Pondìlí 15. prosince 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 95. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pondìlí dne 15. prosince 1930.

1. Øeè posl. Schäfera (viz str. 13 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der zur Verhandlung stehende Kredit zur Linderung der Folgen der Wirtschaftskrise reicht natürlich nicht aus, die schwere Not entscheidend herabzusetzen, die unter der arbeitenden Bevölkerung herrscht. Wir stehen mitten in einer Krise, von deren Ende noch nichts zu sehen ist, die allem Anschein nach eine weitere Verschlimmerung erfahren wird. Unsere Volkswirtschaftler sind sich darin einig und auch die Industriellen erklären die augenblickliche Wirtschaftslage als sehr ungünstig; aber alle fügen hinzu, es wäre kein Grund zu tiefgehendem Pessimismus vorhanden. Wir aber sind anderer Meinung. Wir glauben, daß die wirtschaftlichen Zustände bedrohlich sind und daß Staatsverwaltung und öffentliche Verwaltung alles daran setzen sollten, den Ursachen nachzuspüren, die in der Èechoslovakei zu dieser furchtbaren Arbeitslosigkeit geführt haben. Gewiß, die Wirtschaftskrise in der Èechoslovakei fällt zusammen mit der Weltwirtschaftskrise, aber es gibt besondere Ursachen, die zur Verschlimmerung der Wirtschaftslage bei uns beitragen. Da hätte im Laufe der Jahre manches geschehen können. Wenn jetzt in diesem Augenblick mit unzulänglichen Maßnahmen - wir wollen das zugestehen eingegriffen wird, um die Folgen der Wirtschaftskrise zu mildern, so ist dies zu einem sehr großen Teile daraus zu erklären, daß man jahrelang, als die Industrie noch halbwegs beschäftigt war, nicht daran gedacht hat, Vorkehrungen für eine Zeit des wirtschaftlichen Niederganges zu treffen. Rechtzeitig haben wir darauf aufmerksam gemacht, daß in dem Augenblick, wo die Industrie in eine Krise hineingeraten wird, die bestehenden Vorkehrungen für die Arbeitslosenunterstützung nicht mehr zureichen werden. Es ist von dieser Stelle wiederholt erklärt worden, und zwar schon bei Schaffung des heute geltenden Arbeitslosenunterstützungsgesetzes, daß die Arbeitslosenfürsorge nach dem Genter System nur für normale Zeiten gedacht ist und nur für normale Zeiten ausreicht. Wir wissen sehr gut (Výkøiky posl. Gottwalda, Jaksche, Grünznera, Pohla. - Místopøedseda dr Lukavský zvoní.) - und es gehört eine große Kühnheit dazu, das zu bestreiten daß in einer Zeit, wo Hunderttausende arbeitslos sind und für weitere Hunderttausende Kurzarbeit besteht, kaum eine durchgreifende Umgestaltung des Arbeitslosenunterstützungssystems platzgreifen kann. Heute eine Arbeitslosenversicherung zu schaffen (Hluk.), die aufgebaut ist nach den Grundsätzen von Deutschland und Õsterreich, würde bedeuten, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber besondere Versicherungsbeiträge leisten müßten und es müßte natürlich auch der Staat ausreichende Mittel beistellen, das sehen wir an Deutschland. In den Jahren des besseren Geschäftsganges, da war es nicht möglich, die Regierung, die Staatsverwaltung, den damals an der Macht befindlichen Bürgerblock dazu zu bewegen, das bestehende Arbeitslosenunterstützungsgesetz auszugestalten. Es mußte erst die Periode des Bürgerblocks überwunden werden, ehe man dazu übergehen konnte und dazu übergegangen ist, die Arbeitslosenunterstützung auszugestalten - soweit es eben innerhalb einer Wirtschaftskrise möglich ist. (Trvalý hluk.) Würde man in den früheren Jahren, in der Zeit des besseren Geschäftsganges für den Fall des Eintritts einer Krise, für eine so gewaltige Arbeistlosigkeit, wie sie heute besteht, vorgesorgt haben, so brauchten wir heute nicht mit solchen Maßnahmen vor das Parlament zu treten, es brauchte auch die Regierung nicht Maßnahmen vorzuschlagen, über deren Bedeutung und über deren Wirksamkeit wir uns ja alle nicht im Zweifel sind. (Výkøiky poslancù komunistické strany a strany nìm soc.-demokratické. - Místopøedseda dr Lukavský zvoní.)

