Hohes Haus! Das vom Herrn Ministerpräsidenten Udržal vorgetragene Exposé läßt vor allem eine präzise Stellungnahme zu der auch über dieses Staatswesen hereingebrochenen Wirtschaftskrise und eine konkrete Aufzählung des nächsten Programmes der Regierung vermissen. Der Herr Ministerpräsident behauptet, daß die Èechoslovakei nicht so wie die anderen Staaten von der Wirtschaftskrise betroffen ist und daß unmittelbar keine Befürchtungen bestehen, daß unsere Währung schwanken könnte. Er verweist darauf, daß besonders die Nachbarstaaten neben der Wirtschaftskrise auch eine Finanzkrise durchmachen und läßt sich in seinen Worten eine gewisse Schadenfreude feststellen, daß es den Nachbarstaaten schlechter geht als uns, die wir durch die weise Fürsorge der Regierung von allen derartigen Krisenzuständen verschont geblieben sind. Ganz überzeugend sind jedoch auch diese Feststellungen nicht, weil der Herr Ministerpräsident neue Mittel und Wege ankündigt, damit sich die finanziellen Störungen der anderen Länder nicht zu uns übertragen.
Wenn man das vom Herrn Premierminister erstattete Exposé kritisch und objektiv betrachtet, so kommt man unwillkürlich zu der Auffassung, daß man diese Regierungserklärung genau so zu werten hat, wie den seinerzeitigen bekannten österreichischen Generalstabsbericht, der sagte, daß Lemberg noch in unserem Besitze ist. Vorläufig glaubt man also seitens der Regierung, daß die wirtschaftlichen und finanziellen Störungen in diesem Staate noch nicht derartig seien, um sich heute schon mit konkreten Abwehrmaßnahmen beschäftigen zu müssen. Der Herr Ministerpräsident spricht vom guten Willen, von dem die Koalitionsparteien und die Regierung beseelt sind, und daß man alles tun werde, wozu die Kräfte reichen. Mit gutem Willen allein ist nichts getan, außerdem bezweifeln wir, daß dieser gute Wille überhaupt vorhanden ist. Die Erklärung sagt zwar, daß man in allen Zweigen der Staatsverwaltung eine beispielgebende Sparsamkeit einzuführen gedenkt. Die Forderungen zur Sparsamkeit hat unsere Partei bei jeder sich bietenden Gelegenheit gestellt, doch mußten wir immer wieder feststellen, daß dieser Ruf immer an dem Widerstand der herrschenden Parteicliquen gescheitert ist.
Der Herr Ministerpräsident Udržal tritt wie der Herr Finanzminister Trapl für eine energische Herabsetzung der Staatsangestelltenziffer ein, da 38.000 Staatsbeamte zuviel seien. Diese Erkenntnis kommt reichlich spät. Aus Èechisierungsgründen hat man die Ämter, besonders in den deutschen Städten mit Staatsbediensteten öberfüllt, und es ist jetzt natürlich schwer, an einen Abbau zu denken. Wenn es Deutsche wären, dann wäre das Problem sicherlich rasch gelöst. Wie sich die sonstige angekündigte Sparsamkeit in der Praxis bewährt, darüber gibt uns ja der eben aufgelegte Staatsvoranschlag genügend Aufschluß und wird sich bei Behandlung desselben Gelegenheit geben, darüber eingehend zu sprechen. Ich bin heute in der Lage, bereits zu beweisen, daß die Worte dieser beiden Herren Minister von beispielgebender Sparsamkeit nur Worte sind und die Taten das Gegenteil beweisen. So gedenkt man beispielsweise auch aus Sparsamkeitsgründen in Marienbad neuerdings durch das Innenministerium ein großes Palais zu errichten, in welchem nach den Plänen große Repräsentationssäle, Luxusappartements und sogar eine Bar eingerichtet werden sollen. (Posl. Zajièek: Ist es das "Buen Retiro"?) Nein, das ist etwas anderes.
