Meine Damen und Herren! Die zur Verhandlung stehenden Vorlagen der Tagesordnung können wie alle anderen in der nänächsten Zeit zur Verhandlung gelangenden Handelsabkommen nur als Flickwerk bezeichnet werden, da die èechoslovakische Handelspolitik sich über alle natürlichen Gegebenheiten ihrer zentralen wirtschaftspolitischen Lage hinwegsetzt und sich nur einseitig den von Paris erteilten politischen Weisungen unterordnet. Zahlreiche Volkswirtschaftler von Weltruf mit dem Engländer Keynes an der Spitze haben seit mehr als einem Jahrzehnt in dieser Richtung tauben Ohren gepredigt, als sie unter Hinweis auf die weltwirtschaftliche Verflechtung der Handelsbeziehungen aller Staaten auf die einseitige Aufrechterhaltung der Deutschland auferlegten Kriegstribute und auf die Auswirkungen dieser Kriegstribute auf die gesamte Weltwirtschaft hinwiesen.
Heute muß es doch jedem einzelnen klar sein, daß eine Fortsetzung dieser Politik naturnotwendig zum wirtschaftlichen Zusammenbruch führen mußte, und heute stehen wir inmitten dieses wirtschaftlichen Zus ammenbruches. Die französischen Staatsmänner glauben aber trotzdem, gestützt auf Polen und die kleine Entente, besser gesagt gestützt auf die 6 bis 8 Millionen Bajonettspitzen, die dieser Staatenbund vorstellt, von ihrer Politik, die eine dauernde Versklavung des deutschen Volkes in Mitteleuropa zum Ziele hat, nicht ablassen zu können. Keynes hat erst am 8. Jänner d. J. Englands Stellung zu den Auswirkungen dieses Tributsystems mit den Worten gekennzeichnet, kein verantwortlicher Mann in England wünschte heute noch eine Fortsetzung von Reparations- oder Kriegsschuldenzahlungen in irgendeiner Form. Ganz England trete uneingeschränkt für eine volle Aufhebung ein. Man habe erkannt, daß das System dieser Zahlungen ein unheilvoller Irrtum gewesen sei.
In diesem Zusammenhange möchte ich noch darauf hinweisen, daß Deutschland seit Kriegsschluß ohne Einrechnung des Wertes dar Kolonialgebiete, ohne Einrechnung der furchtbaren wirtschaftlichen Auswirkungen, die die Schaffung des polnischen Korridors für die gesamte deutsche Wirtschaft und für die gesamte Bevölkerung zur Folge hatte, auf das Reparationskonto, besser gesagt auf das Kriegstributkonto bisher 67 Milliarden Reichsmark abgeführt hat. Der bekannte amerikanische Senator Borah hat aufgrund dieses tatsächlichen Sachverhaltes vor ungefähr Monatsfrist auf die Auswirkungen hingewiesen, daß Deutschlands Reparationszahlungen bezw. die Frankreich hievon zufallenden 52% schon bedeutend, sogar nach eigenen Schätzungen Frankreichs, Frankreichs Kriegsschäden übertroffen haben.
Wer aufmerksam die französische Politik verfolgt, hat schon lange erkennen müssen, daß es Frankreich nicht um den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete, nicht um die Erh altung der Weltwirtschaft, sondern einzig und allein um die Verhinderung eines Wiederaufstieges Deutschlands zu tun ist. Um diesen seinen Willen durchzusetzen hat sich auch Frankreich nicht gescheut, gegen das englische Pfund, sogar gegen den Dollar anzurennen. Bis jetzt hat sich der von Frankreich erwartete Erfolg eingestellt, mit der bedauerlichen Folge einer teilweisen Lahmlegung des englischen Einflusses, der bekanntlich sich bereits in der Richtung auszuwirken bereit zeigte, Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung der Weltwirtschaft, für eine gesunde Regelung des Tributsystems herbeizuführen.
