Meine Herren! In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 12. Feber sprach zur Regierungserklärung auch Herr Abg. de Witte. Er leitete seine Rede mit folgenden Worten ein: "Angesichts der furchtbaren Notlage, in die ohne Quentchen eigener Schuld hunderttausende Staatsbürger getrieben wurden, angesichts der Tatsache, daß heute Hunderttausende von Menschen verzweifelt umherirren und vergeblich nach Brot und Arbeit für Frau und Kinder suchen, angesichts der grauenhaften Zustände, daß ungezählte Kinder hungrig zu Bette gehen müssen, hungrig, mit Lumpen nur notdürftig bekleidet zur Schule, sollte man wohl meinen, daß alle sonstigen Gegensätze hier auf kurze Zeit zu schweigen hätten, daß auch alle Parteistandpunkte zurücktreten müßten, daß nur einzig und allein die Stimme der Menschlichkeit zu Worte kommen dürfte; was alles uns sonst trennt und uns gegeneinander führt, oft in hitzigem Streit, was uns programmatisch, sogar weltanschaulich scheidet, alle unsere Zukunftspläne, alles müßte zurücktreten vor dem einen Programm, vor dem einen Problem: Wie retten wir diese Menschen vor dem Hungertode?"
Nach dieser rhetorischen Einleitung hätte man annehmen dürfen, daß Herr Abg. de Witte sachlich zur Regierungserklärung Stellung nehmen und sie von seinem Standpunkt aus beu rteilen würde. Statt dessen ging er sofort nach dieser Einleitung dazu über, alle übrigen deutschen Parteien herunterzureißen. Insbesondere beschäftigte er sich mit uns Nationalsozialisten, wobei er alle, auch die ältesten Schlager und Ladenhüter, die je gegen uns aufgebracht worden waren, zum besten gab. Daß es sich ihm um nichts anderes als um eine Herabsetzung unserer Partei und Bewegung handelte, beweist die Aufmachung seiner sogenannten Rede in der sozialdemokratischen Presse, vor allem in seinem Leibblatt, dem "Karlsbader Volkswille". Dort trägt die Wiedergabe seiner Ausführungen folgenden Titel: "Der Zweck der Hakenkreuzlerei. Geschaffen im innigsten Einvernehmen mit der Untern ehmerklasse aufgepäppelt mit Unternehmergeld, verfolgt diese nationalsozialistische Bewegung nichts anderes als die Zerstörung der Arbeiterfront, als die Lahmlegung der Arbeiterkräfte im politischen und wirtschaftlichen Kampfe, als die Vernichtung aller Rechte, die ganze Generationen von Arbeitern sich in schwerem Kampfe errungen haben."
Ich brau che nicht zu betonen, daß die in diesem Titel aufgestellten Behauptungen völlig unwahr sind und daß auch Herr de Witte und seine Parteigenossen von der Unwahrheit dieser Behauptungen durchaus überzeugt sind. (Hluk a odpor.) Der Inhalt der Ausführungen des Herrn de Witte reiht sich würdig di esem Titel an.
Herr de Witte hat allem Anschein nach vergessen, daß die deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei, deren zweiter Vorsitzender er ist, sich als Hüterin der Würde des Parlaments fühlt und diese Rolle mehrfach betonte, manchmal auch am unrechten Platze. So beispielsweise, als sie es seinerzeit ablehnte, die Obstruktionen der übrigen deutschen Parteien gegen die Bahnverstaatlichung mitzumachen, jene Verstaatlichungen, welche den Verlust tausender deutscher Arbeitsplätze nach sich zogen. Er hat auch gegen den bisherigen Brauch verstoßen, wonach die deutschen Parteien sich auf dem Boden des Parlaments lediglich sachlich auseinandersetzten, und ist in der Rede auf das Niveau des kommunistischen Abgeordneten Dr. Stern hinabgestiegen. (Hluk.)