Der berüchtigte Ankauf des Hauses "Buen Retiro" durch das Arbeitsministerium, der sich mit den durchgeführten Adaptierungen auf über zwanzig Millionen Kronen stellte, genügt eben nicht, man will noch ein neues Repräsentationspalais errichten, und so werden auf diese Art Steuergelder, welche für andere Zwecke notwendiger verwendet werden könnten, gewissenlos verschleudert. Außerdem konkurrenziert man durch die geplante Einrichtung eines weiteren Hotel- und Restaurationsbetriebes die bodenständigen Gastgewerbeunternehmungen und schwächt so die steuerzahlenden Gewerbe Marienbads.
Wenn man dauernd von einer Krisenbekämpfung oder geplanten Krisenmilderung innerhalb dieses Staatesspricht, so darf man vor allen Dingen auch die gesamte Weltwirtschaft nicht außeracht lassen. Die Feststellung, daß es uns noch lange nicht so schlecht geht wie den andern, ist eine folgenschwere Selbsttäuschung, da sich die Wirtschaft nicht durch Zölle und Staatsgrenzen meistern läßt. Die Èechoslovakei und ihre Wirtschaft macht genau so wie die gesamte Weltwirtschaft eine Krise durch und die Folgen sind trotz aller Schönfärbereien der Regierungsstellen noch nicht abzusehen. Es hat sich ganz deutlich gezeigt, daß alle von den internationalen Konferenzen vorgeschlagenen Mittel und Mittelchen zur Linderung der Weltwirtschaftskrise keine Besserung gebracht haben. Die Regierung müßte sich klar sein, daß die Loslösung des englischen Pfunds von der Goldwährung und die in einzelnen Staaten einsetzenden Abwehrmaßnahmen gegen finanzielle Störungen, dann die in einzelnen Staaten geplanten und durchgeführten Revisionen der Handelsverträge die internationalen Verflechtungen der Weltwirtschaft immer mehr verwirren.
Wird aber einmal wirklich ein vernünftiger Vorschlag gebracht, der geeignet erscheint, durch Vereinfachung der handelspolitischen Beziehungen auch der Wirtschaftskrise abzuhelfen, wie es die deutschösterreichische Zollunion hätte sein können, dann hintertreibt man mit allen Mitteln aus rein machtpolitischen und Prestigegründen derartige Pläne, ohne etwas Gleichwertiges an deren Stelle zu setzen. Auch unser Herr Außenminister Dr. Beneš hat durch sein im April dieses Jahres im Außenausschuß erstattetes Exposé und durch seine Stellungnahme in Genf gegen dieses Zollprojekt scharf Stellung genommen, aus Gründen, die die Deutschen dieses Staates nicht teilen können. Er hat wohl damals versprochen, mit einen Gegenvorschlag zu kommen, doch bis heute hat er kein positives Gegenprojekt vorgelegt. Die letzten Genfer Verhandlungen und ihr klägliches Ergebnis haben gezeigt, daß von internationalen Konferenzen nichts zu erhoffen ist. Man hat zwar schöne Worte gewechselt, ähnlich wie sie der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gefunden hat, praktisch wurde jedoch nichts geleistet.
Der Herr Ministerpräsident Udržal sagt, daß die Hauptaufgabe der Regierung sei, vorauszusehen und neue Wege und Mittel zu suchen, um jede Gefahr zu beheben. Diese Voraussicht läßt unsere Handelspolitik mehr als vermissen. Der Zollkrieg mit Ungarn hat uns schwere Wunden geschlagen und wenn es auch unseren Unterhändlern jetzt gelingen sollte, einen neuen Vertrag zustande zu bringen, so wird es sicher mit schweren Opfern unsererseits geschehen. Auch Polen beabsichtigt eine Revision seiner Handelsverträge mit uns, die Schweiz hat die Aufhebung einzelner Vertragspositionen unter Androhung der Kündigung des gesamten Handelsvertrages verlangt und sogar Staaten, mit denen wir angeblich in besonders freundschaftlichem Verhältnis stehen - siehe Frankreich - erhöhen die Zölle für einige Exportartikel, z. B. für Hopfen und für Schuhe. Sind das die Vorkehrungen, die zur Milderung der Krise getroffen wurden?
