Aber mit dieser Möglichkeit ist nicht alles erreicht worden. Der Referent Herr Minister Dr. Winter hat schon darauf hingewiesen, daß sich eine der schwierigsten Aufgaben bei der Durchführung des Gesetzes in dem Augenblicke einstellen wird, wo wir die nötige Anzahl der für diese Frage geeigneten Richter werden bestimmen müssen. Es wäre eine Beleidigung unserer Richterschaft, wenn ich sagen würde, daß wir Richter mit so hohem sozialen Verständnis nicht haben darauf möchte ich das Hauptgewicht legen, soziales Verständnis müssen diese Richter haben, sie müssen hohe pädagogische Kenntnisse und so viel Liebe und Takt, wie es für Jugendrichter notwendig sein wird, haben aber es wird schwierig sein, bei dem Richtermangel, den wir haben, jene Richter herauszufinden, die gerade diese Eigenschaften, die ich hier als notwendige Voraussetzung bezeichnet habe, in hohem Maße besitzen. Nun hängt aber das ganze Gesetz und seine Wirksamkeit in erster Linie davon ab, ob es uns gelingt, die nötige Anzahl von Richtern, die der Jugend mit Liebe, Takt, Verständnis und pädagogischen Kenntnissen gegenübertreten, zur entsprechenden Zeit zur Verfügung haben werden.
Aber es gibt noch eine größere Schwierigkeit als die Auffindung der besonders geeigneten Richter, u. zw. ist es die Frage, ob es uns gelingen wird, die Anstalten zu schaffen, die mit den Erziehungsaufgaben der Jugendlichen zu betrauen sind. Das Gesetz sieht drei verschiedene Formen der Ahndung vor - Bestrafung kann man nicht sagen. Es sieht vor im § 11 die Schutzaufsicht: ein Jugendlicher, der eine Verfehlung begangen hat, soll unter Schutzaufsicht gestellt werden. Im § 12 sieht es die Schutzerziehung vor und im § 13 die Strafe der Einschließung. Hier glaube ich die allergrößten Schwierigkeiten im Gesetze zu finden, die ja nicht ein Mangel des Gesetzes selbst sind, sondern sich bei seiner Durchführung zeigen werden. Bei der Schutzerziehung wird der junge Mensch bestimmten Familien überstellt, die die Aufgabe haben, ihn dem Kreise seiner bisherigen assozialen oder moralisch disqualifizierten Umgebung zu entziehen und ihn wieder in normale Verhältnisse zu bringen. Es wird schon außerordentlich schwierig sein, jene Familien zu bestimmen, die zunächst bereit sein werden, diese unerhört schwierige und vielfach undankbare Aufgabe zu übernehmen, die man nur übernehmen kann, wenn man von ihrer Größe erfüllt ist und Lust und Liebe dazu hat. Aber es wird vielleicht noch schwieriger sein, die Erziehungsanstalten zu schaffen, die wirklich Erziehungsanstalten sein sollen und sein werden und nicht, wie es bisher der Fall war, zu neuen Infektionsherden werden. Wir kennen ja - und das ist die dunkelste Seite der ganzen Justizpflege - die Tatsache, daß unsere Gefängnisse nicht Besserungsanstalten, sondern vielfach die Herde, man sagt die Akademien und Hochschulen der Verbrecher sind, und daß in diesen Anstalten meist die größten Schwierigkeiten zu überwinden sind. Ob es uns gelingen wird, solche pädagogische Institute zu schaffen - ich sage ausdrücklich pädagogische Institute, denn alles andere hat keinen Sinn und Zweck - das muß man beinahe bezweifeln; aber wir müssen diesen Schritt versuchen, weil wir auf einem anderen Wege niemals zu einer Lösung dieser wichtigen Frage kommen.