Wir wären nun natürlich vollauf berechtigt, Herrn Abg. de Witte und seiner Partei mit den gleichen Mitteln entgegenzutreten. Obzwar wir keineswegs dem Parlamentarismus als den Ausfluß der menschlichen Weisheit ansehen und daher auch uns nicht berufen fühlen, als Hüter seiner Würde aufzutreten, lehnen wir es doch ab, ihm auf diesem Wege zu folgen. Wir haben den Sauherdenton nicht in die politische Auseinandersetzung eingeführt. Er ist vielmehr eine Erfindung der Sozialdemokratie (Výkøiky.) - ich verweise auf Genossen Mehring - und wir überlassen ihn ihr als Monopol, umsomehr als seine Anwendung Sache des Geschmacks ist.
Die Antwort geben Herrn Abg. de Witte die deutschen Arbeiter, die in immer stärkerem Maße in die Reihen unserer Bewegung und der völkischen Gewerkschaften strömen.
Und nun gestatten Sie mir, zur Regi erungsvorlage Stellung zu nehmen. Die Regierungsvorlage Nr. 279, betreffend die Erwerbung eines Abschnittes der Transdanubischen Lokalbahn und die Pacht eines Abschnittes der Nogradwarer Lokalbahn, befaßt sich mit zwei slovakischen Bahnen. Im Zusammenhange damit und mit der Regierungsvorlage Nr. 953, welche heute ebenfalls zur Erörterung steht, betreffend eine staatliche Investitionsanleihe von 1.300 Millionen, darf wohl auf die notwendigen Lokalbahnbauten im deutschen Gebiete hingewiesen werden. Angesichts des Umstandes, daß die Not und Arbeitslosigkeit im deutschen Gebiete am größten ist, wie schon unter anderem auch unsere Redner zur Wirtschaftskrise einwandfrei darlegten, wäre es lediglich ein Gebot der Gerechtigkeit, im Rahmen des mit der Investitionsanleihe verknüpften Investitionsprogramms diese Bahnbauten endlich zu verwirklichen, umsomehr als diese Bauten schon im alten Österreich im Lokalbahnbauprogramm vorgesehen waren.
Ich verweise kurz auf diese Bahnprojekte. Es handelt sich um die Strecken: Olbersdorf-Zuckmantel, welche Strecke die Erschließung des Goldoppa-Tales vorsieht, Troppau-Fulnek, Bennisch-Freudenthal, Deutsch Liebau-Römerstadt, Unterbeøkowitz-Dauba, Joachimsthal-Wiesenthal, die Ergebirgskammbahn Weipert-Wiesenthal und die Strecke Karlsbad-Buchau. Die betreffenden Gebiete sind zumeist landschaftlich schön und würden, wenn man sie dem Verkehr erschlösse, unendlich gewinnen. Überdies befinden sich in ihnen zum Teil Kleinindustrien, welche auf diese Weise einen größeren Absatz ihrer Erzeugnisse fänden. Als Beispiel greife ich die schlesische Strecke Olbersdorf-Zuckmantel heraus. Es ist das die sogenannte Goldoppa-Linie. Seit 35 Jahren bemühen sich die Gemeinden des Goldoppa-Tales Olbersdorf-Heinzendorf, Heindorf, Hillersdorf, Kammer, Kuttelberg, Hermannstadt, Ober- und Niedergrund und Zuckmantel, daß diese bereits dreimal trassierte Bahnstrecke endlich in Angriff genommen werde. Das Eisenbahnministerium hat sich hiezu auch bereit erklärt, verlangt jedoch von den genannten Gemeinden eine Beihilfe von 30%. Diesen Beitrag können die armen Gebirgsgemeinden nicht leisten und gehen daher ihrer vollständigen Verelendung entgegen. Die auch über die Staatsgrenzen hinaus bekannte Holzwarenerzeugung und Handweberei des Goldoppa-Tales vermag infolge der schlechten Verkehrsverhältnisse nicht zu konkurrieren. Daher entvölkern sich die genannten Gemeinden von Jahr zu Jahr. Das ganze Projekt ist mit 36 Millionen veranschlagt.
