Pondìlí 30. listopadu 1931

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 151. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pondìlí dne 30. listopadu 1931.

1. Øeè posl. Hadka (viz str. 20 tìsnopisecké zprávy):

Am Samstag haben mehr als 20.000 schlesische Steinarbeiter und Arbeiterinnen ihre von der Gendarmerie am Mittwoch, den 25. November in Niederlindewiese ermordeten 8 Arbeitsgenossen zu Grabe getragen. Sieben dieser Arbeitsgenossen wurden im Massengrab in Setzdorf beigesetzt. Es sind dies: Glatter Stefan, Steinarbeiter in Setzdorf, 37 Jahre alt, Vater von 5 Kindern, Mitglied der Roten Gewerkschaft; der Arbeiter Weese Rudolf, Schmied, 21 Jahre alt, Nationalsozialist; der Arbeiter Gröger Heinrich, Steinmetz aus Setzdorf, 24 Jahre alt, parteilos; die jugendliche Arbeiterin Lux Anna, Kalkarbeiterin in Setzdorf, 15 Jahre alt, parteilos; die Arbeiterin Gattwald Mina, Kalkarbeiterin, 30 Jahre alt, Mitglied eines christlichen Frauenvereins; der Kalkarbeiter Grotzner Richard aus Setzdorf, 33 Jahre alt, früher Nationalsozialist, seit 3 Monaten Mitglied der kommunistischen Partei; der Arbeiter Weiser Josef, Schmied aus Setzdorf, 19 Jahre alt, Nationalsozialist. In Lindewiese wurde ebenfalls am Samstag der 19 Jahre alte Hilfsarbeiter Hauke Rudolf, Mitglied der sozialistischen Arbeiterjugend, beigesetzt. Durch 3 Tage stand das Gebiet der Steinarbeiter im Generalstreik. Von Lindewiese bis Zuckmantel und von Freiwaldau bis Weidenau standen die Betriebe, die Parole der Freiwaldauer Arbeiterschaft, die Parole der Steinarbeiter war: kein Hammerschlag darf die Ruhe der Toten stören. Und sie haben in würdiger Weise gezeigt, daß man nicht ungestraft Proletarier über den Haufen schießen darf. Heute sind die Toten der Erde übergeben, [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 30. listopadu 1931 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz tìsnopiseckou zprávu o 152. schùzi posl. snìmovny.]

Místopøedseda Zierhut (zvoní): Volám pana øeèníka k poøádku. (Výkøiky.)

Posl. Hadek (pokraèuje): Sie haben flammende Anklage erhoben, daß der Schrei nach Brot und Areit, der am vorigen Mittwoch von Tausenden von Steinarbeitern erhoben wurde, im Blut erstickt worden ist, sie haben flammenden Protest dagegen erhoben, daß man den Hunger der Setzdorfer Steinproleten mit Pulver und Blei gestillt hat. Im Auftrage von 20.000 Arbeitern und Arbeiterinnen, die den 7 Särgen in Setzdorf gefolgt sind, erhebe ich von dieser Stelle aus flammenden Protest gegen dieses Blutbad, dagegen, daß man die unschuldigen Arbeiter deshalb, weil sie ihre Not nicht mehr ruhig ertragen und nicht weiter hungern wollen, weil sie ein größeres Stück Brot und einen Heller mehr Lohn haben wollen, daß man deshalb Jugendliche und Frauen über den Haufen geknallt hat.

