Nun ganz kurz zur Vorlage selbst. Meine Partei begrüßt die Erfüllung unserer Forderung, soweit ihr in der Vorlage Rechnung getragen wird, nämlich die Herabsetzung der militärischen Dienstzeit und wir werden selbstverständlich, wie wir dies im Ausschuß bereits getan haben für den § 1 des Gesetzes stimmen, auch für dn Fall, als unser Abänderungsantrag, der dahinlautet, daß bereits ab 1932 die 12monatige Dienstzeit eingeführt wird, abgelehnt werden sollte. Mit aller Entschiedenheit wenden wir uns gegen den § 2 des Gesetzes, dessen Streichung wir beantragen, sowie auch gegen den § 3 des Gesetzes, weil wir unter gar keinen Umständen für eine Erhöhung des Rekrutenkontingents zu haben sind. Ich muß bei diesem Punkt neuerlich betonen, daß es mir unbegreiflich erscheint, wie die Vorkämpfer einer antimilitaristischen Bewegung, also einer Partei, deren Führer immer erklärt haben, daß sie es, wenn sie zur Macht gelangen sollten, niemals zulassen werden, daß der Militarismus im bisherigen Ausmaß und in der bisherigen Form erhalten wird, daß eine solche Partei - wie wir dies heute seitens der sozialdemokratischen Partei erleben werden - für eine neuerliche Erhöhung des Rekrutenkontingents und zwar bis 5.000 Mann stimmen wird, wobei ich aufmerksam mache, daß das spätere Inkrafttreten ab 1933, also auf eine lange Frist erfolgt und der Regierung damit die Möglichkeit geboten wird, wie ich das bereits angedeutet habe, in der Zwischenzeit, vielleicht auf dem Wege eines Regierungswechsels eine noch weitere Erhöhung in die Tat umzusetzen.
Aus diesen meinen Ausführungen
ist zu entnehmen wie wir uns zu dieser Vorlage stellen und ich
möchte zum Schluß nur darauf hinweisen, daß in dieser Vorlage
mit Ausnahme der kleinen Erleichterung der Herabsetzung der Präsenzdienstzeit
von 18 auf 14 Monate, vor allem in Hinsicht einer Rücksichtnahme
auf die schwere wirtschaftliche Lage und auf die Notwendigkeit
endlich einmal die hohen Staatsausgaben herabzusetzen, gar nichts
vorgekehrt wird, sondern im Gegenteil, daß durch die Zustimmung
zu der jetzigen Gesetzesvorlage die Wirtschaftslage nur weiter
verschärft wird, weil der Staat sich nunmehr bemüßigt fühlen wird,
wie wir es als Vorspiel bereits gestern erlebt haben, auf der
Grundlage der Erhöhung alter oder der Einführung neuer Steuern
aus unserer Bevölkerung neue in die hunderte Millionen gehende
Summen herauszupressen. Aus all diesen Gründen werden wir gegen
diese Vorlage stimmen. (Potlesk.)
Hohes Haus! Die Regierung unterbreitete am 7. April d. J. dem Abgeordnetenhause endlich einmal die schon längst fällige, so oft versprochene und angekündigte Gesetzesvorlage über die Verkürzung der Militärdienstzeit auf 14 Monate. Das Wehrgesetz vom 15. März 1920, Nr. 193, sah im § 61 die Einführung der 14monatigen Präsenzdienstzeit schon für das Jahr 1926 vor. Aus militärtechnischen Gründen wurde der Termin durch das Gesetz vom 8. April 1927, Nr. 51, bis auf weiteres hinausgeschoben, zugleich aber von dem damaligen Minister für nationale Verteidigung, dem jetzigen Ministerpräsidenten, die Zusicherung gegeben, daß es in längstens 2 bis 3 Jahren zuversichtlich möglich sein wird, die normale 14monatige Dienstzeit einzuführen. Dieser Zeitpunkt war im Jahre 1929 gekommen. Infolgedessen hat mein Klub am 17. Dezember 1929 einen Antrag, betreffend die Einführung der 14monatigen Präsenzdienstpflicht im Abgeordnetenhause eingebracht und in demselben verlangt, daß die Bestimmung des § 1 des Gesetzes vom 8. April 1927, Nr. 51, daß nämlich die ab 1926 und später assentierten Personen nach Beendigung des regelmäßigen 14monatigen Präsenzdienstes noch zu einer weiteren aktiven Dienstleistung in der Dauer von 4 Monaten verpflichtet sind, mit Geltung für die im Jahre 1930 und später Assentierten aufgehoben werde.