Ähnlich liegen die Dinge bei den anderen genannten Lokalbahnprojekten. In Resolutionen zum Staatsvoranschlag haben wir schon mehrfach auf diese Projekte hingewiesen und wir erinnern die Regierung an ihre Pflicht, im Rahmen des Investitionsprogramms auch diese Pläne zu verwirklichen und nicht etwa den ganzen Investitionskredit in èechischen Gebieten zu verausgaben und zur Sanierung der Restgutbesitzer und ähnlichen Zwecken zu verwenden.
Da mein Klubkollege Abg. Schubert
zum Investitionskredit ausführlich Stellung nehmen wird, beschränkte
ich mich auf diese kurzen Darlegungen. Koll. Schubert wird
auch zur Regierungsvorlage über den Investitionskredit einen Abänderungsantrag
einbringen, in welchem die Verwendung eines Betrages von 400 Millionen
zur Verwirklichung dieser Lokalbahnprojekte verlangt wird. (Potlesk.).
Meine Damen und Herren! Aus dem brandenden Meer eines Weltkrieges und eines Zusammenbruches von Staaten, die Jahrhunderte überdauert, erhob sich als Eiland diese Repuhlik. Kaum hatten sich die Wogen ein wenig geglättet, da nannte der rosarote Optimist auf dem Posten eines Außenministeriums den neuen Staat eine Insel der Seeligen.
Und wenn er einmal nicht auf seinem Lieblingsinstrument der Schalmei ein Friedenslied blies, pries er das Los all derjenigen, die das Glück genießen, sich Bürger der Èechoslovakei zu nennen. Erst wurde das reine Glück ungetrübter Freude in nationaler Beziehung für alle Völker dieses Staates aller Welt verkündet und erst später, als die Befreiungstaxe und die Reparationsschuld festgesetzt war, erklangen auch für die wirtschaftliche Situation und künftige Entwicklung dieselben Tiraden.
Mit einer Geschichtslüge in die Welt gesetzt, war der Staat mit dem Erbübel der Unwahrhaftigkeit und dem Hang zu Vorspiegelung falscher Tatsachen behaftet und bis zum heutigen Tag ist er von dieser Kinderkrankheit nicht geheilt.
In der Geschichte dieses Staates, die zugleich die Leidensgeschichte unseres Volkes ist, haben wir als hervorragendste Regierungskunst das Fehlen jeden Mutes zur Wahrheit feststellen können.
Eine soziale Maßnahme ersten Ranges, die Bodenreform, wurde mißbraucht zur Enteignung deutschen Heimatbodens und die, welche Privilegien beseitigen sollten, machten sich zu Nutznießern des neuen Systems und die Demokratie war gut genug, um den Feudalismus eines neuen èechischen Inflationsadel zu begründen. Staatssozialismus wurde mißbraucht zur Enteignung der Privatbahnen, mit dem einzigen Ergebnis der Verdrängung der bodenständigen Bediensteten.
Unter dem Schlagwort "Sparmaßnahmen" wurden tausende deutsche Angestellte von ihren Dienstposten verdrängt und auf jeden Platz sitzen heute 2 èechische Angestellte, die weit langsamer arbeiten, dafür aber Volkszählungsbogen und Schultrutzbogen zu füllen haben und die an dem teueren Verwaltungsapparat den größten Anteil tragen.
Sanierung der Gemeindefinanzen nannte man jene Maßnahmen, die den Gemeinden nicht nur ihre Finanzhoheit nahm, sondern auch einen Großteil ihrer bisherigen Einnahmen.
Dotationsfonds nannte man jene gabenspendende Quelle, die Rettung bringen sollte, die nichts brachte als wie ins Massenlose gesteigerte Schuldenwirschaft und den Konkurs des Ausgleichsfonds.