Wir stellen von dieser Stelle aus mit aller Schärfe und Deutlichkeit die Frage: Warum wurde in Niederlindewiese geschossen? Über wessen Auftrag floß in Niederlindewiese Arbeiterblut? Unter welchen Verhältnissen leben die Steinarbeiter? Wenn man Gelegenheit hat, in den Gebieten, wo Steinarbeiter arbeiten, die Verhältnisse zu studieren, wenn man sieht, unter welch unsäglich schweren Bedingungen diese Arbeiter ihre Arbeit verrichten müssen, dann kann man vielleicht verstehen, weshalb diese Arbeiter auf die Straße gegangen sind. Die Arbeit in den Steinbrüchen ist schwer aufreibend und gefährlich. Im Sommer werden diese Steinbrucharbeiter gedörrt, im Winter erstarren sie vor Kälte, Regen und Schnee und Sturm sind sie ausgesetzt. Die Unfallziffer in den Steinbrüchen ist erschreckend hoch. Allein in Setzdorf sind im Laufe des heurigen Sommers 4 Todesfälle zu verzeichnen gewesen, dazu kommen einige 20. darunter mehrere schwere Verletzungen. Der letzte Unfall passierte am Freitag. Es gibt in Schwarzwasser, im hintersten Winkel, einen kleinen Steinbruch, in dem die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit haben, in dem es außer deutschen Sozialdemokraten niemanden gibt. In diesem Steinbruch, vielleicht dem einzigen, wurde am Freitag gearbeitet. Freitag vormittag ereignete sich ein tödlicher Unglücksfall, worauf auch diese Arbeiter die Arbeit einstellten und sich der großen Klassenfront anschlossen, die sich heute im Steinarbeitergebiet West-Schlesiens aufgerichtet hat. Bei den Kalkarbeitern sind ca 40% Frauen. Ich werde über die Löhne der Kalkarbeiterinnen noch einige spezielle Worte sagen. Schwere gesundheitsschädliche Arbeit, unmenschliche Arbeitsbedingungen, Rationalisierung, Antreiberei stehen dort in höchster Blüte. Die Steinindustriellen, besonders der Herr Leizel aus Setzdorf, gehören mit zu den größten Scharfmachern des westschlesischen Unternehmertums, und die Verhältnisse in den einzelnen Kalkbetrieben spotten jeder Beschreibung.

In der Granit- und Bausteinindustrie finden wir ähnliche Verhältnisse. Die Granitarbeiter, die Pflastersteine erzeugen, müssen unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen arbeiten. Dazu kommt noch, daß man diese Pflasterarbeiter ganz offensichtlich betrügt, daß man sich nicht damit zufrieden gibt, ihnen äußerst niedrige Löhne zu bezahlen, sondern daß man noch einen direkten offenen Betrug vornimmt, indem man von ihnen verlangt, daß sie für einen Kubikmeter Kleinpflaster statt früher 70 Steine heute 84 abliefern. Während früher 70 Steine einen Kubikmeter ausmachten, muß heute der Kubikmeter mit 84 Steinen gearbeitet werden, indem man Granitund Pflasterarbeitern alle Steine als zweite oder dritte Qualität bezahlt und dann diese Steine, nachdem sie sortiert sind, zur Hälfte, zu 2/3 als erstklassige Ware verkauft. In der Monumentalbranche, in der der einzelne Arbeiter eine direkt künstlerische Befähigung besitzen muß, um überhaupt Arbeit zu bekommen, finden wir ähnliche Verhältnisse. Es kommt vor, daß ein Arbeiter einen Grabstein oder sonst ein Stück bearbeitet, daß er daran 14 Tage bis 3 Wochen beschäftigt ist und daß dann auf Grund eines Fehlers, der im Stein liegt, oder auf Grund einer kleinen Ungeschicklichkeit der Arbeiter für die 14 Tage bis 3 Wochen, kurz für die Zeit, die er an dem Stück gearbeitet hat, nichts bekommt. Er muß diese Arbeit auf eigenes Risiko durchführen. Wenn man sich die Gestalten der Steinarbeiter ansieht, bemerkt man, wie schwere Arbeit sie verrichten müssen, und an ihren Gestalten erkennt man die Not und Sorge, in der sie von frühester Jugend bis zum Grabe leben müssen. Auch den Kindern drückt diese entsetzliche Not bereits ihren Stempel auf. Sie finden dort nicht gut genährte, gesunde Kinder, wie man sie vielleicht in anderen Gegenden manchmal antreffen kann, auch die Kinder sind bereits kränklich, schwach, unterernährt, zurückgeblieben. Bis in den späten Herbst, bis zum Eintritt des Frostes, sieht man diese Kinder ohne Schuhe in die Schule gehen, weil die Eltern nicht so viel verdienen, daß sie den Kindern Schuhe kaufen könnten. Die Wohnungen sind ärmlich; ein Raum, in dem die Familie des Steinarbeiters leben, lieben und sterben muß, ein Raum, in dem sich alles abspielt, ärmlich eingerichtet, das ist das Heim des Arbeiters, in dem er nach der schweren Arbeit Ruhe suchen soll. Die schlesischen Steinarbeiter sind ein ruhiges, bedächtigtes und gewissermaßen schwerfälliges Volk, sie sind so wie die Felsen, die sie bearbeiten. Die bürgerlichen und sozialdemokratischen Zeitungen schreiben heute und auch der Herr Minister des Innern Slávik hat es hier an dieser Stelle erklärt: "Hysterische kommunistische Hetzer sind bei den schlesischen Steinarbeitern am Werk gewesen. Kommunistische Hetzer sind schuld, daß es in Niede lindewiese zu den Zusammenstößen mit der Gendarmerie kam, daß die Gendarmerie in die Notwehr gedrängt wurde und daß sie gezwungenerweise in die Arbeiterschaft schoß." Ich möchte alle jene, die so schreiben, ersuchen, daß sie einmal durchs Steinarbeitergebiet gehen und dort den Versuch unternehmen, diese ruhigen, abwägenden Menschen aufzuputschen und aufzuhetzen. Sie würden dort ihre blauen Wunder erleben. Die Steinarbeiter leben in entsetzlichen Verhältnissen, und es braucht niemand hinzugehen, um sie aufzuhetzen.