Der Erfolg der französischen Politik, alle diese vernünftigen Regelungen in ihren Auswirkungen zu unterminieren, hat eben dazu geführt, daß wir heute auf einem wirtschaftlichen Trümmerhaufen stehen, was sich nicht nur in einem ständigen Anwachsen der Riesenziffern der Arbeitslosenheere verkörpert, sondern neben den schweren materiellen Einbussen auch solche moralische Folgen zeitigt, daß nicht mit Unrecht die Beherrscher des Moskauer Kreml Morgenluft wittern. Der Versuch der Verwirklichung der auf der Genfer Weltwirtschaftskonferenz als notwendig erkannten Grundlinien für eine Neuordn ung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Welt, und vor allem in Mitteleuropa, haben ja dazu geführt, daß von deutschen und deutschösterreichischen Staatsmännern die Zusammenfassung des mitteleuropäischen Wirtschaftsraumes im Rahmen einer Zollunion geplant wurde, der alle Staaten unter den gleichen Bedingungen hätten beitreten können. Diese geplante Zollunion, die allein einen Ausweg aus den katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnissen ermöglicht hätte, ist bekanntlich dem französisch-èechischen Anstu rm zum Opfer gefallen. Die französische Politik duldet eben keine Gesundung der Verhältnisse, weil sie ein Abbröckeln ihrer Hegemoniestellung in Europa befürchtet. Frankrei ch und seine Trabanten wissen, daß nur diese auf einen übermächtigen Militarismus aufgebaute Hegemoniestellung die Unantastbarkeit der ungerechten und unsinnigen Bestimmungen des Versailler Vertragssystems ermöglicht. Es sind also jene Staatsmänner, die zwar täglich von der Notwendigkeit der Sicherung der heiligen Rechte, die in diesem Versailler Haß- und Vernichtungswerk wurzeln, sprechen, weil sie wissen, daß eine auf völliger Gleichberechtigung der Völker erfolgte Revision der Pariser Vororteverträge den französischen Staatenbund zwingen würde, die Raubanteile von 1919 wieder freizugeben, weil eine solche gerechte Revision, durchgeführt auf der Grundlage des natürlichen Rechtes der Selbstbestimmung der Völker, dem bisherigen Ausbeutungssystem anderssprachiger Volksteile ein Ende bereiten würde. Es erscheint fast überflüssig, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß gerade der deutschösterreichische Zollunionsplan deshalb mit solch er Schärfe bekämpft wurde, weil man darin eine natürliche und vernünftige Grundlage des wirtschaftlichen Wiederaufbaues Mitteleuropas erblickt hat, der naturgemäß von einer Erstarkung des deutschen Volkes begleitet gewesen wäre. Gerade wegen der letzteren Auswirkung ist ja Frankreich an der Spitze der Ententestaaten gegen diesen Plan sturmgelaufen. Es ist bezeichnend, daß der gleiche Dr. Beneš, der alles mögliche zum Beweise der Zweckmäßigkeit der Bekämpfung von dieser Stelle vorgebracht hat, heute einsieht, daß tatsächlich eine Fortsetzung des bisherigen wirtschaftlichen Systems in Mitteleuropa, die Zerreißung in so viel Zollgebiete, undurchführbar und unmöglich ist, und er geht nunmehr daran, auf dem Wege der Schaffung einer Donauföderation ebenfalls einen Staatenblock zusammenzuschließen, u. zw. auf politischer Grundlage, die den wirtschaftlichen Gegebenheiten vollständig widersprechend ist und deshalb auch niemals zum angestrebten Ziele einer Wiedergesundung Mitteleuropas führen kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich kurz darauf hinweisen, daß es geradezu an Wahnsinn grenzt, zu glauben, daß die Zusammenfassung im Rahmen einer Donauföderation Rumäniens, Südslaviens und Ungarns einerseits und Deutschösterreichs und der Èechoslovakei andererseits, wie er es plant, zu einer Gesundung führen könnte und insbesondere die Frage der landwirtschaftlichen Überschüsse der vorgenannten drei Agrarstaaten lösen könnte. Man muß sich doch vor Augen halten, daß der Überschuß dieser drei Agrarstaaten allein in einem Jahre 42 Millionen Meterzentner Getreide beträgt, und daß diese Getreidemengen im anderen Teile, Deutschösterreich und Èechoslovakei, niemals Aufnahme finden könnten, ohne die Landwirtschaft dieser Länder vollständig zu erschlagen. Der èechische Außenminister Dr. Beneš hat sich aber trotzdem, wie wir alle wissen, mit Stolz seines Anteiles an der Vernichtung des Zollunionsplanes gebrüstet. Es muß aber als eine Sünde wider die Natur bezeichnet werden, daß sich sogar sudetendeutsche Politiker gefunden haben, die entgegen der Einstellung erfahrener Wirtschaftsführer ihrer eigenen Partei sich sogar als Popanz für die Niederknüppelung des den einzigen Ausweg bildenden Zollunionsplanes mißbrauchen ließen.