Wir wissen, Hohes Haus, daß der zu bewilligende Kredit von 150 Millionen nicht ausreicht und nicht ausreichen kann zur Linderung der Not der arbeitenden Bevölkerung, wie wir sie wünschen und wünschen müssen. Doch ist niemandem unbekannt, daß die Einigung über diesen Kredit an sich schon mit Schwierigkeiten verbunden war. Wir begreifen nicht die Ängstlichkeit, die jetzt an den Tag gelegt wird und die Befürchtung, daß es nicht bei einem einmaligen Kredit bleiben könnte. Wenn die Krise so anhält, wenn das zutrifft, was unsere Wirtschaftspolitiker sagen, daß noch ein Ansteigen der Krise zu befürchten ist, dann wird sich der Staat der Aufgabe gar nicht verschließen können, noch weitere Maßnahmen zur Linderung der Folgen der Krise zu treffen, dann wird er aber auch nicht davor zurückschrecken dürfen, neue Mittel bereitzustellen, nach Wegen zu suchen, um aus dieser Notlage herauszukommen. (Trvalý hluk.)

Wie es innerhalb unserer Arbeiterschaft und innerhalb der Industrie ausschaut, darüber ein vollständiges Bild zu geben, würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich möchte nur einige Stichproben, einige Merkmale zur Illustrierung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise anführen. Wenn die Textilindustrie in ihrem heutigen Umfang, in dem Umfang, in welchem sie die Èechoslovakei übernommen hat, vollauf beschäftigt sein soll, müßte sie 75% ihrer Erzeugnisse in das Ausland exportieren. Jeder weiß jedoch, daß das unmöglich ist. Es ist unmöglich, heute 75% der Kapazität unserer Textilindustrie die Ausfuhr zu sichern. Das weiß man schon seit dem Bestand der Republik und es hätten vorausschauende Politiker schon längst daran denken sollen, etwas zu tun, um für die überflüssig gewordenen und weiter überflüssig werdenden Textilarbeiter Beschäftigung zu schaffen. Wir haben eine gewaltige und leistungsfähige Textilindustrie, haben aber keinen Absatz für ihre Produkte und so sehen wir, daß innerhalb von 12 Jahren an 200 Betriebe, vielleicht noch mehr, mit mehr als 20.000 dort beschäftigten Arbeitern stillgelegt worden sind. Für diese Arbeiter Beschäftigung zu suchen, kann nicht den öffentlichen Verwaltungskörpern, den Gemeinden und Bezirken überlassen bleiben, da muß der Staat mit all seinen Kräften eingreifen. Gerade jetzt sehen wir, wohin die Schwierigkeiten in den Handelsbeziehungen mit Ungarn neuerlich in der Textilindustrie führen. Nach Ungarn exportierten wir an Textilwaren heuer bis Dezember für 266 Millionen Kè. Wenn jetzt die Verhandlungen mit Ungarn zu keinem Erfolg führen, so bedeutet das eine neuerliche Verschärfung der Krise in der Textilindustrie, bedeutet das eine neuerliche Zunahme der Arbeitslosigkeit in diesem wichtigsten und bedeutsamsten Industriezweige.