Dieser Antrag meines Klubs wurde aber von der Regierung vollständig ignoriert, ja der Herr Minister für nationale Verteidigung erklärte sogar einmal wörtlich: daß die Bestimmung des Wehrgesetzes vom Jahre 1920, welches die Dienstzeit vom Jahre 1926 angefangen mit 14 Monaten fixiert, übereilt gewesen sei, daß die Voraussetzungen hiezu nicht gegeben seien und daß das seinerzeit beschlossene Gesetz über die Zivilanstellung der längerdienenden Unteroffiziere - damals war dies nämlich auch eine der Voraussetzungen für die Herabsetzung der Präsenzdienstzeit - nicht den erwarteten Erfolg gebracht hätte. Der Herr Minister erklärte damals ganz merkwürdiger Weise, daß das Versprechen seines Vorgängers, das ist des jetzigen Ministerpräsidenten, die Dienstzeit binnen 2 bis 3 Jahren herabzusetzen, nur ein bedingungsweises Versprechen gewesen sei, ein Versprechen, an das er nicht gebunden sei, da eben die nötigen Vorbedingungen zur Einlösung des Versprechens auf Herabsetzung der Dienstzeit noch nicht vorhanden wären.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch an ein Versprechen erinnern. Im Jahre 1923 hat schon der Außenminister Herr. Dr. Beneš versichert, daß die Èechoslovakische Republik zu einer weiteren Herabsetzung der Dienstzeit zu schreiten entschlossen ist, soweit der Völkerbund die Lage für die Tendenz der Abrüstung für günstig hält, und so erklärte er damals - daß die Reduktion des Heeres ca 50 % erreichen könne.
Gleichzeitig möchte ich auf den § 1 des Wehrgesetzes von 1920 hinweisen, wo es heißt: "Das Wehrsystem der Èechoslovakischen Republik wird auf der Grundlage des Milizwesens aufgebaut werden. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für die Übergangszeit." Ich muß es überhaupt als eine Kuriosität bezeichnen, wenn man heute dieses Gesetz geradezu verleugnet und nicht mehr die geringste Absicht hat, jemals die Miliz einzuführen, wie aus einer Äußerung des Staatspräsidenten hervorgeht. Er hat diese Äußerung vor einigen Tagen gemacht, nämlich, daß sich die Miliz für unsere Verhältnisse als unanwendbar und auch als zu teuer erweise. Es ist eine Tatsache, daß die Heeresverwaltung an die Einführung der Miliz und an die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht gar nicht mehr denkt.
Ob das heutige Wehrsystem wirklich weniger Kosten verursacht als eine Miliz, und ob bei dem heutigen Wehrsystem die Militärlasten weniger drückend sein sollen als bei der Miliz, kann man bestreiten. Denn es ist eine unleugbare Tatsache, daß die allgemeine Wehrpflicht der Bevölkerung enorme Lasten auf rlegt. So wurde die Verkürzung der Militärdienstzeit auf 14 Monate Jahr für Jahr hinausgeschoben und verschleppt. Diejenigen, die sich ehrlich um die Verkürzung der Militärdienstzeit bemühten, wurden nur mit Versprechungen und abermals Versprechungen abgespeist.
Die Èechoslovakische Republik hat leider nicht das Beispiel kleinerer Staaten, wie Dänemark, Finnland usw. nachgeahmt, die ihre Streitkräfte vermindert und ihre Militärausgaben abgebaut haben, weil der Heeresetat ihre Finanzen allzusehr anspannte.
Trotz Abbau der Militärausgaben und Herabsetzung der Dienstzeit wurde die Verteidigung der Länder aber nicht gefährdet. Die Èechoslovakische Republik hat nicht einmal das Beispiel Belgiens und Frankreichs nachgeahmt. In Belgien wurde ein Dienstzeitgesetz beschlossen, das eine Dienstzeit von 8 Monaten, nur für Artillerie, Kavallerie, Festungstruppen, Reserve- und Unteroffiziersaspiranten eine solche von 13, 12 und 14 Monaten vorsieht. Frankreich hat die Präsenzdienstzeit vor einiger Zeit auf ein Jahr herabgesetzt, allerdings auf Grund einer strengen Mobilisierungsverordnung, welche bestimmt, daß förmlich das ganze Volk in Waffen zu stehen hat. Von einer solchen Mobilisierungsverordnung wie in Frankreich träumen ja auch unsere Militaristen und Verteidigungsminister.