Die Agrarwirtschaft in den vorhin genannten drei Agrarstaaten liegt bekanntlich vollständig darnieder und als weitere Folge davon auch deren Staatswirtschaft, die nur noch künstlich durch französische Anleihen aufrecht erhalten werden kann. Dr. Beneš hat vor knapp Halbjahresfrist noch frohlockend der aufhorchenden Welt verkündet, daß die Krise vor allem in der Èechoslovakei dank seiner Politik dem Ende nahe sei, und heute schon sehen wir auch die Èechoslovakei in der Reihe der Anleihewerber, sind wir Zeugen dessen, daß das Arbeitslosenheer in diesem Staate bereits 1/2 Million überschritten hat. Wir erleben daher nicht nur im Rahmen der Èechoslovakei, sondern weit darüber hinaus, das gigantische, in seinen Auswirkungen erschütternde Schauspiel, daß einerseits der Arbeitslosenstand zunimmt, die Beamtengehälter und die Arbeiterlöhne systematisch herabgesetzt werden, daß die Steuern erhöht werden, daß also der Lebensstandart der gesamten schaffenden Bevölkerung dieser Staaten herabgesetzt wird, während gleichzeitig auf der anderen Seite das Milliardenbudget für den Militarismus unangetastet bleibt, ja seine ungeschmälerte Aufrechterhaltung mit Hilfe französischer Anleihen unter gleichzeitiger Einflußnahme der Kriegsindustrie dieser Länder, allen voran des Schneider-Creusot-Konzerns, sichergestellt wird.
Es ist daher unerklärlich, wie bei diesen doch offen zutage tretenden Zusammenhängen ein Teil der deutschen Opposition hierzulande der Regierung anläßlich der Abstimmung über die französische Anleihe dieses weitgehende Vertrauen entgegenbringen konnte. [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 4. února 1932 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz tìsnopiseckou zprávu o 168. schùzi posl. snìmovny.] Wir alle wissen ja und waren Zeugen dessen, daß Dr. Beneš ständig als Friedensengel in der Welt herumgeschwirrt ist, ja sogar erstrebt hat, Vorsitzender der Abrüstungskommission zu werden, obwohl ja gerade seinen Bemühungen und den Bemühungen der Regierung, der er seit Bestand dieses Staates ununterbrochen angehört hat, zu verdanken ist, daß die Kriegsindustrie in der Èechoslovakei einen so gewaltigen Aufschwung genommen hat. Denn bekanntlich haben die Škodawerke und die mit den Škodawerken sagen wir in bestimmter Verbindung stehenden Werke wie die Aviafabrik, die Brünner Waffenfabrik, die Èeskomoravská-Kolben-Danìk in engster Zusammenarbeit die Belieferung von ganz Ost-Europa und bekanntlich auch zum Teile des Fernen Ostens mit Waffen durchgeführt. In Zahlen ließe sich dies ungefähr so ausdrücken, daß die höchste Beschäftigung der Škodawerke zu Kriegsschluß rund 31.000 Arbeiter betrug, während in der Zeit der Konjunktur unter den Fitichen Beneš in dieser Fabrik 39.000 Arbeiter Beschäftigung fanden.