Außer dem übertriebenen Zollschutze der Schwerindustrie wirkt auch die unglückselige Preispolitik Baas mit, daß Revisionen unserer Handelsverträge durchgeführt werden. Es ist ja bekannt, daß durch die Preisschleuderei Baas die ausländische Schuhindustrie Gelegenheit genommen hat, von ihren Regierungen Schutz gegen die Schleuderkonkurrenz ausländischer Schuhfabriken zu verlangen. Darunter leiden natürlich auch die kleineren Schuhfabrikanten und Schuhhändler, die früher in diese Länder zu angemessenen Preisen Schuhe geliefert hatten. Es bleibt bei derartigen Handelsvertragsrevisionen nicht bei der Änderung eines Exportartikels, sondern es setzen bei dieser Gelegenheit auch andere Erzeugerfirmen ihre Forderungen zum Schaden unserer Exporteure durch.
In Bezug auf die Handelspolitik müßte endlich einmal auch mit der Geheimnistuerei Schluß gemacht werden. Über Nacht werden Handelsverträge in Kraft gesetzt, mit denen der kleinere Kaufmann, der ahnungslos im Auslande Waren bestellte, und mit einem niedrigen Zollsatz kalkuliert hat, nicht rechnen konnte. Es möchte daher mit der Praxis, daß ein Vertrag, der bereits am 3. September unterschrieben wurde, erst am 30. September veröffentlicht worden ist, wie dies z. B. beim Schweizer Handelsvertrag der Fall war, gebrochen werden. Die Interessenten müßten durch amtliche Verlautbarungen oder durch die Zeitungen rechtzeitig aufmerksam gemacht werden, falls sich nicht längere Übergangsfristen für den Wirksamkeitsbeginn erreichen lassen.
Eine Quelle ständiger Klagen bildet auch die Art, wie staatliche Lieferungen vergeben werden, denn auch diese steht im Widerspruch mit den Versprechungen der Regierungserklärung, daß man allen Arbeitswilligen Arbeit zu verschaffen bestrebt sei. Die Benachteiligung der deutschen Firmen bei Staats-, Landes-, und Bezirksbauten ist offensichtlich und zu bekannt, als daß man noch weitere Worte verlieren müßte. Sieht man doch im deutschen Gebiete bei solchen Bauten nur èechische Baufirmentafeln, ebenso findet man auch, daß fast ausschließlich èechische Arbeiter mitgebracht und zu den Arbeiten verwendet werden. Sollten deutsche Firmen wirklich nicht in der Lage sein, die Konkurrenz mit èechischen Firmen aufnehmen zu können? Allerdings halten sich die Anbote dieser Unternehmen vielfach unter jenen reeller deutscher Firmen, jedoch verstehen die Bauunternehmer später ihre Forderungen in irgendeiner Weise hereinzubringen. (Posl. Prause: Weil sie keine Korruptionsgelder geben!) Sehr richtig!