Viel wichtiger als die Feststellung der Familien, die die Schutzerziehung durchzuführen haben, und der Erziehungsanstalten ist dann noch die Frage, wie die Gerichtsgefängnisse bzw. Besserungsanstalten, die als Stufe der Einschließungsanstalten geschaffen werden sollen, funktionieren werden und wie sie ausgestaltet sein werden. Hier liegt nahezu der Kern dieses ganzen Gesetzes. Gelingt es uns nicht, hier wirklich Musteranstalten zu schaffen, dann ist das ganze Gesetz ein Schlag ins Wasser. Darüber müssen wir uns klar sein. Da möchte ich mich mit Händen und Füssen gegen die Absicht sträuben, die im Gesetz ausgesprochen und auch im Motivenbericht erörtert wird, daß dazu Strafanstalten oder Gefängnisse oder alte Gerichtsgebäude sozusagen adjustiert werden; es wird in Wirklichkeit so sein - wir kennen das ja daß man auf solche Gebäude einfach eine andere Tafel gibt, auf der stehen wird: "Jugendstrafgericht"; innen wird jedoch alles ebenso ausschauen wie es beim Kreisgericht ausgeschaut hat. Wenn wir in diese Gerichte nicht neue Menschen hineinsetzen, wenn nicht neue Wärter hinkommen - ich will den Stand der Wärter nicht herabsetzen, sondern nur die Tatsache feststellen, daß die Wärter durch ihre jahrzehntelange Beschäftigung mit Verbrechern abgehärtet und daher für den neuen Zweck nicht geeignet sind - so werden wir damit nichts erreichen. Ich möchte mich mit Händen und Füssen gegen die Absicht wehren, die sogenannten Jugendgefängnisse in den Strafanstalten einzurichten. Es wird nötig sein, auch da einen Schritt der Pionierarbeit zu machen, wenn wir überhaupt zu einem Ergebnis kommen wollen. Denken Sie doch nur daran, daß gerade die Zeit der Pubertät, die Entwicklung, schuld trägt an Delikten. Man kann sagen was man will, wenn solche junge Menschen den größten Teil des Tages in irgendeinem Raum zubringen, was ja selbstverständlich ist, sagen wir in einer Zelle, in einer Werkstätte oder sonst irgendwo, so ist es sicher, daß ein solcher junger in der Pubertätsentwicklung befindlicher Mensch in dauerndem Kontakt mit gleichaltrigen Jugendgenossen ist, die ihn vielleicht manche Dinge gerade in geschlechtlicher Beziehung mitteilen, die ihm bis dahin unbekannt gewesen sind. Ich glaube, es sind verheerende Folgen, die aus den Kerkermauern gerade auf die Jugend ausströmen müssen, und daher sage ich, daß dieses Problem nur dadurch gelöst werden kann, daß man diese jungen Menschen in der Natur beschäftigt und sie dort arbeiten läßt. Zu diesem Zwecke müssen wir Landkolonien errichten, wo die jungen Leute - und das ist das Wichtigste in diesen Jahren - sich gründlich ausarbeiten können, wo sie nicht am Abend gepeitscht werden, sondern, wo man sie durch Arbeitsprämien Auszeichnungen und ähnliches anfeuert. Diese Arbeiten sollen so geleistet werden, daß die jungen Leute nicht daraus Gewinne und Profite ziehen, sondern daß sie eine wohltätige physische Erschöpfung spüren und so am leichtesten über die schwere Zeit der Pubertät hinwegkommen. Darin sehe ich eines der schwersten Probleme. Wir haben gerade jetzt im Zuge der Bodenreform vielleicht kann das eine der wenigen guten Folgen dieser Bodenreform sein - die Möglichkeit, einige Restgüter dazu zu benützen, um dem leider verkommenen Teil unserer Jugend, der durch das soziale Elend namentlich in den Großstädten vom ordentlichen Weg abgekommen ist, die Möglichkeit zu geben, in solchen Kolonien zu leben, wo sie zugleich auch weitergebildet werden, um als gesunde - und das ist sehr wichtig - und erzogene Menschen in die Gesellschaft zurückkehren zu können. Ich kann an diesem Kapitel nicht vorübergehen, weil es auch einen Teil der Erziehung unseres Volkes betrifft, ohne darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz auch einen schweren Mangel in nationaler Beziehung hat. Wenn wir schon von Verbrechern sprechen, so ist es ja selbstverständlich, daß auch bei unserem Volke solche vorkommen und es ist daher keine Schande, wenn ich sage, daß auch junge Deutsche ausgeglitten sind und sich auch in den Maschen des Gesetzes verfangen werden. Ich halte es daher für notwendig, darauf hinzuweisen, daß wir, so wie wir die Möglichkeit haben müssen, im normalen Schulunterricht auf die Erziehung unserer Jugend einzuwirken, uns auch die Möglichkeit geboten werden muß, beim Werke der Besserung unserer gefallenen Jugend mitzutun, und das kann nur dadurch geschehen, daß diese Entgleisten in ihrer Muttersprache erzogen und weitergebildet werden. Es muß dabei vermieden werden, daß vielleicht - ich meine nicht immer, sondern da und dort - Proselytenmacherei getrieben wird, die vielleicht nicht beabsichtigt ist, aber die auch unerwünscht eintreten könnte.
Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß es vieler Arbeit bedürfen wird, wenn sich hier praktische Auswirkungen in erzieherischer Richtung zeigen sollen. Ich glaube konstatieren zu können, daß wir in die Irre gehen würden, wenn wir diese Erziehungsarbeit durch umgeänderte Gefangenenhäuser durchführen ließen, wenn wir nicht den von mir vorgeschlagenen Weg, Landkolonien für diesen Zweck einzurichten, gehen. Das ist doch eine Frage der Durchführung, ich brauche deshalb keine weiteren Anträge zu stellen. Wenn man diesen Gedanken aufgreift, und das Justizministerium, von dessen Leitung es ja bekannt ist, daß es mit diesem Gesetz ein bestimmtes Ziel erreichen und nicht bloß ein Gesetz haben will, den Versuch mit den Landkolonien machen würde, so bin ich überzeugt, daß sich die praktischen Auswirkungen zeigen würden. In diesem Sinne möchten wir dann das Gesetz begrüßen. Wenn die heute von mir vorgeschlagenen Verbesserungen akzeptiert und durchgeführt werden, kann dieses Gesetz einen großen Fortschritt bedeuten. Es wird aber nur ein Teil bleiben, wenn wir nicht imstande sind, vor dieses Gesetz noch ein anderes Werk zu setzen, das Werk, von dem ich am liebsten gesehen hätte, daß es durchgeführt wird, das große Jugendfürsorgewerk, das die Jugend schützt, bevor sie noch mit den Maschen des Gesetzes in Konflikt gerät.
Verzeihen Sie, wenn ich die Gelegenheit benütze, auch eine andere für uns Deutsche wichtige Frage zu behandeln. Wir haben vor einigen Tagen die Volkszählung durchgeführt und es haben sich bei Durchführung dieses sozial- und auch nationalpolitisch wichtigen Aktes eine solche Unzahl von schwersten Verstößen gegen das Gesetz zugetragen, daß es unmöglich ist, die Gelegenheit vorübergehen zu lassen, über diese Sache einige Worte zu sagen. Am 6. Dezember hatte Innenminister Dr. Slávik im Haushaltungsausschuß erklärt, daß die Beschwerden in der Öffentlichkeit über die Volkszählung tendenziös, völlig grundlos und übertrieben sind. Wir haben schon vor der Volkszählung darauf aufmerksam gemacht, daß das Ministerium des Innern die berechtigten Befürchtungen der Deutschen in diesem Lande einfach zur Seite geschoben hat, und wir haben feststellen müssen, daß unsere Befürchtungen, besonders was die Ernennung von èechischen Kommissären in unseren deutschen Gebieten anlangt, von den Tatsachen weit übertroffen worden sind. Der Herr Minister des Innern hat ausdrücklich versprochen, daß Vertrauensmänner zugezogen werden, die bei der Durchführung der Volkszählung den amtlichen Kommissären behilflich sein sollen. Selbst das "Právo Lidu", also ein Regierungsorgan hat Folgendes geschrieben: "Die deutschen Parteien, darunter auch die deutschen Sozialdemokraten, haben dem Herrn Innenminister einzelne Forderungen vorgelegt, die die Nationalität der Minderheiten betreffen. Der Herr Minister hat versprochen, er werde erfüllen, was er erfüllen könne, und hat auch eine entsprechende Verordnung hinsichtlich der Zählungsaktion erlassen. Aber kurz vor der Volkszählung mußte festgestellt werden, daß zwar die Verordnung erlassen, den in Betracht kommenden Ämtern jedoch nicht zugesendet wurde. In der Tat haben die Bezirksbehörden unten alle erklärt: "Wir