Pondìlí 15. prosince 1930

Die Möglichkeit zur Hilfe für das Kleingewerbe wäre dadurch gegeben, daß man für das Kleingewerbe billige Kredite gewährt, sie zu öffentlichen Lieferungen zuläßt, ihnen Erleichterungen der öffentlichen Lasten, wie Steuern und Soziallasten, gewährt.

Ich muß stets die Frage der Gewährung billigen Kredites auf der Tagesordnung halten, gerade durch die Regierung werden doch Kapitalien in - den verschiedensten Formen aus dem Verkehr gezogen. Und dieser Umstand ist die Ursache der Kapitalsknappheit und des hohen Zinsfußes. Diese öffentlichen Gelder sollten und müßten doch in einer Form wiederum der Volkswirtschaft zugute kommen. Wir hören von einem neuen Plan des Finanzministers, welcher dahin geht, ein Bankkartell zu schaffen, als ob wir der Kartelle nicht schon genug hätten, welches die Aufgabe haben soll, den Einlagenzinsfuß derartig festzusetzen, daß derselbe stets ein Prozent niedriger ist als der Zinsfuß der Staatspapiere. Die Tendenz ist klar: die ersparten Gelder sollen nicht in Einlagen angelegt werden, sondern in Staatspapieren. Dadurch wird abermals Kapital gebunden und der Volkswirtschaft entzogen.

Bei dieser unglücklichen Wirtschaftspolitik, die langsam und sicher zu einer Isoliertheit der Èechoslovakischen Republik führen wird, werden auch die 150 Millionen nichts helfen, weder der Industrie noch dem Gewerbe, noch weniger der Landwirtschaft. Der kleine Brocken, der für die Landwirtschaft abfallen wird, wird höchstwahrscheinlich dafür verwendet werden, einzelne Restgutsbesitzer, Kolonisten, verkrachte "Rolnická pokladnièkas" zu sanieren, aber wird keineswegs der Gesamtwirtschaft zugute kommen. Wir haben auch in den letzten Ausführungen des Ackerbauministers im Senate darüber kein Wort gehört, wie sich der Herr Minister eine großzügige Hilfe für die Landwirtschaft und eine großzügige Rich tung der Agrarpolitik vorstellt. Wir sehen die gesamte Landwirtschaft in Sorge und Ungewißheit über ihr zukünftiges Los und man sieht gar keine Maßnahmen, nach denen man eine Hilfe erwarten könnte. Es fehlt bei uns der gute Wille dazu, denn leider müssen wir konstatieren, daß die Regierung dank ihrer heterogenen Zusammensetzung auch dazu nicht fähig ist. Wir, die Angehörigen der Minderheiten dieses Staates, haben gar nichts von dieser Hilfe zu erwarten, denn für uns wird ja von diesen 150 Millionen überhaupt nichts übrigbleiben.

Für den Bau von Minderheitsschulen, da sind Millionen vorhanden, doch zur Abhilfe der landwirtschaftlichen Krise, da gibt es kein Geld. Betrifft die wirtschaftliche Krise die ganze Volkswirtschaft des Staates, so betrifft sie ganz besonders jene Zweige, die in den Händen der Minderheiten sind. Es ist schwer, das Los der Minderheit zu tragen, und ich kann hier nur einen Satz aus einer Rede des Präsidenten Masaryk zitieren, die er am 25. Jänner 1892 im Wiener Reichsrat gehalten hat: "Nicht Unterordnung der Völker in Österreich wollen wir, sondern Beiordnung, wir wollen auch nicht untergeordnete Völker in diesem Staate sein, sondern beigeordnete". Am 20. März 1892 spricht Masaryk über das unter Kuratel gestellte 6 Millionen-Volk. Darüber könnten wir in dem jetzigen Staate als Minderheitsvolk viel, sehr viel erzählen, besonders wir Minderheiten in der Slovakei. Bei dieser Gelegenheit kann ich es nicht unterlassen, auf die jetzt in dem Landesamte der Slovakei erfolgte - Regimeänderung hinzuweisen.

