Pátek 28. listopadu 1930

Ich bin der letzte, der den verantwortlichen Stellen der Èechoslovakischen Republik die Weltwirtschaftskrise in falscher Demagogie zum Vorwurfe machen wird. Die Krise, die in ihrer letzten Ursache nichts anderes als die Folge der Zerstörung des geregelten Wirtschaftsablaufes durch Krieg und Friedensverträge ist, die letzten Endes nichts anderes darstellt, als den Ausdruck der Verarmung auf der einen Seite und ungesunde Kapitalsanhäufung auf der anderen Seite, sowohl zwischen einzelnen Staaten, als auch zwischen den einzelnen Gruppen der Volkswirtschaft, kann bestimmt nicht durch eine Regierungsmaßnahme sofort beseitigt werden. Was man jedoch von der Regierung verlangen kann, sind Taten, die in ihrem Machtbereiche den geänderten Verhältnissen Rechnung tragen. Die Regierung hat solche Taten vermissen lassen und der erste und vielleicht schwerste Leidtragende auf diesem Gebiete ist die Landwirtschaft.

Es ist auffällig, daß diese speziell der Landwirtschaft abträgliche Entwicklung in einer Zeit einsetzt, wo in der Regierung der Einfluß der politischen Agrarparteien bis zum äu ßersten gesteigert ist. Dieser Umstand drängt die Frage auf, ob die Vertretung der Landwirtschaft in den richtigen Händen ist, wenn sie überwiegend politischen Standesparteien anvertraut wird. Auf keinen Fall spricht der Erfolg für die Politik der sogenannten agrarischen Parteien in der Èechoslovakei und es ist auffällig, daß in den Nachbarstaaten, z. B. in Österreich und in Deutschland, viel mehr und viel erfolgreicher die Not der Landwirtschaft bekämpft wird, trotzdem oder vielleicht weil diese Staaten keine führenden standesparteilichen Gruppen kennen. Durch den Einbau in die Politik aller Parteien ist in den genannten Ländern die Landwirtschaft zur Sorge aller geworden und nicht zu einem vermeintlichen Privilegium einzelner Gruppen, deren guten Willen ich nicht bezweifeln will, deren Können jedoch an der politischen Zersplitterung scheitern muß. So haben wir die Tatsache zu verzeichnen, daß trotz einer anscheinend hervorragenden Machtposition der Landwirtschaft in der Regierung nichts oder beinahe nichts für deren Notstand geschieht, daß ein Schwall von Reden, Phrasen und Resolutionen den Mangel an Taten zu verschleiern trachtet und daß ein planloses, unsystematisches Herangehen an die Probleme zum Charakteristikum jener Politik wird, die berufen sein sollte, der Landwirtschaft helfend beizustehen.

Überblicken wir so den Blütenkranz der Gesetze, mit denen in der letzten Zeit Wirtschaftspolitik getrieben wurde, so finden wir eine Summe chaotisch ungeordneter Maßnahmen. Wir haben eine Erhöhung des Getreidezolles, der nicht in Wirksamkeit ist, wir haben eine Änderung und Erhöhung des Viehzolles, dessen Wirksamkeit suspendiert ist, wir haben aber dafür den gekündigten ungarischen Handelsvertrag, wobei niemand weiß, was an dessen Stelle gesetzt werden soll. Wir haben schlecht geregelte handelspolitische Beziehungen mit Deutschland. Dafür hat uns Minister Beneš im Frühjahr 1930 einen rumänischen Handelsvertrag geliefert, der, wie aus den Beschwerden der deutschen Sektion des Landeskulturrates hervorgeht, trotz der Bedrängnis der inländischen Erzeugung Rumänien ein weit größeres Kontingent zugesteht, als es je in die Èechoslovakei importierte. Es wird so eine handelspolitische Situation geschaffen, die den Abschluß von Verträgen mit anderen Staaten erschwert, und im Inland alle Schutzmaßnahmen zu beeinträchtigen droht. Das Einzige, was in der letzten Zeit, wenn auch bescheiden, zum Erfolge führte, war das Gesetz über die Mehlmischung, als dessen Ergebnis sich eine leichte Besserung der inländischen Marktlage für Weizen zeigte, eine Besserung, die, wie ich befürchte, nicht anhaltender Natur sein kann.