Besonders kraß liegen die Verhältnisse bei Vergebungen beim Straßenbau, der eine fast ausschließliche Domäne der èechischen Straßenbaufirmen ist. Auch die Vergebung von Schotterlieferungen erfolgt teilweise in einer Art, die mehr als bedenklich ist. Im Baubezirke Plan werden bereits seit längerer Zeit die früheren Schotterlieferungen dieses Baubezirkes durch die vor ungefähr 2 Jahren neuentstandene Firma "Technobasalta" in Kleinkahn bei Aussig ganz wesentlich unterboten, trotzdem letztere Firma mit der beträchtlich höheren Fracht von Kleinkahn bei Aussig bis in die Stationen des Planer Bezirkes rechnen muß. Die Offertabgaben für das Jahr 1932 sind aber derart, daß diese Angelegenheit einer öffentlichen Erörterung und Untersuchung bedarf. Für die Strecke Wärter Nr. 39, 40 und 41 der Vodòan-Pilsen-Graslitzer Staatsstraße wurde der erforderliche Schotter bisher stets von einer Firma geliefert, die den Schotter direkt vom Werke aus auf die Straße mit Fuhrwerk anfahren konnte. Für das Jahr 1932 hat dieses Unternehmen schon, um bei der geringen Beschäftigung ihren ArBeitern Erwerbsmöglichkeit zu gewähren, die Preise beträchtlich herabgesetzt und die Schotterlieferung für die Strecke Nr. 39 mit 86 Kè, Nr. 40 mit 82 Kè und Nr. 41 mit 85 Kè offeriert. Eine andere nahegelegene Firma, die jedoch mit Bahnfracht rechnen mußte, stellte für die gleiche Strecke die Preise mit 87 Kè und 88 Kè. Ein drittes Werk, welches mit noch größeren Frachtkosten zu rechnen hatte, hat für sämtliche 3 Wärter mit 96 Kè angeboten. Dagegen hat das weitestgelegene Schotterunternehmen, die "Technobasalta" in Kleinkahn bei Aussig, für sämtliche 3 Wärter den Schotter mit 74 Kè für den Kubikmeter offeriert, also zu einem Preise, der trotz der erhöhten Frachtkosten die sehr gedrückten Preise der benachbarten Werke weit unterbietet. Nun ist zu berücksichtigen, daß die Fracht von Aussig bis Annathal-Rothau, bzw. Graslitz sich ungefähr auf 40 Kè für den m3 stellt. Dazu kommen die Zufuhrskosten auf die Straße an den Frächter, welche sich auf ungefähr 25 Kè bis 30 Kè stellen; ferner ist ungefähr mit 5 Kè für verschiedene Gebühren zu rechnen, so daß diese Firma mit Vorkosten, Transportkosten und Spesen im Betrage von mindestens 70 Kc für 1 m3 zu rechnen hat. Für das zu liefernde Material bleiben daher 4 Kè für 1 m3 übrig. Es ist wohl nicht anzunehmen, daß dieses Unternehmen, das ständig die benachbarten Unternehmen - diese arbeiten doch bei der scharfen Konkurrenz ebenfalls mit den tiefstliegenden Preisen - unterbietet, dauernd Verlustgeschäfte machen kann. Es muß daher irgendeine Möglichkeit sein, daß die Firma auf ihre Rechnung kommt und wären daher diese Lieferungen genauest zu überprüfen. (Posl. Krumpe: Herr Direktor Freund ist Leiter dieser Sache!) Sie sind als Nachbar dieser Firma unterrichtet, das wird so sein.
Diese Verhältnisse zeigen, wie notwendig die Reform der Vergebungsordnung ist. Es müßte grundsätzlich die Konzentrierung sämtlicher Lieferungsvergebungen bei einer Stelle - u. zw. eignet sich am besten das Handelsministerium - durchgeführt werden. Selbstverständlich wäre hiebei der Vorgang der öffentlichen Vergebung beizubehalten. (Posl. Krumpe: Aber die Kommission dürfte ihre Schwiegersöhne nicht in der Baufirma sitzen haben!) Das ist ein Kapitel für sich.
Ist die vergebende Stelle von dem Ressort verschieden, für welches die Lieferungen bestimmt sind, so ergibt sich naturgemäß eine verschärfte Kontro le durch das Ressort, für welches diese Lieferungen vergeben werden. Es würden dadurch Lieferungen im Vorhinein unmöglich gemacht, bei welchen event. Minderpreise durch mindere Qualität der gelieferten Ware oder auf sonstige Weise wettgemacht werden. Es wird eine dankenswerte Aufgabe der Ersparungskommission, über deren Geschäftsordnung eben beraten wird, sein, sich mit diesen Sachen zu befassen.
