Úterý 25. øíjna 1932

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 210. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 25. øíjna 1932.

1. Øeè posl. dr Schollicha (viz str. 3 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Einer außerordentlich geschickten Parlamentsregie gelang es in der Vorwoche, eine Debatte am ersten Tage des Zusammentritts der Volksvertretung zu verhindern. Das geschah mit bewußter Absicht, um dieser ersten formalen Sitzung einen möglichst ruhigen Verlauf zu sichern, da sich während der langen Sommerferien äußerst viel Konfliktstoff angesammelt hatte. Die Regie ist im Zeitalter der Demokratie alles und hat es vermocht, über die verschiedenen Schwächen dieses Systems hinwegzutäuschen, denn es ist für die aufmerksamen Beobachter der Zeitgeschehnisse keine Frage, daß die Demokratie der Jetztzeit bei Bereinigung der schwierigen Nachkriegsfragen vollständig versagt hat und tagtäglich bei den breiten Massen der Bevölkerung in allen Staaten und bei allen Völkern mehr an Ansehen verliert. In ihrem Gefolge schreiten parlamentarische Untätigkeit, beziehungsweise Unfähigkeit, gesteigerte Korruption bei schamlosester Ausnützung des staatlichen Machtapparats, eine bedenkenlose Günstlingswirtschaft und eine schranken- und hemmungslose Bürokratie, die den Staat gewissermaßen als ihr Eigentum betrachtet, die Bevölkerung und die Steuerzahler zum geduldigen einflußlosen Kuschen, zum Weiterdienen verurteilt und eine wirklich demokratische Anteilnahme des Volkes selbst an der Verwaltung zu verhindern weiß.

Diese Entwicklung zeigt sich in allen sogenannten demokratisch regierten Staaten ohne Ausnahme und hat zur Folge, daß die sich nach Ruhe und Ordnung, nach Arbeit und Verdienst sehnende Menschheit mit Recht die führenden Staatsmänner für diesen beklagenswerten Zustand verantwortlich macht. Und wahrlich, man kann wohl sagen: Mit weniger Verstand ist in der Vergangenheit niemals die Welt regiert worden als dies heute im demokratischen Zeitalter der Fall ist.

Im verstärkten Maße gilt das Gesagte besonders auch für die Èechoslovakei. Auch dieser Kleinstaat in Mitteleuropa nennt sich stolz eine Demokratie und hat diese Regierungsform in seiner Verfassung fest verankert, in Wirklichkeit sind wir aber davon weit entfernt, und von demokratischen Freiheiten ist hierzulande auch nicht eines Geistes Hauch zu verspüren. Die schon seit Monaten in Agonie liegende Regierung erwies sich als unfähig, man kann schon sagen als sträflich unfähig, den Notwendigkeiten und Gegebenheiten der Zeit und der Wirtschaft Rechnung zu tragen, sie zu meistern, ja sie versuchte nicht einmal, den schweren Problemen der Jetztzeit für den eigenen Staat und die Bevölkerung ernstlich und mit Verstand an den Leib zu rücken. Schmählicher hat wohl kaum eine Regierung der Èechoslovakischen Republik in der verflossenen Zeit versagt, wie die große Koalitionsregierung Udržal, die nun schon seit 1. Feber 1929 uns beglückt und die doch bei ihrer Stärke befähigt gewesen wäre, die schwersten Fragen bei gegenseitigem Verständnis zu lösen oder wenigstens den Versuch hiezu zu machen. Gibt es denn noch einen besseren Beweis für die Unfähigkeit dieser Regierung als das lange Aussetzen der parlamentarischen Tätigkeit überhaupt seit der im Juli erfolgten Vertagung?