Genau so steht es mit der Glasindustrie. Unsere Glasindustrie bedeutet für die Èechoslovakei viel. Sie hat seit dem Bestand der Republik Waren im Werte von 17·5 Milliarden ausgeführt, während die Einfuhr an Glaswaren nur eine halbe Milliarde beträgt. Sie hat also zu der aktiven Handelsbilanz, die wir Jahr für Jahr bis in die letzte Zeit gehabt haben, gewaltig viel, nämlich 17 Milliarden, beigetragen. Eine solche Industrie sollte behütet werden. Da müßte man nun suchen, wo eingegriffen werden kann. Die nordböhmische Glasindustrie ruft aber vergeblich nach einem entsprechenden Eingreifen der Staatsverwaltung. Ebenso sieht es im Steinschönauer Gebiet aus, wo infolge der schrecklichen Krise die bestqualifizierten Arbeiter in Deutschland und anderswo, so weit es eben möglich ist, Arbeit suchen, so daß in diesem Gebiet förmlich eine Entvölkerung eintreten müßte, wenn nicht der Zuzug von fremden Arbeitern im Auslande so sehr erschwert wäre. Auch hier haben wir festzustellen, daß in den letzten Jahren viel vernachlässigt worden ist. Die Notlage der Glasindustrie rührt nicht aus der letzten Zeit her, sie reicht zurück bis weit in die Zeit der Bürgerkoalition; auch in der damaligen Zeit gab es, wie ich mich erinnere, Kundgebungen im Isergebirge und es wurden Vorschläge gemacht, was zu tun sei, um helfend einzugreifen. Heute ist die Lage der Glasindustrie so arg, daß die Zahl der Arbeitslosen von Woche zu Woche steigt, daß ein Großteil der Betriebe Kurzarbeit eingelegt hat und eine Reihe von Betrieben in den letzten Monaten stillglegt wurden.

Ähnlich sind die Zustände in der Keramindustrie. Ein Abbau von Arbeitern ist dort ziemlich stark und Kurzarbeit gibt es in vielen Betrieben. Wie die Keramarbeiter angeben, leiden 25 % unter Kurzarbeit. Ähnlich, wenn auch nicht so furchtbar, sind die Zustände im Bergbau, dann in der Bekleidungsindustrie, in der Papierindustrie. Die Blumenindustrie in Nordböhmen liegt vollständig danieder. Wenn nun angesichts der herrschenden Notlage, angesichts der fortwährenden Betriebsstillegungen und der zunehmenden Arbeitslosigkeit die Regierung daran geht, außerordentliche Maßnahmen zu treffen, so sollte darüber nicht aufgeschrien werden, sollte nicht mit Spektakel darauf geantwortet werden, sondern man sollte mit Anregungen kommen, die sich ernstlich zum Ziele setzen, die wirtschaftliche Not zu meistern, der Wirtschaftskrise abzuhelfen.

Am stärksten sind die Grenzgebiete der Èechoslovakei von der Wirtschaftskrise betroffen. Es wurde ja schon bei einer früheren Beratung darauf hingewiesen, daß ungefähr doppelt so viele Arbeitslose in den deutschen Grenzgebieten gezählt werden, wie im Innern der Republik. Man darf nur einmal nach Ostböhmen gehen, um zu sehen, wie dort ein Betrieb nach dem anderen stillgelegt wird, wie seit 2-3 Jahren eine Reihe von Betriebslegungen erfolgten und wie große Betriebe, die Hunderte von Arbeitskräften beschäftigten, Massen von Arbeitern entlassen haben. In jenen Industriegebieten herrscht eine Krise, wie sie ärger nicht sein kann, aber eine Krise, nicht von Heute und Gestern, sondern, die schon vor Jahren vorauszusehen war. Wenn man gegenwärtig über 300.000 Arbeitslose in der Èechoslovakei annehmen muß, so ist das eine ernste Tatsache, die es notwendig macht, durchgreifende Maßnahmen zu unternehmen.

Wir haben einige Wünsche bezüglich des Kredites, der heute beschlossen werden soll. Wir wünschen, daß der Gesetzentwurf in einigen Teilen Änderungen erfährt, was im Laufe der Verhandlungen, die, wie im Budgetausschuß mitgeteilt worden ist, noch im Schoße der Regierung geführt werden sollen, möglich ist. Auch wir glauben, daß es gut sein wird, wenn dieser Kredit unter ausreichender Kontrolle verwendet wird. Zu einer solchen Forderung muß man aber qualifiziert sein. Ich erinnere mich dabei an die Errichtung eines Fondes, bei dem man an alle diese Vorsichtsmaßnahmen, nicht gedacht hat. Das ist der berühmte Rüstungsfond, der im Jahre 1926 beschlossen wurde und dessen Verwendung vollständig in die Hand des Ministers für nationale Verteidigung und des Finanzministers gelegt worden ist. Diese beiden Stellen brauchen das Parlament nicht zu fragen, wie dieser Fond verwendet werden soll, sondern das ist ausschließlich den beiden Ministern anheim gestellt. Wenn man für militärische Zwecke ein so weites Herz aufgebracht und von vornherein darauf verzichtete, eine ausreichende Kontrolle für die Verwendung dieser fast 1 1/2 Milliarden zu verlangen, so ist es nicht ganz verständlich, daß man bei diesem Fond, bei einem Kredit von nur 150 Millionen, mit derartigen Forderungen so auftritt.

