In der Textilindustrie, dem einzigen Industriezweig, in dem noch einige Arbeiter beschäftigt sind, sieht es folgendermaßen aus: In der Norddeutsche Woll- und Kammgarnspinerei in Neudek waren früher fast 5.000 Arbeiter beschäftigt, jetzt arbeiten dort verkürzt kaum 3.000. Die Arbeitsverhältnisse und insbesondere die Löhne in der N. W. u. K. spotten jeder Beschreibung. Die Rationalisierung ist auf das höchste gesteigert und die Arbeiter werden, gleichgültig ob unter Lahusen, dem die N. W. u. K. früher gehörte, oder unter der Leitungen der èechischen Beamtengruppe, die sie jetzt übernommen hat, bis aufs Blut ausgebeutet. Für die kapitalistische Ruhe und Ordnung sorgt die Gendarmerie, die sozialdemokratische Mehrheit im Betriebsausschuß und eine uniformierte Betriebspolizei.
In den Weiperter und Graslitzer Textilbetrieben ist nurmehr ein geringer Bruchteil der ehemals beschäftigten Arbeiter. Eine Reihe von Betrieben wurde vollständig stillgelegt. In Weipert gibt es sogar einen Unternehmer, der früher 120 Arbeiter beschäftigte, dann aber bankrottierte und der seit Monaten stempeln geht und nach dem Genter System Unterstützung bezieht. Ein Teil der Bevölkerung des Erzgebirges, ungefähr 4.000 bis 5.000 ging nach Sachsen arbeiten. Seit dem Anbruche der Weltwirtschaftskrise ist diese Arbeitsmöglichkeit immer spärlicher geworden, um in der letzten Zeit vollständig zu versiegen. Fast alle Sachsengänger sind zu Hause, ohne Unterstützung, der größten Not ausgeliefert. Das Hausiergewerbe liegt vollständig darnieder. Die Erzgebirgler trugen ihre Waren zwischen der Adria und der Nordsee auf dem Buckel. Die Krise sowie die Zoll- und Paßschwierigkeiten haben ihnen diesen mühevollen Erwerb genommen. Reischdorf im Preßnitzer Bezirk ist ein typischer Beweis dafür. Dort ist buchstäblich die ganze Bevölkerung ohne Erwerb, seitdem die Krise und die Zoll- und Paßschwierigkeiten ihnen die Möglichkeit, ihren Tragkorb auf den Rücken zu nehmen, genommen haben.
Die Verdienste der Erzgebirgsarbeiter waren immer äußerst niedrig. Kein Vater war in der Lage, seine Kinder mit seiner Hände Arbeit zu ernähren. Mutter und Kinder mußten mithelfen. So entstand die Heimindustrie. In 12- bis 16stündiger Arbeitszeit arbeiteten müde Frauen und Kinder vom zartesten Alter an, bei Elendslöhnen, um dem Hunger zu entrinnen. Auch die Erzeugnisse der Heimindustrie, die geklöppelten spinnwebenen Spitzen, die mühselig gestichelten Wunderwerke der Filetarbeiterinnen, Modehandschuhe, Gürtel, Handtäschchen Knöpfe, kurz eine Reihe von Dingen, die die Bourgeoisie zum Leben und Lieben, zu Flirt und Tand nötig hat, entstanden im Erzgebirge in den dumpfen Stuben, unter Sorgen und Leiden. Heute ist auch dieser Erwerbszweig zum Großteil vernichtet. Die Klöppelsäcke, die Filetrahmen, die Handwebstühle stehen verstaubt in irgendeinem Winkel. Aber dort, wo wie durch ein Wunder noch Arbeit vorhanden ist, ist der Verdienst ein solcher, daß selbst die Mitglieder der Delegation, die doch auf das Schlimmste gefaßt waren, ungläubig die Knöpfe schüttelten und erst durch Belege überzeugt werden mußten.