Es ist auffallend, daß man heute nur mehr wenig davon spricht, daß das Verteidigungsministerium einen Gesetzentwurf zum Schutze des Staates, ein neues sogenanntes Zivilkriegsleistungsgesetz, ähnlich den allgemeinen Mobilisierungsverordnungen in Frankreich, in Jugoslavien, im wesentlichen bereits ausgearbeitet haben soll, durch welches die Frage einer allseitigen Vorbereitung des Volkes zum Schutze der Republik für den Kriegsfall gelöst werden soll.
Es wäre wirklich interessant, von der Regierung eine authentische Nachricht darüber zu bekommen, ob dieser Entwurf bereits in das zwischenministerielle Verfahren übergegangen ist, und wenn ja, wann er der verfassungsmäßigen Verhandlung zugeführt wird. Die Regierung hat sich also nunmehr, nachdem sie 2 1/2 Jahre ungenützt verstreichen ließ, entschlossen, dem Parlament die Einführung der 14monatigen Dienstzeit vorzuschlagen. Dieser Entschluß der Regierung ist allerdings weniger dem eigenen Willen, als vielmehr der Not der Zeit entsprungen und er wäre freudig begrüßt worden, wenn die Einführung der 14monatigen Dienstzeit nicht an so viele und harte Voraussetzungen gebunden wäre, Voraussetzungen, die sich leider für die Bevölkerung äußerst drückend auswirken werden. Die Militärverwaltung hat von jeher mit solchen Voraussetzungen operiert und es wäre interessant, vom Herrn Minister für nationale Verteidigung Aufschluß zu erhalten, ob es bei den jetzt geplanten drei Voraussetzungen bleibt oder ob sich doch im Laufe der Zeit bis zum 1. Oktober 1933, wo die Verkürzung der Dienstzeit beginnen soll - ist ja noch genügend Zeit - noch andere der Öffentlichkeit heute noch nicht bekannte Voraussetzungen einstellen werden. Ich möchte bemerken, daß der Herr Minister für nationale Verteidigung seinerzeit für die Herabsetzung der Dienstzeit noch andere Voraussetzungen als die heute bekannten erwähnt hat, die diesmal auffallenderweise unerwähnt geblieben sind. Heute ist hauptsächlich nur die Rede von drei Voraussetzungen, die, wie der Herr Minister immer erklärt, unbedingt erfüllt werden müssen, um die Dienstzeit herabzusetzen. Dazu gehört vor allem die Gebührenregelung der Militärpersonen und insbesondere der länger dienenden Unteroffiziere und die Versorgung derselben für den Fall der Invalidität und Anerkennung der aktiven Militärdienstzeit in anderen staatlichen und privaten Diensten, weiters die Erhöhung des jährlichen Rekrutenkontingents von 70.000 auf 75.000 Mann und schließlich der Beginn der Dienstzeitverkürzung mit 1. Oktober 1933. Es muß offen gesagt werden: Die Verkürzung der Militärdienstzeit auf 14 Monate ist keine Maßnahme zur Milderung der Finanzund Wirtschaftskrise, was sie eigentlich sein sollte. Die Dienstzeitverkürzung beginnt erst am 1. Oktober 1933 und ist wie wir ja immer gehört haben, mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden. Die Gebührenregelung und die Anrechnung der Militärdienstzeit der länger dienenden Unteroffiziere beim Übergang in den öffentlichen Dienst ist ja sicher eine bedeutende finanzielle Mehrbelastung. Dazu kommt noch die Erhöhung des jährlichen Rekrutenkontingents von 70.000 auf 75.000 Mann, die neuerlich Verpflegskosten von rund 25 Millionen Kè verursachen wird. So sehen wir, daß die Verkürzung der Militärdienstzeit an gewisse schwere finanzielle Bedingungen geknüpft ist und leider gar keine Ersparungen in der Militärverwaltung bringt. Mit einer gewissen Schadenfreude hat ja die Militärverwaltung immer schon erklärt, daß die Herabsetzung der Präsenzdienstzeit keine Wirkung auf die Herabsetzung des Budgets des Ministeriums für Nationalverteidigung haben wird. In einer Zeit der größten wirtschaftlichen Not ist dies ganz besonders zu bedauern. Die Erhöhung des jährlichen Rekrutenkontingents von 70.000 auf 75.000 Mann ist gleichfalls eine nicht gerade erfreuliche Voraussetzung, sicher eine harte