Das Chaos der wirtschaftspolitischen Maßnahmen wird noch durch die dem Wirtschaftsablauf widersprechenden Maßnahmen der Steuerpolitik vermehrt. In seinem Exposé hat Minister Engliš den heute bereits allgemein erkannten Kern der Wirtschaftskrise in einer Verschiebung zwischen Geld- und Warenwert gekennzeichnet. Diese Wertänderung hat ihren Ausgang von der Urproduktion genommen. Hier erfolgte der Preiszusammenbruch zuerst und am empfindlichsten, während die Industrie, besonders die kartellmäßig gebundene Erzeugung, sowie der Kleinhandel dem Zuge der Preisherabsetzung nicht oder uicht entsprechend folgte. Solange jedoch nicht der Gesamtabbau der Preise erfolgt ist, kann von einer Gesundung unserer Wirtschaft nicht gesprochen werden.

Ich will nicht leugnen, daß von Regierungsseite manche Ansätze zur Preisregelung genommen wurden, muß jedoch feststellen, daß es sich meist um Versuche mit untauglichen Mitteln gehandelt hat. Wie das Problem anzugehen ist, hat Reichskanzler Brüning gezeigt, der ohne mühsame und überflüssige Konstruktion, ohne Konsumentenkammern und Räte aller Art, die als Ideal Minister Bechynì vorzuschweben scheinen, mit Energie und Tatkraft das Problem direkt anfaßte, es propagandistisch bearbeitete und zu namhaften Erfolgen gelangte. Hier in der Èechoslovakei ist man über das Reden nicht hinausgelangt und ich muß eine Regierung geradezu für unfähig halten, das dringende Problem des Preisabbaues anzugehen, wenn sie selbst in den Zeiten schwerster Wirtschaftskrise durch Erhöhung der Steuern nicht verbilligend, sondern verteuernd wirkt. Es ist wie ein Hohn, wenn die Regierung den Preisabbau von der Wirtschaft verlangt, während sie gleichzeitig dem Parlament Gesetze über Steuererhöhungen unterbreitet.

Im Feber I. J. hat meine Partei ein landwirtschaftliches Notstandsprogramm der Regierung unterbreitet und die etappenweise Entwicklungsmöglichkeit zur neuerlichen Produktivität der Landwirtschaft gezeigt. Wenn die Mehrheit an allen unseren ernst und gut gemeinten Anträgen achtlos vorübergegangen ist, wenn sie mit verbundenen Augen immer tiefer dem Ruin in der Volkswirtschaft zusteuert, müssen wir die Verantwortung hiefür ablehnen.

Die Not ist in vielen Gegenden durch die schweren Unwetterkatastrophen der letzten Zeit empfindlich gesteigert. Speziell die Forstwirtschaft hat durch Wind- und Schneebruch Schäden erlitten, die in einzelnen Fällen einen derartigen Umfang erreichen, daß der Waldbesitzer den Schaden allein nicht zu tragen imstande ist, daß er namentlich die Kosten für die notwendige Aufarbeitung der liegenden, in die Millionen Festmeter gehenden Holzmassen nicht aufzubringen vermag. Hier ist staatliche Hilfe ein Gebot dringender Notwendigkeit. Die Hilfe muß sich einmal in einer staatlichen Kreditgewährung oder in einer Staatsgarantie für Kredite äußern. Weiters ist es notwendig, das Gesetz über die staatliche Beitragsleistung zu Notstands arbeiten zu erweitern und die Aufarbeitungen in Windbrüchen in die Notstandsarbeiten einzubeziehen, auch wenn der Wald im privaten Besitze bleibt. Es ist ferner dringend notwendig, steuerrechtliche Erleichterungen zu gewähren, insbesondere hinsichtlich der Einkommensteuerpflicht für die außeretatmäßigen angefallenen Hölzer und für die Zahlung der Grundsteuer der durch Elementarkatastrophen geschädigten Waldflächen. Meme Partei behält sich vor, konkrete Gesetzesanträge zu unterbreiten.

Die Not der Forstwirtschaft wird durch die ungerechtfertigten, zwangsweisen Eingriffe unter dem Titel der Waldreform noch verschärft. Zu Beginn der Bodenreform waren von der über 4 1/2 Millionen ha betragenden Waldfläche rund 2 1/2 Millionen ha beschlagnahmt. Von diesen hat bisher das Staatsbodenamt rund die Hälfte, wie der schöne Fachausdruck lautet, bearbeitet und 411.000 ha in die Hände neuer Besitzer gebracht. Noch mehr als 1 Million ha Waldboden stehen dem Bodenamt zur Verfügung. Reform bedeutet im Allgemeinen: Änderung im Zeichen des Fortschrittes und der Verbesserung. Die ganze Öffentlichkeit hat sich jedoch daran gewöhnt, die Bodenreform nicht unter derartigen Gesichtspunkten zu betrachten. Hier kann man Reform nur verstehen als Vernichtungsfeldzug gegen den deutschen Wald, Vernichtungsfeldzug gegen die Waldwirtschaft und Vernichtungsfeldzug gegen die Tausenden von Angestellten und Arbeitern in den Wäldern.