Wir leben, wie gesagt, in den schwersten Notzeiten und es wäre wahrlich Aufgabe der Volksvertretung, die dringend notwendigen Maßnahmen eingehend und so rasch als möglich zu beraten und der armen geplagten und gequälten Bevölkerung Linderung ihrer Not, Arbeit und Brot zu verschaffen. Nichts von all dem ist bisher geschehen. Das Parlament ist seit Jahr und Tag arbeitsunfähig, sein Zusammentritt wird von Woche zu Woche hinausgeschoben und auch jetzt sind wir doch nur versammelt, um durch einige Lückenbüßer die Zeit auszufüllen, um der betrogenen Bevölkerung etwas Parlamentarismus und Demokratie vorzutäuschen und durch einige Scheinhandlungen die Augen auszuwischen. Wir warten, bis die neue Regierung endlich auf den Plan treten wird. Erwies sich bisher die Regierung Udržal als unfähig, etwas Ersprießliches zu leisten, über den Parteieigennutz, die kleinlichen Intriguen der Parteien gegeneinander, der Parteiführer untereinander hinwegzukommen, dann hatte sie eben so rasch als möglich abzutreten und einer fähigeren Regierung Platz zu machen. Und man kann wohl sagen, es hätte ihr kein Mensch eine Träne nachgeweint. Das Volk hat in seiner täglich steigenden Not kein Verständnis für die Feinheiten dieser gegenseitigen Kämpfe der Parteien und Parteiführer, es verlangt von der Regierung mit Recht Maßnahmen, welche geeignet sind, die wirtschaftliche Not zu lindern und zu beheben, dem hungernden Volk Arbeit und Verdienst zu geben.

Ein schwerer Winter steht vor der Tür. Schon im Vorjahr haben wir darauf hingewiesen, daß es die erste und vorwiegendste Arbeit der Regierung sein muß, dem Kommenden zu begegnen. Was hat die Regierung in dieser Hinsicht bisher vorgekehrt? Nichts, gar nichts. Und damit der wirtschaftliche Jammer der armen Bevölkerung nicht gar zu sehr zum Bewußtsein kommt, beschäftigt man sich unausgesetzt seit Jahr und Tag mit politischen und nationalistischen Spukgeschichten, um die èechische Volksseele ständig in Wallung zu halten und dadurch über Not und Elend hinwegzutäuschen. Der Staat ist in Gefahr und Schuld daran sind die "sakramenští Nìmci", die verfluchten Deutschen, so tönt es in jeder èechischen Versammlung, so erzählen es den erschreckten und aufmerksam gläubigen Zuhörern in den Versammlungen die Herren Abg. Najman, Dubický und Šrámek, Herren aus allen èechischen Parteien, so schreiben in ihren Darstellungen die èechischen Zeitungen von links bis rechts, ohne Rücksicht darauf, daß sich deutsche Parteien seit 6 Jahren in aufopferndster Weise bemühen, eindeutige Beweise ihrer Staatsloyalität zu geben. Eine verantwortungslose skrupellose Journalistik trägt tagtäglich durch neue Hiobsbotschaften dazu bei, den maßlos gesteigerten èechischen Chauvinismus zur unerträglichen Siedehitze aufzupeitschen. Das èechische Volk braucht sich wahrlich auf seine Journalistik nicht sehr viel einzubilden, sie hat sich ihrer hohen Aufgabe in keiner Weise gewachsen gezeigt. Ich greife nur unter vielen Beispielen eines heraus.

Dieser Tage brachte die èechische Zeitung "Lubina" in Mähr. Ostrau eine furchtbare Nachricht: "Das Gebäude der Minderheitsschule in Seitendorf bei Neutitschein in Asche gelegt. Der Brand wurde aus nationaler Rache gelegt." Das ist die Überschrift und nun der Bericht: "In der Nacht von Donnerstag auf Freitag in der vergangenen Woche wurde die èechische Minderheitsschule in Seitendorf von einer Katastrophe heimgesucht. Die Schule, notdürftig im Gebäude der alten Richterei, gehörend dem Landwirt Herz, untergebracht, brannte bis auf den Grund nieder und der Unterricht mußte engestellt werden, weil in der ganzen Gemeinde kein anderes Gebäude vorhanden ist, wo die Schule wenigstens vorläufig untergebracht werden könnte. Die Ursache des Brandes, welcher in den Reihen der èechischen Minderheit eine begreifliche Bewegung hervorrief, ist vorläufig noch nicht sicher festgestellt, aber allgemein wird geurteilt, daß er aus nationaler Rache gelegt wurde." Die Zeitung hat natürlich keinen einzigen Anhaltspunkt für ihre Behauptung, daß der Brand aus nationaler Rache gelegt wurde. Tatsache ist, daß der Brand aus bisher unbekannter Ursache entstand. Es ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß es ein nationaler Racheakt wäre, dem widerspricht die Tatsache, daß der Brand am Nachmittag ausgebrochen ist, obwohl er von der Zeitung in die Nacht hinein verlegt wurde. In gewissenloser Weise wurde die Behauptung aufgestellt, daß das Schulgebäude aus nationaler Rache vernichtet wurde.