Dutzendweise könnten die Beispiele für Dichtung und Wahrheit èechischer Regierungskunst noch angeführt werden, bis zur heutigen Regierungsvorlage, die sich würdig anschließt den anderen Gliedern in der Kette jener hochtrabenden Ankündigungen, denen der Mut zur Wahrheit fehlt.
Die Bezeichnung der Anleihe als Investitionsanleihe ist durch nichts gerechtfertigt.
Nennen Sie die Vorlage Bilanzierungsanleihe, nennen Sie sie Nachtragsvoranschlag, nennen Sie sie Sanierungsfonds für Staatsunternehmungen und Sie werden der Wahrheit viel näher kommen, als mit dem pompösen Wort "Investitionsanleihe" die vortäuscht eine Ankurbelung der Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten zur Linderung der Arbeitslosennot.
Über die Anleihe sagt die Vorlage und der Motivenbericht selbst, blutwenig. Die Gesamthöhe ist bekannt, auch die Verzinsung, nicht die Laufzeit und nicht der Emissionskurs.
Sicher ist nur das eine, daß zur Zeit der größten Not der Staat seine Finanzhoheit so wenig zu nützen weiß, daß mindestens 60 Millionen als arbeitsloses Einkommen in die Kassen der Banken fließen, die gerade jetzt durchaus nicht an Geldmangel leiden. Volk in Not - Verdienst der Banken größtes Gebot - möchten wir als Leitwort setzen vor jene Maßnahme, die es gestattet, daß der Bankkapitalismus einen Riesengewinn auf sein Dividendenkonto investiert, bevor ein einziger Arbeitsloser durch Arbeit zu Brot kommt.
Bestritten ist auch die Frage, ob eine Inlandsanleihe der Auslandsanleihe vorzuziehen ist. Gewiß sprechen gewichtige Gründe für eine Inlandsanleihe, denen wir uns durchaus nicht verschließen und es ist fraglich, ob zu 5% eine Auslandsanleihe zu erhalten wäre.
Es sprechen aber auch gewichtige Gründe gegen eine Inlandsanleihe. Wenn wir nicht jetzt infolge der allgemeinen Stagnation in den Geldinstituten über große Bestände disponibler Gelder verfügen, so darf nicht außer Acht gelassen werden, daß ein Nachlassen oder gar eine Beendigung der heutigen Krise große Beträge von der Wirtschaft beansprucht und es ist fraglich ob die Festlegung von 1.300 Millionen in Wertpapieren doch nicht eine allzustarke Abzapfung bedeutet. Schon einmal befand sich die Wirtschaft dieses Staates in ähnlicher Lage, als die Dollaranleihe konvertiert wurde aus den Barbeständen des inländischen Kapitalmarktes. Wir sehen darin eine Gefährdung des Zinsfußes, dessen Herabsetzung zur Ankurbelung der Wirtschaft durchaus noch nicht in wünschenswerter Weise erfolgt ist.
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Übersättigung der Sozialversicherung und der Pensionsanstalt mit Wertpapieren, weit über das gesetzliche Ausmaß. Das führt dazu, daß kein Geld oder zu wenig von diesen Anstalten für Kommunalkredit und Wohnungsbauten zur Verfügung bleibt. Das bedeutet in der Folge, Drosselung des Bau- und Wohnungsmarktes, bedeutet Verteuerung des Kommunalkredites, da die zwei Institute mit billigen Zinsfuß fast zur Gänze von Staatskredit in Anspruch genommen werden. Und doch gibt es keine Sanierung der katastrophalen Finanzlage der Gemeinden ohne billigsten Kommunalkredit.