In Kupferberg erhält der Posamentierer Josef Purkart von Zeit zu Zeit einen Auftrag zur Lieferung von Gummigürteln. Er webt dieselben auf seinem Handwebestuhl und da er ein guter Arbeiter ist, stellt er in der Stunde einen Gürtel her. Also, bei 12stündiger Arbeitszeit 12 Gürtel. Pro Gürtel verdient er 1 Kè, er verdient also im Tag 12 Kè. Von diesen 12 Kè muß er sich aber das Material kaufen. Laut und vorgelegten Rechnungen kostet das Material für 12 Gürtel 9 Kè, so daß ihm für eine 12stündige Arbeitszeit 3 Kè, für eine Stunde also 25 Heller als Arbeitslohn bleiben. Von diesem Verdienst müssen 6 Personen, 3 Erwachsene und 3 Kinder leben. In unserem Protokoll steht trocken: "Die Lage der Familie ist sehr schlecht. Der Mann hat nicht einmal ein paar Schuhe und muß sich, wenn er ausgehen will, Schuhe von seinem Vater ausborgen." Wie diese Familie eigentlich lebt, das zu schildern bin ich nicht imstande. Von der Ernährungsaktion sind sie als Heimarbeiter ausgeschlossen. Sie hatten buchstäblich am Tage, wo wir sie besuchten, nichts mehr zum Essen zu Hause. Als wir ihnen einen geringen Betrag von der "Arbeiterhilfe" übergaben, weinte der alte Mann. "Ein Leben lang haben wir uns schlecht und recht durchgeschlagen. Wir haben schon früher manchmal gehungert, aber jetzt ist es nicht mehr zum Aushalten", erklärte er unter Tränen. Die Heimarbeiterin Amalie Kopp, Gibacht Nr. 46, die ebenfalls dank ihrer besonderen Geschicklichkeit das Glück hat, noch arbeiten zu können, war bei unserem Besuche mit Spitzenklöppeln beschäftigt. Sie klöppelte an einem großen Tischtuch, das aus vielen einzelnen Teilen besteht. Amalie Kopp arbeitet an diesem Tischtuch 5 Wochen, täglich 12 Stunden, wobei sie auch Sonntags viele Stunden mit Klöppeln zubringt. Für das Tischtuch erhält sie, wenn es vollständig fehlerlos ist, 120 Kè, davon muß sie den Zwirn kaufen, der 21 Kè kostet, sodaß ihr 91 Kè Arbeitslohn in 5 Wochen bleiben, oder pro Stunde 27 Heller. Ähnliche Verhältnisse findet man bei den Handschuhnähern und Tambourierern, bei Mützenhäcklern, kurz in der ganzen Heimindustrie. Dabei sind vier Fünftel der Heimarbeiter beschäftigungslos. Selbst wenn sie umsonst arbeiten würden, können sie ihre Erzeugnisse nicht einmal für den Materialpreis absetzen.
Laut Gesetz ist in der Èechoslovakei Kinderarbeit verboten. Wir können Dutzende Fälle von Kinderarbeit nachweisen, darunter sogar einen Fall, wo ein 11jähriger Junge der Ernährer der Familie ist. Der Junge geht bis nach Karlsbad hausieren, allerdings erklärt seine Mutter, daß er manchmal niederknien muß, um seine Ware zu verkaufen, um ein paar Kronen für seine Geschwister und Eltern zu verdienen. Beim Klöppeln und Filéarbeiten ist Kinderarbeit etwas alltägliches, genau so wie der Zwölfstundentag die normale Arbeitszeit in der Heimindustrie ist.
Die Zahl der Arbeitslosen ist phantastisch. Sogar die offiziellen Ziffern der Bezirks-Arbeitslosenvermittlungsämter - sie haben seit Jahren keine Arbeit vermittelt - der vier Bezirke Neudek, Graslitz, Joachimsthal und Weipert weisen 19.000 Arbeitslose bei einer Bevölkerung von kaum 150.000 Einwohnern aus. Nur ein geringer Bruchteil, vielleicht 15 %, erhält Unterstützung nach dem Genter System, weitere 10.000 erhalten aus der Aktion des Fürsorgeministeriums unregelmäßig 10 Kè, Verheiratete 20 Kè per Woche. Tausende gemeldeter Arbeitsloser erhalten aber nicht einmal diese Bettelunterstützung. Viele tausende Arbeitsloser, besonders der Heimarbeiter und der aus dem Auslande zurückgekehrten Arbeitslosen, sind in den amtlichen Statistiken überhaupt nicht bezeichnet. Die wirkliche Zahl der Arbeitslosen in diesen vier Bezirken dürfte mit 28.500 eher zu niedrig geschätzt sein.