Wir sehen also, daß Dr. Beneš zwar systematisch von der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Friedensgrundlage, von der Notwendigkeit der Abrüstung gesprochen hat, während auf der anderen Seite mit Hilfe von Staatsgeldern die Waffenfabriken in der Èechoslovakei so weit ausgebaut wurden, daß sie nicht nur imstande waren, den ganzen Waffenbedarf der èechoslovakischen Armee abzudecken, sondern auch Südslavien, Rumänien und zum Teil den Fernen Osten mit Waffen zu versorgen. Diese Tatsache ist eigentlich viel zu wenig in der Öffentlichkeit beleuchtet worden, denn sie beweist ja, wie wenig ernst es Dr. Beneš um die Abrüstung zu tun ist, deren Notwendigkeit er mit schönen Worten immer verkündete, während er nicht nur ruhig zusah, sondern auf Gru nd des von ihm abgeschlossenen militärischen Geheimvertrages mit Frankreich dazu beitrug, daß eben diese Riesenwaffenfabriken und Arsenale in der Èechoslovakei erstanden sind.
Wir erleben es in den letzten Jahren und besonders Monaten, daß der französische finanzielle Einfluß sich in erster Linie wirksam zeigt, u. zw. in der Richtung, daß man nach dem Zerschlagen des Zollunionsplanes daran ging, den Staaten, denen man auf wirtschaftlichem Gebiete nichts Vollwertiges als Ersatz bieten kann, nunmehr Gold zu bieten, aber nur so viel, als notwendig ist, um die Aufrüstung in diesen Vasallenstaaten in gleichem Maße weiterzuführen. Umso unbegreiflicher ist es, wenn sich sogar eine deutsche oppositionelle Partei findet, die bei diesem Sachverhalt der Regierung anläßlich der Abstimmung über die Frankenanleihe das Vertrauen zum Ausdruck bringt.
Es ist aber auch bezeichnend, daß zwar das Hauptorgan einer deutschen Regierungspartei, und zwar die "Deutsche Landpost" sich manchmal bemüßigt fühlt, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß die bisherige deutsche Regierungspolitik erfolglos war; ja man hat sich, es war im November v. J., sogar zu der Drohung verstiegen, daß man bei Fortsetzung des bisherigen Systems genötigt sein werde, ein Exempel zu statuieren, und hat darauf hingewiesen, daß es ein recht gefährliches Spiel sei, denn eine Regierung ohne Deutsche würde bedeuten, daß der Versuch einer deutsch-èechischen Zusammenarbeit gescheitert sei und daß dann die deutsche Politik genötigt wäre, diesen Gedanken endgiltig zu begraben. Es ist nur zu bedauern, daß die Führer der deutschen Regierungspolitik noch nicht den Mut besessen haben, aus dieser Androhung auch den entsprechenden Rückschluß zu ziehen, und daß wir bisher immer feststellen müssen, daß die èechischen Staatsmänner immer wieder mit Erfolg an die Geduld der deutschen Regierungsführer appellieren konnten, u. zw. trotz der rücksichtslosen Fortsetzung der bisherigen Entnationalisierungsp olitik. Heute muß schon der loyalste deutsche Regierungspolitiker zugeben, daß die Mitregierung vollständig wertlos war und daß es nicht einmal gelungen ist, die Anerkennung der Bestimmug der Minderheitsschutzverträge zu erreichen. Die Durchführung der Bodenreform, die Sprachgesetzgebung, die Verdrängung des deutschen Elements aus dem Staatsdienst und bei den Staatsbetrieben, die Praktiken bei der Vergebung von Staatslieferungen haben sich, ungehindert durch die deutschen Regierungsparteien, zu einer solch ungeheueren Schädigung des Sudetendeutschtums ausgewachsen, daß meines Erachtens die deutsche Regierungsgeduld schon längst ihr Ende hätte finden müssen. Ja, ich glaube, es ist höchste Zeit, daß dem gerade in den letzten Wochen mit verstärkter Kraft einsetzenden neuen Verfolgungssystem auf allen Gebieten entgegentreten wird. Ich verweise nur auf die verschiedenen Sprachenerlässe, sowie auf die künstliche Züchtung von Spionageaffären, die dazu geführt haben, daß unschuldige Menschen nicht nur wochen, sondern monatelang in Untersuchungshaft gehalten werden. Es ist geradezu unglaublich, daß unter Mitverantwortung der deutschen Parteien es möglich ist, daß z. B. einer dieser Untersuchungshäftlinge schon fast ein halbes Jahr im Untersuchungsgefängnis schmachtet, ohne daß sie in Erfahrung bringen konnten, warum sie eigentlich in Untersuchungshaft sitzen. Ich glaube, es ist das primitivste Recht eines jeden Staatsbürgers, zu fordern, wenn man schon gegen ihn Verdacht äußert und über ihn die Untersuchungshaft verhängt, daß er auch erfährt, in welcher Richtung sich der Verdacht bewegt, also warum er in Untersuchungshaft gezogen wird. Es ist höchste Zeit, daß sich endlich die gesamte sudetendeutsche parlamentarische Delegation zu einer einheitlichen geschlossenen Abwehrfront gegen alle diese Verfolgungsmaßnahmen zusammenschließt.