Solche Beispiele könnten wir unzählige bringen. Es ist dann aber auch verständlich, daß bei dieser Treibhaustemperatur naturgemäß die èechischen Gerichte nicht Zeit genug haben, die Verhandlungen und hochnotpeinlichen Hochverrats- und Spionageaffären zu bestreiten, denen zahlreiche harmlose Deutsche unter den schwersten Bedingungen den langwierigen Untersuchungen unterworfen werden.

Eine Verfolgungswelle geht seit Monaten über das sudetendeutsche Gebiet hinweg und fordert täglich neue Opfer. Es würde wahrlich zu weit führen - die Erhebungen sind bisher nur lückenhaft durchgeführt - ein Bild des Umfangs dieser Verfolgungen hier geben zu können. Durch Wochen hielt der Volkssportprozeß die deutsche Öffentlichkeit in Atem, jetzt wieder sind die Zeitungen voll von Berichten über die Verhandlung des Jungsturmprozesses, daneben laufen andere Hochverratsanklagen, Spionagenanklagen und andere Anklagen wegen Vergehen gegen das Schutzgesetz, Verurteilungen von Einzelpersonen, die sich irgendwie gegen den Staat oder seine Organe vergangen haben sollen.

Nur ein ganz kleiner Auszug ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei hier angeführt: Vor dem Volkssportprozeß begonnene Verfahren: Schwarz und Müller wurden wegen § 2 verurteilt, Müller wieder freigesprochen; Verfolgungen in der Sprachinsel Stritschitz, weiters Verfolgung des Finkensteiner Bundes, eines Gesangvereines, weiters Erschwerung der Arbeit verschiedener Schutzvereine, besonders des Kulturverbandes und des Bundes der Deutschen in Böhmen, dann der Jungsturmprozeß in Brünn und in Iglau. Er führte zur Erhebung der Anklage wegen § 2 gegen 14 junge Leute und zum Verfahren gegen 263 Nationalsozialisten wegen § 2, ferner hauptsächlich gegen Mitglieder des deutschen Sudetenbundes und Angehörige des Volkssportes, Verhaftungen in der Provinz und 64 Untersuchungshaften in Prag, Pensionierung von Staatsangestellten, Vätern von Beschuldigten, und Versetzungen, Entlassung von Beschuldigten, Ausscheidung des Verfahrens gegen 7 unter Fortführung des Verfahrens gegen die anderen 256. Delegierung des Verfahrens gegen die 7 nach Brünn, Durchführung der Verhandlung und Verurteilung; Verfahren gegen Sedláèek in Böhmisch Leipa wegen § 2, Verurteilung wegen § 2 und § 6 zu 3 Jahren, weiters Anklage gegen drei jugendliche Nationalsozialisten in Böhmisch Leipa, Verfahren gegen Mitglieder der nationalsozialistischen Jugendortsgruppe in Haida wegen § 2; Erhebung einer Anklage gegen Bittner aus Braunau wegen § 17. - Einzige Beweisführung ist das Gutachten des Innenministeriums über die deutsche nationalsozialistische Arbeiterpartei; Verfahren gegen Kreibitzer Nationalsozialisten beim Warnsdorfer Bezirksgericht mit Freispruch. Verfahren gegen die Nationalsozialisten beim Bezirksgericht in Marienbad. Verhandlung beim Bezirksgericht in Böhmisch Leipa wegen Übertretung des Vereinsgesetzes gegen die Nationalsozialisten Sieber und Genossen am 26. September, weiters Verfolgung und Anklageerhebung gegen die Jugendgemeinden im Bunde der Deutschen in Böhmen, gegen die Wandervögel, gegen den Bund der Adler und Falken, gegen den Jungvölkischen Bund Adler und Falken, gegen die Mittelschüler in Pilsen. Hausdurchsuchungen bei der Grenzlandjugend der deutschen Nationalpartei, bei der deutschen Turnerjugend im deutschen Turnverband, ein Schutzgesetzverfahren gegen den Hauptgeschäftsführer der deutschen Nationalpartei Herrmann beim Kreisgericht in Neutitschein.