Diese Arbeitslosen und ihre Angehörigen leben unter schrecklichen Verhältnissen. Ihre Hauptnahrung besteht aus Kartoffeln, schwarzem, bitterem Kaffee und Brot. Brot ist aber schon eine Seltenheit. Am 23. Feber Nachmittag 4 Uhr besuchten wir in Schmiedeberg Nr. 521 die Familie Pöschl, bestehend aus zwei Erwachsenen und 5 Kindern. Die Familie hatte an diesem Tage um 4 Uhr noch überhaupt nichts gegessen. Das ganze Einkommen für diese sieben Leute besteht aus zwei Lebensmittelkarten und einer Milchkarte pro Woche. Dieser Fall ist keine Ausnahme. Wir fanden solche Zustände im Armenhaus in Frühbuß, in Rothau, in Weipert, kurz in allen Orten, die wir besuchten. Auch in den Orten, die wir infolge Mangels an Zeit nicht besuchen konnten, berichten unsere Vertrauensmänner ähnliche, ja noch schlimmere Verhältnisse. Fleisch kennt die Mehrheit der werktätigen Bevölkerung des Erzgebirges überhaupt nicht mehr. Der Fleischer Josef Kunzmann in Frühbuß schilderte uns, daß er früher pro Woche drei bis vier Rinder schlachtete, jetzt reicht ihm eine Schlachtung für drei bis vier Wochen. Das Fleisch aus der einen Schlachtung trägt er in der ganzen Umgebung hausieren. Von einem halben Schwein, zu Weihnachten geschlachtet, hat er Ende Feber noch nicht alles abgesetzt. Dabei muß er seine Ware auf Borg oder unter dem Gestehungspreis abgeben, um überhaupt zu verkaufen und das Fleisch vor dem Verderben zu retten. Daß Kunzmann dabei meist nicht einmal das Geld zum Kauf eines neuen Stückes zusammenbringt, ist trotz niedrigstem Einkaufspreise begreiflich. Steuern und Abgaben kann der Mann nicht mehr bezahlen, so daß ihm täglich die Exekution droht. Ähnliches berichtet uns ein Bäcker in Rothau, welcher früher täglich 200 kg Mehl auf Brot verarbeitete, jetzt aber nur mehr aus 50 kg Mehl erzeugt; auch dieses Quantum muß er zum Großteil auf Borg abgeben, so daß auch er schon stark verschuldet ist.
Die Landwirtschaft bildet in diesem allgemeinen Bild des Elends keine Ausnahme. Der Boden ist ziemlich unfruchtbar und nur durch angestrengteste Arbeit bei guter Düngung ist ein halbwegs annehmbares Ernteerträgnis möglich. Durch die sinkenden Einnahmen der Arbeiterschaft kann trotz des Preissturzes aller Agrarprodukte die Bauernschaft ihre Ernteerträgnisse nicht mehr absetzen. Der Kauf von Kunstdünger ist nicht mehr möglich, die Felder beginnen zu veröden. Über diese Frage hat uns besonders der Bauer Schlosser in Gibacht, der ehemalige Bezirksvertrauensmann des Bundes der Landwirte aufgeklärt. Zum Schlusse sagte er unaufgefordert: "Für uns bedeutet der Kommunismus keinen Schrecken, sondern Erlösung. Nicht der Kommunismus wird uns enteignen, das besorgt das gegenwärtige System."
Daß unter diesen Verhältnissen der Gesundheitszustand der Bevölkerung ein schlechter ist, nimmt nicht Wunder. Überall sieht man heruntergekommene, unterernährte, sieche, kranke Menschen. Über den Sterblichkeitskoeffizienten konnten wir uns noch kein klares Bild machen, er steigt jedoch rapid. Mit besonderer Empörung muß man die ungemeine Zunahme der Kindersterblichkeit und den Zustand der Kinder überhaupt feststellen. Nach den Angaben des Sekundärarztes des Graslitzer Krankenhauses hat die Diphtherieepidemie unverhältnismäßig viel Todesopfer gefordert. Dies ist seiner Meinung nach darauf zurückzuführen, daß der Körper der Kinder infolge Unterernährung an Widerstandskraft stark eingebüßt hat, aber auch darauf, daß die Ärzte, durch Sparvorschriften gezwungen, nur zu schwache Seruminjektionen verabreichen dürfen. So mordet das bürgerlich-sozialfaszistische System im Zeitalter des Kindes die Kinder des Proletariats. Die Delegation mußte durchwegs unterernährte, tuberkulöse, rhachitische, körperlich und zum Teil auch geistig zurückgebliebene Kinder antreffen. Den krassesten Fall trafen wir bei der Familie Fischbach in Frûhbuß Nr. 199. In einem Raum von 2.5 m mal 2 m wohnen 3 Erwachsene und 5 Kinder. Der Vater ist - Bäckergehilfe und arbeitet wöchentlich zwei Tage. Der Verdienst beträgt 30 Kè. Das ist das