Zusammenfassend möchte ich darauf hinweisen, daß die èechische Innenpolitik seit Bestand dieses Staates, ungehindert durch die deutsche Regierungsteilnahme, systematisch an der Niederknüppelung der diesem Staat gewaltsam eingegliederten fremdsprachigen Volksteile arbeitet und sich dasselbe Rezept zurechtgelegt hat, wie Frankreich für seine ganze Europapolitik, fussend auf der Losung: Alle Bestrebungen sind nur darauf zu richten, die Machtdiktate des Jahres 1919 zur dauernden Niederhaltung des deutschen Volkes und der abgetrennten deutschen Volksteile zu benützen. Der Vergleich, betreffend die Handhabung der èechischen Innenpolitik mit der französichen Kontinentalpolitik gilt selbstverständlich auch für alle anderen im Osten und Südosten neu erstandenen Staaten in Bezug auf die Behandlung der ihnen widerrechtlich gewaltsam zugeteilten anderssprachigen Volksteile. In Kenntnis dieser Sachlage ist es meines Erachtens Pflicht des Sudetendeutschtums, als der neben den Ukrainern größten durch Zwangsgrenzen abgetrennten volklichen Minderheit, den Fragen der Außenpolitik und der gesamten europäischen und Weltpolitik größeres Augenmerk zuzuwenden als bisher. Solange man das durch 14 Jahre dem deutschen Volke zugefügte Unrecht nicht in seinen wirtschaftlichen Bestrebungen zu spüren bekam, schlief das sogennante Europa- und Weltgewissen. Heute aber, wo die systematische und brutale Aussaugung des deutschen Wirtschaftsmarks die Grundfesten der gesamten Wirtschaft erschüttert hat und die weitere zwangsweise Eintreibung der deutschen Tributmilliarden zum vollständigen Zusammenbruch der Weltwirtschaft führen müßte, sehen wir etwas wie ein Regen des sogenannten Weltgewissens. Die Unmöglichkeit für Deutschland weitere Tribute zu zahlen, ist in diesem Zusammenhang von den Wirtschaftssachverständigen der Welt anerkannt. Nur die französischen Staatsmänner sind nicht gewillt, ihr wahres politisches Ziel, die Unterjochung des deutschen Volkes, preiszugeben und nur aus diesem Grunde wurde die Lausanner Konferenz unmöglich gemacht und sind alle Bestrebungen der französischen Staatsmänner und der Staatsmänner der angegliederten Vasallenstaaten dahin gerichtet, die Abrüstungskonferenz zu sabotieren. In derselben Stunde, in der wir hier versammelt sind, sehen wir in Genf die Vertreter von 64 Staaten zu einer Konferenz vereinigt, die sich Abrüstungskonferenz nennt. Welcher Geist in dieser Abrüstungskonferenz vorherrscht, bzw. von Frankreich geführt, sich dort Durchbruch zu verschaffen weiß, ist am augenscheinlichsten dadurch zu kennzeichnen, wenn man die Vorbereitungen der èechischen Regierung zu dieser Abrüstungskonferenz gewissermaßen einer Durchsicht unterzieht. Es muß zwar anerkannt werden, daß der Vorsitzende der Abrüstungskonferenz Henderson in seiner Eröffnungsrede sich nicht gescheut hatt, offen die Sonde an die Eiterbeule des Versailler Systems zu legen, indem