Wie immer die politische Einstellung des gewesenen Landespräsidenten Dr. Drobný war, der so ohne Sang und Klang in Pension geschickt wurde, das eine ist sicher: Dr. Drobný ist ein braver, ehrlicher, anständiger Mann, der mit uns Minderheiten stets freundlich und entgegenkommend verkehrte, unsere Klagen anhörte, und wenn er auch viel nicht machen konnte, er hatte doch für jeden ein freundliches Wort, welches in der Not auch oft einen großen Wert hat. Von dem jetzigen Regime, welches das Regime der starken Hand in der Slovakei genannt wird, haben wir Minderheiten nicht viel zu erwarten. Ich muß leider konstatieren, daß wir das große Gebäude des Landesamtes in Bratislava immer mehr in großem Bogen umgehen und mit unseren Angelegenheiten nach Prag kommen, wo wir mehr Verständnis und Entgegenkommen finden. Leider, bei der Durchführung unserer Angelegenheiten scheitern dieselben an Bratislava. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Špatný.)

Wäre es nicht vernünftiger, meine hochverehrten Damen und Herren, im Interesse der Konsolidierung des Staates und des Ausgleiches mit den Minderheiten statt der starken Hand das Regime der gegenseitigen Verständigung einzuführen, und einen Mann zum Präsidenten zu ernennen, der die Fähigkeiten dazu hat, diesen Ausgleich zu schaffen?

Ich will in kurzem zwei eklatante Beispiele anführen zum Beweis, wie das Landes amt mit den Minderheiten umgeht und ihre Rechte respektiert.

Die Vertre ter einer ausgesprochenen qualifizierten deutschen Minderheit hatten an das Landesamt das Ersuchen gerichtet, daß das Bezirksamt in Késmark Zuschriften außer in der Staatssprache auch in der deutschen Sprache an die Gemeindeämter senden möge, ferner, daß die Beamten neben der Staatssprache auch die deu tsche Sprache beherrschen sollen. Diese Eingabe wurde fast vor einem halben Jahre an das Preßburger Landesamt gerichtet, wir haben aber bis heute noch keine Antwort bekommen. Das ist ein eklatanter Beweis, wie man mit den Minderheiten umgeht. Es wäre viel besser gewesen, die alten Županate zu belassen, denn der Župan kannte seine Leute, er sah alles, und wußte auch, daß die Minderheiten gar nicht so wilde Völker sind, mit denen man nicht auskommen könnte. Pater Hlinka hat aber eine Krajina gebraucht.

Der zweite Fall. Das Landesamt hat die städtische Vertretung der Stadt Rima-Szombat vor einem halben Jahre aufgelöst. Mit der Leitung der Administrative wurde ein Regierungskommissär betraut. Die angebliche Ursache war die schlechte Wirtschaft in dem städtischen Haushalte. Die Öffentlichkeit hatte gleich daran gezweifelt, ob dies der richtige Grund ist. Und jetzt muß die Öffentlichkeit der Stadt Rima-Szombat konstatieren, warum die Auflösung der Gemeindevertretung geschah und welche Aufgaben dem Regierungskommissär zur Durchführung vorgeschrieben wurden. Das städtische Elektrizitätswerk mußte an die große Mittelslovakische Elektrizitätsgesellschaft, an welcher Gesellschaft der Staat mit 70% interessiert ist, verpachtet werden, resp. die Stadt soll den Strom von dieser Gesellschaft kaufen und nicht in den eigenen Werken erzeugen. Die städtische elektrische Zentrale hat der Stadt Rima-Szombat jährlich 430.000 Kè Reingewinn getragen, welcher Reingewinn doch den Bürgern der Stadt zugute kam, denn um das waren die städtischen Steuerzuschläge geringer. Die Bevölkerung der Stadt Rima-Szombat war im Prinzip geneigt, den Vertrag mit der obenerwähnten Aktiengesellschaft abzuschließen, doch allein und ohne Oktroi. Doch der Herr Regierungskommissär hat ohne die städtische Bevölkerung viel zu fragen, mit einem Oktroi den Vertrag mit der Mittelslovakischen A.-G. abgeschlossen und das Elektrizitätswerk der Stadt Rima-Szombat für 180.000 Kronen jährliche Pacht auf 40 Jahre, sage vierzig Jahre, verpachtet. Nun, meine Damen und Herren, zu dieser Sache braucht man keinen Kommentar. Diese Sachen ges chehen zum größten Ruhme der Demokratie in einer freien demokratischen Republik, wo das Volk herrscht, de facto aber die Regierungskommissäre.

