Meine Damen und Herren! Das Parlament hat von Mitte Dezember bis Ende Jänner reichlich lang Ferien gehalten. Auch der Ministerrat war in einer Zeit, von der man meinen sollte, daß es außerordentlich viel Tätigkeit gibt, reichlich lang untätig. Das hat eine gefährliche Seite für Bevölkerung und Öffentlichkeit. Denn die Öffentlichkeit könnte auf diesem Wege leicht dahinter kommen, daß diese sogenannten gesetzgebenden Einrichtungen, Parlament und Regierung, eigentlich außerordentlich überflüssig sind. Denn die Bürokratie herrscht nach wie vor unbekümmert darum, ob das Parlament tagt oder nicht, in der gleichen Weise weiter. Die erste Parlamentssitzung hat uns als Tagesordnung irgend etwas über Seehäfen von Chile gebracht, als ob man in der Verzweiflung überhaupt nichts fände, worüber man heute zu sprechen hätte. Seitdem lebt das Parlament sozusagen von Tagesereignissen und greift auf, was sich so zufällig in der einen oder anderen Stadt ereignet, um sich eine Weile damit zu befassen, und macht den Eindruck, als ob es auf neue Ereignisse warten würde, um neue Beschäftigung zu bekommen. Zwischendurch hört man mehr oder weniger theoretische Auseinandersetzungen über die sogenannte Wirtschaftskrise. Die beiden Hauptgruppen befassen sich mit dieser Wirtschaftskrise in sonderbarer Weise. Von der einen Seite wird den Arbeitslosen Ruhe als ein Surrogat für den Hunger anempfohlen, auf der anderen Seite werden Krawalle inszeniert und man muß wohl sagen, daß durch beide Mittel den darbenden Massen in keiner Weise geholfen werden kann.
Derzeit steht noch die Regierungserklärung, die wir vor einer Woche gehört haben, auf der Tagesordnung. Es ist der seltene Fall gegeben, einmal tatsächlich zur Tagesordnung sprechen zu können, und ich will mich jetzt mit dieser Regierungserklärung auseinandersetzen.
Acht Väter und ein Kind, möchte ich sagen; und das Kind sieht auch danach aus. Man weiß nicht, welchem von den acht Vätern es ähnlich sieht. (Výkøiky posl. dr Schollicha.)
Man behauptet, daß eine Konzeption Vieler außerordentlich schwer sei und daß eine Erklärung immer verwachsener wird, je mehr daran gearbeitet haben. An dieser Erklar ung scheinen sämtliche Koalitionsabgeordneten gemeinsam gearbeitet zu haben, denn sie ist geradezu ein Beispiel von ungewöhnlicher Inhaltslosigkeit. Man müßte sogar zu dieser Regierungserklärung und zu dem, der gezwungen war, sie abzugeben, das scharfe Wort anwenden: "Si tacuisses, philosophus mansisses". Die Regierung hat durch diese Erklärung ihre totale Unfähigkeit so richtig zum Ausdruck gebracht, und es mag vielleicht in einem gewissen Zusammenhang damit stehen, daß die Arbeiter daran gehen, sich durch schärfere Straßendemonstrationen Gehör zu verschaffen. Es ist doch in diesem Staate tatsächlich schon so weit, daß nurmehr der Beachtung findet, der auf die Straße geht und Krawall macht. Es ist daher nicht verwunderlich, daß es nunmehr zu Arbeitslosendemonstrationen und Zusammenstößen gekommen ist, verwunderlich ist vielmehr, daß es bis heute noch verhältnismäßig selten war, daß die arbeitenden Massen, die um ihre Arbeitsstellen gekommen sind, zu diesem letzten Mittel greifen, um die Aufmerksamkeit durch öffentliche Demonstrationen auf sich zu lenken.