er in seinem Einleitungsworten gegen den Widerstand des Generalsekretärs des Völkerbunds, entgegen der französischen These und damit der èechischen These: zuerst Sicherheit, dann Abrüstung, feierlich erklärt hat: "Sicherheit kann nicht durch Rüstungen, sondern nur durch eine wesentliche Abrüstung erreicht werden, die Rüstungen sind es, die das internationale Leben vergiften und die schwerste Bedrohung des Friedens, der Sicherheit darstellen. In Freiheit kann ein Volk nur leben, wenn es ohne Furcht vor Ungerechtigkeit und Angriffen leben kann und wenn es das gleiche Recht genießt, das allen Mitgliedern des Völkerbunds zukommt." Henderson hat mit diesen Worten schlagend die Haltlosigkeit der Beneš'schen und französischen Theorie nachgewiesen und es ist bezeichnend, daß man auf der einen Seite sehr gerne die englische Arbeiterpartei mit ihren Führern preist und auf der anderen Seite an der Macht in einem Staate verantwortlich teilnimmt, dessen Regierung den gegenteiligen Ansichten in der Richtung der Abrüstung vertritt. Meine Herren, am vergangenen Donnerstag konnte man anläßlich der Wehrausschußsitzung Zeuge sein, welche Auffassungen die Regierungsparteien hegen. Es waren vor allem die Ausführungen des ehemaligen Legionärmajors Špaèek, welcher mit aller Offenheit die wahren Ziele der èechoslovakischen Abrüstungspolitik, ohne Widerspruch beim anwesenden Heeresminister zu finden, klarlegten. Aber auch die Tatsache, daß der Minister Dr. Viškovský sich mit aller Offenheit hinter die bekannten Ausführungen des Generalstabchefs Syrový gestellt hat, der bekanntlich vor einer Offiziersvers ammlung seine ablehnende Haltung bezüglich der Abrüstung, Herabsetzung der Militärdienstzeit u. s. w. vertreten hat, beweist, daß also in der Frage der Abrüstung der Heeresminister auf dem gleichen Standpunkte steht wie General Syrový, der in der bekannten Rede alles vorgebracht hat, was menschenmöglich ist und dazu dienen soll, nicht abzurüsten, sondern nach Möglichkeit noch mehr aufzurüsten. Diese Tatsache muß endlich in aller Öffentlichkeit festgestellt werden und wir werden Sorge dafür tragen, daß die steuerzahlende Bevölkerung von dieser Tatsache Kenntnis erhält und sich dessen bewußt wird, das alle die Anträge, die auf Herabsetzung der militärischen Dienstzeit und dergleichen in diesem Hause eingebracht werden, gar nicht ernst gemeint sind; sonst müßten die Parteien, die diese Anträge einbringen, auch die Konsequenzen ziehen und vor allem mit aller Entschiedenheit gegen die Ausführungen des Generalstabschefs Syrový in dieser Offiziersversammlung protestieren. Heute konnten wir im Wehrausschusse schon erleben, daß der Redner einer der größten èechischen Regierungsparteien, der Sozialdemokrat Hummelhans, einen Protest unterlassen, sich vielmehr im großen und ganzen mit den Ausführungen des Generalstabschefs Syrový einverstanden erklärt hat. (Výkøiky.)