ganze Einkommen für 8 Personen. Am 1. November vorigen Jahres starb ein 4 1/2jähriger Junge, am 5. Dezember ein 6jähriger Junge und am 10. Dezember ein lojähriges Mädchen. Wir haben uns bei Herrn Dr. Reinelt in Neudek, der als Amtsarzt bei der Totenbeschau die Todesursache feststellte, über das Sterben dieser Kinder erkundigt. Das Mädchen starb an Hinhautentzündung, die zwei anderen Kinder starben an Unterernährung, sind also verhungert. Das mußte selbst dieser bürgerlich eingestellte Arzt, der uns nicht gerne Aufklärung gab, zugeben. In dieser Familie sind noch drei Kinder vom Hungertod bedroht: ein dreijähriger Junge, der Beinchen wie der Finger eines erwachsenen Menschen hat, und Zwillinge, 4 Monate alt, die wohl zu dem Furchtbarsten von all dem Entsetzlichen gehören, was die Delegation zu sehen bekam. Ich weiß nicht, ob die beiden Zwillinge noch leben oder schon verhungert sind. "In jedem Falle einer Bauchoperation, bin ich gezwungen, als Nebendiagnose Drüsentuberkulose festzustellen", sagte uns der Primararzt des Weiperter städtischen Krankenhauses.
Im ganzen Erzgebirge gibt es nur ein Bezirkskrankenhaus in Graslitz. Auch dieses ist viel zu klein und entspricht in keiner Weise den Anforderungen moderner Heilkunde. Der Primararzt bemüht sich seit Jahren vergeblich, eine Änderung dieses Zustandes herbeizuführen. Sein Memorandum ist eine erschütternde Anklage gegen dieses ganze System. Weder in Neudek, noch in Joachimsthal, noch in Weipert gibt es Bezirkskrankenhäuser. In Neudek und Weipert gibt es lediglich ein städtisches Krankenhaus mit einer sehr beschränkten Anzahl von Betten und unzureichender ärztlicher Besetzung Die Kranken müssen bis nach Karlsbad, Komotau und Saaz zur Spitalsbehandlung überführt werden, wobei wiederholt Kranke auf dem Transport starben. Arbeitslose Kranke, die die Transportkosten nicht aufbringen, können überhaupt keine Krankenbehandlung in Anspruch nehmen.
Ich will auf die besonderen Verhältnisse der Erkrankungen der Joachimsthaler Radiumarbeiter, auf die Ausbreitung des Lungenkrebses nicht eingehen. Tatsache ist, daß bisher dagegen nichts geschehen ist.
Furchtbar sind die Wohnverhältnisse. Im Graslitzer Polizeigefängnis wohnt im Dunkelarrest seit zwei Jahren das Ehepaar Meinl. Das Mann ist arbeitsloser Schuhmacher. Dieser Dunkelarrest hat ein vergittertes Fenster in einen Schacht. Niemals kann der Raum gelüftet werden. Von den Wänden läuft das Wasser. Die Decken faulen. Die Frau ist in diesem Loch schwer erkrankt und voller Ausschlag. Das Graslitzer Lobalblatt schrieb am Tage vor unserem Besuch auf eine von der kommunistischen Gemeindevertretern erhobene Beschwerde in der Stadtvertretungssitzung, daß die Leute froh seien, diese Wohnung zu haben. Als wir der Frau diese Notiz zeigten, erlitt sie einen hysterischen Anfall. Auch im ehemaligen Schlachthof in Graslitz fanden wir Wohnverhältnisse, die gepaart mit dem Hunger direkt erschütternd sind. Im Armenhaus in Frühbuß vegetieren in fünf Räumen 35 Menschen. Ich sage ausdrücklich vegetieren, denn mir fehlt der Mut, um "leben" oder "wohnen" zu sagen. Viele Familien in Weipert und Schwaderbach schlafen trotz des strengen Winters auf dem Dachboden. Natürlich gibt es Familien, die noch besser wohnen. Sie haben sich, um dieser Wohnungsnot zu entrinnen, durch jahrelange Sparsamkeit einige Kronen zum Bau eines Häuschens vom Munde abgespart. Die meisten haben Schulden, manche bis zu 70 % des Bauwertes, machen müssen. Nun sind sie arbeitslos und können die Zinsen nicht mehr bezahlen. In Weipert sind derzeit 28 Zwangsversteigerungen von Häusern angemeldet, unter denen sich eine ganze Reihe solcher Arbeiterhäuschen befinden. Diese Arbeitslosen kommen bei einer durchgeführten Versteigerung nicht nur um ihre Ersparnisse, sondern auch um ihr Heim. Und diesen Arbeitslosen wird nach dem letzten Erlaß des Fürsorgeministers Dr. Czech die Lebensmittelkarte entzogen, weil sie Hausbesitzer sind. Das ist Wohnungs- und Arbeitslosenfürsorge in der Èechoslovakei in Reinkultur.
