So sieht es aus. Ich fürchte, die Not wird dem Mittelstand über dem Kopf steigen.
Meine Herren! Wir sind überzeugt
und sehen es überall, daß der Staat sich in finanzieller Not befindet.
Aber die Steuerzahler, der Mittelstand hat, u. zw. besonders bei
der Umsatzsteuer bis zum heutigen Tage geleistet, was er leisten
konnte und dem Staate gegeben, was er überhaupt geben konnte.
Ich habe vorhin erwäh t, daß bei ihm keine Absicht der Nichtzahlung
besteht, wohl aber eine Zahlungsunmöglichkeit. Durch solche Maßnahmen
aber müssen die Steuerquellen langsam aber sicher versiegen. Die
ergiebigsten Steuerquellen werden verschüttet, wenn man die Steuerschraube
allzuscharf anzieht. Man hört es heute nicht, man geht blind über
alle Klagen hinweg, steht taub der Not gegenüber und wenn man
mit Engelszungen predigen würde, würde es auch nichts nützen.
Aber die Zukunft wird es lehren und ich frage die Herren, die
dieses Gesetz mit allen Mitteln durchgesetzt haben, was sie dann
machen werden, wenn es zu spät sein wird? Woher werden dann jene
Mittel zur Verfügung gestellt werden und wer wird diese Mittel
aufbringen? Werden das die heute begünstigten Konsumvereine oder
vielleicht jemand anderer sein? Ich glaube wohl nicht! Darin liegt
die große Gefahr für jedes geordnete Staatswesen. Der Berichterstatter
Dr. Patejdl hat im Budgetausschuß erklärt, daß die Fehlbeträge
im Staatshaushalt mit dieser Steuer eigentlich noch nicht gedeckt
erscheinen und auch aus den wenigen Worten des Herrn Finanzministers
war ja zu entnehmen, daß noch weitere Maßnahmen getroffen werden
müssen. Was heißt das eigentlich? Das ist der Anfang solcher Steuermaßnahmen
und man hört und weiß ja schon, daß man mit der Biersteuer kommen
will, die wohl jetzt zurückgestellt wurde und bestimmt ein negatives
Ergebnis zeitigen würde, ferner, daß man mit der Hefesteuer kommt,
man denkt schon hinter den Kulissen an eine Fleischsteuer und
an eine Einlagensteuer auf die letzten paar Kronen, die sich so
mancher arme Teufel für seine alten Tage zurückgelegt hat und
an anderes mehr. (Posl. Horpynka: An eine Besteuerung von gebrauchtem
Klosettpapier!) Oder der Luft! Sie haben heute gehört oder
dürften es wissen, daß heute eine eindrucksvolle Demonstration
der Bäcker gegen die Hefesteuer veranstaltet wurde. Ich weiß nicht,
ob man darauf hören wird. Man geht kaltblütig und ruhig darüber
hinweg. Deswegen sage ich: unsere Gewerbetreibenden gehen keiner
schönen Zukunft entgegen und es wird die Aufgabe aller Mittelständler,
der arbeitenden Steuerzahler und der staatserhaltenden Menschen
sein müssen zusammenzustehen, die Parteipolitik zum Teufel zu
hauen und zu arbeiten für das gemeinsame Wohl und Wehe. Das wird
kommen und wenn es nicht von oben kommen wird, so wird dieser
Ruf von unten herauf erschallen und es wird sich von selbst in
die Tat umsetzen. Deshalb stehe ich unter Ablehnung dieser Vorlage
auf dem Standpunkt, daß so lange ein politisches Parteienparlament
die Gesetzgebung in der Hand hat, wo politischer Kuhhandel getrieben
wird, keine Besserung in der Wirtschaft dieses Staates und im
gesamten öffentlichen Leben eintreten wird, sondern nur in einem
Ständeparlament. Ich ersuche die maßgebenden Stellen der Regierung
und die Parteien, die heute in der Mehrheit sitzen, es sich noch
einmal reiflich zu überlegen, bevor sie ihre Stimme für die Vorlage
abgeben, denn sonst kann der Stein, den sie da ins Rollen gebracht
haben, einmal selbst auf sie zurückfallen. (Potlesk.)
Sehr verehrte Anwesende! Für den Zustand der Finanzen des Staates ist die politische Mehrheit samt der aus ihr hervorgegangenen Regierung verantwortlich. Hat schon jemand die Frage gestellt, wie es kam, daß die finanzielle Situation des Staates über alle Maßen schlecht geworden ist? Hat schon jemand aus den Reihen der Mehrheit diesen Zustand gerechtfertigt? Es ist nicht geschehen, weil ein jeder weiß, daß daran die unmögliche allgemeine Politik der Mehrheit und ihre, keiner Kritik standhaltende Wirtschaftspolitik allein schuld ist. Es kann beinahe schon als politische Stumpfheit der Wähler bezeichnet werden, daß sich die Massen, die doch im Endergebnisse die schlechte Politik aus ihren ohnehin schon beinahe leeren Taschen bezahlen müssen, dieses Spiel gefallen und sich weiter in das Elend stoßen lassen. Wenn aber die Staatsfinanzen, durch wessen Schuld immer, in Unordnung geraten sind, darf die Sanierung derselben durch Steuererhöhung nur dann in Angriff genommen werden, wenn die Privatwirtschaft sonst gesund und in Ordnung ist.