Ich habe bereits vorher darauf hingewiesen, daß die Èechoslovakei im Laufe der vergangenen Jahre alles getan hat, um der Abrüstung entgegenzuwirken. Ich habe auf den Ausbau der Škodawerke, der Brünner Waffenfabrik und dergl. hingewiesen, daß man sich nicht begnügt hat, den ungeheuern Selbstbedarf an Waffen im eigenen Lande zu decken; daß man diese Industrie zur Versorgung einer ganzen Reihe anderer Staaten ausgebaut hat, daß damit der Abrüstung nicht vorgearbeitet wird, ist natürlich. Es ist interessant festzustellen, daß in der Frage der Abrüstung Dr. Beneš und mit ihm verantwortlich das Gesamtkabinett, die Richtlinien seiner in Genf zu vertretenden Politik im Ministerrate vorgetragen und dabei nicht auf Widerspruch gestoßen ist. Es sind also alle Parteien, die in der Regierung vertreten sind, für die Politik, die Dr. Beneš in Genf vertreten wird, voll verantwortlich. (Posl. Gottwald: Sagen Sie etwas über den deutschen Panzerkreuzer!) Ich spreche jetzt von der èechischen Abrüstungspolitik. Sie werden sich auch nicht vorschreiben lassen, über welches Thema Sie sprechen sollen. (Výkøiky komunistických poslancù.) Es ist Ihnen unangenehm. Sie sind ja die Einpeitscher der èechischen Regierungspolitik. Wir wissen, welches große Interesse eine der einflußreichsten Regierungsparteien am Weiterbestand Ihrer Partei als Gegengewicht gegen die Sozialdemokraten hat. (Výkøiky.) Es ist doch eine unbestreitbare Tatsache, daß die èechische Abrüstungsdelegation in erster Linie aus Militärs besteht, und es ist bezeichnend, daß zunächst vorgesehen war, in diese Delegation den Generalstabschef Syrový hineinzunehmen, daß man dann, glaube ich, im letzten Augenblick diese Absicht fallen ließ mit Rücksicht darauf, daß er in der Offiziersversammlung den Schleier hatte fallen lassen. Aber unter dem Druck eines bestimmten Flügels der Regierungsparteien wurde seine Entsendung doch beschlossen.
Bei dieser Gelegenheit muß ich auf einen Vorfall zu sprechen kommen, der sich in der letzten Wehrausschußsitzung abgespielt hat. Koll. Špaèek hat in dieser Sitzung die Unverfrorenheit gehabt, Deutschland zu beschuldigen, daß es den Krieg mit Krankheitsbakterien vorbereitet. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Špatný.) Es ist doch eine so ungeheure Beschuldigung, daß man, ich glaube, am besten tut, sich damit zu begnügen, diese Tatsache der Weltöffentlichkeit mitzuteilen und festzustellen, daß diese Äußerung nicht einmal auf den Widerspruch des anwesenden Landesverteidigungsministers Viškovský gestoßen ist. Špaèek hat am Schluß seiner Ausführungen an Viškovský geradezu appelliert, daß Sorge getragen werde, daß auch in der Èechoslovakei diesem Kriegsmittel das weitestgehende Interesse entgegengebracht werde. (Výkøiky). Špaèek scheint sich ja nachträglich unter dem Einfluß seiner Umgebung zum Teil bewußt geworden zu sein, welch ungeheure Beschuldigung er ausgesprochen hat, und er hat heute in einem Zwischenrufe anläßlich der Rede eines anderen Kollegen versucht, sie soweit abzuschwächen, die Sache so zu drehen, als ob es ihm nur daran gelegen gewesen wäre, gegen die allfällige Anwendung solcher Kriegsmittel Abwehr- und Schutzmaßnahmen zu treffen. In diesem Zusammenhange ist darauf hinzuweisen, daß der engste Bundesgenosse der Èechooslovakei Frankreich bekanntlich ständig die Unterschrift auf der Konvention, betreffend das Verbot der Verwendung von Gas im Kriege verweigert.