In diesem Zusammenhang möchten wir auch noch auf den Umstand hinweisen, daß das Deutsche Reich vor 1914 stolz darauf war, seinen ganzen Geldbedarf am Inlandsmarkt zu decken. Vielleicht war dies nicht zuletzt eine der Ursachen, daß Deutschland im Weltkrieg einer Welt von Feinden gegenüberstand. Wenn Deutschland der größte Schuldner an Dollarstaatsanleihe gewesen wäre, dann hätte sich das amerikanische Weltgewissen, das in den Tresors der New Yorker Banken seine Herzkammer hat, wahrscheinlich in anderer Weise als im Jahre 1917 geregt haben und den 3/4 Takt dieses Herzschlages hätten andere, zumindest bei den Friedensdiktaten zu spüren bekommen und auch wir würden von keinem Wilsonbahnhof in die Heimat reisen.
Wenn wir nochmals feststellen, daß von der sogenannten Investitionsanleihe per 1.300 Millionen höchstens 1.250 Millionen zur Verteilung übrig bleiben, so ist die Aufteilung dieser Restsumme ebenso interessant, um ein gelindes Wort zu gebrauchen, wie die Begründung dieser famosen Aufteilung.
Wehe dem Industriellen und Geschäftsmann, Gnade der Gemeinde, die Investitionsanleihen zur Tilgung alter Schulden und zur Deckung von zu erwartenden Betriebsausfällen verwenden würden. Der Erwerbsmann käme mit dem Gericht, die Gemeinde mit der Aufsichtsbehörde in Konflikt und die schuldigen Gemeindevertreter hätten mit Einkommen und Vermögen laut Gesetz zu haften.
Väterchen Staat hat es viel einfacher, besonders deshalb, weil ein willfähriges Parlament nicht nur auf restlose Kontrolle der Staatsfinanzverwaltung verzichtet, sondern auch alle Überschreitungen sang- und klanglos deckt. Polen, Italien und Rußland haben es nicht leichter.
600 Millionen soll allein die Eisenbahnverwaltung als Kostenersatz für die bereits im Jahre 1930 durchgeführten oder bereits in Angriff genommene Investitionen erhalten. Diese Aufteilung allein zeigt schon, daß diese Millionen nicht zur Beschaffung neuer Arbeiten, sondern zur Bezahlung alter Schulden verwendet werden, die bei den Eisenbahnen durch den vollständigen Mangel an Betriebserträgnissen entstanden sind, der auch nicht durch die gerade in der jetzigen Notzeit widersinnige Fahrpreiserhöhung behoben werden wird. Die Verkehrssteuer hätte den Investitionsbedarf decken sollen, sie konnte ihren Daseinszweck aber nicht erfüllen, da sie durch das Betriebsdefizit verschlungen wurde. Aber auch die für heuer in Aussicht genommenen Investitionen bedeuten trotz Investitionsanleihe keine Erhöhung, sondern ein verringertes Investitionsprogramm.
Die Eisenbahnen haben also 600 Millionen Schulden gemacht ohne sich darum zu kümmern, wie und wann sie bezahlt werden. Die Anleihe ist noch nicht bewilligt, das Eisenbahnärar macht weiter Schulden laut Bericht der Investitionskommission. Raschheit ist ebenso anerkennenswert wie verdächtig. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, lesen wir, daß der Ministerrat in seiner Sitzung vom 13. Feber die Grundsätze für die Vergebung aufgestellt hat. Dies in einem Zeitpunkte, wo 1.264 Millionen bereits vergeben waren.
Auch die 64.4 Millionen, die den übrigen Staatsbetrieben zu Investitionszwecken zugewiesen wurden, bedeuten eine große Verringerung gegenüber den Vorjahren. Eine große Anleihe, trotzdem verringertes Investitionsprogramm aller Staatsbetriebe gegen die Vorjahre und das alles nennt man hierzulande Ankurbelung der Wirtschaft.
Auf gut Deutsch heißt das Bankerotterklärung der Staatsbetriebe, trotz der Ausnahmsstellung, die sie in der Steuergesetzgebung genießen. So schlecht wie der Staat, wirtschaftet kein Bürger, von dessen Steuerkraft der Staat lebt. Man ist sogar unter die Steuerschieber gegangen und hat z. B. im Braunkohlenrevier die einzelnen Unternehmungen zusammegelegt, damit die Aktiven des einen die Passiven des anderen absorbieren. Dadurch erspart man nicht nur die Steuern, sondern auch Bezirks- und Gemeindeumlagen, so daß die Selbstverwaltungskörper in diesem Gebiet durch die Millionenverluste, die sie durch diese staatliche Steuerhinterziehung erleiden, in eine katastrophale Lage kommen.