Ich möchte Ihnen einige Beispiele vorlegen, die vielleicht mit dazu beigetragen haben, daß die Steinarbeiter am vorigen Mittwoch geschlossen ihre Betriebe verlassen haben: Der "Sozialdemokrat" schreibt, daß die qualifizierten Arbeiter einen Durchschnittslohn von 153 Kè pro Woche haben, die Taglöhner und Spälter verdienten je nach der Verwendung 84 bis 90 Kè, die Löhne der Kalkarbeiter seien für Brenner und Spälter 180 Kè, für Taglöhner 80 bis 150 Kè. Die Löhne für Hilfsarbeiterinnen bewegten sich zwischen 60 und 130 Kè. Ich weiß nicht, woher die Herren Redakteure des "Sozialdemokrat", die noch andere Sachen in diesem Artikel schreiben, ihre Informationen genommen haben. Aber ich habe hier die Lohnzettel einer Reihe von Steinarbeitern, und ich kann Ihnen diese Lohnzettel kilogrammweise bringen, die Arbeiter haben uns Stöße von einem halben Meter Höhe zur Verfügung gestellt. Ich habe hier besonders den Lohnzettel der Kalkarbeiterin Marie Langer. Sie hat in der Woche vom 25. September bis 2. Oktober in 36 Stunden 59.24 Kè verdient, vom 2. Oktober bis 9. Oktober hat sie für 45 Stunden 74.99 Kè verdient, in der Woche vom 9. Oktober bis 16. Oktober hat sie für 32 Stunden 68.48 Kè verdient, vom 16. Oktober bis 23. Oktober für 40 Stunden 82.22 Kè, vom 23. Oktober bis 30. Oktober für 36 Stunden 76.23 Kè und vom 30. Oktober bis 6. November für 48 Stunden 100.63 Kè. Wir haben also hier das typische Beispiel einer Kalkarbeiterin, die nach den Angaben des "Sozialdemokrat" angeblich durchschnittlich in der Woche bis 130 Kè verdient. (Posl. Günzner: Von wieviel?) Die Löhne der Kalkarbeiterinnen bewegen sich zwischen 60 und 130 Kè, schreibt Ihr "Sozialdemokrat". Ich habe mir nun diesen Durchschnitt ausgerechnet. Sie hat in 237 Stunden, die sie innerhalb 6 Wochen gearbeitet hat, 461.81 Kc verdient, das bedeutet, daß sie in der Woche durchschnittlich 76.96 Kè oder in der Stunde 1.94 Kè verdient. Dieser Verdienst - ich habe mich ausdrücklich erkundigt - den die Marie Langer auszuweisen hatte, ist einer der höchsten Verdienste in den Kalkwerken. Es gibt Kalkarbeiterinnen, die eine Krone Stundenlohn haben. Ich habe hier den Arbeiter Hamich Karl, der in der Woche 115.35 Kè verdient und 41 Stunden in der betreffenden Woche gearbeitet hat. Hettner Engelbert hat in 40 Stunden 93.10 Kè verdient, Hettner Martha hat in 49 Stunden 82 Kè verdient, Kunz Hedwig, eine Kalkarbeiterin, hat in 24 Stunden 38.24 Kè verdient, Gröger Rochus hat in 45 Stunden 105.60 Kè verdient, Feike Gustav hat in 45 Stunden 75.41 Kè verdient; derselbe Feike Gustav in 48 Stunden 90.01 Kè, dann in 28 Stunden 51.01 Kè und in 48 Stunden 90 01 Kè verdient. Die Kalkarbeiterin Gröger Anna hat in 33 Stunden 106.30 Kè verdient.