Weiters folgen nun eine Unzahl von Verfolgungen, Erhebungen usw. So die Kassierung reichsdeutscher Sendungen durch die Polizei in Prag beim Korps Suevia, Inhaftierung des Sprechers der Burschenschaft Ghibellinia, Konfiskation von Couleurmaterial, Entlassung gegen Gelöbnis und Kaution von 15.000 Kè, Hausdurchsuchung bei der Sängerschaft Markomannia in Brünn, polizeiliche Einvernahme des Sprechers der Burschenschaft Libertas in Brünn, Verfahren gegen landständische Jungmannschaft bzw. gegen den Landesführer Ing. Künzl wegen § 14 des Schutzgesetzes, Verhaftung Löws in Prag usw., usw. Nunmehr werden bereits die Erhebungen gepflogen, um auch die Germania hier in Prag und die studentischen Körperschaften, Burschenschaften und Vereine aufzulösen, wegen Gefahr für den Staat, bzw. wegen Bedrohung der öffentlichen Ruhe und Ordnung.

Das Sudetendeutschtum ist gegen diese mutwilligen Anklagen und Verfolgungen vollständig machtlos. Das habe ich gestern bei der Gerichtsverhandlung gegen den Hauptgeschäftsführer Herrmann in Neutitschein feststellen müssen. Unser Hauptgeschäftsführer war angeklagt wegen einiger hochverräterischer Äußerungen bei einer Versammlung. So stand es wenigstens in dem Bericht, den der Regierungsvertreter bei der Versammlung, ein ganz junger Mensch von 27 Jahren, ein èechischer Chauvinist, verfaßt hatte. Die geführten Zeugen haben wahrheitsgemäß ausgesagt, daß alle diese Ausdrücke in Wirklichkeit überhaupt nicht gebraucht worden sind und daß der betreffende Beamte wahrscheinlich in vollster Unkenntnis der Sprache falsch protokolliert hatte. Aber was ist dagegen zu tun? Diesen Berichten des Regierungsvertreters wird bei den Verhandlungen geglaubt und es können dagegen weiß Gott wie viel Zeugen geführt werden, es ist alles vergeblich. Und so passiert es uns täglich, daß Versammlungen ganz ohne Grund einfach aufgelöst werden, wie es mir unlängst in Deutsch-Jaßnik passierte, weil ich in Besprechung der Deutschenverfolgungen gesagt hatte: "Der Staat würde wahrlich auf schwachen Füßen stehen, wenn er auf diese Weise seinen Bestand schützen müßte." Das war Anlaß genug, um die Versammlung aufzulösen und von der Gendarmerie auseinanderzutreiben. Dabei ereignete sich, daß die Gendarmen alle Anwesenden, welche nicht sofort auf das Verlangen des Regierungsvertreters den Saal verlassen hattten, aufschrieben, um sie nunmehr der gerichtlichen Bestrafung zuzuführen. Nicht genug daran: Als wir 8 Tage später eine gleiche Versammlung abhalten wollten, wurde sie verboten. Dafür wurde eine auf Grund des § 2 einberufene Versammlung durch drei mit aufgepflanzten Gewehren im Saal erschienene Gendarmen überprüft. Das alles sind die vielgepriesenen demokratischen Freiheiten unter dem Innenminister Slávik. (Posl. Kasper: Gummiknüppel-Demokratie!) Jawohl, das kann man mit Recht eine Gummiknüppeldemokratie nennen. In einer Zeit, wo Sozialisten in der Regierung sitzen, sollte das nicht vorkommen; eine Polizeiwillkür ist eingerissen, wie sie selbst in den ärgsten Zeiten nach dem Umsturz nicht bestand, ich könnte darüber eine Reihe von Beispielen anführen. Die Unterdrückung des Rechtes der freien Meinungsäußerung durch eine, man kann wohl sagen, ihrer Aufgabe durchaus nicht gewachsene Zensur unter einem sozialdemokratischen Justizminister wie Meissner trägt noch ihrerseits dazu bei, um die Stimmung der Bevölkerung zu erregen und ihr vorzutäuschen, glaubhaft zu machen, als ob weiß Gott was für Dinge in der Zeitung geschrieben wären, was in Wirklichkeit nicht darin stand. Es macht den Eindruck, als ob wir uns in einem schweren Kriegszustand befinden, so daß man wirklich mit den schärfsten brutalsten Mitteln zur Unterdrückung des bevorstehenden Aufstandes oder eines unmittelbar bevorstehenden Anschlages gegen den Bestand des Staates vorgehen müßte. Wir können wohl sagen und müssen feststellen, daß nach 14jähriger Zugehörigkeit zum èechoslovakischen Staate, trotz deutscher Regierungsanteilnahme das Sudetendeutschtum durchaus vogelfrei ist, der èechischen Willkür, die selbst von staatswegen und von staatsoffizieller Seite geübt wird, schutzlos ausgeliefert ist, und dazu wollen wir heute ein offenes Wort auch von dieser Stelle aus sprechen.