Wer kann behaupten, daß die Privatwirtschaft heute noch so leistungsfähig ist, daß sie Steuerhöhungen und insbesondere eine Erhöhung der Umsatzsteuer um 50, bzw. 100 % verträgt?
Die Umsatzsteuer wurde vor 10 Jahren als provisorische Maßregel und vorübergehend für zwei Jahre votiert. Die seinerzeitige Regierung hat ihre eigene Mehrheit bewußt betrogen weil man in Regierungskrei sen hinter den Kulissen ganz offen davon gesprochen hat, daß die Betonung des provisorischen Charakters dieser Steuer nichts anderes ist, als der sprichwörtliche Honigfaden.
Und so ist es auch gekommen, denn später hat man auch ganz offen zugestanden, daß die Staatsfinanzen ohne Umsatzsteuer überhaupt nicht im Gleichgewicht gehalten werden können. Die Umsatzsteuer verpestet also schon zehn Jahre hindurch das wirtschaftliche Leben, sie ist die bestgehaßte Steuerart, weil sie am Mark des Wirtschaftslebens zehrt, sie ist der verkörperte Steuerwucher.
Und nun geht man daran, diesen Wucher noch zu steigern. Dem wehrlosen Steuerträger wird die eiserne Ration weggenommen, obwohl heute niemand weiß, ob wir schon den Tiefstand der Wirtschaftskrise, also des Elends überschritten haben. Alle Anzeichen und Wahrzeichen deuten dahin, daß wir noch nicht die letzte Stufe des Wirtschaftselends erreicht haben. Die Banken notieren nicht mehr ihre Kurse, weil sie nicht in der Lage sind, die auf den Markt geworfenen Aktien aufzunehmen, die Nationalbank verschärft die Devisenvorschriften beinahe von Tag zu Tag, die Warenerzeugung geht ständig zurück, die Arbeitslosigkeit ist noch immer ungemein groß, das Defizit der Steuereingänge wächst so wie auch das der staatlichen Betriebe, der Export geht zurück, die Handelsbilanz ist schon für das ganze erste Vierteljahr 1932 passiv, woraus nur die einzige Folgerung gezogen werden kann, daß das Rutschen in noch weiteres Elend sich fortsetzt. Es ist unmöglich, die zerrütteten Staatsfinanzen durch Steuererhöhungen in Ordnung zu bringen, weil die Steuererhöhungen, solange die Wirtschaft nicht in eine bessere Lage kommt, nur am Papier Erfolge aufweisen werden. Die Erhöhung der Tabakpreise war ja auch nichts anderes, als eine Steuererhöhung, und man weiß schon lange, daß die Erhöhung ein leerer Schlag war. So wird es auch mit der Umsatzsteuer werden.
Die Sanierung der Staatsfinanzen kann unter den heutigen Verhältnissen nur auf dem Wege der unbarmherzigen Sparsamkeit und durch Kürzung der unnötigen und unvernünftigen oder Prestigeauslagen gesucht werden. Jeder, der nur ein wenig Wirtschaftskenntnis besitzt, hat es schon im Jahre 1929 gewußt, daß die Wirtschaftskrise mit Riesenschritten im Anmarsche ist. Die èechische Mehrheit hat in ihrer wirtschaftlichen Verblendung die Beamtengehälter erhöht, sie hat sterilen Investitionen des Herresministeriums zugestimmt und die Krone auf ihre wirtschaftliche Ignoranz damit aufgesetzt, daß sie leichtfertig einen Wirtschaftskrieg mit Ungarn provoziert hat. Aus diesen Erörterungen ergibt sich der logische Schluß, daß man vor jeder Steuererhöhung zuerst die Beamtengehälter, insbesondere in den höchsten Kategorien, abbauen soll, daß die unsinnigen Militärlasten keine Berechtigung haben und somit abgebaut werden sollten, und daß man mit dem Zähnefletschen gegenüber den Nachbarn aufhören muß, um mit ihnen in geregelte Wirtschaftsverhältnisse gelangen zu können. Also Abkehr von den bisherigen chauvinistischen Unvernünftigkeiten, Inaugurierung einer bloß auf wirtschaftlichen Erwägungen basierten Wirtschaftspolitik und Achtung der Existenzbedingungen der Wirtschaftsindividuen!
