Die Einnahmen aus den Verbrauchs-, Umsatzsteuern und Zöllen waren in den ersten elf Monaten des Jahres 1930 um 570 Millionen geringer, als sie veranschlagt waren; die Zolleinnahmen sind durch den Rückgang des Importes um 50 Millionen gesunken; die Einnahmen aus den staatlichen Betrieben sind im Jah re 1930 um 600 Millionen geringer, als im Jahre 1929. Der Ausfall der Bruttoeinnahmen bei den Staatsbahnen beträgt im Jahre 1930 600 Millionen gegenüber dem Jahre 1929. Die Einnahmen aus den Staatsforsten sind im Jahre 1930 um 250 Millionen geringer; allein bei dem Tabakmonopol ist eine Mehreinnahme im Jahre 1930 von 100 Millionen zu verzeichnen. Die verminderten Einnahmen des Staates im Jahre 1930 machen 1970 Millionen aus, dazu kommen noch die 150 Millionen Notstandskredit und 150 Millionen, welche den Legionären zurückzuzahlen sind; es wären also insgesamt 2270 Millionen im Staatshaushalte zu decken.
Was dann noch für die Wirtschaft übrigbleiben soll, das wird sicher der Herr Finanzminister wissen, vielleicht verfügt er noch über welche Reserven, die er der Wirtschaft oder vielleicht dem Staatshaushalte, um die Ausfälle zu decken, zuführen kann. (Výkøiky posl. dr Schollicha.)
Nach all dem fragt es sich, ob es nicht praktischer gewesen wäre, statt mit kurzfristigen Inlandsanleihen zu operieren, eine große langfristige Auslandsanleihe aufzunehmen! Der Staat hat doch seine reichen französischen Freunde, die ihm sicher mit einem großen Darlehen bei billigem Zinsfuß beispringen. Denn wenn wir schon 37.000 Millionen Schulden haben, so spielen 2 bis 3 Milliarden mehr keine große Rolle. (Výkøiky na levici.)
Die kurzfristige Anleihe wird sicher von amtlicher Seite damit begründet werden, daß sie nur vorübergehend ist. Ich glaube aber, daß wir nicht mehr lange mit einer guten Konjunktur in der Wirtschaft rechnen können, welche es ermöglicht, dem Staate ein derartiges Einkommen zu sichern, daß er die Ausfälle des Jahres 1930 decken kann; wo ist aber das Jahr 1931, in welchem mit noch schlechteren Auspizien der Wirtschaft zu rechnen ist?
Warum soll aber die jetzige Generation alle Lasten tragen, die doch schon ohnedies genügend gelitten hat? Auch dieses Moment sollte der Herr Finanzminister in Erwägung ziehen. Der Herr Finanzminister wird eine Inlandsanleihe sicher mit dem Geldüberschusse der großen Prager Banken begründen. Es ist wahr, daß die Banken 2 Milliarden zinsenfrei in der Nationalbank liegen haben. Doch falls das wirtschaftliche Leben auch nur ein wenig seinen normalen Gang zu gehen beginnt, werden die jetzt durch die Dekonjunktur überflüssig gewordenen Kapitalien, in die Unternehmungen und in die Warenbestände zurückwandern, und die Wirtschaft könnte dieselben bei dem eventuellen Fehlen schmerzlich vermissen.
Das Festhalten an dem Prinzipe, kein Auslandsdarlehen aufnehmen und alles aus dem Inlande herausziehen in Form von Steuern und allen möglichen Abgaben, wird heute schon sehr schwer durch einen jeden Steuerzahler des Staates empfunden.
Die verantwortlichen Lenker des Staates, darunter doch auch der Herr Finanzminister, müßten schon einmal diese Tatsache einsehen, daß die Èechoslovakische Republik mit ihren 14 Millionen Einwohnern keine Großmacht ist und daß wir uns in der Verwaltung und in allen anderen Sachen einen derartigen Luxus wie ein Großstaat nicht erlauben können, aber, daß wir auch ein derartig großes Heer, wie wir es derzeit haben, nicht erhalten können. (Výkøiky posl. dr Schollicha.) Hier sollte angesetzt werden, und es müßte eine Außenpolitik walten, die so klug wäre, daß sie einen Abbau dieser obenerwähnten Lasten, hauptsächlich der militärischen Lasten, ermöglichte. Das Gottesgnadentum kann sich doch wirklich heute kein Minister mehr einbilden. In Genf wird doch heute schon viel über Frieden und Abrüstung gepredigt. Leider aber werden auch in den chemischen Laboratorien ständig neue Giftgase gesucht und produziert. Wenn es die Mächte in Genf mit diesem friedlichen Geist tatsächlich ernst meinen, so sollen sie ihn rasch verwirklichen. Doch mit Staunen haben wir das Interview unseres Außenministers in der französischen Zeitung "Paris Midi" gelesen. Dieses Interview ist durchaus nicht sehr friedfertig; im Gegenteil, man hört Säbelrasseln. Unser Herr Außenminister hat, wie es uns scheint, die Ruhe verloren. Doch ein Diplomat darf nie die Ruhe verlieren, und wenn er sie verliert, so ist er in Uurecht und hat die Partie verloren. Derartige Interviews können bei weitem nicht ein gutes freundschaftliches Verhältnis ebensowenig auf politischem, wie auf wirtschaftlichem Gebiete hervorrufen. Der ganze Staat krankt an dieser Großmachtspolitik.
Von der jetzigen Regierung können wir nach den bisherigen Erfahrungen nicht viel erwarten; hauptsächlich in der Richtung, daß sie durch die Änderung des politischen Kurses und durch die Befriedigung der Wirtschaft ebenso die politischen wie die wirtschaftlichen Verhältnisse zufriedenstellen könnte.
Eins ist der Regierung seit ihrer 13 monatigen Wirksamkeit glänzend gelungen, und das war die im Jahre 1930, am 2. Dezember abgehaltene Volkszählung. Es ist der Regierung durch ihre Organe die Volkszählung derartig durchführen zu lassen gelungen, daß sie ein mächtiges Stück der Idee des Nationalstaates nähergerückt ist. Die Minderheiten ließ man ganz besonders in der Slovakei teilweise verschwinden.
Ich habe in einer Interpellation die Beschwerden der deutschen Minderheiten in der Slovakei dem Herrn Innenminister dargelegt. Ich bin zwar im vorhinein davon überzeugt, daß ich auf meine Interpellation eine nichtssagende Antwort erhalten werde; ich bin geneigt, alle die Fälle, die ich in der Interpellation angeführt habe, auch zu beweisen und erkläre hier von diesem Platze aus, daß ich diese Volkszählung nie als richtig anerkennen werde; und die nächsten Wahlen werden mir Recht geben, daß wir Deutsche mehr sind, als wir jetzt durch die Slovenská Liga-Leute gezählt wurden.
Würden die Deutschen hier in diesem
Staate derart einheitlich vorgehen, wie es die Deutschen in Polen
tun, so würde es Herrn Außenminister Beneš in Genf des
öfteren so ergehen, wie es Zaleski aus Polen ergangen ist. (Potlesk.)