Bevor ich meine Ausführungen schließe, möchte ich auf einen Übelstand hinweisen, der uns Abgeordnete aus der Slovakei trifft. Das Eisenbahnministerium hat verfügt, daß die Abgeordneten aus der Slovakei, die nicht zu den Sitzungen des Abgeordnetenhauses nach Prag fahren, sondern nur zu dem Sitz der Landesvertretung, keinen Anspruch auf ein halbes Abteil haben. Oft müssen die Abgeordneten der Ost-Slovakei über Bratislava nach Prag zu den Parlamentssitzungen fahren; sie müssen, um diese Reise zu bewältigen, zwei Nächte durchfahren, sicher nicht aus Vergnügen, und da will das Eisenbahnministerium dieses kleine bene den Abgeordneten entziehen! Dieses Ersparnis wird die Eisenbahn aus ihrer Passivität nicht retten. Dazu kommt noch, daß die Abgeordneten in ungeheizten Waggons fahren müssen. Wir haben umsonst beim Eisenbah nministerium und dem Präsidium des Abgeordnetenhauses interveniert, es ist alles beim Alten geblieben.

Zun ursprünglichen Gegenstand wieder übergehend, erkläre ich, daß mit solchen Gesetzen, wie es das heute vorliegende ist, der Volkswirtschaft in diesem Staate nicht geholfen werden kann und auch nicht geholfen werden wird. (Potlesk.)

3. Øeè posl. Krumpeho (viz str. 30 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Das vorliegende Gesetz auf Bereitstellung eines außerordentlichen Kredites von 150 Millionen ermächtigt mit wenigen Worten die Regierung, diesen Betrag nach Gutdünken und eigenem Ermessen zu verwenden. Weder das Gesetz selbst, noch der Motivenbericht geben eine Auskunft, in welcher Weise diese Verwendung geschehen solle. Auch der Berichterstatter im Hause ist uns jede weitere Aufklärung schuldig geblieben. Ebenso haben sich die Redner der Regierungsmehrheit ängstlich gehütet, einen Plan über die Verwendung dieses Betrages zu verraten und haben sich mit der Schilderung der allgemeinen Notlage unter Beibringung der dazu gehörigen Statistiken begnügt. Es ist eine starke Zumutung an das Parlament, von ihm einen Kredit von 150 Millionen zu verlangen, ohne über dessen Verwendung mehr mitzuteilen, als in einer allgemeinen Phrase enthalten sein kann. Dagegen müssen wir schon im Interesse des parlamentarischen Ansehens Verwahrung einlegen und mit Entschiedenheit fordern, daß sowohl dem Parlamente ein Mitbestimmungsrecht über diesen Betrag eingeräumt wird, als daß auch die Regierung selbst öfters detaillierte Berichte erstattet, eingehendere als sie im Rahmen des Rechnungsabschlusses oder Staatsvoranschlages möglich sind. Daher stellen wir die präzisen Anträge auf Einsetzung einer 24gliedrigen Parlamentskommission ohne deren Einwilligung keine Kredite bewilligt und keine Gelder ausgezahlt werden dürfen. Ebenso stellen wir den Antrag, daß die Regierung vierteljährig eingehenden Bericht über die Verwendung dieser Gelder gibt und diesen Bericht zur Debatte stellt.

Wir sind von dieser Vorlage schwer enttäuscht. Nach den großen Wirtschaftsdebatten der letzten Wochen, nach den zahllosen Memoranden der Gewerkschaften, der Industriellenverbände und Wirtschaftsorganisationen hätten wir eine andere Vorlage erwartet, ein Gesetz, das tatsächlich imstande wäre, die Wirtschaftskrise zu mildern. Diese Vorlage scheint aus Verlegenheit und Ratlosigkeit geboren zu sein, wie ja auch schon die mehr als verlegene Begründung und Verteidigung derselben durch die Regierungsparteien beweist.

Auch über die Verwendung dieses Fondes sind wir also nur auf Vermutungen angewiesen. Nur die eine Sicherheit haben wir, daß großes und durchgreifendes nicht damit geschaffen werden kann. Dazu ist der ausgeworfene Betrag zu klein und unbedeutend. Er ist unbedeutend für den beabsichtigten Zweck und unbedeutend im Verhältnis zu Zuwendungen, die wir in anderen Fällen beim Herrn Finanzminister gewohnt sind. Ich verweise dabei auf die großzügige Bankenhilfe, die der Herr Finanzminister mit seiner 300 Millionen-Zuwendung im Frühjahre leistete. Gegen die damalige Aktion zur Beseitigung von Wirtschafts-, Spekulations- und anderen Folgen bei den Banken nimmt sich die vorliegende Aufwendung von 150 Millionen recht kläglich und ärmlich aus, wobei noch zu bedenken ist, daß auf das Erscheinen dieses Gesetzes 400.000 Arbeitslose und einige Millionen von der Wirtschaftskrise indirekt Betroffene mit Spannung warten. Es ist zu befürchten, daß dieses Opfer von 150 Millionen wirkungslos bleiben wird.