Die èechoslovakische politische Mehrheit, wie sie sich bis dato immer zusammengesetzt hat, gilt vielfach als der sprichwörtliche Glückspilz, der unverdient einen Haupttreffer gemacht hat, mit demselben hasardiert und nicht merkt, daß er dadurch zugrunde gehen muß. Diese Beurteilung trat auch unlängst durch die außerordentlich beschämenden Begleitumstände des letzten französischen 800 Millionen-Darlehens ganz klar und eindeutig zutage. Schon ganz lächerlich erscheint aber das Verhalten des Ministers für nationale Verteidigung, indem er jetzt in die Herabsetzung der Präsenzdienstzeit eingewilligt hat. Dieser Minister hat sich Jahre hindurch der Herabsetzung der aktiven Dienstzeit widersetzt, bis er eine genügende Anzahl länger dienender Unteroffiziere haben werde, was, wie er sich ausgedrückt hat, noch sehr lange dauern wird. Und plötzlich wurde die Herabsetzung der aktiven Dienstzeit Tatsache unter demselben Minister, obwohl er über die durch ihn als Vorbedingung der Herabsetzung der Dienstzeit geforderte Anzahl länger dienender Unteroffiziere nicht verfügt. Man muß sich direkt an den Kopf greifen. Entweder ist es richtig, daß die länger dienenden Unteroffiziere da sein müssen, bis die Herabsetzung der aktiven Dienstzeit möglich ist oder ist es unsinnig, und da hat dieser Minister eine so große Dosis seiner Unfähigkeit an den Tag gelegt, daß es nur in diesem Lande der unbegrenzten Unmöglichkeiten möglich ist, daß dieser Minister in seinem Amt verbleiben kann.
Alles in allem hat der Staat die Möglichkeit, die Sanierung seiner Finanzen auf dem hier bezeichneten Wege einer radikalen Sparsamkeit durchzuführen, und es wäre auch die Pflicht der Mehrheit, vorerst diesen Weg zu gehen, bevor man neue Steuern einführt oder bestehende Steuern erhöht. Natürlich ist es die Pflicht der Mehrheit, auch alles vorzukehren, um die Wirtschaftsmaschine in Schwung zu erhalten, was auch eine Neuorientierung in der allgemeinen Politik zur Voraussetzung hat. Die französische Orientation und das Festhalten an der Unveränderlichkeit der Friedensverträge hat die Republik demselben Bettelstabe nahegebracht, an welchen die besiegten Staaten schon früher gelangt sind. Heute ist es schon communis opinio in Amerika, daß ohne Revision der Friedensverträge und ohne Abrüstung Europa mit der Erlassung seiner Kriegsschulden an Amerika nicht rechnen kann. Die französische These über Abrüstung und Friedensverträge, die heute schon ganz isoliert dasteht, wird sich nicht mehr halten lassen. Wer zuletzt von ihr abrückt, der wird den schwersten Preis für seine Kurzsichtigkeit zahlen müssen. Pflicht der Lenker des Staates ist es, die Staatsbürger vor den Folgen einer Politik, die außer Frankreich niemand mag, rechtzeitig zu befreien. Ein solcher Schritt wird aber die Staatsfinanzen und die Wirtschaft mehr regenerieren, als drückende französische Darlehen, die unter den heutigen Verhältnissen nichts anderes bedeuten als Morphiuminjektionen zur zeitweisen Linderung der kaum ertragbaren Wirtschaftsleiden.
Wenn eine gründliche Regenerierung
der Wirtschaft sichergestellt sein wird, dann wird man auch Steuererhöhungen
tragen können. Heute können nur Steuerermäßigungen ertragen werden.
Die Erhöhung jeder Steuer, insbesondere aber der Umsatzsteuer,
untergräbt die Kaufkraft der ganzen Bevölkerung, sie ist somit
nicht nur antikapitalistisch, sie ist auch antisozial und schadet
in ihrer Auswirkung auch dem Staate selbst. Wenn so wichtige Gründe,
wie die, die ich angeführt habe, gegen jede Erhöhung der Steuern
sprechen, wäre es einfältig, darüber auch nur ein Wort zu verlieren,
ob die Erhöhung nicht mit einem kleineren Erhöhungsprozentsatz
ihren beabsichtigten Zweck erreichen könnte. Diejenigen, die für
die Erhöhung der Umsatzsteuer stimmen werden, erweisen einen schlechten
Dienst ihren Wählern wie auch dem Staate, denn sie helfen, den
Wurststandpunkt des Staatsbürgers zu verbreiten, wogegen eben
heute die Staatsfreudigkeit gestärkt werde sollte. Nachdem die
Gesetzesnovelle auch mit diesen moralischen Gesichtpunkten im
Widerspruch steht, lehne ich die Votierung der Vorlage namens
meiner Partei ab. (Potlesk.)