Wir schließen uns den Ausführungen des Herrn Referenten an, der ebenfalls gewünscht hat, daß der Gesetzentwurf in einigen Teilen eine Verbesserung erfahre.

Und nun noch ein paar Worte darüber, auf welche Art manche Unternehmer die Krise bekämpfen wollen. In Deutschland schreit man nach Abbau der Löhne. Bei uns hat sich erst vor einigen Tagen der Hauptverband der deutschen Industrie mit der jetzigen Wirtschaftskrise befaßt. Ihm ist nicht unbekannt, daß die Gewerkschaften angesichts der großen Arbeitslosigkeit nicht nur verlangen, daß der Achtstundentag auf das genaueste eingehalten wird, sondern daß die Arbeitszeit verkürzt wird. Wenn ein Staat, der unter einer Krise leidet, dazu übergehen würde, die Arbeitszeit von 48 Stunden auf 40 Stunden herabzusetzen, so würde er damit einem Teil der beschäftigungslosen Arbeiter Erwerbsmöglichkeit schaffen. Da aber antwortet uns gleich die Organisation der Industriellen, sie könne sich für diesen Gedanken nicht erwärmen. Es werden nun auch andere Maßnahmen empfohlen. Man vertritt die Auffassung, daß die Gestehungskosten der industriellen Erzeugnisse herabgesetzt werden müssen. Es sei auch notwendig zu untersuchen, ob die heutigen Löhne noch mit den Preisverhältnissen übereinstimmen, und so wie drüben in Deutschland denkt man dabei an Lohnabbau. Die Gewerkschaften lehnen es bei uns wie überall ab, daß die Wirtschaftskrise durch eine Herabsetzung der Arbeitslöhne bekämpft wird. Wir sind nicht, wie so vielfach behauptet wird, das billigste Land der Welt. Der Großhandelsindex ist in der Èechoslovakei durchaus nicht so niedrig, daß man sagen könnte, wir wären ein außerordentlich billiges Land. (Posl. Hackenberg: Vor allem: die Reallöhne!) Die Reallöhne stehen in keinem Vergleich zu den Löhnen anderer Staaten, wie England, Amerika und Deutschland. In einer solchen Zeit darf man der Arbeiterklasse nicht damit kommen, ihre Löhne abbauen zu wollen, um auf diese Weise die Gestehungskosten herabzusetzen. Wir wissen sehr gut abzuschätzen, daß der zu schaffende Kredit nur eine kleine Milderung bestimmter Folgen der Wirtschaftskrise herbeiführen kann. Wir sind vollständig überzeugt, daß durch solche Maßnahmen die Wirtschaftskrise nicht behoben werden kann. Die Wirtschaftskrisen sind Begleiterscheinungen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. So lange der Kapitalismus besteht, werden wir mit Wirtschaftskrisen zu ringen haben. Die Beseitigung der Wirtschaftskrisen, die Sicherung der Existenz der Arbeiter, der arbeitenden Menschheit, ist nur möglich durch Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Da aber stehen wir heute allein, auch in der Regierung, wo die übrigen Koalitionsparteien außer den Sozialisten den Kapitalismus bejahen. Draußen aber sehen wir, daß durch jene, die sich als die revolutionärsten Kämpfer gegen den Kapitalismus gebärden, der Kapitalismus nur gestützt wird. Ihr sinnloses Treiben ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Arbeit, die dem Kapitalismus dient, nicht aber der Arbeiterklasse. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Nitscheho (viz str. 16 tìsnopisecké zprávy):

Meine hochverehrten Damen und Herren! Vor mir liegt die Regierungsvorlage, Druck Nr. 832, aus welcher schon in Kürze ein Gesetz wird. Sie verfügt, daß der Regierung ein außerordentlicher Kredit von 150 Millionen gewährt wird zur Linderung der Wirtschaftsnot. Es ist dies ein ausgesprochenes Ermächtigungsgesetz für die Regierung, weil weder die Art der Verwendung, noch die Art der Kontrolle in diesem Gesetze umschrieben ist; infolgedessen kann die Regierung diese 150 Millionen verwenden, wie sie will, ohne dem Parlamente darüber Rechenschaft zu legen. Die Kontrolle des Parlamentes wird ganz ausgeschaltet. Das steht ganz im Gegensatze zum Parlamentarismus und zur demokratischen Verwaltung. Es wird also aus dem Titel der Linderung der Wirtschaftsnot abermals mit einer großen Geste ein Gesetz geschaffen, welches de facto die wirtschaftliche Not nicht beheben wird.