Als grober Unfug muß es bezeichnet werden, daß Lieferungsausschreiben zur Abgabe der Anbote oft nur einige Tage Zeit lassen. Es zeigt dies, daß man deutschen Firmen, die sich zuerst die Unterlagen von Prag beschaffen müssen, eben nicht die Zeit zur Mitbewerbung geben will; sicher aber wissen einzelne Firmen, denen die Lieferung vorbehalten werden soll, längst hievon und erhalten dann auch tatsächlich die Lieferung.
Das kleingewerbliche Lieferungswesen leidet unter der heutigen Art der Vergebung besonders. Es bestehen die gleichen Mißstände hinsichtlich der Bevorzugung èechischer Konkurrenten auch hier. Für unseren Handwerker ist es aber umso schwieriger, sich um öffentliche Lieferungen zu bewerben, als die Ausschreibungen von Staat und Land ausschließlich in èechischer Sprache erfolgen, der Kleingewe rbetreibende aber nicht in der Lage ist, sich die Übersetzung der Ausschreibung, deren Text ihm meistens unverständlich ist, in der entsprechenden Zeit zu verschaffen. Erhält er eine Lieferung, so ist die Korrespondenz der Lieferfirmen ausschließlich èechisch. (Posl. Krumpe: Die Unterlagen kosten 350 Kè!) Das kann naturgemäß der Kleingewerbetreibende, der auch mit der Art der Vergebung nicht vertraut ist, nicht immer mitmachen.
An diesem Umstande leidet insbesondere die Vergebung von Militärschuhlieferungen an die Schuhmachergenossenschaften und muß daher die Forderung gestellt werden, daß die vergebenden Stellen, insbesonders das Handelsministerium, die Monturdepots usw. mit den Gewerbetreibenden in ihrer Sprache korrespondieren, wie dies im Geschäftsverkehre allgemein üblich ist. Das Festhalten an der èechischen Sprache bedeutet bei dem Umstande, daß bei der Übersetzung èechischer Fachausdrücke leicht Mißverständnisse vorkommen, die Gefahr von Irrtümern, die sich durch Rückweisung sonst tadelloser Lieferungen nur zum Schaden der Gewerbetreibenden auswirken. Es ist daher in dieser Beziehung eine Änderung dieser Praxis dringend erforderlich. Gleichzeitig ist auch zu fordern, daß die Quote größer als bisher bestimmt wird.
Der gewerbliche und kaufmännische Mittelstand ist wohl der Stand, der durch die Wirtschaftskrise am meisten betroffen wird. Dessen ungeachtet leidet gerade Gewerbe und Handel unter einer geradezu sträflichen Vernachlässigung seiner Wünsche und Forderungen. Die äußerst dringliche Kredithilfe für Gewerbe und Handel ist seit Jahr und Tag noch unerledigt, wie auch den übrigen äußerst notwendigen Wünschen und Forderungen des erwerbenden Mittelstandes seitens der Regierung kein Gehör geschenkt wird.
Wie aus dem Exposé hervorgeht, hat Gewerbe und Handel leider von keiner amtlichen Seite Hilfe zu erwarten. Wenn auch der Herr Ministerpräsident in diesem Exposé sagt, daß eine der wichtigsten Aufgaben die Milderung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist, und die Regierung sich bemühen will, allen Arbeitswilligen Arbeit zu verschaffen, so glaube ich, daß er am wenigsten dabei an das arbeitslose Handwerk gedacht hat, das wohl arbeitswillig ist, aber keine Arbeit hat, und trotzdem noch Abgaben und Steuern zahlen muß. Denn sonst könnte er nicht in einem Atem bei der Erwähnung der vorgesehenen Sparmaßnahmen sagen, daß, wenn alle Vorkehrungen einer sparsamen Führung der staatlichen Angelegenheiten sich nicht als ausreichend erweisen sollten, sich die Regierung nicht scheuen werde, mit neuen Anträgen und Forderungen zu kommen.
Wir wissen zu genau, worin diese neuen Forderungen und Anträge bestehen: In neuen Steuern und Abgaben, die der erwerbende und schaffende Mittelstand wieder zu tragen hat.