Voraussetzung. Wenn man der Regierung eine derartige Ermächtigung, wenn auch im Interesse der Dienstzeitverkürzung erteilt, so bedeutet dies keinen Abbau des Militarismus, im Gegenteil. Von einem Abbau des Militarismus unter der heutigen Regierung kann daher keine Rede sein. Der Generalstab, der ja auch bei der heutigen Regierungsvorlage bis zum letzten Augenblick die größten Schwierigkeiten gemacht hat, wird auch weiter dafür Sorge tragen, daß der Militarismus nicht ab-, sondern ausgebaut und daß auch der Wert der Dienstzeitverkürzung nach Möglichkeit vermindert wird. Überhaupt ist die ganze Aufmachung und Begründung der Dienstzeitverkürzung recht eigenartig. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, wie wenn die Militärverwaltung geradezu eine Erhöhung des Militärbudgets allerdings in verschleierter Form anstreben würde. Die Militärverwaltung will eben zwei Eisen im Feuer haben: Entweder im Falle der Dienstzeitverkürzung eine Erhöhung des Militärbudgets oder sollte dies nicht erreicht werden können, dann Sabotage des Gesetzes. Ich habe den begründeten Verdacht, daß man aus diesem Grunde die Bestimmung getroffen hat, daß die Dienstzeitverkürzung erst vom 1. Oktober 1933 gelten solle, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, um genügend Spielraum für derartige Machinationen zu haben. Ich habe auch den Verdacht, daß die Militärverwaltung hinsichtlich der vormilitärischen Ausbildung der Jugend ein Doppelspiel treibt. Bezüglich der vormilitärischen Ausbildung ist es in letzter Zeit auffallend ruhig geworden, doch glaube ich, daß in der Sache mehr hinter den Kulissen gearbeitet wird. Wir deutschen Christlichsozialen haben seinerzeit, um die Verkürzung der Präsenzdienstzeit zu erreichen, für das Gesetz über die Zivilanstellung der länger dienenden Unteroffiziere gestimmt, aber schon damals die vormilitärische Erziehung der Jugend entschieden abgelehnt. Wir stehen auch heute noch auf diesem Standpunkt. Mir kommt es vor, daß die Militärverwaltung das Problem der vormilitärischen Ausbildung der Jugend in einer sehr vorsichtigen Weise zu realisieren trachtet. Beweis dafür ist, daß der in Vorbereitung befindliche Gesetzentwurf nicht mehr die vormilitärische Ausbildung der Jugend, sondern nur die ganz harmlos erscheinende körperliche Erziehung oder Ertüchtigung der Jugend, die allerdings pflichtmäßig sein soll, betont. Die Titeländerung verfolgt doch nur den Zweck, die eigentliche Absicht zu verschleiern. Die pflichtmäßige körperliche Erziehung der Jugend wäre doch nichts anderes als die vormilitärische Ausbildung der Jugend. Der französische Einfluß macht sich auch da wie überall bemerkbar. In Frankreich herrscht ja der Grundsatz, daß das ganze Volk militärisch ausgebildet sein soll, sogar die Frauen, allerdings im Hilfsdienst, hauptsächlich im Sanitätsdienst verwendet werden sollen. Es wäre sehr interessant, vom Herrn Minister für nationale Verteidigung nähere Aufklärung zu erhalten, wie er sich zur Erziehung der Zivilbevölkerung, zur Wehrhaftigkeit insbesondere zur vormilitärischen Ausbildung der Jugend, wofür der Deckname körperliche Erziehung der Jugend der Zivilbevölkerung gewählt wurde, stellt. Wir sehen im Ministerium für nationale Verteidigung ein eigenartiges Spiel der Kräfte, auf der einen Seite das Bestreben die militärische Machtpolitik zu befestigen, auf der anderen Seite durch die verantwortlichen Minister, den Außenminister und den Minister für nationale Verteidigung eine Friedenspolitik vorzutäuschen. Wir wissen, daß die èechoslovakische Republik mit Frankreich und den Staaten der Kleinen Entente Sonderbündnisse und Militärkonventionen abgeschlossen hat, die sicherlich nicht dazu dienen, den Friedensgeist, sondern eher den Kriegsgeist zu wecken, die auch nicht dazu dienen, die so notwendige Abrüstung herbeizuführen und geradezu ein Wettrüsten hervorrufen.