Aus der Anleihe sollen aber auch jene 150 Millionen gedeckt werden, die das Parlament als Krisenfonds vor Jahresende bewilligt hat und die man durch Ersparnis im ordentlichen Staatsvoranschlag decken wollte. Dieses Wintermärchen ist ausgeträumt und der sich täglich mehrende Schwund in den Kassenbeständen hat die Machthaber verleitet, auch diese 150 Millionen durch die Investitionsanleihe zu decken, obwohl doch allen Regierungsparteien bekannt sein muß, daß ein Großteil dieses Betrages nicht zu Investitionen, sondern zu außerordentlichen Unterstützungen verwendet werden sollen, die durch die Wirtschaftskrise bedingt sind. Obwohl die Not von Tag zu Tag wächst, konnte eine Einigung über die Verwendung dieses Fonds im Regierungslager nicht erzielt werden und der Opposition wurde ja jedes Mitbestimmungsrecht verweigert um die Demokratie nicht ihrer Würde zu entkleiden.
Was soll mit den 150 Millionen geschehen? Die Entscheidung liegt im Ministerrat und nach den bisherigen Erfahrungen fürchten wir, daß für die Verteilung in erster Linie nationale, vielleicht auch politische, Erwägungen maßgebend sein werden und nicht wirtschaftliche, die allein das Gesetz des Handelns bestimmen sollten. Jedenfalls erheben die einzelnen politischen Parteien der Koalition an diesen Krisefonds so große Forderungen, daß er bei weitem nicht hinreicht, auf alle Fälle aber aus ihm für Investitionen keine Mittel mehr übrig bleiben.
Wie der Märzschnee schmilzt die Millionenanleihe immer mehr zusammen und von der stolzen Zahl blieben für den Zweck, den der Titel der Vorlage aufzeigt, noch ganze 485 Millionen übrig. Aber auch diese Summe ist gefährdet, denn nicht nur bei der Eisenbahn, sondern bei allen Staatsbetrieben wird der Abgang für das laufende Jahr täglich größer. Soll der Restbetrag für die Defizite nicht herangezogen werden, dann wird uns das Jahresende den Fehlbetrag in seiner ganzen Größe aufzeigen. Allein das Sinken der Holzpreise wird uns in der staatlichen Waldwirtschaft einen so großen Abgang bringen, wie nie zuvor. Und dann werden die Beträge nichts ändern, die man von Beerensammlern und holzklaubenden Armen einhebt. Es scheint nur aus Versehen die Anleihe, die man zum Ankauf der Wälder benötigt und die im Finanzgesetz angekündigt war, nicht auch im Investitionskredit aufgenommen worden zu sein, sie hätte wirklich dazu beitragen können aus der Investitionsanleihe eine Anleihe zu machen, die deshalb den Namen trägt, weil aus ihrem Ergebnis kein Heller für Investitionen übrig bleibt.
Das stolze Gebäude der 3 Milliardenreserven im Staatshaushalt ist zusammengeschmolzen, auf die keineswegs imposante Summe von 421 Millionen und der erwartete Abgang im Budget 1931 wird nichts übrig lassen als die wehmütige Erinnerung.
Der im Staatsrechnungsausschuß ausgewiesene Betrag von 904 Mill. darf darüber nicht wegtäuschen, denn die restlichen 483 Millionen sollen deshalb nicht verfügbar sein, weil sie als gebundene Einlagen bei der Landesbank liegen.