Ich will zu dieser Gesetzvorlage sine ira et studio sprechen und die gesamten Maßnahmen der Regierung einer Kritik unterziehen; da will ich vor allem eine Parallele ziehen zwischen dem, was die anderen europäischen Staaten zur Linderung der Wirtschaftsnot getan haben und was wir tun. Wir wissen es ganz genau, daß die wirtschaftliche Krise am schwersten die Landwirtschaft bedrückt und darum wurden in den Nachbarstaaten Hilfsmaßnahmen getroffen, welche in erster Reihe der Landwirtschaft helfen sollen. Nehmen wir dieselben der Reihe nach vor.

Deutschland hat am 22. Dezember 1929 ein Zollerhöhungsgesetz beschlossen und das Maismonopol eingeführt. Am 13. April 1930 wurde ein neuerliches Zollerhöhungsgesetz geschaffen. Im April 1930 wurde das große Osthilfeprogramm durchgeführt, 200 Millionen RM Kredit für landwirtschaftliche Betriebe mit 4% gewährt, 50%ige Streichung der Erwerbsteuer, Herabsetzung der Eisenbahntarife, 200 Millionen RM für Umschuldungskredite mit einem Zinsfuß von 7% gewährt, die deutsch-polnische Roggenexportvereinbarung, 30 Millionen RM für die Viehverwertungsgenossenschaft. All dies geschah innerhalb eines Jahres. Dieser Tage hat der Reichskanzler Brüning seine großzügige Notverordnung herausgegeben, welcher unter vielem anderen ganz besonders für die Landwirtschaft wesentliche Erleichterungen in punkto Steuer bringt. Hervorzuheben ist hier ganz besonders der Umstand, daß die Landwirtschaft bis zu einem Einkommen von 6000 RM, das sind 48.000 Kè, nur noch Realsteuern zu zahlen hat. Außerdem wird die Preissenkungstendenz in Deutschland mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durch die Regierung angestrebt.

Õsterreich: Am 18. Oktober 1930 ist in Õsterreich die Regierungsverordnung erschienen über die Subventionierung der Landwirtschaft. Die 96 Millionen Schilling, welche aus einer Erhöhung der Zucker- und Biersteuer einfließen, werden folgendermaßen aufgeteilt: zur Prämiierung der Getreideproduktion 77 Millionen, zur Unterstützung der Mühlenindustrie 6·5 Millionen, zur Unterstützung der Gebirgslandwirtschaft 12.2 Millionen Schilling. Die Verteilung dieser angeführten Summen geschieht durch die landwirtschaftliche Kammer nach der Anbaufläche des Jahres 1929. Es fallen infolgedessen auf 1 ha Anbaufläche 70 Schilling, gleich 350 Kè. Der Verteilungsschlüssel ist degressiv. Besitzer unter 50 ha erhalten 100%, von 50 bis 150 ha 80%, von 150 bis 200 ha 60%, über 250 ha 40%. Diese Prämiierung resp. Subventionen sollen in erster Reihe zur Bezahlung der Grundsteuerrückstände der vergangenen Jahre verwendet werden. Die für die Gebirgslandwirtschaft bestimmte Unterstützung soll in erster Reihe zur Subventionierung der Viehverwertungsgenossenschaften dienen.

Italien. In diesem Lande wurde das große Programm Battaglia del grano durchgeführt, dessen Großzügigkeit und dessen Einzelheiten derart bekannt sind, daß es keiner weitere Erörterung bedarf.