Gegenwärtig ist trotz der Abrüstungskonferenz in Genf ganz Europa in ungeheueren Rüstungen begriffen, die das Vorkriegsausmaß noch weit übertreffen; nur Deutschland, Österreich, Ungarn und Bulgarien nicht und es wirken nun wirklich die Ausführungen des Herrn Berichterstatters Špatný, der Deutschland, Österreich und Ungarn geheime Rüstungen in die Schuhe schiebt, lächerlich und unsinnig. Die Millionen, die unter Waffen sind, stehen ganz wo anders und man braucht gar nicht weit zu gehen, um sie zu entdecken. Es ist ja bekannt, daß Frankreich und die Staaten der Kleinen Entente bis zum Hals gerüstet sind und daß in diesen Staaten Milliarden für die Rüstungen verwendet werden. Es kann daher nicht oft genug gesagt und betont werden, daß Sonderbündnisse und Militärkonventionen keinen Defensivcharakter haben, wenn man auch dieselben immer damit zu entschuldigen versucht.
Zum Schluß möchte ich noch die
Tatsache erwähnen, daß für die Dienstzeitverkürzung die meisten
Parteien des Hauses eingetreten sind und daher an der Verwirklichung
derselben nicht diese oder jene Partei ausschließlich das ganze
Verdienst für sich in Anspruch nehmen kann. Gerade wir deutschen
Christlichsozialen haben uns stets, einerlei ob in der Regierung
oder ob in der Opposition, für eine Verkürzung der Dienstzeit
eingesetzt, was ja aus den Parlamentsprotokollen ersichtlich ist.
Infolgedessen waren auch wir sozusagen Wegbereiter des Gesetzes,
der Verkürzung der Militärdienstzeit von 18 auf 14 Monate. Wenn
auch das Gesetz über die Verkürzung der Militärdienstzeit viele
Mängel und Lücken aufweist und gewiß manches Opfer erheischt,
war es doch stets der heiße Wunsch der Bevölkerung, endlich einmal
einer verkürzten Dienstzeit teilhaftig zu werden. Wir erwarten
aber, daß die Regierung nicht allein mit der immerhin bescheidenen
und kostspieligen Dienstzeitverkürzung sich allein begnügt, sondern
ehestens den Weg des radikalen Abbaus des Militarismus und seiner
Auswüchse beschreitet. Die èechoslovakische Republik wird trotz
der Militärdienstzeitverkürzung immer noch ein Militärstaat ersten
Ranges bleiben, da die Auslagen immer noch den fünften Teil der
Staatseinnahmen absorbieren. In der Èechoslovakischen Republik
ist die auf die militärische Machtpolitik eingestellte Gedankenrichtung
immer noch weit stärker als die auf eine umfassende Friedenspolitik
eingestellte. Wir deutsche Christlichsoziale werden jederzeit
nur eine wahre Friedenspolitik unterstützen, für eine Politik
der Verständigung und Völkerversöhnung eintreten. Die Linie unserer
Politik war und wird immer sein Verständigung und Völkerverständigung,
nach innen und nach außen. Der Befriedung Europas muß natürlich
die Befriedung im eigenen Staate konsequenter Weise vorausgehen.
Um dieser unserer Friedenspolitik sichtbaren Ausdruck zu geben,
werden wir für das Gesetz über die Verkürzung der Militärdienstzeit
stimmen. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Die heutigen zwei Gesetzesvorlagen, die das Haus beschäftigen, stehen in einem krassen Gegensatz zu den Erfordernissen der zusammengebrochenen Wirtschaft und zu den Erwartungen, welche die Massen der Bevölkerung hier auf dieses Haus gerichtet haben. Ich komme aus einem Gebiete, in welchem vor einigen Tagen einer der bedeutungsvollsten sozialen Kämpfe beendet wurde, die seit Bestand dieses Staates hier tobten, bedeutungsvollst insoferne, als der Kampf der Bergarbeiter im nordwestböhmischen Revier nicht ausgebrochen war wie die üblichen Streiks, zwecks Erhöhung des Lohnes oder der Verkürzung der Arbeitszeit, sondern, wie wir schon in diesem Hause ausgeführt haben, weil es ein Verzweiflungsausbruch der Not und der sozialen Lage war, in welcher sich nicht nur die Bergarbeiterschaft, sondern weit darüber hinaus die ganze Bevölkerung des Reviers und im ganzen Staate befindet. Wer Augen hatte zu sehen und Ohren zu hören, der mußte, wenn er sich diesen ganzen Kampf vergegenwärtigte, sich sagen, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann, daß dieser Ausbruch der Verzweiflung für alle ein Warnungssignal sein muß, den bisherigen Weg weiterzugehen. Es handelte sich dort um die nackte Existenz der