Die Einleitung der Regierungserklärung ist eine historische, volkswirtschaftlich-philosophische, reichlich elegische Betrachtung. Nach dieser Betrachtung wird von der Regierung behauptet, daß ihre Tätigkeit namentlich einen präventiven Charakter hatte. Es mag vielleicht sein. Tatsache ist, daß die Regierung durch ihre bisherige Tätigkeit keine präventive Wirkung ausgeübt hat. Es wird dann weiter behauptet, wie aus dem Wortlaute zu entnehmen ist, daß die Regierung von dem Standpunkt ausgehe, Voraussetzungen für eine gedeihliche landwirtschaftliche Produktion, Aufrechterhaltung der Preise, Rentabilität der landwirtschaftlichen Unternehmungen usw. zu schaffen. Reichlich leere Worte, denen jede praktische Bedeutung und auch jeder praktische Inhalt fehlen. Die Regierung rühmt sich, daß sie in der Zeit von 13 Monaten 89 Regierungsvorlagen herausgebracht hat und daß 89 davon überwiegend wirtschaftlichen Charakters gewesen sind. Die Anzahl allein beweist gar nichts. Der Erfolg ist der Regierung jedenfalls versagt gebheben. Viel Schlechtes und wenig Gutes. Es wäre besser gewesen, weniger Vorlagen, aber eine Wirkung, als rund 100 Vorlagen, die sich praktisch nicht ausgewirkt haben.
Immerhin ist eine Seite dieser Vielheit interessant: Es wird darauf hingewiesen, daß fast sämtliche Vorlagen einen überwiegend wirtschaftlichen und sozialen Charakter hatten. Es wird damit gezeigt, daß auch diese Regierung wie die vorhergehenden sich mit nationalen Fragen außerordentlich wenig oder überhaupt nicht beschäftigt; sonst müßte man unter den 100 Regierungsvorlagen doch die eine oder die andere finden, die sich mit diesem in diesem Staate sicherlich außerordentlich dringenden Problem der nationalen Fragen befassen würde. Es ist bezeichnend, daß vonseiten der Regierung selbst zugegeben wird, daß man sich lediglich mit Wirtschaftsfragen befaßt und daß trotz Mitarbeit Deutscher in der Regierung kein Druck sichtbar ist und keine Veranlassung genommen wird, auch nationale Vorlagen herauszubringen.
Die Regierung erklärt weiters, daß sie den Grundsatz aufstellt, namentlich die wirtschaftlich Schwachen zu unterstü tzen und zu schützen. Bei dem Beschluß, 150 Millionen für die Krisenbekämpfung bereitzustellen, hat man doch wahrlich vergessen, daß man für die bekanntlich außerordentlich schwachen Banken allein schon den doppelten Betrag, 300 Millionen, ohne viel Aufregung und ohne viel Aufsehen hergegeben hat, daß man aber über die beschlossene Beute von 150 Millionen und ihre Verteilung bis heute sichtlich nicht ins Reine und Klare kommen kann. Es ist eine Mitteilung des Herrn Abgeordneten Prof. Macek außerordentlich interessant, und sie gehört in diesen Zusammenhang, daß im Depot der Nationalbank seit Jahren Guthaben der Staatskassa aus dem Ertrage der Vermögens- und Wertzuwachsabgabe von weit über 3 Milliarden ruhen. Man scheint hier einen Schatz vergraben zu haben und dabei streitet man sich um einen Bettel von 150 Millionen, über dessen Verteilung man nicht einig wird, obwohl Woche um Woche vergeht und die Krise sich verschärft, während man hier zugegebenermaßen eine Riesensumme von über 3 Milliarden einfach unproduktiv in der Nationalbank begräbt. Es ist auch die Frage an die Finanzverwaltung des Staates zu richten, wie es verantwortet werden kann, daß in der heutigen Zeit Milliardenbeträge vergraben werden, während man um wenige Millionen feilscht und sich nicht darüber klar werden kann, wie der Bevölkerung geholfen werden soll.