Nun Krämer; dieser Krämer ist Parteiführer und unter seiner Leitung arbeiten 8 Mann. Diese 8 Mann haben in 288 Stunden, die sie insgesamt in 14 Tagen geleistet haben, einen Betrag von 864 Kè verdient, so daß auf einen Arbeiter durchschnittlich ein Betrag von 108 Kè kommt. 108 Kè durchschnittlicher Verdienst eines Arbeiters in 14 Tagen im Steinbruch! In weiteren 192 Stunden hat diese Partie 453 Kè 32 h verdient. Ein Kalkbrenner namens Brenner, der nach Ihrer Angabe (obrácen k poslancùm nìm. soc.-demokratické strany) bis 180 Kè verdient, verdiente in 40 Stunden 128 Kè 50 h, noch einmal in 36 Stunden 115 Kè 28 h. Die Arbeiterin Fanny Karolin verdiente in 28 Stunden 56 Kè 55 h, Rudolf Bautz in 29 1/2 Stunden 59 Kè, seine Frau Philomena Bautz in 34 Stunden 60 Kè 86 h, Johann Schubert in 44 Stunden 101 Kè 3 h, Anna Lindner in 24 Stunden 36 Kè 92 h, Marie Langer in 28 Stunden 46 Kè 53 h und so geht das bei diesen Arbeitern weiter. Ich habe noch einige Akkordzettel eines Arbeiters, der eine sechsköpfige Familie zu erhalten hat und vor 8 Tagen die Kündigung bekam, weil in diesem betreffenden Betrieb in Friedeberg die Rationalisierung soweit durchgeführt wurde, daß drei Arbeiter bei einer gewissen Arbeitsleistung überflüssig geworden sind. Er hat für 15 Kubikmeter Akkordabdecken im Steinbruch 180 Kè bekommen, für 8 Kubikmeter Schuttwegfahren aus dem Steinbruch 64 Kè, so daß er insgesamt 244 Kè verdient hat. All das in einer Lohnperiode, d. h. in vierzehntägiger Arbeit. Davon wurden 26 Kè 77 h als Abzüge abgerechnet, so daß er einen Betrag von 230 Kè in 14 Tagen verdiente, wovon er eine sechsköpfige Familie zu ernähren hat. Hier sind noch einige solcher Zettel (ukazuje lístky.) In 14 Tagen 270 Kè, in derselben Zeit 230 Kè, in derselben Zeit 220 Kè verdient. Hier ist ein Zettel - in 14 Tagen 90 Kè - vom Arbeiter Baum. Er hat, wie er mir persönlich mitteilte, in diesen 14 Tagen 60 Stunden gearbeitet.

Wenn man diese Verhältnisse, die wir auf das gesamamte Steinindustriegebiet anwenden können, nicht nur auf Setzdorf, auf Friedeberg, Schwarzwasser, Rotwasser, auf die Betriebe in Weidenau, in Zuckmantel, Gröditz, Böhmischdorf, Sandhübel, sondern die wir auch in Lindewiese finden, so wird man die ungeheuere Erregung begreifen, die sich in der Gesamtheit der Arbeiterschaft im Steinindustriegebiet angehäuft hat. Die Steinbarone, die Steinindustriellen, sind Millionäre, und die Steinarbeiter sind Bettler geworden. Die Steinindustriellen haben seit ca. 2 Jahren mit dem Hinweis darauf, daß sie nicht konkurrenzfähig sind, systematisch die Löhne abgebaut. Es wurde der Abbau der Stundenlöhne, der Akkordlöhne, der Teuerungszulagen systematisch, Monat für Monat, durch geführt, trotz des bestehenden Lohnvertrages, den die sozialdemokratische Steinarbeitergewerkschaft abgeschlossen hat. Die Löhne wurden abgebaut, ohne Rücksicht darauf, ob die Steinarbeiter ihr Auskommen finden. Die Leistung des einzelnen Steinarbeiters wurde bis zur Bewußtlosigkeit gesteigert, zumindest auf das Doppelte der Leistung vom Jahre 1920 emporgetrieben. Rationalisierung, Kurzarbeit, Entlassungen stehen auf der Tagesordnung.