kennen einen solchen Erlaß nicht, uns ist ein solcher Erlaß nicht zugekommen, daher können wir ihn auch nicht ausführen." Die Beschwerden der einzelnen Zeitungen oder anderer Organe sind einfach unterdrückt worden; eine Unzahl von Zeitungskonfiskationen ist erfolgt. Die "Brüxer Zeitung", die "Trautenauer Zeitung", der "Teplitz-Schönauer Anzeiger", das "Aussiger Tagblatt" und zahlreiche andere Zeitungen sind einfach konfisziert worden, die Beschwerden über die geradezu unerhörte Brüskierung der deutschen Bevölkerung in der Frage der Ernennung der Kommissäre vorgebracht haben. Was sich im Hultschiner Ländchen zugetragen hat, spottet überhaupt jeder Beschreibung. Es sind dort überhaupt nur Èechen zu Zählkommissären ernannt worden (Posl. Kasper: Auch im Adlergebirge!) Jawohl! Wir können nun diesen èechischen Zählkommissären kein Vertrauen entgegenbringen, weil es sich ja nicht um wirkliche Amtsorgane handelt, sondern meist um die fanatischesten hranièáøi, die man uns in diesen Gegenden vorgesetzt hat. Aber zur gleichen Zeit ist von der Post- und Telegraphendirektion in Prag in der Sammlung der Verfügungen der Direktion unter Z. 303/649/I/1930 ein Auftrag an alle Postämter erflossen, ein Verzeichnis der Nationalität der Postbediensteten anzulegen. Was das heißt, kann nur der beurteilen, der weiß, unter welchem nationalen Druck heute unsere gesamte deutsche Staatsangestelltenschaft Dienst machen muß. Es ist hier eine gesetzwidrige Beeinflussung der deutschen Staatsangestellten, besonders der Post- und Telegraphenbediensteten vorliegend, die unbedingt eine Ahndung finden muß.
Aber, meine Verehrten, neben dieser ganz offiziell vor einem Organ des Ministeriums für Post- und Telegraphenwesen erlassenen Verfügung haben sich eine solche Unzahl von Übergriffen zugetragen, daß es ganz ausgeschlossen ist, auch nur den geringsten Teil davon dem Hause zur Kenntnis zu bringen. Es geht uns auch gar nicht darum, dem Hause diese Einzelfälle zur Kenntnis zu bringen. Es wird das ja in einem gesammelten Aktenband dem Hause zur Verfügung gestellt werden. Aber, meine Verehrten, daß man den deutschen Gebieten, ich möchte fast sagen, die Schande angetan hat, mit Aufnahmebogen sowie in Gebieten mit Analphabeten zu zählen, ist wohl der Gipfelpunkt alles dessen, was auf diesem Gebiete geleistet worden ist. (Výkøiky.) Was ist denn bei diesen Zählungen mit Aufnahmsbogen gemacht worden? Wir haben eine Unzahl von Fällen feststellen können, wo der Zählkommissär ohne irgendeinen Aufnahmebogen erschienen ist, oft mit einem Notizbuch, und in dieses oder auf irgendeinen Zettel sich Notizen gemacht hat und erklärt hat, er werde zu Hause den Aufnahmsbogen ausfüllen. In einer solchen Form ist die Volkszählung tatsächlich vor sich gegangen. Wundern Sie sich da nicht, meine Herren, wenn wir selbstverständlich vor der ganzen Welt erklären müssen, daß wir diese Volkszählung in ihrem Ergebnis nicht anerkennen. Sie werden wohl natürlich sagen, daß sei Ihnen gleichgiltig. Gewiß, es kann Ihnen gleichgiltig sein, aber es wird auch in diesem Falle gewiß einmal die Zeit kommen, wo es Ihnen nicht gleichgiltig sein wird, was die Öffentlichkeit und die ganze Welt über Ihre Volkszählung denkt.