Der beschlagnahmte Wald ist fast ausschließlich in das Eigentum des Staates überführt worden und steht hier unter verschiedenen Titeln unter staatlicher Verwaltung. Der größte Teil fiel dem Landwirtschaftsministerium zu, welches heute insgesamt 952.087 ha bewirtschaftet. 48.818 ha erhielt das Nationalverteidigungsministerium, 6.400 ha fielen verschiedenen staatlichen Ressorts zu, während das Staatsbodenamt für sich selber 75.472 ha behielt. Der Staat besitzt heute unter verschiedenen Titeln rund 1 1/4 Million ha Grund und Boden und es mutet eigenartig an, wenn der Präsident des Staatsbodenamtes Dr. Voženílek als Ziel der Bodenreform den Abbau der Latifundien darstellt, während er selbst durch die Bodenreform zur Bildung von Latifundien in nie geahnter Größe beiträgt. Zum Überfluß erweist sich noch der Staat als der schlechteste Wirtschaftler. Von rund 1 Million ha führt die Staatsgüterdirektion budgetmäßig 20 Millionen Kè an die Staatskasse ab. Das ergibt einen Ertrag von 20 Kè per ha und ich will zur Illustration dem gegenüberstellen, daß bei der Pauschalierung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer die Steuerbehörden von den einzelnen Bauern Erträge annehmen, die zwischen 500 und 1.000 Kè schwanken. Das Ministerium für nationale Verteidigung führt als Wirtschafter einen ertraglosen Betrieb. Von nahezu 50.000 ha erhält die Staatskasse überhaupt nichts und soweit ein Erträgnis sich errechnet, wird dieses militärischen Bedürfnissen zugeführt, ist also nichts anderes als eine indirekte Erhöhung unproduktiver militärischer Ausgaben. Das Bodenamt selbst bewirtschaftet 75.742 ha und es ist ein vergebliches Bemühen, in dem Voranschlag dieses Amtes eine Verrechnung der Wirtschaftsführung auf diesen Flächen zu finden. Wie so vieles andere, verschwinden auch 75.000 ha in dem grundlosen Schlund des Bodenamtes und kein Sterblicher kann je erfahren, was mit diesen geschieht, wie sie bewirtschaftet werden, wie ihr Ertrag ist u. s. w. Unter diesen Gesichtspunkten ist es unverantwortlich, wenn aus scheinbar demagogischen Gründen Waldbewerber von allen Seiten aufgeboten werden und ein Ertrag vorgegeben wird, der in Wirklichkeit nicht besteht. Der Generaldirektor der Staatsgüter und Forste Dr. Šimán hat selbst in dem Beratungskörper für Wald- und Teichreform am 18. Juli 1930 eine interessante Berechnung über die Ertragswirtschaft in den Staatsforsten gegeben. Nach seiner Aufstellung ergibt sich für ein Festmeter Holz ein Reinertrag von 45 Kè. Wenn nun der Wald dem Staate pro ha 3.000 Kè kostet und wenn diese Beträge mit 6% zu verzinsen und 1% zu amortisieren sind, so ergibt sich selbst bei einem hohen Durchschnittszuwachs von 4 Festmetern pro ha nicht die zur Verzinsung notwendige Summe. Unter diesen Umständen halte ich es für unverantwortlich, wenn von verschiedenen Seiten die Zuteilung von Wäldern an Gemeinden und Bezirke propagiert wird. Ich bin der Letzte, der hier einen grundsätzlich ablehnenden Standpunkt einnimmt, aber ich kann nicht genug davor warnen, die Bodenreform neuerlich zu politischen Aktionen zu mißbrauchen und die Zahl derer, die durch die Segnungen der Bodenreform ins Unglück gestoßen wur den, durch Gemeinden und Bezirke zu vermehren. Eine Zuteilung darf nur dann erfolgen, wenn eine reifliche Prüfung der finanziellen Voraussetzungen die Möglichkeit einer ertragsreichen Wirtschaft sichert. Was wir jedoch dringend fordern müssen, ist die sofortige Einstellung aller Aktionen, die zu einer Vermehrung des staatlichen Waldbesitzes führen, denn in ihrem Ergebnis sind sie nichts anderes als eine schwere Schädigung der staatlichen Finanzen, eine nationale Beeinträchtigung der Minderheitenvölker und ein unverantwortlicher sozialer Vorstoß gegen die hier beschäftigten Arbeitnehmer.