Zu dem kommt noch, daß dieser Aufwand zu spät kommt. Die Arbeitslosigkeit wächst lavinenartig an und durch Stillegung zahlreicher Betriebe von Schlüsselindustrien ist ein weiteres Anwachsen der Arbeitslosigkeit nach Weihnachten zu erwarten.

Unsere Forderung geht dahin, die Bekämpfung der Wirtschaftskrise nicht mit Gelegenheits- und Verlegenheitsgesetzen zu betreiben, sondern einen ernsten Plan dafür zu entwerfen, und ausgiebige Mittel bereit zu stellen. Diese Mittel müßten ein vielfaches des jetzt angeforderten Betrages ausmachen, um die ärgste Not zu lindern. Wir halten die Aufnahme von Anleihen für diesen Zweck für gerechtfertigt, denn niemand wird verhungern, solange er belehnungsfähigen Besitz hat. Unsere erste Forderung ist die nach produktiver Arbeitslosenfürsorge. Wie weit eine solche im Rahmen des vorliegenden Gesetzes geplant ist, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Aber jede Krisenbekämpfung ist verfehlt, die sich nicht mit diesen Problemen befaßt und sich etwa nur mit dem Unterstützungswesen begnügt. Die produktive Arbeitslosenfürsorge hilft ja nicht nur denen, denen direkt Arbeitsmöglichkeit geboten wird, sondern sie wirkt belebend auf verschiedene Wirtschaftszweige und mildert so die Wirtschaftskrise. Für den Staat hat diese Form der Krisenbekämpfung noch den Vorteil, daß ein Teil der ausgeworfenen Gelder in Form von Steuern wieder in die Staatskasse zurückfließt und daß Werte gesch affen werden, die einerseits die Wirtschaft fördern und andererseits den Staatshaushalt in den künftigen Jahren entlasten. Freilich müssen wir dazu die Forderung stellen, daß diese produktive Arbeitslosenfürsorge den wirtschaftlichen Verhältnissen der einzelnen Gegenden und Bezirke angepaßt werde. Unser Vorschlag geht dahin, es mögen in den einzelnen Bezirken Kommissionen bestehend aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Vertretern der Wirtschaftsorganisationen gebildet werden, die Vorschläge zu erstatten haben über Maßnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit und Milderung der Wirtschaftskrise in ihrem Bezirke. Aus dem großen Krisenfonde werden nun für die vorgeschlagenen Unternehmungen Mittel und Kredite beigestellt, da ja auch Private, Bezirke und Gemeinden daran beteiligt sein können. Riesige Wirtschaftsgebiete warten auf arbeitende Hände und die Wirtschaft leidet unter unausgeführten Arbeiten. Ich erinnere nur an das Elend unserer Straßen und die Unzulänglichkeit der zur Behebung dieses Elendes aufgewendeten Mittel. Durch Melioration weiterer Wiesen und Ackerflächen können Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten geschaffen werden und die durch den Bergbau verwüsteten Gebiete harren heute noch der Rekultivierung.

Eine großzügige Aktion zur Krisenbekämpfung dürfte auch an den Vorschlägen der Industrieorganisationen nicht achtlos vorüber gehen, und müßte die Frage der Exportkredite ins Auge fassen.