Es wird hervorgehoben, daß im Voranschlag für 1931 nahezu 2 Milliarden neue Investitionen enthalten seien. Weiter wird mitgeteilt - und es soll das wohl als eine gewisse Beruhigung auf die Bevölkerung wirken daß eine besondere interministerielle Kommission eingesetzt worden ist, die wöchentlich alle aktuellen Investitionsfragen behandeln soll. Wenn diese interministerielle Kommission wieder nichts anderes als ein Beamtenapparat ist, kann man sich ungefähr vorstellen, daß eine Krähe der anderen kein Auge aushacken wird. Ich werde an einem praktischen Beispiele zeigen, wie außerordentlich schikanös man vorgeht, wenn es sich um Investitionen handelt, und wie man alle möglichen Mittel findet, um zu behindern und um zu hemmen, und wie man es unterläßt, die Ansuchen von Gemeinden, Bezirken usw. beschleunigt zu behandeln und zu unterstützen. Es wird seit einem Jahr ein Kampf zwischen dem Landesamt und der Stadtgemeinde Mies geführt. Diese versucht seit einem Jahr eine staatliche Subvention für eine äußerst dringende Straßenpflasterung zu erhalten. Ich bin genötigt, eine Interpellation einzubringen, die eine Unzahl von Geschäftszahlen aufweist, wie immer und immer wieder die Beamten des Landesamtes neue Hindernisse finden, um diese notwendigen Arbeiten aufzuhalten, so daß man letzten Endes den Eindruck haben muß, daß die erst jüngst wieder gemachten letzten Angebote aufgehalten werden, weil es sich um deutsche Arbeiter und um eine deutsche Stadt handelt und die Offerte, die seitens der deutschen offerierenden Firmen eingebracht wurden, die billigsten gewesen sind. Man bewilligt sie nicht, man hat wieder neue Hindernisse gefunden, um diese dringenden Bauten aufzuhalten. Es würde zuweit führen, wenn ich diese Beispiele ausführlicher behandeln wollte.
Es wird jedem Einzelnen bekannt sein, welch außerordentliche Schwierigkeiten gemacht werden, wenn man versucht, Investitionen auch tatsächlich durchzuführen. Der Beamtenapparat sabotiert geradezu jeden Versuch von Investitionsarbeiten und es ist außerordentlich schwer, etwas durchzusetzen. Denn die Gesuche bleiben nicht nur wochenlang, sondern monatelang liegen, und wenn sie ein Stück weiter gehen, ist es lediglich eine Schiebung von einer Amtsstelle zur anderen. (Výkøiky posl. dr Schollicha.) Aber es ist außerordentlich selten, daß eine Erledigung herauskommt. In dem Falle der Straßenpflasterungen des westböhmischen Gebietes weise ich darauf hin, daß z. B. bei den Gemeinden Holleischen und Mies trotz aller Ansuchen und Erfüllung aller verlangten Bedingungen bis heute diese geringe Verbesserung der Straßen nicht zu erreichen war - es handelt sich eben um deutsche Gebiete während z. B. in der nächsten Nachbarstadt, in Nürschan, das allerdings schon im Pilsener èechischen Gebiete liegt, diese Straßen ohne viel Ansuchen einfach gebaut worden sind. (Výkøiky posl. Geyera.) Je mehr Ministe rien und Ämter sich mit einer derartigen Sache befassen, desto umständlicher und langwieriger wird sie behandelt. Tatsache ist, daß nichts herauskommt und wenn etwas herauskommt, sieht man die Benachteiligung sowohl der deutschen Firmen wie auch der deutschen Arbeiter in einem himmelschreienden Maße.
Die Regierungserklärung sagt, z. B. auch, daß bei der Investitionstätigkeit darauf geachtet werden müsse, daß die Arbeit gehörig verteilt werde und daß die Regierung mit gutem Beispiele vorangehe. Man kann aber z. B. gerade im Falle der Straßenpflasterung nachweisen, daß diese gehörige Verteilung lediglich darin besteht, die Arbeiten unter èechische Firmen zu verteilen, und daß eine Unzahl deutscher Firmen - es ist das nachweisbar - selbst wenn sie die billigsten Offerte eingebracht haben, nicht berücksichtigt werden, sondern daß man selbst von weither Firmen heranzieht und sie bevorzugt, auch wenn sie viel höhere Offerte stellen.