Meine Ausführungen stützen sich auf das Protokoll unserer Delegation, das ich jedem, der es wünscht, zur Einsichtnahme vorlege und das wir in Form einer Broschüre herausgeben werden. Zwischen den Verhältnissen in Karpathorußland und dem deutschböhmischen Erzgebirge besteht kein großer Unterschied. Vielleicht ist der einzige Unterschied nur der, daß in Karpathorußland 100% der werktätigen Bevölkerung hungern, während es im Erzgebirge erst 75% sind. Das kapitalistische System wird aber Sorge tragen, daß auch im deutschen Erzgebirge bald 100 % Hungernde erreicht sein werden. Es ist begreiflich, daß die sozialdemokratischen Führer gegen die Aufdeckung dieser unerhörten Tatsachen sind. Die sozialdemokratische Presse, der Karlsbader "Volkswille" des Herrn de Witte sowie "Der internationale Metallarbeiter", das Organ des Herrn Kaufmann, schrieben anfangs Feber anläßlich einer Auseinandersetzung zwischen ihnen und uns: "Den Kommunisten und Herrn Hadek sei es mit auf den Weg gegeben, daß sie die Hände von unserem erzgebirgischen Eisenwerksarbeitern lassen sollen, wenn sie nicht ein paar Derbe auf die Finger haben wollen". Diese Drohung, die uns übrigens umso mehr kalt läßt, als ja hinter ihr nur mehr die ohnmächtige Wut der Herren de Witte und Kaufmann, aber nicht mehr die Erzgebirgsproleten stehen, verrät uns die schlotternde Angst der sozialfaszistischen Führer Westböhmens. Die Erzgebirgsarbeiter haben schon frühzeitig den Weg des Klassenkampfes beschritten. Im Erzgebirge steht die Wiege der westböhmischen Arbeiterbewegung. Die sozialfaszistischen Führer Czech, Kaufmann, de Witte u. s. w. haben zynisch und brutal die Kampfentschlossenheit der Erzgebirgsarbeiter mißbraucht, um sich und ihre Partei regierungsfähig zu machen. Die Not der Erzgebirgsproleten, das Elend der Kinder, ihre ausgemergelten Leiber waren ihnen gerade gut genug, um sich in den Regierungskarren zu schwingen. Jetzt schickt Herr Czech den Bezirksbehörden des Erzgebirges seine Erlässe, nach denen tausende Heimarbeiter aus der Hungeraktion ausgeschaltet werden. [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 18. bøezna 1932 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] Mit Zustimmung der deutschen Regierungssozialisten wurde der staatliche Machtapparat verdoppelt, ja verdreifacht. In einem Gebiete, wo früher ein Gendarmerieposten war, sind jetzt drei. Die sozialfaszistischen Führer bedienen sich dieses Machtapparats gegen die Arbeiter, ja sogar gegen ihre derzeitigen Mitglieder. Ihre Versammlungen stehen unter Gendarmerieschutz, wie das besonders in Neudek, Rothau, Graslitz und Chodau zum Ausdruck kam. Die sozialdemokratischen Gemeindevorsteher amtieren unterGendarmeriebajonetten, die rücksichtslos gegen hungernde Arbeitslose eingesetzt werden. Mit Zustimmung der sozialfaszistischen Führer wurde die Finanzwache verdoppelt, damit ja kein Arbeiter imstande ist, sich über die benachbarte Grenze billige Lebensmittel zu holen. Der Fall des erschossenen schwerhörigen Arbeitslosen Bauer in Schwaderbach, der beim Überschreiten der Grenze von einem Finanzorgan aus 50 Meter Entfernung erschossen wurde, ist ein typisches Beispiel für das Wüten des staatliches Machtapparats unter Zustimmung der deutschen Regierungssozialisten. Und wenn sich die Hungernden des Erzgebirges in Versammlungen zusammenfinden, wenn sie beraten, wie dem Elend gesteuert werden könnte, werden die Versammlungen brutal auseinandergetrieben, [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 18. bøezna 1932 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] Zur Unterstützung des staatlichen Machtapparats haben die deutschen Sozialdemokraten