Wir haben die schwersten Bedenken, wenn diese Arbeitsbeschaffung von der zentralen Bürokratie unternommen wird, die schwersten Bedenken, daß auf das deutsche Volk dabei nicht der entsprechende Anteil entfällt. Die Statistiken weisen nach, daß die Arbeitslosigkeit im deutschen Gebiete im Verhältnis zu den Arbeitern überhaupt durchschnittlich viermal so groß ist als im èechischen Gebiete. Das beruht nicht nur auf der Struktur der Bevölkerung, sondern auch auf dem Umstande, daß der große Arbeitgeber Staat seine Aufträge fast ausnahmslos nur an èechis che Firmen vergibt und daß sogar die Staatsbauten im deutschen Gebiete nicht etwa heimischen Unternehmern, Gewerbetreibenden und Arbeitern übertragen werden, sondern fast ausnahmslos ortsfremden, èechischen Firmen, für die die Stadt Prag das Hauptkontingent stellt. Das ist der Hauptvorwurf, den wir gegen die staatliche Arbeitsschaffung erheben, daß sie hauptsächlich im Dienste des èechischen Volkes steht, für die Èechen eine Art Privilegium schafft und so an der Verarmung und Verelendung der deutschen Bevölkerung arbeitet.

Die deutschen Bewerber haben sich von der Offertstellung bei öffentlichen Bauten und Arbeiten fast gänzlich zurückgezogen, da alle ihre Arbeit und Mühe umsonst ist. Obzwar in Absatz 3 des § 22 der Vergebungsordnung darauf hingewiesen ist, daß womöglich Gewerbetreibenden in den betreffenden Orten oder in der nächsten Umgebung der Vorzug zu geben ist und daß bei Auswahl des Ausführenden auf den Grad der Beschäftigung Rücksicht zu nehmen ist, müssen wir doch feststellen, daß deutsche Bewerber gänzlich von der Zuteilung von Aufträgen ausgeschlossen werden. Lediglich in Lei tmeritz haben wir in diesem Jahre eine Ausnahme erlebt. Der Ausschluß wird mit den höheren Offertpreisen der deutschen Offerente begründet. Es ist Tatsache, daß meistens der ortsfremde èechische Offerent den heimischen Baumeister und Gewerbetreibenden unterbietet. Trotz größter Gewissenhaftigkeit und trotz des Verzichtes auf Gewinn, sehen sich die deutschen Baumeister doch noch unterboten. Worin liegt nun das Geheimnis dieser Unterbietungsmöglichkeit? Ich wage zu behaupten, daß es hier darin liegt, daß der deutsche Baumeister sein Angebot genau nach den Ausschreibungsbedingungen und den übersandten Kostenvoranschlägen stellt, weil er in Sorge ist, daß die geringste Abweichung von diesen Bedingungen ihm angerechnet werden könne. Prager Firmen sind vielfach von diesen Bedenken frei, dahe, die großen Differenzen in den Offerten. Ich bin in der Lage, einige Tatsachen anzuführen, daß auch diesen Firmen solche Abweichungen von den Offertbedingungen nachgesehen werden. So wurde in Tetschen die Erbauungg eines Staatsbeamten- und Gagistenhauses auf Grund niedriger Offertstellung der Firma Petržilka übertragen. Im Kostenvoranschlage war die Verwendung von Elbsand für das Mauerwerk vorgeschrieben. Die ausführende Baufirma jedoch verwendete keinen Elbsand sondern mauerte mit dem Grundaushub. Wenn man bedenkt, daß der Kubikmeter Elbsand 60 Kronen kostet, so ist die niedrigere Offertstellung schon wieder wettgemacht. Auf meine diesbezügliche Anfrage an den Minister für öffentliche Arbeiten wurde mir mitgeteilt, daß der Grundaushub auch als Bausand geeignet war und daß der Elbesand minder geeignet sich darstellte, wegen seiner Beimischung an Kohlenteilchen, eine Tatsache, die in Tetschen nicht nur jeden Bauschüler, sondern auch den meisten Handlangern geläufig ist. Im Sommer d. J. verlegte das Postamt in Tetschen Telephonkabel, welche Arbeit natürlich mit Umgehung der qualifizierten heimischen Firmen der Prager Firma Kratochvil übertragen wurde, weil sie ein billigeres Angebot stellte. Das hat allerdings der deutsche Unternehmer nicht gewußt, der seine Kosten aufstellte nach den Offertbedingungen, daß das Kabel in einer Tiefe von 1 Meter verlegt werden muß, daß die ausführende Firma das Kabel nur 70 und 80 Zentimeter tief verlegte und daß die Arbeit auch so übernommen wurde. Dabei ist die Art der Wiederherstellung der Pflasterarbeiten eine derartige, daß es des schärfsten Einschreitens der Stadt Tetschen bedurfte, daß das aufgerissene Straßenpflaster auch nur notdürftig wieder hergestellt werde. Beim Baue des Postbeamtenhauses in Tetschen hat es sich ereignet, daß die ausführende Spenglerfirma Swatek statt des vorgeschriebenen Zinkbleches nur verzinktes Eisenblech verwendete, was nicht etwa durch die Bauaufsicht beanständet wurde, sondern erst dadurch bekannt wurde, daß man wegen der liederlichen Ausführung der ganzen Arbeit einen heimischen Spengler zu Hilfe rufen mußte, was aber nicht hinderte, daß diese musterhafte Spenglerfirma neue Aufträge in Zwickau erhielt. Gegen die Firma Petržilka, der der Bahnhofsbau in Georgswalde übertragen ist, mußten von den Gewerkschaften nicht weniger als 15 Anzeigen bei der politischen und Gewerbebehörde wegen Nichteinhaltung des Achtstundentages, Verletzung der Sonntagsruhe und Außerachtlassung der einfachsten Sicherungsvorkehrungen erstattet werden, was aber wieder nicht hinderte, daß dieser Firma sofort der Staatsneubau in Rumburg übertragen wurde. Es ist eine allgemeine Erscheinung, daß diese ortsfremden Baumeister, durch ihre aus der Ferne hergebrachten Arbeiterpartien ohne Rücksicht auf Achtstundentag und Sonntagsruhe Akkordarbeiten ausführen lassen, wie auch das Ministerium für soziale Fürsorge in seiner Zuschrift an mich beim Baue des Postbeamtengebäudes in Tetschen selbst bestätigte.