Es wird in der Regierungserklärung - es klingt das geradezu wie eine Ironie - darauf hingewiesen, daß die Voranschläge der autonomen Verbände, namentlich der Bezirke und Gemeinden, rechtzeitig erledigt werden sollen und daß die Durchführung der Investitionsarbeiten beschleunigt werden möge. Ich habe in dieser Frage im Falle der Stadt Dobrzan bei Pilsen eine Interpellation eingebracht, weil man von dieser Stadt verlangt hat, daß sie den Voranschlag für 1929, schließlich von 1930 einbringen solle, während diese Stadtgemeinde noch nicht einmal den Voranschlag von 1928 von der Landesbehörde zurückbekommen hatte. Es ist ja geradezu unsinnig, die Anforderung an die Gemeinden zu stellen, spätere Voranschläge vorzulegen, während die früheren noch beim Landesamte ruhen und noch nicht zurückgekommen sind. Es wäre außerordentlich schön, wie der Ministerpräsident erklärt hat, daß die Voranschläge rechtzeitig erledigt werden sollen. Er möge aber dies in eindringlichster Form der Landesbehörde und den berufenen Beamten zur Kenntnis bringen, weil es nichts hilft, dies nur als eine Vorkehrung der Regierungserklärung dem Parlamente mitzuteilen.
Die Regierungserklärung spricht auch davon, daß die Verbilligungstätigkeit außerordentlich wichtig sei und daß alle Amtsstellen alles unternehmen werden, was in ihren Kräften liegt, um Verbilligungen herbeizuführen. Die Regierung ist doch in der Verbilligungsaktion wirklich in einer besonderen Weise vorangegangen! Die Eisenbahnpreise wurden abgebaut, die Posttarife wurden abgebaut, die Frachtpreise wurden ermäßigt, ein Steuerabbau um viele Milliarden hat stattgefunden, so ähnlich müßte man sich die Dinge vorstellen, wenn man ungeniert in einer Regierungserklärung die Verbilligungstätigkeit als besonders wichtig darstellt. Es ist geradezu eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn man von Verbilligungstätigkeit spricht, während der Staat selbst die Preise dort, wo er die Möglichkeit ihres Abbaues hätte, erhöht. Es wird weiter hervorgehoben, daß zur Linderung der wirtschaftlichen Krise ein Kredit in der Höhe von 150 Millionen gesetzlich festgelegt worden ist. Die Durchführung dieses Gesetzes wurde bereits in Angriff genommen. Wie lange wird dies wohl dauern, wenn das Gesetz bereits in Angriff genommen wurde, bis es damit vorwärts geht und eine entsprechende Durchführung dieses Gesetzes kommt? Die schwerste Zeit ist gerade jetzt in den Wintermonaten, und es ist unverantwortlich, daß ein Notgesetz beschlossen wird, das für den Augenblick lindernd wirken soll, das man aber erst jetzt neuerdings in Erwägung und in Behandlung zieht, um zu überlegen, was damit geschehen soll, während dies schon längst notwendig gewesen wäre. Es werden verschiedene Regierungsentwürfe angekündigt, die in Vorbereitung sein sollen. Es wird auch darauf hingewiesen, daß über die Provisionen der Bergleute, über das Bergwesen und dgl. gesetzliche Vorbereitungen getroffen werden, um die Arbeitslosenkrise zu bekämpfen. Ich verweise hier darauf, daß die altbekannten Silber- und Bleierzbergwerke in Mies in Westböhmen stehen geblieben sind und daß man an das Arbeitsministerium herangetreten ist, nur um einen Kredit von 3 Millionen Kronen zu erwirken, um den Betrieb dieser Bergwerke aufrecht zu erhalten. Diese 3 Millionen Kronen waren von demselben Arbeitsministerium nicht zu bekommen, das, - ich erinnere nur beispielsweise daran - bekanntlich für ein Haus in Marienbad ruhig 7 Millionen Kronen ausgegeben hat, während es für die Instandhaltung und Fortführung der Arbeit von Bergwerken, in denen mehrere Hundert Arbeiter ihren Verdienst gefunden haben, keine 3 Millionen als Darlehen übrig hat. (Výkøiky posl. dr Schollicha.) Es klingt weiters geradezu wie ein Witz, wenn die Regierung neuerdings betont, daß sie rechtzeitig nach dem letzten Wohnungsprovisorium das Versprechen abgibt, ein definitives Wohnungsgesetz vorzubereiten. Es wird langsam in diesem Lande keinen vernünftigen Menschen mehr geben, der noch an solche Versprechungen glaubt, die schon so oft nicht eingehalten wurden, die aber immer wieder zum Vorschein kommen.