Die Regierungserklärung, die eine beispiellose Programmlosigkeit aufweist, birgt für uns noch dazu eine neue Drohung, nämlich, die Gefahr neuer Belastungen, und demzufolge hat der erwerbende und schaffende Mittelstand von dieser Regierung aus nichts Gutes zu erwarten. Es wird nur an dem Mittelstand selber liegen, sich jene Machtposition zu schaffen, welche auch ihm die Möglichkeit gibt, die entsprechenden Abwehrmaßnahmen aus eigenen Kräften zu treffen. Wir Mittelständler haben durch diese Erklärung des Chefs der Regierung keinen Anlaß, von derselben etwas zu erhoffen und können daher dieser Regierung auch kein Vertrauen entgegenbringen. Wir ersehen, daß die Regierungsmehrheit leider nicht den ernsten Willen hat, dem schaffenden Mittelstande entsprechende Hilfe angedeihen zu lassen.
Aus diesen Gründen nehmen wir
die Erklärung des Ministerpräsidenten nicht zur Kenntnis. (Potlesk.)
Am Mittwoch hat der Herr Ministerpräsident hier im Hause die Regierungserklärung verlesen; und am Tage vorher hat er zu den Journalisten gesprochen und es ist merkwürdig, daß er den Journalisten viel mehr gesagt hat als den Parlamentariern. Die Äußerungen des Herrn Ministerpräsidenten wurden am selben Tage ergänzt durch das Finanzexposé des Herrn Finanzministers.
Der Herr Ministerpräsident unterscheidet zwischen der Weltwirtschaftskrisis und der Finanzkrisis. Er führt drei Ursachen der Wirtschaftskrisis an: territoriale Verschiebungen der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion, Rationalisierung und Überproduktion.
Offenbar hat der Herr Ministerpräsident wichtige Ursachen übergangen. Wenn er von der Überproduktion spricht, so müssen wir sagen; es gibt riesige Länder, z. B. China, Indien und Rußland, die vor allem infolge ihrer politischen Wirren weder Industrieartikel noch landwirtschaftliche Artikel aus dem Auslande in genügendem Maße beziehen können. Millionen von Arbeitslosen und Kurzarbeitern in Europa und Amerika, aber auch Millionen von Landwirten können nur das Allernotwendigste kaufen. Wir haben keinen Überfluß an Waren, sondern einen Mangel an Kaufkräftigen.
Auch die hohen Zollmauern haben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit verursacht.
Nicht vergessen darf man an die riesigen Kriegsschulden, durch die jene Völker, die diese Schulden zahlen müssen, verarmen. Außerdem wird der betreffende Staat zur Ausfuhr um jeden Preis gezwungen.
Noch ein Grund darf nicht übersehen werden: Infolge der Kriegsrüstungen und der nationalen Kämpfe sind wir alle von einer allgemeinen Unsicherheit und Unruhe erfaßt worden. In dieser Gewitterstimmung kann die Wirtschaft nicht gesunden.
Udržal meinte, die Èechoslovakei sei in ihrer zentralen Lage von verschiedenen Störungen nicht verschont geblieben. Richtig ist, daß diese Lage unsere Gesundung erschwert, aber ebenso richtig ist, daß wir spezifisch èechoslovakische Mitursachen dieser Krise haben.
Denken Sie nur an den Militarismus! 20 % unserer Gesamtausgaben werden für den Militarismus verwendet. Wenn wir die ganzen Jahre hindurch für das Militär nur halb so viel ausgegeben hätten, hätten wir überhaupt keine Auslandsschulden mehr.