Die Landesbank ist nur Durchlaufsstation, denn die 483 Mill. wurden in großzügiger und hochherziger Weise von dem Finanzministerium bevorzugten Banken und Unternehmungen unverzinslich oder zu 1% verliehen und wir fordern eine klare Antwort auf die sich unwillkürlich aufdrängende Frage, ob und wann mit der Rückzahlung dieser Beträge gerechnet werden kann oder aber ob neben dem ungeheueren Zinsenverlust auch die Einlagen selbst als verloren zu betrachten sind. Das würde bedeuten, daß zu größten Notzeit der Schaffenden aus deren Steuerkraft ein Staatsgeschenk von mehr als einer halben Milliarde an den Börsenkapitalismus im Zeitalter der Mitregierung sozialistischer Parteien gemacht wird.
Die 485 Millionen sollen zum Großteil dem der parlamentarischen Kontrolle entzogenen Meliorationsfonds zugeführt werden, so daß nur ein kleiner Teil für andere nicht präliminierte Investitionen übrig bleibt. Wir kommen immer tiefer in die Fondsschulden hinein, die sich jeder Kontrolle entziehen, weil sie nicht ausgewiesen werden und weil dadurch auch der tatsächliche Stand der staatlichen Verschuldung verdunkelt wird und das Staatsbudget wird immer weniger übersichtlich. Aus dem Investitionsprogramm sehen wir mit aller Klarheit, daß für die gelernte Arbeiterschaft, das für jene Industriezweige, die von der Krise am härtesten heimgesucht sind, nichts oder fast nichts in der heutigen Regierungsvorlage vorgesehen ist. Die Vorlage nimmt nicht die geringste Rücksicht auf die Bedürfnisse der Wirtschaft, sondern einzig und allein auf die Bedürfnisse des Staates. Schon in meiner letzten Rede habe ich darauf hingewiesen, daß der Staat immer nur an sich denkt und nicht an die Wirtschaft und die Träger derselben, die Menschen. Koll. Dr. Peters hat recht, wenn er im Budgetausschuß bei der Beratung der Vorlage festgestellt hat, daß wir diese Vorlage heute nicht beraten würden, wenn die Staatsverwaltung keine Defizite und keine drohenden Defizite zu beseitigen hätte. Diese Ausbilanzierung der staatlichen Finanzverwaltung und nicht die Bekämpfung der Krise hat diese Notvorlage verursacht und es besteht keine besondere Ursache Paternitätsansprüche für diese Mißgeburt geltend zu machen. Die rein fiskalische Absicht der Regierungsvorlage ist mehr als ein Schönheitsfehler und macht sie untauglich Hilfe zu bringen, obwohl es höchste Zeit wäre. In diesem Zusa mmenhang möchten wir auf zwei angekündigte Kreditoperationen und staatliche Unterstützungsaktionen hinweisen, von denen wir hoffen, daß sie nicht in irgendeiner Weise unter falscher Flagge eingeschmuggelt werden. Das ist die Legionärunterstützung und nach bewährtem Muster könnte sehr leicht eine kontrollose, weil autorative Unterstützung der Legiobank durch den Herrn Finanzminister den Weg aufzeigen, und das angestrebte Ziel erreichen.
Die andere ist die Unterstützungsaktion zu Gunsten der armen geplagten Restgutbesitzer, die beim Bodenamt noch tief in Kreide stehen. Es würde uns nach den bisherigen Erfahrungen ni cht Wunder nehmen, wenn Sanierungen aller Art dem neuen Landadel Staatsgelder zuführen würden und wenn man diese nette Aufmerksamkeit die Bekämpfung der Agrarkrise nennen würde.
Wenn schon die Not im Volke mißbraucht wird zu Sanierungsmaßnahmen für die staatliche Finanzverwaltung, so erheben wir unsere Stimme mit allem Nachdruck für die Forderung, daß wenigstens die restlichen Millionen in erster Linie dort verwendet werden, wo die Zahl der Arbeitslosen es gebieterisch verlangt. Nur dies dürfte die einzige Richtlinie bei der Vergebung der Notstandsbauten sein. Wir fordern dies nicht aus Prestige oder Lokalpatriotismus, sondern aus Gründen der Menschlichkeit.