Weiters wird betont, daß in allen Zweigen der Staatsverwaltung die erwünschte Ökonomisierung stattfinden werde. Es wäre nur zu wünschen, daß man unter "Ökonomisierung" nicht wie bisher lediglich einen Abbau deutscher Beamter versteht, welche Tatsache ja keine Ersparnis mit sich brachte, weil für einen Abgebauten oft genug 2 neue angestellt wurden. Unglaublich aber klingt es auch, daß es in der Regierungserklärung heißt: "Bei den Verhandlungen über die Regelung von Handels- und Rechtsbeziehungen mit anderen Staaten haben wir alles getan, was möglich war". Angesichts des Handelskrieges mit Ungarn, angesichts des Mangels eines Handelsvertrages mit Deutschland, des Ablaufens der Handelsverträge mit Österreich und der neuesten Meldungen, daß zwischen Prag und Warschau ein Handelskrieg ausbrechen soll, angesichts dieser Tatsachen, während die Èechoslovakei rings um sich herum bereits die Handelsbeziehungen verloren hat oder am besten Wege dazu ist, sie zu verlieren, erklärt der Regierungschef, daß die Regierung die Rechtsbeziehungen mit den anderen Staaten so gut geregelt habe, als es ihr möglich war. Man kann dazu nur sagen, daß sie den Beweis erbracht hat, daß ihr dies eben nicht möglich war und daß sie nicht imstande war, auf diesem Gebiete die notwendigsten Voraussetzungen für die Existenz der Bevölkerung zu schaffen.
Die Regierung meint weiter, die Bevolkerung müsse fühlen, daß der Staat in ihrem Existenzkampfe fest hinter ihr stehe. Es möchte mich außerordentlich interessieren, ob auch nur ein Mensch angesichts dieser Verhältnisse tatsächlich dieses Gefühl bekommen hat. Ein Lichtpunkt - um nicht nur zu kritisieren - scheint mir in der Regierungserklärung zu sein, daß nämlich die öffentlichen Bediensteten an eine erhöhte Pflichterfüllung gemahnt werden, daß die rasche und genaue Erledigung aller Arbeiten besonders im Zus ammenhang mit der Wirtschaftskrise verlangt wird. Dies müßte bedeuten, daß in allen Ämtern ein vollkommen neuer, bisher allerdings unbekannter Geist Einzug halten müßte. Ich verweise hier nur auf ein einziges kleines Beispiel wieder aus dem praktischen Leben, um zu zeigen, wie es mit der raschen und genauen Erledigung aussieht, wenn man z. B. zum Steueramt kommt. Ein in seiner wirtschaftlichen Existenz schwer bedrohter Steuerträger brachte ein Gesuch anstatt bei der Steueradministration beim Steueramt ein. Beide Ämter sind Tür an Tür nebeneinander. Im Verlaufe eines - Vier teljahrs hat das Steueramt den Weg in die Steueradministration - ein Zimmer nebenan - nicht gefunden. Es bedurfte langwieriger Nachforschungen und Interventionen, bis es möglich war, dieses dringende Gesuch von einem Zimmer in das andere zu bringen. So sieht, an einem kleinen Beispiel aufgezeigt, die genaue und rasche Erledigung der Arbeiten in der Praxis aus.