Vergessen wir nicht, daß durch die nationale Offensive des Staatsvolkes dauernd hunderttausende von Existenzen bedroht sind. Wohl die wichtigste èechoslovakische Ursache: Unsere Industrie hat das alte Absatzgebiet Österreich-Ungarns verloren und - es muß hinzugefügt werden: - vor allem durch die Schuld der èechoslovakischen Politiker. Würden wir die Militärausgaben wesentlich senken, würden nach Bereinigung der nationalen Fragen alle im Staate lebenden Menschen bei allen Fragen des öffentlichen Lebens vom stolzen Gefühl beseelt werden: Tua res agitur! Wäre endlich beim Umsturz durch weitschauende Handelsverträge das eine erreicht worden, daß unsere alten Kunden treu geblieben wären, dann hätte sich Udržal nicht immer wieder vor Frankreich verneigen und verbeugen müssen und auch wir wären trotz unserer zentralen Lage eines der wenigen glücklichen Eilande.
Der Herr Ministerpräsident sprach dann über die Finanzkrise. Über die Ursachen sagte er kein Wort, und ich will darüber auch nicht sprechen. Udržal behauptete, unsere finanzielle Lage sei solid. Dem stimmen wir zu, nicht aber dem Lobe, das er der heutigen Mehrheit spendete. Hätte nicht der sogenannte Bürger block eine unpopuläre Gesundungspolitik betrieben, die die Staatsfinanzen und die Wirtschaft der Steuerträger auf eine gesunde Grundlage stellte, hätte nicht Dr. Engliš mit 31. Dezember 1929 der neuen Regierung die schöne Erbschaft von 2 Milliarden Kè hinterlassen: dann wäre hierzulande die Not noch viel größer. Wenn es uns hier besser geht als anderswo, dann ist dies nicht ein Erfolg der jetzigen Regierung, sondern vor allem ein Erfolg unserer braven Bevölkerung.
Udržal - stellt vier Behauptungen auf: Die èechoslovakische Krone wurde rechtzeitig von der fallenden österreichischen Krone losgelöst. Wir haben wenig Auslandsschulden. Ich glaube wir haben 8 Milliarden Auslandsschulden und 29 Milliarden Inlandsschulden. Hier können wir mit Udržal übereinstimmen, vielleicht auch mit seiner Ansicht, daß die èechoslovakische Krone auf der richtigen Höhe stabilisiert worden sei. Endlich bezeichnet Udržal den Diskont unserer Nationalbank als angemessen. Gerade diese Behauptung ist in der Öffentlichkeit nicht unbestritten geblieben. Sehr ausführlich spricht Udržal über die Grundtendenz der künftigen Regierungstätigkeit, über das Sparen. In diesem Zusammenhang muß eine Äußerung des Ministerpräsidenten berichtigt werden Er sagte, der Lebensstandard der Bevölkerung sei gestiegen. (Výkøiky posl. Krumpeho a dr Lusschky.) Ich verweise auf die Slovakei, wo zehntausende von Menschen aus Not auswandern mußten, ich verweise auf die riesige Not in den Randgebieten, besonders in den deutschen Randgebieten. Diesen Leuten geht es viel schlechter, als in der Vorkriegszeit.
Das Budget ist um 520 Millionen Kronen auf 9 Milliarden, 318 Millionen gesenkt. Im Jahre 1929, also im Jahre der Hochkonjunktur, hatten wir einen Staatsvoranschlag, der mit 9 Milliarden 534 Millionen präliminiert war, also nur um 216 Millionen oder 2 1/2% höher. (Posl. Krumpe: Und bei höheren Preisen!) Unsere Steuerträger müssen also in der Zeit der größten Not soviel Steuern zahlen wie in den Zeiten der Hochkonjunktur. Wenn man uns sagt, daß der Staatsvoranschlag gesenkt worden ist, so sagen wir; die Senkung ist nur nominell. Wenn wir bedenken, daß der Landwirt, der Arbeiter und der Gewerbetreibende heuer viel weniger einnimmt als früher und genau soviel Steuern zahlt, vielleicht sogar mehr Steuern zahlen muß, als im Jahre 1929, so müssen wir sagen, daß dieser Voranschlag von allen Budgets, die hier im Hause jemals aufgelegt worden sind, wohl nominell der niedrigste, aber der am schwersten zu tragende von allen ist.