Ungarn. Hier wurde im Sommer 1930 das Bolettensystem eingeführt, wonach jeder Landwirt für jeden Meterzentner verkauften Getreides gegen Vorweisung der Bolette drei Pengö in die Steuer eingerechnet werden. Hat der Landwirt keine Steuerrückstände, so werden die drei Pengö bar ausbezahlt, wobei diese Beträge keinesfalls den Käufer belasten, sondern vom Staat gedeckt werden. Weiter steht der Gesetzvoranschlag von November 1930 in Behandlung, wonach den Landwirten eine Prämie von zwei Pengö pro Katastraljoch mit Brotgetreide angebauter Fläche aus der Staatskasse gewährt wird. Rumänien will das Bolettensystem ebenfalls einführen und wurde der diesbezügliche Gesetzentwurf dem Parlament bereits vorgelegt. Polen gewährt den Landwirten günstige staatliche Darlehen, erteilt Exportprämien für Getreide bereits seit zwei Jahren und unterstützt mit großen Mitteln die Schweineausfuhrsyndikate.

Ziehen wir eine Bilanz aus dem, was das Ausland und unser Staat für die Landwirtschaft getan hat, so müssen wir uns direkt schämen.

Was wurde bei uns zur Unterstützung der Landwirtschaft getan? Mit dem Gesetz Zahl 72 von 1930 wurde der Zoll für Getreide und Mehl erhöht. Mit Gesetz Nr. 85 vom Jahre 1930 wurde der Zolltarif für lebendes Vieh und Fleisch abgeändert. Beide Gesetze haben sich so ausgewirkt, daß der Preis der landwirtschaftlichen Produkte nur noch tiefer gesunken ist. Das Mehlmischungsgesetz Nr. 164 vom 18. November 1930 hatte zur Folge, daß die Weizenpreise momentan durch die Spekulation und Konjunktur etwas in die Höhe getrieben wurden, aber gleichzeitig sind bis zum Inkrafttreten des Gesetzes so riesige Mengen ausländischen Weizens und Mehls hereingekommen, daß der Weizenpreis unbedingt in Kürze fallen wird. Überdies hatte der Weizenbauer sozusagen aus diesem konjunkturellen Aufschwung gar keinen Nutzen, bloß der Spekulant, denn für die Landwirtschaft kam diese momentane Konjunktur schon zu spät. Bildet doch die mit Weizen bebaute Fläche bloß 12·7% der gesamten Anbaufläche der Èechoslovakischen Republik. Heute sollen wir über ein Ermächtigungsgesetz abstimmen, welches 150 Millionen der Gesamtwirtschaft zuführen soll. Aus dem Gesetzantrag ist nicht ersichtlich, wie diese 150 Millionen verteilt werden. Dies bleibt der Regierung überlassen. Wie wir unsere Koalitionsverhältnisse kennen, sind wir schon von vornherein davon überzeugt, daß auf die Landwirtschaft von diesen 150 Millionen nur ein kleiner Bruchteil entfallen wird. Selbst wenn die ganzen 150 Millionen durch das Gesetz bloß für die Landwirtschaft bestimmt wären, so ist das in Vergleich zu der Hilfe, die z. B. Õsterreich seiner Landwirtschaft zukommen läßt, sehr wenig.

Die österreichische Hilfe beträgt pro ha 70 Schilling, das sind 350 Kè, also pro Kat.-Joch 200 Kè, oder in Kilogramm umgerechnet bei einem Hektarertrag im Durchschnitte von 17·7 Meterzentner im Jahre 1929 20 Kè pro 100 Kilogramm Getreide. Dieses Verhältnis entspricht der Subventionierung, welche die ungarische Regierung durch das Bolettensystem ihrer Landwirtschaft gewährt. 3 Pengö, das sind 18 Kè, erhält der ungarische Landwirt pro 100 Kilogramm verkauften Getreides für die eingelieferte Bolette, 2 Pengö erhält er weiter pro Kat.-Joch für die mit Getreide angebaute Fläche, das ist auf Kilogramm berechnet eine weitere Unterstützung von 1 Kè; also erhält der ungarische Landwirt pro 100 kg 19 Kè Subvention, 1 Kè weniger als in Õsterreich.