Es wird weiters in der Regierungserklärung betont, daß die Behörden durch gegenseitige Verschiebungen der Arbeitskräfte die Arbeitsmöglichkeiten verbessern sollen. Tatsache ist, daß wir im deutschen Sprachgebiet draußen zum größten Teil èechische Beamte haben, die häufig, mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen haben und die schon dadurch ihrer Arbeit nur außerordentlich schleppend und schwer nachkommen können, so daß dies einer der Hauptgründe ist, warum der Arbeitsgang immer schleppender und schleppender wird. Es muß wiederum nachdrücklich gefordert werden, daß die vor Jahr und Tag schon in die Slovakei angeblich zu Sprachstudien deportierten deutschen Beamten in ihr Heimatsgebiet zurückkommen, weil mit ihnen eine viel reibungslosere und raschere Arbeit möglich ist und weil sich dann nicht Dinge ereignen können, wie sie heute in unserem Gebiete gang und gäbe sind.
Der Ministerpräsident betont besonders, daß zur Durchführung dieser Arbeiten Ruhe und Ordnung notwendig sei. Das bekannte Wort von der Ruhe als der ersten Pflicht des Bürgers im Staate ist wohl da nicht angebracht, wo die Regierung nicht restlos alles durchführt, was zur Sicherung des Existenzminimums der Bevölkerung notwendig ist. Wenn die Regierung weiter erklärt hat, daß die erforderliche Ruhe im Staate mit allen Mitteln werde aufrecht erhalten werden, so kann man hier sagen, daß sie in diesem Punkte Recht behalten hat. Denn die traurigen Ereignisse von Dux haben ja gezeigt, daß tatsächlich vor keinem Mittel zurückgeschreckt wird, um Bewegungen zu untnrdrücken, die letzten Endes aus der Not geboren sind und jedenfalls mit anderen Mitteln bekämpft werden müssen als mit der Anempfehlung von Ruhe und Ordnung, ohne daß die Regierung die Grundlagen dafür schafft, daß diese Ruhe und Ordnung für die Bevölkerung auch erträglich ist.
Die Regierung erklärt, daß sie
nicht in der Lage ist, alle Ursachen weder der Weltwirtschaftskrise
noch der einheimischen Wirtschaftskrise zu erörtern. Man hat allerdings
tatsächlich bei der Regierungserklärung diesen Eindruck im reichlichsten
Maße gehabt. Es zeigt sich, daß die Regierung tatsächlich bisher
mit keinem Programm vor das Parlament treten und dem Parlamente
keine irgendwie klaren Vorlagen ankündigen konnte, die mit der
nötigen und gebotenen Raschheit durchgeführt werden könnten. Es
ist daher unmöglich, einer derartigen Erklärung zuzustimmen, sondern
es muß im Gegenteil darauf hingewiesen werden, daß der Kampf sich
wohl in kürzester Zeit nur umsomehr verschärfen wird, als man
auch in den allerletzten Wochen und in den letzten Tagen nach
der Regierungserklärung nichts gehört hat, was zur Linderung der
Not tatsächlich durchgeführt werden soll. Es wird der Kampf zwischen
den Völkern und der Regierung daher nur umso schärfer und stärker
entbrennen. Es ist zweifellos, daß wir bei diesem Kampfe auf der
Seite unseres Volkes stehen werden und daß wir eintreten werden
für die Lebensnotwendigkeiten und die Rechte unseres Volkes nicht
nur in wirtschaftlicher Beziehung, sondern auch in nationaler
Beziehung, weil diese beiden Dinge, obwohl man die nationale Frage
immer wieder in den Hintergrund zu drängen sucht, nicht getrennt
werden können. Solange man nicht eine grundsätzliche Umstellung
vornimmt, solange man versucht, nach außenhin eine Politik zu
betreiben, die den Bedürfnissen der Bevölkerung und den wirtschaftlichen
Verhältnissen dieses Staates vollkommen entgegengesetzt ist, solange
wird man der Wirtschaftskrise in keiner Weise entscheidend an
den Leib rücken. Solange man mit kleinen Mitteln versucht, einen