Laut Ausweis über die Arbeitslosigkeit sind im Freiwaldauer Bezirk angeblich nur 1200 Arbeitslose. Ich habe festgestellt, daß allein in dem Ort Saubsdorf 122 Arbeitslose sind, ich habe festgestellt, daß in Setzdorf ca. 40 Arbeitslose und in Friedeberg 20 Arbeitslose sind, daß in der ganzen Steinindustrie gerade in der letzten Zeit systematisch Entlassung auf Entlassung durchgeführt wurde. Es stimmt deshalb nicht, wenn man erklärt, daß das Steinarbeitergebiet keine Arbeitslosen hat, daß dort alle Arbeiter Beschäftigung haben. In den Hirnen der Steinarbeiter hat sich dumpfe Wut festgesetzt, die Arbeiterinnen hat Verzweiflung ergriffen, angesichts dessen, daß sie ihren Kindern nichts zu essen geben konnten, angesichts des Hungers, den ihre Kinder leiden. Das ganze Gebiet befindet sich in Gärung, und einstimmig war die Meinung vertreten, daß es so nicht weitergehen könne, daß irgendetwas geschehen müsse. Als den Kalkarbeitern vor 14 Tagen ein 10%iger Lohnabbau aufoktroyiert wurde, haben die Arbeiter geschlossen die Arbeit niedergelegt. Seit 8 Jahren waren diese Kalkarbeiter in Setzdorf nicht organisiert, seit 8 Jahren über Angriffe seitens der Unternehmer hinweggegangen, seit 8 Jahren haben sie sich nicht zur Wehr gesetzt. Dieser neuerliche 10%ige Lohnabbau hat das Faß zum Überlaufen gebracht. Dieser neue Angriff hat die Kalkarbeiter zu einer einheitlichen Front zusammengeschlossen und sie haben den Angriff der Kalkunternehmer mit dem Streik beantwortet. Sie haben ohne Unterschied auf die Einstellung, ob sie nun Nationalsozialisten oder Sozialdemokraten oder unorganisiert oder Kommunisten waren, sich unter die Führung der roten Gewerkschaften gestellt, sie haben den Streik mit beispielloser Geschlossenheit geführt und haben diesen Kampf auch gewonnen, diesen Angriff der Unternehmer zurückgeschlagen.

Es ist klar, daß die übrigen Steinarbeiter, die übrige Arbeiterschaft des ganzen Gebietes von dem Gedanken beseelt war, dasselbe zu tun und die Absicht, einen neuerlich angedrohten 30 %igen Lohnabbau in der Steinindustrie durchzuführen, ebenfalls mit dem Streik zu beantworten. Die Kalkarbeiter haben sich in ihrem Kampf an die Solidarität der gesamten Steinarbeiter gewendet und in Friedeberg marschierten über 3000 Stein- und Karkarbeiter auf. 3000 Stein- und Kalkarbeiter demonstrierten, trotzdem auch diese Kundgebung verboten war. Die Bezirkshauptmannschaft in Freiwaldau verbot jede Kundgebung der Arbeiterschaft. Sie sind aufmarschiert, trotzdem in Friedeberg 50 Gendarmen standen, die zur Aufrechterhaltung einer nichtbedrohten Ruhe dort bereitgestellt wurden.

Sonntag, gestern vor 8 Tagen, fand in Freiwaldau eine große Konferenz der Steinarbeiter statt, an der nicht nur die Roten Gewerkschaftsfunktionäre, sondern auch Mitglieder der reformistischen, der christlichsozialen und der nationalen Steinarbeitergewerkschaft teilnahmen. In dieser Konferenz entwarfen die einzelnen Delegierten ein erschütterndes Bild über die Zustände, die in den einzelnen Betrieben, in den einzelnen Brüchen herrschen, unter welch unsäglich elenden Verhältnissen heute die Steinarbeiter dort leben müssen, und es wurde von der Einheitskonferenz der Steinarbeiter der Beschluß gefaßt, am 25. November eine Demonstration in Freiwaldau zu veranstalten. Alle Delegierten ohne Unterschied der Parteistellung waren damit einverstanden. Es brauchte keine Flugblätter. Der Beschluß dieser Konferenz ging von Mund zu Mund, von Dorf zu Dorf, von Hütte zu Hütte, von Bruch zu Bruch und überall atmeten die Steinarbeiter auf: endlich werden wir auf die Straße gehen und zeigen, welche Not bei uns herrscht, in welchem Elend wir leben. Endlich werden wir zeigen, daß wir gewillt sind, für unsere Forderungen den Kampf aufzunehmen, für einige Heller mehr Lohn nach Freiwaldau zu ziehen. Kommunisten, Sozialdemokraten, Unorganisierte, Hakenkreuzler, alle waren einverstanden, einheitlich und geschlossen nach Freiwaldau zu gehen.