Der Rechnungsabschluß für 1932 wird ganz anders auschauen als der Voranschlag, der mit der Riesensumme von 5 Millionen aktiv erscheint. Das Budget für 1930 war hoch aktiv, und der Rechnungsabschluß, den wir vor paar Tagen bekommen haben, schließt mit einem Passivsaldo von 622 Millionen ab. Dasselbe müssen wir für 1931 erwarten, wobei zu bemerken ist, daß das Budget für 1931 durch neue Steuern und durch eine Anleihe von 1300 Millionen Kronen ganz über den Haufen geworfen worden ist. Über die Senkung um 520 Millionen dürfen wir gar nicht so erfreut sein. Bedenken Sie: Wir haben heuer durch die Hooveraktion 232 Millionen Kronen erspart. Gespart muß werden; das Gleichgewich ist unter allen Umständen wieder zu erlangen, und wenn man uns sagt, wir haben jetzt schon durch so und so viele Jahre ein aktives Budget, so glauben wir, daß das leider nicht richtig ist. Der Voranschlag für 1930 war passiv und der Voranschlag für 1931 wird gleichfalls nicht aktiv sein, und ich glaube, es gibt im ganzen Hause keinen Optimisten, der glauben könnte, daß der Voranschlag für 1932 aktiv sein wird.
Wie ist das Gleichgewicht im Staatshaushalt zu erlangen? Der Ministerpräsident sagte, wir müssen sparen bei den Personalausgaben. Der Finanzminister ergänzte seine Ausführungen durch eine außerordentlich wertvolle Feststellung. Als seinerzeit, im Jahre 1924 der Abbau beschlossen wurde, haben die deutschen Parlamentarier gesagt, das werde sich ganz anders auswirken, als es sich die Herren vorstellen, wir würden tatsächlich durch den Abbau keine Entlastung der Finanzen spüren, und vorgestern hat Finanzminister Trapl das zugestehen müssen. Es sind vorgestern eine ganze Menge guter Zensuren verteilt worden. Es wäre nötig gewesen, auch den bekannten Abbauminister Dr. Franke entsprechend zu "loben". Man sagt uns durch den Mund des Erstministers, wir werden keine neuen Beamten aufnehmen. Wir sind keine Neulinge und wissen, daß ähnliche Bestimmungen schon öfter da waren und daß es gewissen Leuten, die gute Beziehungen haben, auch dann gelingen wird, unterzukommen. Dann: Reorganisierung der Staatsverwaltung. Wir stimmen vollkommen mit dem Ministerpräsidenten überein, nur sagen wir, wir hören schon seit Jahren immer dieses Programm und bisher ist es nicht durchgeführt worden. Ohne Zweifel ließen sich bei einer Reorganisierung der Staatsverwaltung nicht ein paar Millionen ersparen, sondern sicherlich hunderte Millionen. Allerdings müßte man da mit der Reform nicht von unten, sondern von den Ministerien aus beginnen. Der Ministerpräsident spricht dann von der Entpolitisierung der Beamten, eine Botschaft, die wir wohl hören, aber die wir nicht glauben können. Endlich spricht er sich gegen den Gehaltsabbau aus.
Weiters meint der Herr Ministerpräsident, daß wahrscheinlich neue Steuern werden kommen müssen. Nun bedenken Sie einmal, meine Herren: die Bevölkerung nimmt weniger ein und mußte in den letzten Jahren mehr Steuern zahlen. Es sind neue Steuern beschlossen worden und - was wesentlich ist alle Bezirksumlagen und alle Landesumlagen sind erhöht worden, die Bahntarife, die Gerichtsgebühren sind erhöht, 1300 Millionen haben wir uns ausgeborgt und die 2 Milliarden vom Jahre 1929 sind auch schon verschustert. Man hat uns dies immer damit mundgerecht zu machen versucht, daß ja auch in Deutschland und Österreich die Steuern erhöht werden. Nun sagen wir, die reiche Èechoslovakei kann mit Deutschland, das riesige Kriegsschulden zahlen muß, in diesem Punkte überhaupt nicht verglichen werden.