eine Organisation, die Rote Wehr, im Volksmunde Regierungswehr genannt, geschaffen. Zu wiederholtenmalen wurde diese Organisation in den Kampf gegen die Arbeiter gestellt. Ich brauche nur an den 21. Feber in Graslitz zu erinnern, wo diese Rote Wehr ganz offiziell den Dienst der Gendarmerie übernahm und Arbeitslose blutig schlug. Während jede proletarische Selbstschutzorganisation rücksichtslos aufgelöst und ihre proletarischen Mitglieder von der Klassenjustiz des Herrn Meissner verurteilt werden, rüstet sich diese sozialfaszistische Regierungsgarde mit Totschlägern, Pendreks und Revolvern aus. Die Arbeitermitglieder der Roten Wehr werden sich von den sozialfaszistischen Führern nicht auf die Dauer gegen ihre Klassengenossen mißbrauchen lassen. Sie werden gemeinsam mit der großen Masse des werktätigen Volkes in der Einheitsfront den Kampf gegen dieses Hungersystem und gegen ihre derzeitigen verräterischen Führer aufnehmen. Eine Reihe von ehemaligen Mitgliedern der Roten Wehr hat bereits den Weg zur Klassenfront gefunden. Wir begrüßen diese Mitkämpfer und rufen dem letzten Arbeiter in der Roten Wehr zu, diesem Beispiel Folge zu leisten.
Immer offensichtlicher wird der reaktionäre Charakter der sozialdemokratischen Führer. Je mehr Gefahr dem kapitalistischen System droht, umso eifriger sind sie, seine getreuesten Stützen, die Sozialfaszisten um seinen Schutz besorgt und umso rücksichtsloser treten sie für den Weiterbestand des kapitalistischen Systems auf Kosten der breiten Massen der Bevölkerung ein. Die Stillegung der erzgebirgischen Eisenwerke in Rothau, Schindelwald und Neudek im Interesse des Berg- und Hüttenkapitals, im Interesse der Živnostenská banka ist deshalb möglich gewesen, weil die sozialfaszistischen Führer, vor allem Herr Kaufmann, ihren damaligen Einfluß zur Beschwichtigung der Arbeiter, ja sogar zur Organisierung des Streiksbruches verwendet haben. Die Zoll- und Handelspolitik, die der erzgebirgischen Bevölkerung und darüber hinaus dem ganzen deutschen Gebiet Elend und Not bringt, wird von den deutschen Sozialdemokraten mit beschlossen, vertreten und durchgeführt. Die Niederhaltung der hungernden Volksmassen im Erzgebirge und im ganzen deutschen Gebiet durch ideologische Irreführung und wenn diese Mittel versagen, durch den staatlichen Machtapparat unter tatkräftigster Unterstützung der sozialdemokratischen Knüppelgarden ist das Programm der deutschen Regierungssozialfaszisten.
Die gleiche Rolle wie die deutschen Regierungssozialisten spielen im Interesse der Kapitalisten die deutschen Nationalsozialisten, die Hakenkreuzler. Ihre Bemühungen, unter der werktätigen Bevölkerung Einfluß zu gewinnen, entsprechen klar dem Interesse der Kapitalisten. Die Kapitalisten erkennen, daß ihre Hauptstütze unter der deutschen werktätigen Bevölkerung, die deutschen Sozialfaszisten, ihren Einfluß verlieren, Bankerott machen, daß sich die werktätigen Massen von Ihnen abwenden. Deshalb schicken sie ihre letzte Reserve, die Faszisten, vor, die mit nationalistischer und sozialer Demagogie die unzufriedenen Proletarier, Kleingewerbetreibenden und Bauern neuerlich in den Karren des Kapitalismus spannen sollen. Im Erzgebirge selbst haben die Hakenkreuzler trotz der größten Förderung, die ihnen Unternehmer und Staatsapparat zukommen lassen, keinen Erfolg. Die Erzgebirgsbevölkerung hat insbesondere an dem Beispiele Schwaderbach, wo Hakenkreuzler gegen Vertrauensmänner der Arbeiterklasse mit Mordwerkzeugen vorgingen, gelernt, die Hakenkreuzler als das einzuschätzen, was sie wirklich sind: Faszisten, bereit, mit allen brutalen Methoden den Kapitalismus, die Bourgeoisie zu schützen.