Was wollten die Steinarbeiter dort? Sie wollten dort in erster Linie ihrer Not und ihrem Elend sichtbaren Ausdruck verleihen, sie wollten dort demonstrieren für ein größeres Stück Brot, für einige Heller mehr Lohn, sie wollten auch dafür demonstrieren, daß die größte dort bestehende Gewerkschaft, die Rote Gewerkschaft, nach dem Genter System Refundierungen bekommt, damit die arbeitslosen Kollegen eine Unterstützung bekommen und eine ordentliche Arbeitslosenunterstützung eingeführt wird. Sie wollten letzten Endes auch zum Ausdruck bringen, daß sie nicht gewillt sind, im Interesse des Kapitalismus und Imperialismus [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 30. listopadu 1931 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] sich für die Interessen irgendeines Imperialisten gegenseitig zu zerfleischen.

Die Steinarbeiter sagten sich in ihrer Naivität, in Freiwaldau ist die Bezirksbehörde, und sie trugen in sich noch die Illusion, daß die Bezirksbehörde, der staat liche Apparat nicht nur dazu da sei, die Unternehmer zu schützen und zu vertreten, sondern alle Sta atsbürger gleichmäßig, und dort einzugreifen, wo Staatsbürger in ihrer Existenz bedroht sind. Sie haben sich der Illusion hingegeben, die einmal die Petersburger Arbeiter beherrschthat, als sie am 9. Jänner 1905 zum Zarengehen wollten, in der Meinung, er werde ihnen helfen. Mit diesem Gedanken, mit dieser Illusion wollten die Steinarbeiter Westschlesiens zum Bezirkshauptmann nach Freiwaldau gehen und eine Deputation zu ihm schicken, die ihm sagen sollte, daß sie nicht mehr leben können, daß diese Löhne einfach nicht mehr ausreichen, ihre Kinder zu ernähren, ihre Arbeitskraft zu erhalten. Und sie wollten durch die Anwesenheit von Tausenden arbeitenden Menschen, durch ihre ausgemergelten Körper das illustrieren und unterstreichen, was ihre Deputation dem Bezirkshauptmann sagen wollte und beweisen, daß es auf Wahrheit beruhe. Mit dieser Absicht zogen die Steinarbeiter am 25. November aus den Betrieben, ohne Unterschied der Partei, der Nation, der religiösen-Ueberzeugung.

Die Bezirksbehörde und die hinter ihr stehende Regierung hat den Steinarbeitern geholfen. Die Bezirksbehörde von Freiwaldau hat, als sie von der Absicht der Steinarbeiter erfuhr, sofort in Freiwaldau Gendarmerie konzentriert. Aus dem ganzen Gebiet von Troppau bis Grul ch wurde Gendarmerie zusammengezogen und in Freiwaldau unter das Kommando eines Gendarmeriegenerals gestellt. Auch das Militär hat sie bereitgestellt und es wurden die Höhen rings um Freiwaldau militärisch besetzt.

Als die Arbeiter aus dem Sandhübel-Setzdorfer Gebiet dieses Riesenaufgebot sahen, als sie die Biela-Brücke in Böhmischdorf besetzt fanden, erklärten sie: "Wir werden nicht mit den Gendarm en zusammenstoßen, wir werden ihnen aus dem Weg gehen. Wir werden schon nach Freiwaldau kommen"; so sind sie in einzelnen Trupps über das Gebirge durch Wälder und Felder nach Freiwaldau gezogen. Die Fahrräder ließen sie in den Häusern längs der Straße. Die Soldaten leisteten den Arbeitern keinen Widerstand. Im Gegenteil, wir konnten feststellen, daß die Soldaten, die Proletarier im Waffenrock, in ganz offensichtlicher Weise mit den Steinarbeitern fraternisierten. (Potlesk komunistických poslancù). Sie haben ganz offen den Arbeitern geholfen, nach Freiwaldau zu kommen.