Ich könnte noch viele derartige Fälle anführen, um zu zeigen, daß wir in das öffentliche Vergebungswesen kein Vertrauen haben können und um auch zu zeigen, daß wir alle Bedenken und Besorgnisse haben, daß eine Bereitstellung öffentlicher Mittel zur Schaffung produktiver Arbeitslosenfürsorge bloß zum Schaden und zur Beeinträchtigung des deutschen Volkes ausfallen muß.

So wie bei den öffentlichen Bauten ist es ähnlich bei den Straßenbauten. In Nordböhmen ist das Straßenelend derart, daß es geradezu zu einer Staatsblamage gegenüber dem Ausland mit seinen guten Straßen geworden ist. Es ist selbstverständlich, daß heimische Bauunternehmer nur selten einmal das Glück haben, den Bau eines kleinen Stückchens Staatsstraße in Auftrag zu erhalten. Dafür die verschiedensten fremden Firmen. Eher kann es einem Nordböhmen noch gelingen, in der Nähe von Preßburg einen kleinen Auftrag zu erhalten. Ich war bei einer solchen Straßenbaukonferenz im Sommer dieses Jahres in Nordböhmen anwesend und wissen Sie, wer von Straßenbauunternehmern dorten war? Von den acht Anwesenden, die sich um den Straßenbau beworben haben, war ein Prager Advokat, ein Prager Drogist, zwei Prager Seifensieder, zwei Dachpappeerzeuger, ein Erzeuger von Suppenwürfeln und nur eine Baufirma aus Nordböhmen. Und alle diese Leute, der Advokat, der Suppenwürfelerzeuger, der Drogist und die Seifensieder haben Aufträge für Nordböhmen bekommen, sie brachten zum großen Teil Leute aus der Fremde mit und die heimischen Unternehmer und die heimischen Arbeiter haben immer wieder das Nachsehen. Freilich sehen die Straßen auch danach aus. Denn es ist ja eine Maxime unserer ganzen Straßenerneuerung, daß die eigentlichen Bauarbeiten nur die leisten dürfen, die es verstehen, ein Asphaltgemisch zus ammenzukochen, zwei bis drei Kessel, ein Rührwerk anzuschaffen, einige Ingredienzien kaufen und dem neuen Gemisch einen neuen Namen geben, also Anstrich und Auftragung, nachträgliche Walzung usw., das ist die Arbeit dieser Firmen, während die eigentlichen Baufirmen das Nachsehen dabei haben. Wo ein großzügiges Unternehmen geschaffen wird, das produktive Arbeitslosenfürsorge betrifft, so müssen wir vor allem darauf bestehen, daß die Vergebung mit Rücksicht auf die Arbeitsverhältnisse der betreffenden Bezirke stattfindet. Es genügt nicht, wenn in einem Notbezirk Arbeiten ausgeführt werden, aber von fremden Unternehmern und fremden Arbeitern. Es müssen die heimischen Arbeiter herangezogen werden. Freilich wird man wegen der Ausscheidung von Schleuderofferten etwas schärfer vorgehen müssen, und auch die bewußte 15 % ige Spannung, die bei Vergebungen zugelassen wird, muß in Ansehung des jeweiligen Verhältnisses modifiziert werden. Welch unsinnige Forderungen an uns gestellt werden, davon nur ein Beispiel. Der Stadtgemeinde Tetschen wird die Erbauung einer Kaserne aufgetragen, zu der die Stadt den Grund kostenlos beizustellen hat, für die die Stadt den Kredit und Bauaufwand zu beschaffen hat, wenn auch die Militärverwaltung den Kredit zu einem gewissen Prozentsatz verzinst. Aber wissen Sie, was sich die Militärverwaltung vorbehält? Die Militärverwaltung behält sich die Vergebung des Baues vor und nur in dem Fall, daß ein Heimischer mit einer Preisdifferenz von 5 % offeriert, kann ihm der Bau zugesprochen werden. Es ist ein unsinniges Verlangen an eine Stadtgemeinde, einen Kredit von 10 oder noch mehr Millionen aufzubringen, damit die Militärverwaltung irgendeinem Prager Baumeister den Kasernenbau vergibt, damit die heimischen Gewerbetreibenden und Arbeiter das Nachsehen haben.