Zu dieser Erkenntnis, daß die èechoslovakischen Hakenkreuzler eine Partei der Bourgeoisie sind, tragen besonders die letzten Vorfälle in den Studentenkreisen des "Volkssport" bei. Vielleicht haben mangels ungenügender Aufklärung und auf Grund des Milieus, das sie umgab und aus dem sie herauswuchsen, diese Studenten wirklich ernst an die nationalistische Phraseologie, an deutsche Treue, Kameradschaft u. s. w., geglaubt. Die Methode, wie sie von ihren Führern in der Stunde der Gefahr im Stiche gelassen wurden, hat ihnen die Augen geöffnet. Diese jungen, von der Bourgeoisie und ihren Helfern mißbrauchten Studenten, die jetzt in den verschiedenen Kreisgerichten des Staates sitzen und denen in kurzer Zeit der Prozeß gemacht werden soll, werden aus dieser Entwicklung sicher die Lehre ziehen, daß ihr Platz im Kampfe um das Selbstbestimmungsrecht nicht an der Seite der Führer des Hakenkreuzes und damit der deutschen und èechischen Bourgeoisie, sondern an der Seite des klassenbewußten kämpfenden Proletariates ist. Die Art, wie die Führer der nationalsozialistischen Partei diese Studenten im Stiche gelassen haben, steht einzig da. Die Führer der Hakenkreuzler haben bis heute kein einziges ernsthaftes Mittel unternommen, wodurch den Studenten, den Funktionären des "Volkssport", geholfen werden könnte. Im Gegenteil, sie haben sich in ihrer Presse und durch die Rede des Herrn Jung im Parlamente scharf von den Studenten, von den Mitgliedern des "Volkssport", abgegrenzt. Abg. Jung geht sogar so weit, daß er die Zugehörigkeit der Verhafteten zur nationalsozialistischen Partei ganz offiziell ableugnet. Das ist das offene Bekenntnis des Verrates dieser jungen, verführten Leute und ihrer Auslieferung an den Staatsapparat.
Das ist kein Zufall. Das ist bedingt durch die Tatsache, daß die Führer der Hakenkreuzler mit der Bourgeoisie dieses Staates im besten Einvernehmen leben wollen, weil sie froh sind, daß ihnen die Bourgeoisie die Sorge um diese nationalsozialistischen Elemente, die ihre unwahren Phrasen wirklich ernst genommen haben, abgenommen hat. Die Bourgeoisie dieses Staates befindet sich in einer gefährlichen Situation, die ihr nicht mehr erlaubt, irgend einer ihrer Parteien Extravaganzen zu gestatten. Deshalb werden auch die èechoslovakischen Hakenkreuzler mit Zustimmung der Führer durch derartige Maßnahmen an der Stange gehalten. Aber genau so wie die österreichische Monarchie ihren Zusammenbruch durch den Omladina-Prozeß nicht aufhalten konnte, werden die jetzigen Gewaltmaßnahmen der Bourgeoisie nicht imstande sein, den Zusammenbruch, den Sturz dieses Systems aufzuhalten. Die verhafteten Studenten, die Funktionäre des "Volkssport", werden den Weg gehen, den ihnen Leutnant Scheringer gewiesen, der ebenso wie sie von ihrem Führer, von Hitler im Stich gelassen, verraten wurde: sie werden zur Roten Klassenfront stoßen. Sie werden Seite an Seite mit dem revolutionären Proletariat für die Befreiung des deutschen werktätigen Volkes nicht nur von nationaler, sondern auch von sozialer Unterdrückung kämpfen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr Lukavský.)