Menschen, es handelte sich darum, den Menschen wenigstens einen Ausblick dahin zu geben oder zu sichern, daß ihnen zumindestens ein bescheidenes Maß der Lebensnotwendigkeiten gewährt oder gegeben wird in der Zeit, da sie zur Verdienst- und Erwerbslosigkeit verurteilt sind. Die Unsicherheit der Existenz, der Zweifel der Menschen, ob sie morgen oder übermorgen noch Brot und Arbeit haben werden, das Gefühl, als Bettler dazustehen, auf die Gnade oder Mildtätigkeit anderer angewiesen zu sein, diese Gefühle waren bestimmend für den Ausbruch dieser Verzweiflung, und wer etwas anderes sagt oder glaubt, der kennt die Sachlage nicht. Es ist sicher, daß im Verlaufe des Kampfes auch parteipolitische Einflüsse sich geltend gemacht haben, insoferne, als selbstverständlich die an dem Streik beteiligten Parteien . . . (Posl. Grünzner: Es gab zu krebsen!) Ich glaube, die Seite, von welcher der Zwischenruf kam, verkennt die Lage insofern, als sie der Auffassung gewesen ist, daß dieser Streik von langer oder kurzer Hand vorbereitet wurde, (Sehr richtig!) sie verkennt die Lage insofern, weil sie der Auffassung gewesen ist, daß dieser Lohnkampf oder Streik wirklich von der einen oder anderen Partei provoziert wurde. (Výkøiky posl. Grünznera, Heegera a Kaspera.) Jeder Arbeiter im Bergwerk und (k posl. Grünznerovi:) auch Ihre Partei-Genossen wissen es - darüber kommen Sie nicht hinweg, die Sie in Aussig, Prag oder Schlesien sitzen daß ursprünglich keine einzige Partei sich offiziell am Streik beteiligt hatte, daß bereits mehrere Schächte vollständig stillgelegt waren, als sich die kommunistische Partei an die Spitze der Streikbewegung stellte. Man darf die Ursache nicht mit der Wirkung verwechseln. (Posl. Heeger: Das haben auch unsere Zeitungen geschrieben!) Dann behaupten Sie doch nicht, daß es hier etwas zu krebsen gab.
Unsere Stellung und Haltung liegt so klar zutage, daß darüber gar nicht zu reden ist und ich wollte das auch nicht von dieser Stelle besprechen. Warum ich auf diesen großen sozialen Kampf zu sprechen kommen mußte, dafür ist der Grund, weil nicht nur die Bergarbeiterschaft, sondern weil darüber hinaus die Massen der Bevölkerung nach solchen Zeichen der sozialen Verzweiflung und der Not von Regierung und Parlament erwarten, daß man entsprechend der Notlage draußen sich in der Regierung und im Parlament mit diesem wirtschaftlichen Zustande befaßt und daß man Gesetzesvorlagen zur Verhandlung stellt, welche den Massen den Ausblick eröffnen, (Posl. Heeger: Das geschieht doch unsererseits!) daß wir aus diesen Verhältnissen heraus und zu einer lichteren Zukunft kommen (Rùzné výkøiky.)
Wenn Sie sagen: "Das geschieht doch", so haben Sie wahrscheinlich meine einleitenden Worte nicht gehört, daß man draußen in Parlament und Regierung solche Hoffnungen setzte und sie nun enttäuscht, indem man als erste Maßnahme nach einem solchen Lohnkampf zwei Vorlagen auf den Tisch des Hauses legte, von denen die eine neue Belastungen der Produktion und der Bevölkerung und die zweite, auf die ich zu sprechen kommen werde, eine zweifellos dankbare Verbesserung der Dienstzeit, aber im Zusammenhang mit dem, was der Minister für nationale Verteidigung im Wehrausschuß sagte und was die Vorlage hier enthält, eine neue Belastung bedeutet. (Posl. Heeger: Muß das eintreten?) Nein, das muß nicht eintreten, aber Herr Koll. Heeger, wir wissen aus Erfahrung, daß wenn der Kriegsminister vor die Regierung tritt, dann sein Wille oder der des Generalstabs geschieht. (Posl. Heeger: Er war auch gegen das Gesetz!) Ja, ja. Er hat aber auch gesagt, mit welchen Konzessionen er sich diese Begünstigung abkaufen ließ. Diese zweite Vorlage - die eine hat schon Koll. Simm besprochen - werde ich besprechen. Darüber, daß die Bevölkerung vom Haus aus und von der Regierung etwas anderes erwartete, sind sich alle draußen einig. Wir haben erwartet, daß nach diesem unerhörten Kampf ein Wort zum Abschluß desselben von dieser Stelle gefallen wäre, ein Wort, das den Massen draußen wenigstens die Sicherheit gibt, daß entsprechende Vorlagen demnächst zur Verhandlung kommen oder in Vorbereitung sind. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.)