Sie können vielleicht da und dort den Prozentsatz der deutschen Bevölkerung herabsetzen, aber bei jeder kommenden Wahl wird sich die Lügenhaftigkeit und Fälschung der Volkszählung öffentlich zeigen. Und nun kommt etwas, womit Sie nicht rechnen: welche seelischen Rückwirkungen das bei uns Deutschen ausüben muß. Wo mit solchem Terror, mit solchen Mitteln der Beeinflussung, der absoluten Undurchsichtigkeit Volkszählungen gemacht werden, muß die Bevölkerung sich nicht nur gegen die Zählorgane, sondern auch gegen die, die diese Volkszählung arrangiert haben, wenden. Wir könnten ja diese seelische Vergiftung nahezu begrüßen, wenn wir uns auf den Standpunkt von deutschen Chauvinisten stellen würden. Ob es aber für den Staat und seine Leiter von Interesse ist, eine solche seelische Vergiftung im ganzen deutschen Volke herbeizuführen, das zu beurteilen müssen wir Ihnen überlassen. Ich glaube, Ihnen nur sagen zu können, und auch die Kollegen vom Lande werden dies zugeben: Es ist niemals eine solche Verbitterung gerade auch in unserer Landbevölkerung eingerissen, eine solche nationale Verbitterung, wie in diesen Tagen, wo man in unzähligen Fällen einfach die deutschen Einbekenntnisse auch dort, wo sie mit Zählbogen aufgenommen worden sind, gestrichen und an Stelle der deutschen Nationalität die èechische eingesetzt hat. Es ist ja bezeichnend für unsere Verhältnisse - und auch das ist wiederum ein Charakteristikum - daß die "Národní Politika" vom 30. November 1930 einen Stimmungsbericht aus den Grenzgebieten bringen konnte, in dem unter anderem der folgende Passus sich befindet: "Nach privaten Zählungen ..." (Posl. Kasper: Sie sind ja verboten!) Wie man sieht, werden aber diese privaten Zählungen doch gemacht.
Also in einem Blatte einer Regierungspartei heißt es: "Nach privaten Zählungen, wie sie in einigen Orten durchgeführt worden sind und deren Ergebnisse uns bekannt geworden sind, ist mit Sicherheit zu sagen, daß das Anschwellen der èechoslovakischen Bevölkerung in einigen Grenzorten gegenüber der Volkszählung vom Jahre 1920 bis um 1000% gestiegen ist." Ich bitte, meine Verehrten, ich muß Sie fragen: Was muß sich die deutsche Bevölkerung denken, wenn am 30. November, also zwei bis drei Tage vor Abgabe der Zählbogen, die èechische Zeitung bereits von Privatzählungen spricht und konstatiert, daß die èechische Bevölkerung bis zu 1000% gewachsen sei. Auch bei der bekannten Fortpflanzung der èechoslovakischen Bevölkerung kann man doch nicht annehmen, daß eine 1000%ige Vermehrung innerhalb von 10 Jahren erfolgt ist. (Posl. dr Ivanka: To je dokument!) Es gibt hier nur zwei Möglichkeiten: Entweder Einschiebungen fremder Menschengruppen in die deutschen geschlossenen Sprachgebiete oder aber Fälschungen. Und wir behaupten, es sind Fälschungen, die hier vorgekommen sind. Und wenn der Herr Kollege sagt: "To je dokument", so sagen wir: Das ist ein Dokument der Schande, die sich hier zugetragen hat Ich bitte, die èechischen Herren Landesbrüder hätten es doch leicht gehabt, dieses Dokument der Schande aus der Welt zu schaffen, wenn sie den Antrag der deutschen Parteien angenommen hätten, daß auch deutsche Zählkommissäre, bzw. Kontrollorgane bei der Volkszählung mitwirken. In diesem Falle hätten wir diese Volkszählung restlos anerkennen müssen. Wir anerkennen sie aber nicht, weil sie diese deutschen Kontrollore gefürchtet und deshalb verhindert haben, trotz den Zusagen, die der Herr Innenminister diesbezüglich gegeben hat. Daher sagen wir: Das ist nicht ein Dokument, sondern nur ein Dokument der Schande, die das èechische Volk in den deutschen Gebieten begangen hat.
Gerade dasselbe Blatt schreibt, daß in kleinen Orten die Zahl der èechischen Einwohnerschaft von 300 auf 3.200 gestiegen ist, und daß selbst in Dörfern ein Zuwachs um 100% der èechischen Bevölkerung zu verzeichnen ist. Gestatten Sie, verehrte Herren, daß ich Ihnen sage: Deutsche Bauern tragen sich nicht als Èechen ein. Die èechische Bevölkerung ist in den verschiedensten Landgemeinden nicht zugewachsen. Es gibt daher nur eine Möglichkeit, daß geschwindelt worden ist. Das stellen wir hiemit fest und ich habe dem gar nichts hinzufügen. Wir werden die einzelnen Fälle zur gegebenen Zeit nicht nur dem Hause vorlegen, sondern wir glauben darüber noch hinausgehen zu müssen, denn das, was hier vorgefallen ist, beinhaltet auch den Tatbestand der Übertretung einer Bestimmung der Verfassung, die ausdrücklich von der gewaltsamen Entnationalisierung der Bevölkerung spricht und sie verbietet. Wenn diese Entnationalisierung auch nur am Papier ist - und sie ist nur am Papier, täuschen Sie sich nicht darüber, daß diese Volkszählungsergebnisse nur Papierergebnisse sind - so kommen sie aber doch einer gewaltsamen Entnationalisierung gleich.