Falls unsere Regierung dieselben 20 Kè pro 100 kg Getreide den Landwirten geben würde, so möchte dies bei einer Ernte, wie im Jahre 1929, wo das gesamte Ergebnis der Ernte 60 Millionen Meterzentner war und wenn wir annehmen, daß davon 30 Millionen Meterzentner zur Verwertung gelangt, 600 Millionen ausmachen. Dem gegenüber stellen wir die 150 Millionen, welche der Gesamtvolkswirtschaft, also Landwirtschaft, Gewerbe, Industrie und Handel zusammengegeben werden soll! Und wenn selbst die 150 Millionen ganz für die Landwirtschaft gegeben würden, so entfallen pro 100 kg Getreide nur 5 Kè, gegen die 20 Kè in Österreich, oder in Hektaren gerechnet 41 Kè gegen 350 Kè in Österreich. Falls wir das gesamte Ernteergebnis von 60 Millionen nehmen, so entfallen nur 2·50 Kè auf 100 Kilogramm bei einer Subvention von 150 Millionen. Außerdem opfert noch Österreich für die Gebirgswirtschaft 12 Millionen Schilling oder 60 Millionen Kè. Seitdem in diesem Hause über die Krise in der Landwirtschaft gesprochen wird, habe ich stets die Ansicht vertreten, daß man der Landwirtschaft nur so helfen kann, daß man die Produktionskosten verringert, also Abbau der öffentlichen Lasten und Preisabbau bei allen Bedarfsartikeln der Landwirtschaft. Seitdem ist diese Ansicht schon in die Allgemeinheit gedrungen, und heute spricht die ganze Welt von Preis- und Lastenabbau, und einzelne europäische Staaten, in erster Reihe Deutschland gehen auch schon mit aller Macht vor, um dies durchzuführen. Es stellen sich aber diesem Preisabbau ungeheuere Schwierigkeiten entgegen. Die Finanzminister selbst können sich zu einem Abbau der öffentlichen Lasten kaum entschließen und die Großindustrie steht unter dem Drucke der großen Kartelle, welche von einer Preisreduktion nichts hören wollen. Ihre Argumentation ist noch immer der hohe Preis, welcher für Rohprodukte gezahlt wurde, die hohen Löhne, die großen sozialen und anderen öffentlichen Abgaben, welche die Produktion verteuern und eine Preisreduktion nicht zulassen. Die Regierungen stehen diesen Argumenten der Großindustrie ziemlich machtlos gegenüber, indem sie eine Steigerung der Arbeitslosenzahl fürchten. Der Prozeß, der im allgemeinen eine Preisreduktion der Industrie nach sich bringen wird, wird und muß kommen, indem die Absatzmöglichkeit durch die verminderte Kaufkraft der Bevölkerung stets sinkt. Die Landwirtschaft ist aber heute nicht in der Lage, diesen langsamen Prozeß der Preisnivellierung abzuwarten, sie bedarf dringende, sofortige Unterstü tzung u. zw. derartige, wie es die Nachbarstaaten machten, um sich zu erhalten bis zu dem Zeitpunkt, wo der Prozeß der allgemeinen Verbilligung durchgeführt ist; und darum stehe ich auf dem Standpunkt, daß der Landwirtschaft eine dringende Hilfe nach den oben angeführten Beispielen der Nachbarstaaten unbedingt so rasch als möglich gewährt werden muß, falls wir nicht einen allgemeinen Verfall haben wollen.

Bei dem Verbilligungsprozeß resp. bei einer Verminderung der Betriebskosten hätte der Staat in erster Reihe mit gutem Beispiel vorangehen sollen. Doch was sehen wir? Gerade das Entgegengesetzte. Statt Steuerabbau Steuererhöhung, egal ob der Steuerzahler diese erhöhte Steuer aufbringen kann oder nicht.