Wir wollen vor allem auch feststellen das Schweigen der deutschen Regierungsparteien, die Versuche, diese unangenehmen Dinge einfach zu vertuschen und zu beschönigen und darüber hinwegzukommen, ihr weiteres Verbleiben in der Regierung, in einer Regierung, die zu diesen unerhörten Deutschenverfolgungen schweigt, ja, nicht bloß schweigt, sondern sie duldet, ja sie vielfach anregt, fördert und geradezu inszeniert, feststellen, daß das nicht zuletzt die Ursachen sind, warum die Bedrückungen von Tag zu Tag zunehmen, zumal ihnen ja von deutscher Seite nicht der geschlossene Abwehrwille entgegengesetzt wird. Nicht Tatbestände bilden die Grundlage der gerichtlichen Verfolgungen, sondern die Gesinnung allein genügt schon, um einen nationalbewußten deutschen Menschen für Jahre dem èechischen Kerker auszuliefern. [].

Meine Herren von der èechischen Seite! Ihre eigene Geschichte und Vergangenheit müßte Ihnen sagen, daß solche Mittel und Mittelchen bei einem aufrechten, selbstbewußten Volke nicht verfangen, daß sie vollständig versagen, ja vielmehr das Gegenteil herbeiführen, vor allem eine ständig zunehmende Radikalisierung der Jugend hervorrufen und die nationalen Leidenschaften bis zur Siedehitze treiben, bis schließlich die Explosion erfolgt und der Freiheitskampf beginnt.

Die Èechen waren uns in mehr als einer Hinsicht ausgezeichnete Lehrmeister, auch darin, daß sie uns lehrten, daß es im Leben eines Volkes, das nach Freiheit strebt, keinen Hochverrat gibt. War es nicht der jetzige Staatspräsident Masaryk, der einst die Worte sprach: "In einem Staate, der aus mehreren Völkern besteht, die nach Freiheit streben, hat das Wort Hochverrat jeden Sinn verloren. Hier gibt es nur einen Hochverrat, den gegen das eigene Volk." Stammt nicht von Masaryk das Wort: "Die Humanität lehrt nicht, daß man gegen die Gewalt die Hände ruhig in den Schoß legen solle, im Gegenteil, sie verlangt, sich der Gewalt entgegenzustellen und sie mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen. Sich wehren bedeutet nicht, gegen die Gewalt eine Gegengewalt anzuwenden, es bedeutet nichts mehr als sich zur Wehr setzen, wenn nötig mit dem Schwerte in der Hand." Und stammt nicht von Masaryk das Wort: "Die einzige Waffe des Unfreien ist der Verrat"? Im Agramer Hochverratsprozesse führte Masaryk aus: "Heutzutage über Hochverrat zu sprechen, ist eigentlich ein Anachronismus. Zur Zeit des Absoluti smus finden Sie in den Gesetzen hochnotpeinliche Hochverratsparagraphen, aber nicht in einer Zeit und in Ländern, wo ein bißchen Freiheit existiert.

Hochverrat! Der Begriff existiert ja unter modern denkenden konstitutionell und parlamentarisch denkenden Politikern eigentlich gar nicht mehr. In einem modernen Staat mit seiner Freizügigkeit, der den Bürgern erlaubt auszuwandern, in einem Staat, der wirtschaftliche und kulturelle Aufgaben zu leisten hat, in einer Zeit, wo der Evolutionsgedanke die Politiker ergreift, kommt man nun mit einem Hochverratsprozeß."