Zum Schlusse möchte ich noch kurz darauf hinweisen, daß in den letzten Tagen in unseren sudetendeutschen Gebieten eine ganze Reihe von Verboten und von Schikanen gegenüber unserer Partei vorgefallen sind, die wir in diesem Zusammenhang, weil sie das gesamte Bild der Situation ja nur ergänzen, darstellen möchten. Wir haben in der letzten Zeit in unserem deutschen Gebiet eine lebhafte Propaganda für die sudetendeutsche Selbstverwaltung entfaltet, aus Gründen, die Sie alle kennen. Wir stehen in diesem Staate vor einer neuen Verwaltungsorganisation in Karpathorußland, wo jetzt endlich nach mehr als 10 Jahren nach der Verfassung die Autonomie durchgeführt werden soll. Wir haben zu diesem Zweck ein Plakat erscheinen lassen, von dem auch die Verwaltungsjuristen feststellen mußten, daß es absolut weder gegen den Staat, noch gegen seinen Bestand, noch gegen seine Einrichtungen, noch irgendwie gegen eine Gesetzesbestimmung des Staates verstößt. Trotzdem haben die politischen Bezirkshauptmannschaften, ich könnte beinahe sagen, lückenlos von Freiwaldau und Troppau bis herüber nach Asch, mit wenigen Ausnahmen das Plakat mit dem berühmten Kautschukparagraphen der Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung verboten. (Posl. Kasper: An der Spitze der Bezirkspascha in Trautenau!) Jawohl! In einigen Bezirkshauptmannschaften sind aber die Plakate doch bewilligt worden, wie z. B. vom Polizeikommissariat und von der Bezirksbehörde in Aussig, und dort ist die Ruhe und Ordnung nicht gestört worden, sondern aufrechterhalten worden: und es wäre übrigens ein außerordentlich trauriger Beweis der Schwäche des Staates, wenn er von einem Plakat bereits eine Störung der Ruhe und Ordnung erwarten müßte. Aber auch die Verwaltungsbehörden in Prag selbst mußten mir zugeben, daß das Plakat ohneweiters anstandslos zu bewilligen gewesen wäre, daß dies aber im Ermessen der unteren Behörden liege.
Es ist hier ganz bestimmt ein System vorhanden, das System, keine politische Bewegung im sudetendeutschen Volk dulden zu wollen, jeden politischen Gedanken und jede Aktion zu drosseln. So ist es auch zu begreifen, daß in der letzten Zeit auch Verbote von gewöhnlichen Versammlungen erfolgen können. Mit liegt ein Verbot der Bezirkshauptmannschaft in Podersam vor, die eine gewöhnliche Versammlung in Jechnitz verbietet, anderseits in Trautenau, wo unserem Parteivorsitzenden wegen eines lächerlichen kommunistischen Flugblattes eine Versammlung verboten wird, und so werden die freien Rechte der Staatsbürger eingeschränkt.