Die èechischen Staatsmänner kennen die französischen Forderung, mit der man bekanntlich die Lösung der Tributfrage, nach Streichung der den Vereinigten Staaten von Amerika zu zahlenden Kriegsschuld, zu hintertreiben sucht, und zwar zu dem Zwecke, und nicht der von Amerika erhobenen Gegenforderung nachkommen zu müssen, die bekanntlich lautet: Vollständige Abrüstung der übermilitarisierten Staaten Europas. Alle verantwortlichen Menschen, die eine ernstliche Gesundung der europäischen Verhältnisse herbeiführen wollen, müssen ihr ganzes Augenmerk darauf richten, daß die mit Recht geforderte Abrüstung der militaristischen Staaten Europas so schnell wie möglich erfolge. Ich will mich in diesem Zusammenhange nicht mit den aus dem Völkerbundpakt fließ enden vertraglichen Verpflichtungen des Völkerbundes beschäftigen, die nach der erfolgten Abrüstung Deutschlands naturgemäß die Abriistung der anderen Staaten zur Folge haben müßte. Ich will in diesem Zusammenhang aufweisen, von welch ungeheurer wirtschaftlichen Bedeutung ein Erfolg der Abrüstungskonferenz sein würde und nur auf das natürliche Recht Deutschlands hinweisen, auf der Abrüstung als einer von den anderen Staaten übernommenen vertraglichen Verpflichtung zu beharren, und falls dieser abgelehnt werden sollte, auch für sich die Rüstungsgleichheit in Anspruch zu nehmen. Zu der unbedingten Notwendigkeit der Aufhebung der deutschen Tribute und einer raschen und gründlichen Abrüstung der Siegerstaaten haben sich bekanntlich neben vielen anderen auch der Vorsitzende des amerikanischen Außenausschusses Borah, Mussolini und Lloyd George bekannt, welch letzterer am 22. Jänner 1930 wörtlich erklärt hat: "Frankreich, Polen, die Èechoslovakei, Südslavien und Rumänien haben sich bis jetzt beharrlich geweigert, das Versprechen einzulösen, das alle Siegerstaaten im Friedensvertrage gegeben haben, der dem Deutschen Reiche aufgezwungen wurde. Das ist ein gemeiner Winkelzug, der unbedingt früher oder später zu einem internationalen Konflikt führen wird." Ich glaube, dieses Zitat erhellt blitzartig die Situation und läßt erkennen, daß dieser Staatsmann, einer der Hauptschuldigen an diesen Friedensdiktatbestimmungen, nachträglich auf Grund der wirtschaftlichen Auswirkungen derselben endlich zur Besinnung gekommen ist.
Wir Sudetendeutschen, die wir durch die Wirtschaftskrise wohl am schwersten betroffen sind, haben damit auch die natürliche Verpflichtung, alles vorzzukehren, um dem Rüstungswahnsinn, der die Grundlage der französischen Hegemoniepolitik mit ihren katastrophalen wirtschaftlichen Folgen in sich birgt, ein Ende bereiten zu helfen. Eine weitere stillschweigende Duldung der bisherigen Politik müßte auch naturgemäß zur Bolschewisierung der großen Massen der Arbeitslosenheere führen, was gleichbedeutend ist mit Bürgerkrieg und der Gefahr der Aufrichtung einer bolschewistischen Herrschaft in Mitteleuropa. Wer ehrlich eine solche Entwicklung verhindert wissen will, muß sich bemühen, an der Schaffung der Grundlagen für eine friedliche Entwicklung und die möglichste Beendigung der Wirtschaftsnot mitzuarbeiten.
Von dieser Überzeugung ausgehend, erheben wir in dieser Stunde unsere warnende Stimme und fordern eine gerechte Revision der Friedensdiktate, eine Streichung der deutschen Tribute, und Rüstungsgleichheit für alle europäischen Völker, aber bewußt der vollen Verantwortung für das Schicksal unserer Heimat, fordern wir vor allem die Abrüstung des èechoslovakischen Militarismus und die Aufhebung des mit Frankreich abgeschloßenen Militärvertrages, auf den gestützt, Frankreich einen unheilvollen Einfluß auf die Führung der èechischen Innenund Außenpolitik ausübt.
In diesem Zusammenhang erscheint es uns zweckmäßig, darauf hinzuweisen, daß im Ernstfalle die für Kriegszwecke verpulverten Milliardensummen sich als zwecklos erweisen würden, da, wie schon der Weltkrieg gelehrt hat, die Angehörigen der unterdrückten Volksteile niemals gewillt sein werden z. B. sich für französische Interessen zur Schlachtbank führen zu lassen. Die Soldaten dieser unterdrückten Volksteile würden, wie dies früher auch die èechischen Soldaten getan haben, unerschüttert, treu zu ihrem angestammten Volkstum stehen. Wer also eine wahre Befriedung anstrebt, wer der Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftskrise entgegenwirken will, wer den drohenden Gefahren des Bolschewismus wirklich ernstlich gegenübertreten will, der muß sich zur Schaffung wahrer Friedensgrundlagen bekennen, die doch nur darin bestehen können, daß vor allem den Ansichten der Wirtschaftssachverständigen Rechnung getragen wird, nach Bekämpfung der wahren Ursachen dieser Weltwirtschaftskrise bei gleichzeitiger Revision der unhaltbaren Bestimmungen der Friedensdiktate.