War es nicht Pater Zahradník, der einst die Auffassung vertrat: "Wenn zu mir ein èechischer Legionär kommt und mir beichtet, daß er den Eid dem österreichischen Kaiser gebrochen hat, so werde ich ihn lossprechen." Waren es nicht Ihre Herren, die 1867 nach Moskau pilgerten und dort Hetzreden gegen den österreichischen Staat hielten und Verbrüderungsfeste feierten? Waren es nicht Ihre Herren, die in der serbischen Krise, Klofáè besonders, als èechische Regimenter offen meuterten, in Serbien Hetzreden gegen die österreichische Monarchie hielten? Die schwarz-gelben Fahnen wurden bekanntlich ganz offen heruntergerissen und "Hoch Serbien" wurde gerufen.

So ließen sich noch unzählige Beweise anführen, nicht zu sprechen von den vielen Äußerungen, die Führer wie Kramáø und andere gebrauchten. War es nicht Ihr Führer Sís, der seinerzeit sprach: "Was ist höher? Die Interessen des Staates oder die Interessen des Volkes? Nicht einen Augenblick haben wir daran gezweifelt, daß wir nur Verpflichtungen haben gegen unser Volk und nie und nimmer gegen den Staat, und daß wir diese Verpflichtungen erfüllen müssen, ohne Rücksicht, ob wir uns damit eines Verbrechens gegen die geschriebenen österreichischen Gesetze schuldig machen. Wenn wir diese Gesetze erfüllt hätten, so hätten wir die Sache unseres Volkes geschädigt und uns damit des schwersten Verbrechens schuldig gemacht, des Verrats am eigenen Volke." Hat nicht Ihr Führer Kramáø in seiner bekannten Rede im Revolutionsausschuß am 22. Jänner 1920 den Kampf gegen Österreich als durchaus erlaubt, ja geradezu als völkische Pflicht hingestellt, weil die Èechen den österreichischen Staat nicht wollten? Hat nicht Masaryk bei seiner Stellungnahme in den Reden vom 14. und 18. Mai 1909 im österreichischen Abgeordnetenhaus zum bekannten Agramer Hochverratsprozeß ausdrücklich den Serben und Kroaten das Recht zugestanden, in Österreich und Ungarn, auch außerhalb Österreichs die nationale Einigung anzustreben? Er sagte: "Warum dürfen sie zu dieser kulturellen und nationalen Einheit gemeinsam hinarbeiten?" Und er führte am 2. Mai 1912 in der Delegation aus: "Die Serben und Kroaten Österreichs und die Serben außerhalb Österreichs haben - das muß man Budapest ganz eindringlich sagen - so wie die Deutschen in Österreich und außerhalb Österreichs das Recht der Kulturgemeinschaft, ein Recht darauf, daß die Kulturgemeinschaft gepflegt werde." Und Abg. Kramáø sprach in seiner Rede in der Delegation des österreichischen Reichsrates am 11. November 1910 von einer Hochverratsmanie und charakterisierte sie mit den Worten: "Wir haben keine Notwendigkeit, über unseren Patriotismus hier einen Eid abzulegen. Ich stehe vollkommen auf dem Standpunkt des Herrn Professor Masaryk, daß es schon eklig ist, wieviel hier mit Patriotismus herumgeworfen wird und daß es geradezu krankhaft ist, in Österreich lauter Hochverräter zu suchen. Mit dem Suchen nach Hochverrätern soll man endlich einmal aufhören. Mir ist es vollständig gleichgültig, ob man mich Hochverräter oder Exzellenz nennt. Lassen Sie diese ewige Hochverratsschnüffelei, sie führt zu gar nichts, wir machen uns damit vor dem Auslande nur lächerlich."

Und heute will man uns Sudetendeutschen das Nationalbewußtsein aus dem Herzen reißen, heute wollen sie uns das selbstverständliche Eintreten für die unentbehrlichen Lebensrechte des sudetendeutschen Volkes, für die Erhaltung unseres Heimatbodens, seiner kulturellen Güter, seines Arbeitsplatzes verbieten und unmöglich machen. Heute bezeichnen sie unser Bekenntnis zum deutschen Gesamtvolke über alle seine staatlichen Grenzen hinweg als Hochverräter. Sie schreckt Ihre Ableugnung Ihrer eigenen Vergangenheit nicht davor zurück, harmlose Kindereien zu Hauptstaatsaffären aufzubauschen und einen großen Staats- und Verwaltungsapparat durch Wochen und Monate zur Verfolgung, oft auch lächerlicher Spielereien in Bewegung zu setzen. Sie schrecken auch nicht davor zurück, die stets bei allen Völkern und in allen Ländern hochgehaltene Immunität der Abgeordneten zu verletzen, um einem unbequemen Volksvertreter den Prozeß zu machen. Sie liefern uns einfach aus, weil wir im Auslande an deutschen Veranstaltungen teilgenommen haben, weil wir dort offen unsere Ansicht zum Ausdrucke brachten.