großen Brand zu löschen und an den Grundfesten des ganzen Staatsvoranschlages
nichts ändert, wird es auch nicht möglich sein, die Wirtschaftskrise
entscheidend zu bekämpfen. Solange man sich nicht entschließen
kann, dort zu sparen, wo es möglich ist, sondern versucht, mit
geringen Aushilfen eine Weltwirtschaftskrise zu bekämpfen, wird
man von Fiasko zu Fiasko schreiten. Wir haben jedenfalls die Aufgabe,
in wirtschaftlicher und nationaler Beziehung diese Schwächen der
Regierungserklärung restlos aufzudecken, und wir werden in jedem
Kampfe an der Sei te unseres Volkes stehen. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Seit dem Beginn der Parlamentssession im Jahre 1929 geht die Debatte über die Wirtschaftskrise in diesem Hause. Als sich die Wirtscnaftskrise besonders bei der Landwirtschaft arg verschärfte, wurde das alleinige Heil zur Bekämpfung der landwirtschaftlichen Krise in der Kündigung des ungarischen Handelsvertrages versucht. Gelegentlich der Zollerhöhungsvorlagen, bei deren Verhandlungen, gab ich meiner Ansicht hier im Hause des öfteren Ausdruck, daß wir Landwirte von einer Zollerhöhung für Agrarprodukte wenig oder nichts zu erwarten haben. Denn es gibt ja heute Dumping und andere moderne Mittel zur Bekämpfung der hohen Zollschutzmauer.
Ich hatte bei dieser Gelegenheit des öfteren in der Richtung gesprochen, wir mögen wirtschaftspolitisch neue Wege gehen, die Wege der gegenseitigen Verständigung und des Ausgleiches, denn einen Zollkrieg mit Ungarn kann unsere Industrie und auch die Republik schwer vertragen. Denn die Folgeerscheinungen eines Wirtschaftskrieges sind: Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Niedergang. Die Arbeitslosenunterstützungen belasten die Staatskassa und dadurch die Steuerzahler, und die Landwirtschaft verliert in der niedergehenden Industrie und in dem wenig verdienenden Arbeiter den so wichtigen Inlandskonsumenten. Meine Worte waren stets die, daß ein Übereinkommen mit Ungarn auf der Grundlage der Kontingentierung, respektive des gegenseitigen Warenaustausches geschaffen werden müßte.
Meine Worte verhallten; von amtlicher Stelle wurde mir einmal erwidert, ohne besondere Begründung, daß eine Kontingentierung nicht möglich sei; höchst wahrscheinlich haben sich wieder hochpolitische Momente der Sache entgegengestellt und am 15. Dezember trat schon der vertragslose Zustand mit Ungarn ein.
Wie und in welcher Form sich dieser vertragslose Zustand auswirkt, das spürt heute schon am besten unsere Wirtschaft. Ganz besonders die Textil-, Eisen- und Holzindustrie. Die Holzverwertung in der Slovakei wurde ganz niedergelegt, am besten beweist diesen Umstand das große Defizit bei den Staatsforsten im Jahre 1930.
Richtig hat der Herr Ministerpräsident gesagt: "Die Krise hat bei uns den Höhepunkt noch nicht erreicht", und meine Frage ist: "Was hat die Regierung dagegen getan?"
Ein Agrarstaat kann leichter und länger eine Wirtschaftskrise aushalten als ein Industriestaat! Ein Industriestaat muß bei der heutigen großen Konkurrenz in der Produktion trachten, mit allen Mitteln jeden schon einmal eroberten Markt zu halten. Bei uns wurde dies im Falle mit Ungarn nicht getan, sondern einem fraglichen Mehlmischungsgesetz ein großes Absatzgebiet unserer Industrie geopfert. Ungarn hat den Ausweg gefunden und es steht der Abschluß eines Abkommens mit Österreich bevor und zwar auf Grund der Kontingentierung, respektive des gegenseitigen Warenaustausches. Die Wiener Börsenzeitung bringt darüber Details, aus denen hervorgeht, daß gerade Waren, die bisher aus der Èechoslovakei nach Ungarn gingen, nunmehr aus Österreich dorthin gehen werden.