Was Bodenamt und Landwirtschaftsministerium bei der Waldreform getan haben und ständig noch tun, reiht sich würdig an die zweifelhaften Erfolge, die mit der vor ihrem Ende stehenden landwirtschaftlichen Bodenreform erzielt wurden. Zu den Ergebnissen der landwirtschaftlichen Bodenreform Stellung zu nehmen, stößt auf Schwierigkeiten eigener Art und diese gipfeln darin, daß das Bodenamt die Resultate seiner Tätigkeit einfach nicht bekannt gibt und dort, wo dies geschieht, einen Wust einander widersprechender Zahlen aufhäuft, die selbst bei wohlwollendster Behandlung zu keiner Klarheit führen können. Hiefür einige Beispiele: Im Motivenbericht zum Budget auf Seite 285 führt das Bodenamt an, daß bis zum 1. Jänner 1930 insgesamt 1.948 Restgüter im Ausmaße von 179.083 ha errichtet wurden. In der Maiausstellung in Prag veröffentlichte das Bodenamt eine Statistik, aus der hervorging, daß für den gleichen Zeitpunkt 1.936 Restgüter errichtet wurden. Wo ist die Differenz der 12 Restgüter? Es kommt aber noch besser. Auf Seite 286 des Motivenberichtes zum Staatsvoranschlag wird ausgewiesen, daß bis zum 30. Juni 1930, also ein halbes Jahr später, 1.853 Restgüter errichtet wurden. Man liest und staunt die eigenartige Mathematik des Bodenamtes an, nach der vom 1. Jänner 1930 bis zum 30. Juni 1930 83 Restgüter spurlos verschwunden sind. Präsident Voženílek hat sich in seinem Exposé im Finanzausschuß die Sache auch recht einfach gemacht und bei der Behandlung der Restgutfrage von ca. 2.000 Restgütern großzügig gesprochen. Dies ist allerdings ein Weg, die Unklarheiten zu verdecken und die Sache noch dunkler zu machen, als sie ist. Für die Mathematik des Bodenamtes finden sich noch andere Beispiele, aus denen ich nur noch eines herausgreifen will. Durch Jahre hat das Bodenamt ausgewiesen, daß langjährigen Pächtern 80.895 ha beschlagnahmten Grund und Bodens übereignet wurden. Diese Aktion ist schon seit nahezu 10 Jahren definitiv abgeschlossen. Zur größten Überraschung muß man jedoch lesen, daß die für langjährige Kleinpächter verwendete Fläche sich im Jahre 1929 um 4.987 ha vermehrt hat und heute 85.882 ha beträgt, trotzdem weder im Jahre 1929 noch im Jahre 1930 das Bodenamt oder irgendeine andere Stelle in dieser Sache das geringste geleistet hat. Derartige Beispiele ließen sich noch eine ganze Reihe anführen. Kann man unter diesen Umständen überhaupt den Versuch machen, die Ergebnisse der Bodenreform wirklich zu prüfen und zu werten? Wenn ich es tue, so bin ich mir der Mängel klar, die eine solche Untersuchung dank des unverläßlichen uns zur Verfügung stehenden Materials aufweisen muß. Bis zum 1. Jänner 1930 erhielten 573.017 Personen 620.418 ha landwirtschaftlichen Bodens, insgesamt 758.920 ha zugeteilt. Wir haben es hier mit dem Wesenskern der Bodenreform zu tun, der angeblich darin lag, von dem Großbetriebe Teile abzusplittern und angrenzende landwirtschaftliche Zwerg- und Kleinbetriebe zu selbstgenügsamen Unternehmen mittleren Umfanges auszugestalten. Das Ergebnis ist, daß auf den Bewerber nicht mehr als 1·08 ha im Durchschnitt entfällt. Die Bodenreform hat somit ihren Zweck nicht erreicht, ihrer Aufgabe, selbständige Mittelbetriebe zu schaffen, ist sie nicht nachgekommen, sie hat vielmehr das getan, was für die Organisation der landwirtschaftlichen Betriebe das allerschlechteste ist und was sozial zu vermeiden gewesen wäre, sie hat den unselbständigen Zwergbetrieb vermehrt, getragen von dem Gedanken, möglichst viele an dem großen Fischzug der Bodenreform teilhaben zu lassen, möglichst viele als Wähler für die das Bodenamt beherrschende èechische Agrarpartei zu gewinnen, ohne Rücksicht auf die sozialen und wirtschaftlichen Folgen dieses Handelns.


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