Der Herr Finanzminis ter geht in dieser Frage ganz unba rmherzig vor. Man braucht wirklich nicht ein Finanzgenie zu sein, die Steuern einfach zu erhöhen und die riesig hohen Vorschreibungen einzutreiben, um den Staatshaushalt im Gleichgewichte zu halten. Gewaltige Möglichkeiten stehen dem Herrn Finanzminister zur Verfügung, die Kosten des Staatshaushaltes zu verringern. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß England 313.723 Beamte erhält und die Èechoslovakei 305.237. Die Erhaltung der großen Armee, auch die Riesensumme von 300 Millionen, die für die Sanierung der drei Prager Banken ausgegeben wurde, und viele andere Sachen, wo gespart werden könnte durch Rationalisierung der Verwaltung, könnten viele Millionen ersparen und durch eine bessere Ausnützung resp. wirtschaftlich-kommerzielle Ausnützung der staatlichen Besitze könnten diese passiven Staatsunternehmungen aktiv gemacht werden, wie z. B. die staatlichen Kurorte. Mit Staunen hat die gesamte Privatwirtschaft des Staates vernommen, daß der Herr Eisenbahnminister vom 1. Jänner die Personentarife der Eisenbahnen um 20 % erhöht. Jedermann weiß, daß die Eisenbahnen kein lukratives Unternehmen sind, doch müßten sie andere Mittel und Wege finden als gerade in der jetzigen Zeit, wo mit Hochdruck auf eine Preisherabsetzung gearbeitet wird, mit einer Tariferhöhung zu kommen, welche Tariferhöhung abermals die Produktion verteuert und ganz besonders die kleinen und mittleren Schichten, gerade die, denen der Herr Eisenbahnminister angehört, am meisten betrifft. Wir können erinnern an die Zeiten, wo das Eisenbahnministerium mit dem Geld nur so herumgeworfen hat, und dies rächt sich jetzt.

Wenn wir die Erklärungen der führenden Männer der Industrie lesen, so kann man aus allen, wenn auch zwischen den Zeilen, die große Unzufriedenheit und Mißstimmung herauslesen. Es fällt uns gans besonders auf die Rede des Generaldirektors Dr. Preiss im Industriellenverband, die er vor kurzem gehalten hat, wo er sich über die wirtschaftliche Lage und Krise ausspricht. Wir müssen uns mit den Ausführungen des Herrn Dr. Preiss vollkommen identifizieren, wo er sich gegen die Politik der wachsenden Steuern und für die Schaffung größerer Zollgebiete ausspricht. Die Lage der Industrie ist gerade so ungünstig, wie die Lage aller anderen Wirtschaftszweige, und man sieht absolut keine Handlung der Regierung, welche geeignet wäre, diese schwierige Lage der Industrie zu erleichtern. Die Zahl der Arbeitslosen wächst von Tag zu Tag. Nicht durch die Arbeitslosenunterstützungen sollte man, die Frage zu erledigen denken, sondern durch Arbeitsmöglichkeit. Durch eine geschickte durchgreifende Handelspolitik, durch Gewährung von Exportprämien, durch Regelung der Kreditfragen, durch Verminderung der Soziallasten und durch eine durchgreifende Tarifreform, besonders für die Slovakei sollte man der Industrie unter die Arme greifen. Den Ausführungen des Herrn Eisenbahnministers, die er unlängst im Senate gehalten hat, können wir durchaus nicht zustimmen.

Aber unsere Wirtschaftspolitik geht ganz in entgegengesetzter Richtung; statt zu erleichtern, wird alles erschwert. Dies beweist um besten die Kündigung des Handelsvertrages mit Ungarn. Von Anfang an, als diese Frage aufgeworfen wurde, habe ich in ganz objektiver Weise mehrmals hier im Hause darauf hingewiesen, daß dies ein großer Fehler ist und daß Zustände entstehen können, die nie gut zu machen sind. Doch meine Worte sind verhallt und heute, in letzter Stunde, da werden Auswege gesucht, über diese Kalamität hinwegzukommen. Mein Antrag auf das gegenseitige Übereinkommen der beiden Staaten auf der Grundlage des do ut des wurde verworfen. Ist uns der Nachbarstaat nicht näher, dessen landwirtschaftliche Produkte, die wir in unserem Staate benötigen, ohne unserer Landwirtschaft zu schaden, wir übernehmen sollen und der dafür die Industrieprodukte der Republik übernimmt, als landwirtschaftliche Produkte der überseeischen Staaten, aus Kanada zu übernehmen? Leider stehen wir bei uns noch immer vielzusehr unter dem Eindrucke der Umsturzpsychose. Dies sehen wir ganz besonders aus der Rede des Herrn Landwirtschaftsministers, die er unlängst im Senate gehalten hat, wo er sich ganz entschieden gegen das Kontingentierungssystem ausspricht.


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