Um was drehte sich der Kampf? In der Hauptsache um Arbeit und Brot, oder aber um die primitivste Lebensmöglichkeit für den Fall der Arbeitslosigkeit, also eine Arbeitslosenversicherung, die nicht nur den Organisierten nach dem Genter System die bescheidene Unterstützung sichert, sondern darüber hinaus jedem arbeitslosen Menschen die Möglichkeit gibt, sein und seiner Familie Leben fristen zu können. Das erwartete man. Ich habe hier ein Blatt, das kein Parteiblatt, etwa meiner Partei ist, oder etwa sich einseitig auf die Seite der kämpfenden Arbeiter stellen würde oder umgekehrt, sondern es ist die "Brüxer Zeitung". (Posl. Schweichhart: Eine kapitalistische Zeitung!) Umso ehrender, Herr Kollege, wen sie aus der Erkenntnis der Sachlage und aus der Erfahrung heraus wirklich imstande ist, die Lage zu beurteilen und wenn sie eine Haltung einnimmt, die wir und auch Sie voll und ganz, wenn wir objektiv sind, billigen müssen. (Posl. Schweichhart: Tritt sie ein für den Arbeitslosenfonds?) Selbstverständlich! (Posl. Schweichhart: Wird sie die Industriellen auffordern, daß sie zahlen?) Jawohl.
Das Blatt schreibt nach einer Schilderung des Kampfes zum Abschluß des Streikes zum Schluß: "Die dringendste Gesetzesvorlage im Parlament ist diejenige über den Arbeitslosenfonds. Alle bergbautreibenden Gebiete der Republik und alle notleidenden Industriegebiete sind an der baldigen Annahme dieses Gesetzes, das allerdings der gesamten Wirtschaft heute neue Opfer auferlegen wird, interessiert. Denn es ist bestimmt, das Ventil gegen weitere größere Erschütterungen unseres ganzen Wirtschaftslebens zu schaffen, die anderenfalls bevorstehen." Sie sehen, das Blatt erkennt die Sachlage ganz richtig, und es ist die einzige Möglichkeit, künftig weiteren Erschütterungen vorzubeugen, indem wir alles daran setzen, die Wirtschaftslage zu bessern, Brot und Arbeit für die arbeitenden Menschen zu schaffen und, insolange das nicht möglich ist, ihre Existenzmöglichkeit zu verbürgen. Das haben wir von diesem Hause erwartet und wenn wir auch nicht erwarten konnten, wie ich schon sagte, daß wir jetzt auf dem Tische des Hauses die fertige Vorlage finden werden, so haben wir doch erwartet, daß zum Abschluß dieses großen sozialen Kampfes von den verantwortlichen Stellen ein Wort an die Öffentlichkeit gerichtet wird, das sie beruhigt und uns die Versicherung gibt, daß in dieser Hinsicht innerhalb der Regierung und im Parlament Vorkehrungen getroffen werden.
Anstatt dessen . . . (Výkøiky poslancù Schweichharta a Kaspera.) Wundern sich die Herren nicht, wenn neue Erbitterung die Bevölkerung ergreift. Wundern Sie sich dann nicht, wenn die Arbeiterschaft das Vertrauen zu den Führern, das Vertrauen zu den Organisationen, zu den Parteien, die in der Regierung sitzen, verliert, wenn sie nach solchen Kämpfen derartige Gesetzesvorlagen auf dem Tische des Hauses sieht.
Über die Umsatzsteuer hat Koll. Simm gesprochen und ich frage die Herren, die sich dafür eingesetzt haben, oder dafür stimmen werden: Gibt es einen Menschen in diesem Hause, möge er welcher Richtung immer angehören, der im Ernste daran glaubt, daß wir aus dieser Wirtschaftsnot und aus dieser finanziellen Krise durch die Umsatzsteuererhöhung herauskommen werden? Die alte Erfahrung lehrt - und ich brauche darüber heute nicht zu sprechen, weil es von verschiedenen Seiten treffend ausgeführt wurde - daß die neuerliche Belastung der Produktion uns noch weiter in die Krise hineinführen wird, daß jetzt eine Verteuerung des Lebensbedarfes eintreten wird, so daß nicht nur die allgemeine Lage der Menschen sich verschlimmern wird, sondern am Schlusse des Jahres auch die Finanzverwaltung zur Erkenntnis gekommen sein wird, wie das auch bei früheren Erhöhungen so war, bei der Tabakerhöhung usw., daß das eine vollständig verkehrte Maßnahme gewesen ist, eine Verzweiflungsmaßnahme, sozusagen ein Strohhalm, an den man sich klammert, um von heute auf morgen aus der Verlegenheit zu helfen, aber keine Maßnahme, die etwas weiter voraussieht, also über das Morgen und Übermorgen hinaus.
