetz eingestellt. Eine große Anzahl von bisherigen strafgesetzlichen Bestimmungen wurden durch das Schutzgesetz außer Kraft gesetzt. Das bedeutet nichts anderes, als daß man unter Aufhebung der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen einen gewissen Ausnahmszustand geschaffen hat. Das, was mich in der Antwort der Regierung aber am bedenklichsten stimmt, ist die Mitteilung, daß bei der Ausarbeitung des Entwurfes des neuen Strafgesetzes die wissenschaftliche Kommission die Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze der Republik ohne große Änderungen in den vorbereitenden Entwurf des Strafgesetzes über Verbrechen und Vergehen aufnehmen wird, wohin, wie die Antwort sagt, diese Bestimmungen auch systematisch gehören.

Meine Herren, das ist nichts anderes als die Mitteilung, daß man gewillt ist, die Bestimmungen des Schutzgesetzes in das neue Strafgesetz durch einen neuen Strafgesetzentwurf hineinzuarbeiten, d. h. daß man die Bestimmungen des Schutzgesetzes verewigen will und in das kommende novellierte Strafgesetz aufnehmen will. Es wäre doch sehr zu bedenken, ob tatsächlich alle, auch unsere deutschen Regierungsparteien diesem Kurse einer wesentlichen Verschärfung des Strafgesetzes zuzustimmen in der Lage sind, wenn man, wie ich an einigen Beispielen gezeigt habe, klar sieht, daß diese Bestimmungen hauptsächlich politisch gegen die Minderheiten ausgenützt und ausgewertet werden. Man hat unseren Gegnern schon seinerzeit mit dem Schutzgesetze eine außerordentlich gefährliche Waffe in die Hand gegeben, eine Waffe, die sich in voller Schärfe gegen uns auswirkt. Man geht einen mehr als gefährlichen Weg, wenn man nunmehr die drakonischen Bestimmungen des Schutzgesetzes dadurch verewigen will, daß man sie in das normale Strafgesetz aufnehmen will und damit erst recht die Möglichkeit schafft, alle politischen Verfolgungen nicht nur unter dem Schutze eines Schutzgesetzes, sondern sogar unter dem Schutze des normalen Strafgesetzes durchzuführen. Ich möchte vor dieser Enrwicklung außerordentlich warnen und jetzt schon auf die Gefahren aufmerksam machen, die dieser Weg beinhaltet, besonders auf die Gefahren, wenn derartige gesetzliche Bestimmungen eine solche willkürliche Auslegung finden, wie wir dies an der Hand der Prozesse gesehen haben, die ich besprochen habe.


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