Wenn zwei das Gleiche tun, dann ist es nicht das Gleiche. Das paßt für die èechische Politik sehr treffend. Allerdings hat der Herr Ministerpräsident Udržal auch seinen Reim darauf gefunden bei einer Versammlung, die er im Jahre 1928 in Nassaberg abgehalten hat und in der er sich folgendermaßen äußerte: "Man könnte einwenden, daß, so wie die Èechen Österreich gestürzt haben, nun auch die deutschen und ungarischen Minderheiten vorgehen könnten. Diese Befürchtungen sind gegenstandslos. Unser Kampf war gerecht, unsere deutschen und ungarischen Mitbürger haben nicht den geringsten Anlaß zu einem ähnlichen Vorgehen, denn sie erfreuen sich einer geradezu idealen Gleichberechtigung." Nein, Herr Udržal, Ihre Beweisführung ist durchaus falsch, ist ebenso falsch wie Ihre Behauptung, daß sich die Deutschen hierzulande geradezu einer idealen Gleichberechtigung erfreuen.

Diese Behauptung deckt sich mit den Tatsachen in gar keiner Weise und unser Kampf hat die gleiche sittliche Grundlage und daher die gleiche sittliche Berechtigung wie der Kampf der Èechen gegen das verhaßte Österreich, das sie nicht wollten und nicht als ihr Vaterland ansahen. Sie haben damit, wie die "Graslitzer Volkszeitung" einmal schrieb, für alle Parteien und alle Völker ein bewundernswertes Vorbild und Beispiel gegeben, wie ein Volk einen verhaßten Zwang abwirft und seine Freiheit erreicht. Und auch für uns gelten die Worte Masaryks, die in dem Heftchen stehen, das anläßlich seines 75. Geburtstages im Jahre 1925 verteilt wurde, die Worte, die da lauten: "Die Freiheit ist das erhabenste Geschenk, das ein gütiges Geschick den Völkern bereitet hat. Wenn das Volk sich selbst regiert, nur seinem Herzen und Verstand gehorcht, wenn niemand sein Herr oder Bedrücker und niemand ihm Untertan ist, das ist die höchste Gabe, das ist das höchste Glück. Doch freilich nur dann, wenn alle gut, tapfer und gerecht sind." Das sind goldene Worte, goldene Weisheiten, die gewiß jeder deutsche Vater seinem Kinde täglich vor dem Schlafengehen vorlesen müßte, auf daß das sudetendeutsche Volk das werde, was Masaryk mit Recht als das größte Glück der Völker bezeichnet hat, niemandes Knecht, niemandes Untertan sein, sein eigener Herr auf seinem angestammten Boden. Das sind Worte, zu denen wir uns ohne weiters bekennen können. Warum aber, frage ich, wenn wir uns dazu bekennen, wenn wir uns auf den Boden dieser Voraussetzungen stellen, warum verfolgen dann die Èechen das Sudetendeutschtum? Gilt nicht mehr, was Kramáø einst in der Delegation am 11. November 1910 gesprochen hat: "Ich würde aufhören, den slavischen Gedanken zu predigen und ein Slave zu sein, wenn ich wüßte, daß die Slaven eine Einigung nur darum anstreben, um andere zu bedrücken. Nie und nimmer darf das ein Slave tun. Wenn sich jemand Slave nennen will, dann darf er weder den eigenen slavischen Bruder noch einen Nichtslaven bedrücken!" Und bei einer anderen Gelegenheit am 19. Juli 1907 in einer Sitzung des österreichischen Parlamentes: "Wenn ich nicht in der nationalen Idee das Hohe, Ideale sehen würde, welches mir geradezu verbietet, dem anderen etwas anzutun, was ich selbst national nicht erdulden will und kann, wenn ich das nicht fühlen würde und wenn ich mich sogar auf den Standpunkt der nationalen Eroberung stellen würde, dann sage ich Ihnen, würde mein Platz nicht hier sein, sondern in einem Irrenhause, weil es ein Wahnsinn wäre." Sie sehen, auch Kramáø ist von diesen Worten außerordentlich weit abgerückt. Die Èechen verleugnen heute das, was eigentlich die stolzeste Periode ihrer eigenen Geschichte ist. Doch auch für uns gilt das Wort, das der èechische Abgeordnete Koerner in der 14. Sitzung des Abgeordnetenhauses am 4. Juli 1917 sprach: "Völker sind keine Schulkinder und jene Liebe, die festhalten will durch Strafen, durch Einengung der Freiheit, ruft niemals Gegenliebe hervor." Und stammt nicht von Palacký das Wort: "Kein Volk hat das Recht ein anderes Volk zu knechten und für seine Zwecke zu mißbrauchen?" Und wenn Abg. Prášek, damals k. u. k. geheimer Rat und Minister a. D. - auch bezeichnend für die Unterdrückung der Èechen im alten Österreich - am 26. Juni 1917 sich dagegen zur Wehr setzte, daß den èechischen Truppen mangelnder Patriotismus vorgeworfen wurde und diesen Mangel an Patriotismus damit begründete: "Den Èechen werde es unmöglich gemacht sich als gute Österreicher zu fühlen", dann, meine Herren, glaube ich, können wir auch mit vollem Recht sagen: "Auch dem Sudetendeutschtum wird es außerordentlich schwer gemacht, sich als èechoslovakische Patrioten zu fühlen. [ ]. Der Patriotismus läßt sich nicht mit der Peitsche einbläuen, und durch Kerker und Verfolgung erzielen Sie das Gegenteil. Gerade diese staatsbürgerlichen Erziehungskurse, die Tausende tagtäglich mitmachen und gewissermaßen am eigenen Leibe verspüren, die sie in den Arrest und Kerker führen, werden wahrscheinlich wohl wenige èechoslovakische Patrioten liefern, die in der Stunde der Gefahr ihr Leben im Interesse des Staates einzusetzen gewillt sind. Nein, meine Herren von èechischer Seite, auf diesem betretenen Wege werden Sie wenig zur Konsolidierung Ihres Staates beitragen. Er wird ständig ein Gefahrenherd der zahlreichen Minderheiten bleiben und die notwendige Befriedung der nationalen Verhältnisse in Mitteleuropa wird dadurch niemals eintreten können. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.)