Es ist z. B. vorgestern in Komotau von der Bezirksbehörde ein noch interessanterer Fall konstruiert worden. Die Bezirksbehörde hat dort die Abhaltung eines Vortrages des bekannten Kapitänleutnants Spindler, der über seine Erlebnisse im Weltkriege mit der englischen Kriegsflotte sprach, gestattet. Sie hat diesen Vortrag, so wie er in unzähligen anderen Orten gestattet wurde, gestattet, es ist auch das Plakat affichiert worden, die Versammlung wurde vorbereitet, der Redner wurde verständigt. Plötzlich wird unter dem 9. Dezember der Vortrag, der am 12. Dezember stattfinden sollte - selbstverständlich hat man die Zustellung erst am 10. Dezember vorgenommen - verboten, u. zw. mit der äußerst interessanten Begründung: "Denn die bei den vorjährigen Vorträgen reichsdeutscher Offiziere, darunter auch des Kapitäns Spindler, gewonnenen Erfahrungen bestätigen die Besorgnis, daß der angemeldete Vortrag ebenso wie die gleichartige vorjährige Versammlung nur das Ziel verfolgen können, die großdeutsche Idee unter der èechoslovakischen Bevölkerung deutscher Nationalität zu propagieren und die militärischen Leistungen der Ententemächte im Weltkri eg tendenziös herabzusetzen. Auf diese Weise sollen irredentistische Bewegungen gestärkt und unmittelbar Bestrebungen zur kriegerischen Vergeltung und zum gewaltsamen Widerstand gegen die bestehenden staatsrechtlichen Verhältnisse propagiert werden. Aus dem gleichen Grunde wird die Bewilligung nur Plakatierung nicht erteilt." Beides war schon erteilt, der Bezirkshauptmann widerruft. Warum widerruft er? Ich habe den Kapitän Spindler selbst bei einem Vortrag in Aussig gehört, er hat in seinem Vortrag durchaus in sachlicher Art und Weise Kriegserlebnisse dargestellt. Das Polizeikommissariat in Aussig, das sicher sehr scharf ist und unter dessen Schikanen wir mehr als einmal zu leiden hatten, hatte selbstverständlich auch seinen Vertreter bei diesem Vortrag, der in Aussig zweimal und ein drittesmal in Schreckenstein wiederholt wurde, es ist nirgends, weder in Aussig, noch bei den 40 anderen verschiedenen Vorträgen Spindlers irgendeine Beanständung erfolgt, und nun plötzlich kommt die Bezirksbehörde in Komotau und verbietet den Vortrag. Warum erfolgt das? Das erfolgt, weil die "Národní Politika" vor drei Tagen einen zweispaltigen Artikel veröffentlicht hat, wie lange die èechoslovakische Regierung noch dulden wird, daß reichsdeutsche Redner im sudetendeutschen Gebiete vortragen. Das allein genügt den Bezirkshauptleuten draußen, um unsere deutschen Vorträge und Veranstaltungen einfach zu verbieten.
Verzeihen Sie, wir können das
nicht anders charakterisieren als eine Verbeugung vor der chauvinistischen
èechischen Presse, und wir müssen das gerade in einem Zeitpunkte
feststellen, wo in der Regierung in diesem Lande auch deutsche
Parteien, sogar deutsche sozialistiche Parteien, sitzen, die auf
die Versammlungsfreiheit und das Recht der Abhaltung von Vers
ammlungen immer den größten Nachdruck in ihren Reden und Taten
gelegen haben. Daß das unter einer solchen Regierung überhaupt
möglich ist, ist bezeichnend für unsere Verhältnisse, und ich
muß sagen: So sehr man geneigt ist, alle diese Zustände vielleicht
als Einzelnfälle zu betrachten, so sehr sind sie nur Ausschnitte
aus einem gemeinsamen großen Bild, das die wirkliche Lage, in
der wir uns befinden, ganz klar und deutlich darstellt. Man kann
gewiß auch sagen: Die Volkszählung ist eine wichtige Angelegenheit,
aber das äußerste kann man wegen einer Volkszählung doch nicht
tun, daß man etwa sogar aus einer Regierung austritt. Bitte, man
kann sich auf diesen Standpunkt stellen. Wir aber behaupten: Die
Parteien, und mögen sie neunmal und zehnmal die Verantwortung
für alles ablebnen, was jetzt mit den sogenannten Nebenregierungen
geschehen ist, die Parteien, die es zulassen, daß nicht sie in
der Regierung den Einfluß ausüben können, die müssen es sich gefallen
lassen, wenn wir feststellen, daß sie die Verantwortung mittragen,
weil es eine geteilte Verantwortung der Parteien in der Regierung
nicht gibt. Es gibt nur eine Verantwortung, und das ist die Teilnahme
an der Regierung. Die Parteien, die alle diese Dinge zugeben und
zulassen, die einfach die Knebelung der Versammlungsfreiheit,
die Beeinflussung der deutschen Menschen bei der Volkszählung
und die brutale Fälschung des Volkszählungsergebnisse zulassen,
die daraus keine Konsequenzen ziehen, die dürfen sich nicht wundern,
wenn wir ihnen dann draußen nicht nur Vorhaltungen machen, sondern
auch die Konsequenzen ziehen und sie für all das verantwortlich
machen, was unter ihrer Teilnahme an der Regierung geschehen ist.
(Potlesk.)