Es ist kein Zufall, sondern Symptom, daß die ersten Schüsse in an Gerechtigkeit und staatlicher Fürsorge verzweifelnde Menschen gerade in Dux fielen und Ironie des Schicksals ist es, daß die ersten Blutzeugen der Not in den deutschen Randgebieten Angehörige des Staatsvolkes sind, dessen Repräsentanten diese Not zwar nicht leugnen aber auf sie viel zu wenig Rücksicht nehmen. Im Gebiet Komotau -Reichenberg haben sich für 9717 freie Arbeitsplätze 101.606 Bewerber gemeldet. Vor einem Jahr für 9081 Stellen 7630 Bewerber. Das ist eine Steigerung um 334% gegenüber dem Vorjahr und selbst gegen den Vormonat eine solche um 39 %. Hiezu die erschreckende Tatsache, daß 74% der Arbeitslosen ohne Unterstützung dastehen, weil sie den Wert gewerkschaftlicher Organisation nicht rechtzeitig erkennen wollten. Das Ministerium für soziale Fürsorge hat für Notstandsarbeiten in Nordböhmen 963.000 Kè zur Verfügung gestellt und war es dadurch möglich 2200 Menschen Brot und Arbeit zu verschaffen. Wie entsetzlich die Lage ist, zeigt aber der Umstand, daß dadurch nur etwas mehr als 2% der Arbeitsuchenden Beschäftigung fanden. Nicht besser, sondern weitaus schlimmer steht es um Nordmähren und Ostböhmen und die Ziffern, die Koll. Kasper vorbrachte, zeigen die Not in ihrer furchtbaren Klarheit.
Eine nicht entsprechende Berücksichtigung der katastrophalen Lage in den deutschen Randgebieten wäre nicht nur eine Sabotage der Not, sondern müßte in der deutschen Bevölkerung den Glauben stärken, daß in dem System Absicht liegt. Absicht in der Stilllegung der deutschen Industrie, Absicht in der Verdrängung deutscher Arbeiter von ihrem Arbeitsplatz. Die Übersteuerung, die Zollund Handelspolitik hat die Stillegung vieler Betriebe auf dem Gewissen. In derselben Zeit hat der Staat gelebt, nicht zu knapp, weit über seine Verhältnisse, aber ganze Industriezweige gingen zugrunde. Heute spürt der Staat die Folgen seiner unseligen Politik durch das Versiegen der Steuerquelle.
Ein Großteil der Investitionen ist bereits vergeben, leider zum geringsten Teil für die Notstandsgebiete. Weniges kann noch gut gemacht werden, wenn die von der Investitionskommission beschlossenen Richtlinien umgesetzt werden in die rettende Tat.
Die Not ist so groß, daß die Investitionsanleihe zur Linderung, geschweige denn zur Behebung derselben nicht genügen würde, auch dann nicht, wenn der volle Betrag der Anleihe von 1300 Millionen zu neuen Investitionen zur Verfügung stünde und nicht ein lächerlicher Bruchteil. Deshalb fordern wir einen Investitionskredit von 3500 Millionen, wir fordern aber vor allem, daß eine Milliarde dieses Kredites den Selbstverwaltungskörpern zur Verfügung gestellt wird.
Denn der Staat denkt nur an sich, immer nur an sich und nicht an die Bezirke und Gemeinden, obwohl er weiß, daß infolge seiner mangelnden Fürsorge die Gemeinden weit mehr als der Staat leisten müssen. Nicht nur dadurch, daß sie die fast 84% gewerkschaftlich nicht organisierten Arbeitslosen unterstützen müssen, daß die Kosten der Armenfürsorge ins Unermeßliche steigen, nein, sie müssen vor allem helfend deshalb eingreifen, weil die Arbeitslosen zuerst den Weg aufs Rathaus nehmen.