Und damit werden Sie wahrscheinlich und aller menschlichen Voraussicht nach genau so an der deutschen Frage, die nach Masaryk die wichtigste Frage des Staates ist, zerschellen, wie die viel stärkere und in Jahrhunderte langer Geschichte verankerte österreichisch-ungarische Monarchie zugrunde gegangen ist. Denn nicht die Symbiotiker werden recht behalten, daß die Deutschen und Èechen in diesem Raume für ewig beisammen bleiben müssen, weil sie eine jahrtausendlange Lebensgemeinschaft bilden und sich in jahrhundertelangem Zusammenleben angeglichen haben, und eine kulturelle und homogene Masse bilden, wie es Dr. Spina ausgedrückt hat, [ ]. Wir erheben feierlich Einspruch gegen diese Verfolgungen und werden nicht anstehen, das Weltgewissen gegen diese Verfolgungen in Bewegung zu setzen. Wir bekennen uns freimütig dazu, daß wir uns durch nichts, durch keine staatliche Maßnahme, durch keine Drohung von dem deutschen Kulturstrom werden abbringen lassen. Die Beziehungen zwischen uns als Grenzlanddeutschtum und dem angrenzenden Muttervolke sind durchaus natürlich, sie ergeben sich aus der nicht wegzuleugnenden Tatsache, daß wir eines Stammes und eines Sinnes sind. Wenn es den Èechen im alten Österreich nicht verwehrt war, die Beziehungen zu den Èechen und zu den Slaven außerhalb Österreichs zu pflegen, wenn sie ungehindert nach Belgrad, Moskau und Petersburg pilgern durften, dann kann es kein Verbrechen und auch kein Hochverrat sein, wenn wir nach Wien und Berlin fahren und dort unsere Blutsgemeinschaft bekunden. Traurig genug, daß im Zeitalter der Demokratie, in der angeblich freie Völker ihr Schicksal selbst bestimmen, daß in einem angeblich demokratisch regierten Staate wir uns gegen solche Vorwürfe zur Wehr setzen müssen, daß solche natürliche Lebensrechte unterdrückt und unter Strafsanktion gesetzt werden.


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