Auch die Setzdorfer Arbeiter verließen um 9 Uhr ihre Betriebe und sammelten sich vor dem Gasthaus Stern, ihrem gewöhnlichen Versammlungslokal, von wo sie in der Stärke von ungefähr 15 00 Menschen abzogen. Auch dort war Gendarmerie konzentriert in der Stärke von 25 Mann. Hundert Meter weiter, nachdem sie abmarschiert waren, wurden sie bereits von der Gendarmerie überfllen und mit Pendreks und Kolben auseinandergetrieben. Der Arbeiter Baumgarten Alexander erhielt schon in Setzdorf einen Bajonettstich in den Arm. Mit einer Brutalität sondergleichen wurden die Leute auseinandergetrieben. Sogar Frauen, die mit Milchtöpfen über die Straße um Milch zum Bauern liefen, wurden zusammengedroschen. Die Steinarbeiter leisteten in Setzdorf keinen Widerstand. Sie sind, nachdem sie auseinander getrieben waren, ein Stück weitergegangen und ins obere Dorf gekommen, wo sie von demselben Gendarmeriekordon neuerlich aufgehalten, neuerlich geschlagen wurden, mit denselben brutalen Mitteln wie bei der Schule. Den dritten Überfall machten die Gendarmen auf die neuerlich sich sammelnden Arbeiter beim Forstmeister an der Grenze der Gemeinde Setzdorf. Dort wurden die Arbeiter in den Wald, über das Wasser getrieben und die Gendarmerie hat dort wieder ihren Zweck erreicht, die Arbeiter auseinanderzuhauen. Der letzte Angriff erfolgte im Gemärke. Der Autobus war im Gemärke angelangt, die Gendarmerie hat einen Kordon gebildet, die Arbeiter, die wußten, daß sie von den Gendarmen neuerlich überfallen würden, die Arbeiter, die durch die praktische Erfahrung von drei Überfällen durch die Gendarmerie belehrt waren, sind den Gendarmen aus dem Weg gegangen, sie haben Platz gehabt, rechts über das Feld und durch den Wald. Auf diese Weise sind sie zum Viadukt gekommen. Der Autobus war verschwunden, die Arbeiter sind regellos in keiner besonderen Ordnung durch den Viadukt in der Lindewieser Hauptstraße angekommen, auf dieser Hauptstraße wollten sie sich neuerlich formieren, denn sie sagten sich: "Regellos werden wir nicht nach Freiwaldau gehen, wir wollen in einem geschlossenen, geordneten Zug marschieren, wir wollen durch diesen geschlossenen Zug zeigen, daß die Steinarbeiter Disziplin haben, daß es ernst ist, wir wollen nicht wie ein regelloser Haufen da er gerannt kommen, der nicht weiß, was er will." Sie haben dort den Zug zum Halten gebracht, die Frauen und Jugendlichen in Viererreihen eingeteilt, die Männer nach rückwärts, und wollten abmarschieren. Während sie also den Zug fo rmierten, also nicht marschierten, sondern den Zug im Stehen formierten, kam der Autobus der Gendarmen. Der Autobus hielt bei der èechischen Schule an, es entstiegen ihm vielleicht 25 bis 28 Gendarmen, die vor dem Kaufhaus Flasig einen doppelten Kordon bildeten. Die Arbeiterfrauen wurden ängstlich, da sie bereits dreimal Prügel bekommen und dreimal die Gewehrkolben und Gummiknüppel gespürt hatten, wurden aufgeregt, sie erklärten: "Sie kommen schon wieder und wollen uns neuerlich schlagen und überfallen." Sie haben ihren Männern und erwachsenen Söhnen zurückgerufen: "Sie wollen uns wieder schlagen, helft uns." Von rückwärts wurde nach vorne gerufen: "Ganz ruhig stehen bleiben, es wird Euch nichts passieren." Begreiflicherweise war dort eine ziemliche Aufregung und ein ziemlicher Lärm. Der Abstand zwischen der Gendarmerie und den Demonstranten betrug ungefähr 10 Meter; der 4. Gendarm auf der linken Seite im zweiten Glied gab plötzlich einen Schuß ab. (Posl. Höhnel: Aha, der berühmte Schuß aus der Masse!) Dieser Schuß fiel nicht aus der Masse, denn der Gendarm hat sofort nach Abgabe dieses Schusses repetiert, seine Patrone flog 1 1/2 m nach links in den Graben. Chaos. Die einen rufen: "Zurück!", die andern: "Stehen bleiben!" Unbeschreibliches Durcheinander; dieser Schuß war das Signal, daß ungefähr 60 bis 80 Schüsse in rascher Reihenfolge von den übrigen 25 bis 28 Gendarmen abgegeben wurden. 