Diese Idee der gegenseitigen Kontingente, welche ich im Winter des Jahres 1929/30 als eine Ausgleichsmöglichkeit vorgeschlagen hatte, hat Österreich mit Ungarn verwirklicht, und alle Wirtschaftskreise schauen diesem neuartigen Handelsübereinkommen mit dem größten Optimismus entgegen.
Unsere wirtschaftlichen Verhältnisse, wie es gelegenlich der jetzigen Regierungsdebatte von sehr vielen Rednern betont wurde, sind nicht rosig und selbst die jugoslavischen Verhandlungen bieten uns wenig Hoffnung. Die Regierung muß heute unbedingt Jugoslavien mehr bieten, als für dasselbe die Chancen in dem osteuropäischen Agrarblocke bedeuten.
Vom wirtschaftlichen Standpunkte aus wäre es meiner Meinung nach viel klüger gewesen, die Fühler nach Berlin-Wien auszustrecken, als an der fraglichen Idee der kleinen Wirtschaftsentente festzuhalten. Denn mit den zentraleuropäischen Staaten muß in einem europäíschen Wirtschaftsarrangement immer gerechnet werden, denn das Deutsche Reich hat sicher eine ausschlaggebende Bedeutung in europäischen Wirtschaftsfragen.
Dank dieser Wirtschaftspolitik, für welche die Regierung die volle Verantwortung tragen muß, stehen wir heute in Mitteleuropa beinahe isoliert da. Diese schlechte Wirtschaftspolitik macht sich auch in unserem Staatshaushalte schon sehr bemerkbar. Die Einnahmen werden immer weniger, die Ausgaben im Staatshaushalte aber immer mehr. Statt durch geschickte Handelspolitik, dank der guten geographischen Lage der Republik, die Wirtschaft zu befruchten und die öffentlichen Lasten zu vermindern, soll unser Finanzminister darangehen, für Investitionszwecke, de facto aber für den Ausgleich der ausfallenden Summen im Staatshaushalte ein Darlehen von 1.3 Milliarden aufzunehmen. Dr. Engliš, der prinzipielle Gegner von Darlehen, mußte nachgeben und sich dazu bequemen, einen Kredit auf Kontokorrent, gedeckt mit kurzfristigen Titres, welche jederzeit bei der Nationalbank lombardiert werden können, mit fünfprozentiger Verzinsung aufzunehmen. Kaum war es verlautbart, daß die Regierung ein derartiges Investitionsdarlehen aufzunehmen gesonnen ist, daß sich Dr. Engliš mit Dr. Preiss ausgesöhnt hat, regte sich schon die Börse und die Skodaaktien stiegen um 78 Kronen, Èeskomoravská um 80 Kronen, Berg und Hütten um 95, Prager Eisen 95, Ringhoffer 30 und die Königshofer Zementindustrie um 140 Kronen. Da doch diese Aktien größtenteils in den Händen der Großbanken und großer Konzerne sind, kann man sich leicht vorstellen, welch horrende Gewinne diesen Aktienbesitzern aus dieser Hausse zugeflossen sind.
Daß es gelungen ist, Dr. Engliš zu bewegen, einen Inlandskredit aufzunehmen, und zwar unter dem Titel: "für staatliche Investitionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit", ist wieder ein Zeichen dafür, über welch große Macht die Sozialdemokraten gegenüber den Agrariern in der Regierung verfügen. Es sollten zwar von dieser 1·3 Milliarde ca. 400 Millionen für Investitionszwecke bleiben, doch meiner Ansicht nach, wenn wir die Zahlen sprechen lassen, genügt diese Summe nicht einmal, den Ausfall von Einnahmen im Staatshaushalte zu decken.