Nochmals muß ich die Forderung erheben, daß die Verwendung dieser 150 Millionen unter parlamentarischer Kontrolle vor sich gehe, denn 400.000 Menschen werden uns draußen fragen, was mit diesen 150 Millionen geschieht. Und dann müssen wir Antwort geben können, nicht erst dann, bis uns nach einem Jahr der Staatsrechnungsabschluß vorliegt, sondern schon jetzt eine Antwort, die sie vor der ärgsten Verzweiflung zu bewahren imstande ist. Nach all dem großen Schweigen über die 150 Millionen kommt es mir fast vor, daß eigentlich nur eine ganz kleine Zahl von der Verwendung nähere Kenntnis hat, nämlich die Zahl derjenigen, die die Aufteilung dieser 150 Millionen unter sich schon beschlossen und vorgenommen haben. Ich freue mich, daß der Herr Berichterstatter sich selbst dem Verlangen nach Einsetzung einer parlamentarischen Kontrolle und Aufteilungskommission angeschlossen hat und ich glaube, die Regierungsmehrheit wird schon im eigenen Interesse dafür stimmen müssen, eine solche Parlamentskommission einzusetzen, damit sie selbst vor dem Vorwurf einer mißbräuchlichen Verwendung dieser Summe geschützt ist. Wenn wir für dieses Gesetz stimmen, so soll dies nicht etwa der Ausdruck des Vertrauens an die Regierung sein, schon gar nicht der Ausdruck des Vertrauens in die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Regierung, denn zu dieser Wirtschaftstätigkeit haben wir kein Vertrauen, müssen sie auf das schärfste bekämpfen, da diese Regierung durch Einführung neuer Steuern und Abgaben und Preiserhöhungen den allgemeinen Wirtschaftsgang auf Verbilligung und Preisabbau stört und hindert. Daher ist es keine Vertrauenskundgebung. Diese ganze Vorlage und ihre Auswirkungen sind angesichts der ungeheuren Not kaum mehr zu werten, als der Tropfen auf einen heißen Stein. Aber gerade in Ansehung der ungeheueren Not und Verzweiflung, die uns dieser Winter bringen kann, wollen wir auch diesen Anfang zu einer wirksamen Notbekämpfung nicht zurückweisen. Den dringenden Appell richte ich an Finanzminister und Regierung und an die Regierungsmehrheit, sie mögen sich die Schrecken des heurigen Winters lebendig vor Augen stellen und nicht etwa glauben, daß man die große Not und Verzweiflung mit Gendarmeriebajonetten bekämpfen und hintanhalten kann. Wir verlangen mehr. - Wohl wiegt sich die Regierung in dem Vertrauen, daß die Gendarmerie hinreichen werde, das Ärgste zu verhüten, aber das wäre das ärgste Mittel. Wir verlangen wirkliche Hilfe, wirkliche Hilfe in der großen unabsehbaren Not durch ein ausgiebiges, wohl durchdachtes Krisengesetz. (Potlesk.)

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