60 bis 80 Schüsse in die Masse der Menschen, die 10 m von ihnen entfernt waren, die die Gendarmen nicht angegriffen haben, die sich vor den Gendarmen fürchteten, in die Frauen und Jugendlich en, die dort, bevor die Gendarmen schon geschossen hatten, in angstvoller Verzerrtheit der Dinge harrten, die da kommen sollten. Es war ausgeschlossen, daß dieser Platz im Verlaufe von einer Minute hätte geräumt werden können. Selbst wenn die Gendarmerie den Arbeitern Zeit gegeben hätte, sich zu zerstreuen, es wäre doch unmöglich gewesen, daß sich die Arbeiter dort rasch zerstreuen. Vorne der Gendarmeriekordon, links ein Zaun von 1 1/2 m, rechts ein Zaun von 1 1/2 m, es war unmöglich, daß die Arbeiter auf eine andere Seite flüchten konnten als nach rückwärts und in die umliegenden Häuser. Die Arbeiter sind geflüchtet, über Verwundete und Tote stolpernd, Schmerzensschreie, Wutschreie und Angstschreie hallten über die Straße. Sie flüchteten in die umliegenden Häuser. Die Angehörigen der Verwundeten und einige beherzte Arbeiter versuchten jetzt die Toten und Verwundeten wegzuschleppen. Hier ergab sich eine unglaubliche Roheit, wie man sie selbst im Krieg in seltenen Fällen erleben konnte, daß nämlich die Gendarmerie gegen diese Rettungsmannschaften, die ihre Verwundeten und toten Kameraden bergen, die Arbeiterinnen, die sich im Blut wälzten, wegtragen wollten, [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 30. listopadu 1931 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] mit dem Gewehrkolben vorgegangen sind. Inzwischen kommt von rückwärts ein Kordon durch den Viadukt oder neben den Viadukt. Diese Gendarmen hieben in die Arbeiter, die in der Richtung ihrer Heimat nach Setzdorf flüchten wollten, mit aller Rücksichtslosigkeit hinein. Man veranstaltete dort direkt ein Kesseltreiben gegen die wehrlosen Arbeiter. Als die Arbeiter sahen, daß man sogar die Verwundeten nicht wegtragen läßt, daß die Gendarmerie gegen jene vorgeht, die diese Verwundeten und Sterbenden und Toten wegtragen wollten, bemächtigte sich ihrer eine unbeschreibliche Aufregung, und sie eröffneten auf diese stechenden und schlagenden Gendarmen ein Steinbombardement. Sie mußten sich mit Stöcken und Steinen, die sie aus 20 bis 30 m Entfernung auf die Gendarmen richteten, die Bergung ihrer Verwundeten und Toten direkt erkämpfen. Der Bericht des Herrn Innenministers, den er hier von dieser Stelle aus gegeben hat und den er inzwischen in seiner Erklärung im Senat bereits abgeschwächt hat, erzählt, daß sich die Gendarmen in Notwehr befunden haben, daß die Gendarmen mit Steinen und Stöcken angegriffen wurden und daß der Oberleutnant Jirkovský, der Kommandant, dort eine so schwere Verletzung erlitt, daß er ersterbend zusammenbrechend mit leiser Stimme den Befehl zum Schießen gegeben hat. Wir haben festgestellt, daß dieser ersterbend zusammenbrechende Oberleutnant Jirkovský bereits am Nachmittag um 2 Uhr, also kaum 3 1/2 Stunden, nachdem er diese schwere Verwundung erlitten hat, in Freiwaldau spazieren ging. Der Innenminister erzählt, daß 11 Gendarmen verwundet wurden. Wir stellen fest, daß kein einziger Gendarm verwundet wurde und wir stellen das nicht aus eigenem fest, sondern danach, was im Freiwaldauer Spital von den Ärzten konstatiert wurde. Es gab keinen verletzten Gendarmen. Die Behauptung der Notwehr ist eine [Další slovo bylo usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 30. listopadu 1931 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèeno z tìsnopisecké zprávy.] Erfindung des Innenministers. Inzwischen wurden die Verwundeten und Sterbenden in die einzelnen Häuser getragen. Sie wurden zum großen Teil in das Gasthaus Weidlich geschafft, zum Teil zum Fleischer Flasig, zum Teil zu einem Friseur und in ein Privathaus. Wir versuchten nun, die Kurärzte zu erreichen. Der erste war Dr. Schrott. Ich muß feststellen, daß er in aufopferungsvollster Weise sich der Verwundeten und der Sterbenden angenommen hat, daß dieser Herr Dr. Schrott auch bei den in die zu Sanitätszimmern umgewandelten Privatstuben eindringenden Gendarmen intervenieren mußte, daß er im blutbefleckten Mantel die Gendarmen abhalten mußte, die Angehörigen der verwundeten und der sterbenden Arbeiter von ihren Verwundeten und Sterbenden wegzutreiben.


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