Die zweite Vorlage über die Herabsetzung der Dienstzeit erkennen wir, soweit die Herabsetzung der Dienstzeit erfolgt, an, als einen wirklich erfreulichen und dankenswerten Fortschritt. Es ist keine Frage, daß die Herabsetzung der Dienstzeit von 18 auf 14 Monate von der gesamten Bevölkerung wird freudig begrüßt werden - wer Verständnis hat für das Los der Soldaten, und was es für die Einrückenden bedeutet, wenn sie in dem Bewußtsein einrücken, daß die Dienstzeit statt 18 Monate nur 14 Monate dauert, wird das verstehen - und wir hätten diesen Fortschritt nicht nur dankbar anerkannt, sondern auch dafür gestimmt, wenn dieser Fortschritt nicht verbunden wäre mit der Erhöhung des Rekrutenkontingentes und wenn er nicht verbunden wäre mit den Erklärungen des Ministers für Nationalverteidigung im gestrigen Wehrausschuß, der, sich über alle Tatsachen des Wirtschaftslebens hinwegsetzend, von neuen Erfordernissen der Militärverwaltung, von neuen Kasernen, Exerzierplätzen, Schießplätzen usw. spricht, davon, daß die Herabsetzung der Dienstzeit die erwartete Erniedrigung der Heeresauslagen nicht nach sich ziehen wird, sondern vielmehr vielleicht eine vermehrte Inanspruchnahme erfordern werde. Herr Dr. Viškovský hat vor drei Jahren, als er noch nicht Minister für nationale Verteidigung war, in einer Versammlung im Hinblick auf die Forderungen der Arbeitslosen das Wort gesprochen, daß, wer in diesem Staate arbeiten will, überall lohnende Arbeit findet, denn es gebe bei uns hier keine Wirtschaftskrise und keine Not. Das war zu einer Zeit, da wir schon tief in der Wirtschaftskrise steckten. So sprach ein verantwortlicher Funktionär und Staatsmann angesichts der Lage, und so ähnlich spricht er auch heute, als Kriegsminister, wenn er in einem Augenblick, wo die gesamte Wirtschaft samt den Staatsfinanzen vor dem Zusammenbruch steht und der Finanzminister nicht weiß, ob er am Ersten noch wird die Gehalte auszahlen können, in einem solchen Augenblicke als Repräsentant der Wehrmacht aufsteht, neue Kasernen, neue Schießplätze, kurz und gut eine Vermehrung gewissermaßen des Heeresetats verlangt. Daß wir keine Pazifisten sind, brauche ich wohl nicht zu erwähnen, aber das Heereserfordernis muß im Einklang stehen mit der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Bevölkerung, mit ihrer Steuerkraft; und auch dann, wenn wir nicht in einer so tiefen Wirtschaftskrise stecken würden, müßten wir uns gegen derartige Anforderungen und gegen dieses Militärbudget stellen, wie wir es früher getan haben, weil ein Staat von 14 Millionen Einwohnern auch bei günstiger wirtschaftlicher Konjunktur, mit einer Bevölkerung, von der ein Teil wirtschaftlich passiv ist, wie Karpathorußland und ein Teil der Slowakei, so ähnlich wie im früheren Österreich Bosnien und Herzegowina, sich das nicht leisten kann. Ein so kleiner Staat mit 14 Millionen Einwohnern kann auch in guten Zeiten eine Belastung von jährlich etwa 3 Milliarden unmöglich auf die Dauer ertragen. Das ist einfach undenkbar, dieser militärische Geldbedarf steht in gar keinem Verhältnis zur Bevölkerungszahl, zur Größe des Staates, zur Wirtschafts- und Steuerkraft der Bevölkerung. Aber wie erst dann, wenn wir uns in einer solchen Krise befinden wie die gegenwärtige! In einer solchen Wirtschaftskrise mit neuen Anforderungen des Militarismus zu kommen, das beweist, daß die Herren auf der Regierungsbank weltfremd sind, daß sie keine Ahnung haben, in welcher Situation sich der Staat, die Wirtschaft und die gesamte Bevölkerung befinden, sonst müßten sie schon aus psychologischen Gründen für ihre Forderungen einen etwas günstigeren Zeitpunkt wählen als den gegenwärtigen.