Mit der Beseitigung aller Unterdrückungsformen der Bourgeoisie werden auch die wirtschaftlichen und politischen Forderungen der armen Studenten restlos erfüllt. Die Bourgeoisie verschärft ihren Druck auf allen Gebieten, auch auf dem Gebiete der Schulen. Insbesondere auf den Hochschulen will sie ihr unbeschränktes Monopol für die Klasse der Besitzenden ausbauen und festigen. Die Regierungsverordnung des Herrn Dérer vom 11. Dezember 1931, Z. 198, die bei ihrer Durchführung, wie sich jetzt auf der Brünner deutschen technischen Hochschule zeigt, eine ungeheuere Verschlechterung der Lage der armen Studenten nach sich zieht, ist ein neuer Beweis für die Absichten der Bourgeoisie. Die Brünner Studenten der deutschen technischen Hochschule haben sich gegen diesen unerhörten Anschlag in einheitlicher Front zur Wehr gesetzt. Sie erklären offen ihre Streikbereitschaft. Diese Einheitsfront muß dadurch verstärkt werden, daß sich die Studenten ohne Unterschied der Parteirichtung, ihrer nationalen oder religiösen Zugehörigkeit zur Abwehr zusammenschließen. Das, was heute den Studenten der Brünner deutschen technischen Hochschule droht, droht morgen schon den Studenten der übrigen Hochschulen, auch den armen èechischen Studenten. Es handelt sich bei dieser Regierungsverordnung nicht nur um einen Angriff gegen die deutschen Studenten der Brünner technischen Hochschule, dieser Angriff gilt allen armen unbemittelten Studenten aller Nationen. Die kommunistische Partei stellt sich voll und ganz hinter die Forderungen der armen Studenten und wird sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln vertreten. Die kommunistische Partei ruft die ges amte Arbeite klasse auf, für die Rechte und Forderungen der werktätigen Studentenschaft einzutreten. Im gemeinsamen Kampfe aller werktätigen Schichten werden die Forderungen der Studentenschaft verwirklicht werden.
Die Tätigkeit der deutschen bürgerlichen Parteien besteht darin, den Hunger der Massen zu steigern. Der Bund der Landwirte tut im Erzgebirge in dieser Richtung Spezielles. Er sorgt dafür, daß die seinen Wirtschaftsorganisationen angeschlossenen Kleinbauern möglichst bald um ihre Scholle, um ihr Hab und Gut kommen. Er würde zu weit führen, wenn wir die Praktiken des Bundes der Landwirte in den Lagerhäusern, in den Bezirks- und Gemeindevertretungen anführen würden. Daß aber auch die Bauern beginnen, ihre Einstellung zu ändern, beweist uns der Ausspruch des schon vorher erwähnten Bauern Schlosser in Gibacht, der sagte: "Für uns bedeutet die Verwirklichung des Kommunismus kein Schreckgespenst mehr, sondern Erlösung."
So steht das gesamte kapitalistische System dem Untergang des fleißigen, arbeitswilligen und geschickten werktätigen Volkes im Erzgebirge zum Teil ohnmächtig und passiv, zum Teil direkt fördernd gegenüber. Wenn aber dieses Volk zum Kampfe um die Verhinderung und Vernichtung aufsteht, dann entfaltet dieses System mit seinen Parteien eine außerordentliche Lebendigkeit, um diesen Kampf zu sabotieren, zu isolieren, ihn unmöglich zu machen und letzten Endes ihn niederzuschlagen.
Nur die kommunistische Partei steht an der Seite der hungernden Erzgebirgsbevölkerung. Sie ist Verkünderin der Not, Helferin in den allerdringendsten Fällen und Führerin im Kampfe. Der Abgeordnetenklub der kommunistischen Partei unterbreitet dem Parlament fünf Anträge, durch die, wenn schon nicht alle Not, so doch die unmittelbare Gefahr des Verhungerns vom Erzgebirge ferngehalten würde. Wir fordern in erster Linie die sofortige Beistellung von 10 Millionen Kè zum Ankauf von Mehl, Zucker, Fett, Hülsenfrüchten, Kleidern und Schuhen für die hungernden arbeitslosen Heimarbeiter, Kurzarbeiter, Kleingewerbetreibenden und armen Bauern des Erzgebirges. Diesen Antrag weiter zu begründen halte ich für unnötig. Meine vorhergehenden Ausführungen beweisen zur Genüge, daß diese 10 Millionen Kè keine übertriebene oder, wie die Sozialfascisten so gerne behaupten, demagogische Forderung sind. Bei der Forderung nach 10 Millionen Kè lassen wir uns auch von dem Gedanken leiten, daß dieser Betrag sofort flüssig gemacht werden kann. Wenn jedoch das kapitalistische System, der Staat und die Regierung, so bankerott ist, daß selbst diese 10 Millionen Kè zur Steuerung der größten Not im Erzgebirge nicht zur Verfügung gestellt werden können, werden die breiten Massen der arbeitenden Bevölkerung einen neuen Beweis erhalten, daß sie sich vorbereiten müssen, endlich dieses System des Hungers zu stürzen.