Ètvrtek 27. listopadu 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 87. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 27. listopadu 1930.

1. Øeè posl. Häuslera (viz str. 27 tìsnopisecké zprávy):

Werte Damen und Herren! In der Gruppe, die jetzt zur Beratung steht, befindet sich auch das Kapitel Ministerium für soziale Fürsorge. Wenn wir auch mit den für dieses Ministerium vorgesehenen Beträgen nicht zufrieden sein können, weil es noch eine Fülle von dringenden Aufgaben zu erledigen gibt, die für die Arbeiterschaft unbedingt notwendig sind, so können wir doch mit einer gewissen Genugtuung konstatieren, daß in diesem Ministerium im neuen Budget ein Betrag von rund 41 Mill. Kè eingesetzt ist. Die Erhöhung wird aber tatsächlich größer sein, weil Ersparungen in Betracht kommen, die in der Gruppe der Kriegsinvalidenfürsorge durch Ableben von Kriegsinvaliden, Wiederverheiratung von Kriegswitwen, Heranwachsen von Kriegswaisen sicherlich ganz bedeutend in Betracht kommen werden.

Ich will nur einige Ziffern herausgreifen, die immerhin zeigen, daß ein erfreulicher Fortschritt im Budget für soziale Fürsorge aufzuweisen ist. Eine Steigerung zeigt die Arbeitslosenfürsorge mit 51 Millionen Kè, die Bauförderung mit 19 Millionen, die Altersunterstützung mit 8 Millionen, die Invalidenversorgung mit 13 1/2 Millionen, die Jugendfürsorge mit 4 1/2 Millionen, die Sanierung der Krankenkassen mit 3 Millionen, zusammen ein Betrag von 99 Millionen Verbesserung gegenüber 1930.

Infolge der herrschenden Wirtschaftskrise und der bestehenden Arbeitslosigkeit bedeuten die bisher getroffenen Maßnahmen selbstverständlich keine Lösung, aber es zeigt sich, daß unsere Arbeit bei den bestehenden Machtverhältnissen nicht erfolglos war. Wir sehen, daß die Arbeitslosigkeit noch steigt und müssen über die Wintermonate mit dem Anhalten der Arbeitslosigkeit rechnen. Ist schon in normalen Zeiten den Winter über mit einem Ansteigen der Arbeitslosenziffer zu rechnen, so werden heuer die Ziffern der Arbeitslosigkeit im Winter noch gewaltig steigen. In normalen Zeiten fand eine gewisse Zahl von Saisonarbeitern auch über die Winte rmonate Beschäftigung, sei es im Bergbau, sei es als Hausweber oder in einzelnen Betrieben. Diese vorübergehende Beschäftigung wird in diesem Winter nicht möglich sein, die Aussichten werden immer geringer, auch für die Zukunft, da durch die Rationalisierungsmethoden eine ständig genügende Ersatzreserve von Arbeitern vorhanden sein wird. In den Zeiten der Krise, wie sie jetzt herrscht, ist aber ein Unterkommen der Saisonarbeiter, welche im Baugewerbe und in der Landwirtschaft beschäftigt waren, vollständig ausgeschlossen.

Wenn der Herr Minister für soz. Fürsorge in seinem Exposée im Budgetausschuß berichtete, daß Ende September 103.068 Arbeitslose gemeldet waren, daß aber nach den Erfahrungen mit einer Zahl von 300.000 und noch mehr Arbeitslosen und mit einer noch größeren Zahl von Kurzarbeitern gerechnet werden muß, so sind gewiß heute diese Ziffern bereits überschritten. Daß die Ausführungen des Ministers für soziale Fürsorge den Tatsachen entsprechen, beweisen die Ausweise der Zentralsozialversicherungsanstalt. Im August 1929 waren gemeldet Arbeitslose: 34.789. Sozialversichert waren im August 2,680.693. Das ergibt zusammen 2,715.482. Im August 1930 waren sozialversichert 2,541.838, sohin um 173.644 weniger. Aber im August 1930 waren bei den Arbeitsvermittlunsan stalten nur 88.005 Arbeitslose gemeldet. Wenn wir noch in Betracht ziehen, daß bei der Sozialversicherung jene nicht berücksichtigt werden, die im Bergbau beschäftigt sind, die Privat- oder öffentlichen Angestellten, die Eisenbahner etc., dann ist festzustellen, daß in den Ausführungen des Ministers für soziale Fürsorge der Stand der Arbeitslosen mit mindestens 300.000 und noch viel mehr Kurzarbeiter nicht zu hoch gegriffen ist. Aber selbst wenn die Krise überwunden wird, wird in Zukunft noch eine große Zahl von Arbeitslosen vorhanden sein. Wir werden damit dauernd rechnen müssen. Nach den statistischen Daten der letzten Jahre war der Durchschnittsstand der Arbeitslosen immer über 30.000. Dieser Zustand wird nicht besser werden und es muß für die Zukunft Vorsorge getroffen werden. Der Zustand ist bedingt durch die Rationalisierungsmaßnahmen, verbunden mit der Stillegung der Betriebe, deren Auswirkung wir besonders in West-Nord- und Ostböhmen bemerken können, aber auch in Nordmähren. Hunderte und Tausende von Menschen sind aus dem Produktionsprozeß ausgeschaltet und haben keine Aussicht, in absehbarer Zeit wieder dauernd beschäftigt zu werden. Die Arbeiter in den deutschen Gebieten werden natürlich noch weit schwerer getroffen als im èechischen Gebiet. Die Arbeiter in den deutschen Gebieten müssen mehr leiden, weil in der Zeit eines schlechten Geschäftsganges keine Möglichkeit gegeben ist, eine vorübergehende Beschäftigung zu finden, während diese in den èechischen Gebieten eher besteht, weil dort vorwiegend landwirtschaftliche Gebiete in Frage kommen. Dazu kommt, daß der größte Teil der Industrie, vor allem die Exportindustrie, das ist die Textilund Glasindustrie, sich in den deutschen Gebieten dieses Staates befindet. Die Lage wird auch dadurch erschwert, daß die Industrie in den deutschen Gebieten bei Vergebung von Staatsaufträgen fast gar keine Berücksichtigung findet. Wenn wir noch dazu rechnen, daß es Tausende vorzeitig Abgebaute gibt, welche mit einer äußerst niedrigen Pension nicht leben können und durch die Not gezwungen, entweder zu Lohndrückern werden oder unter jeder Bedingung Arbeit zu billigem Lohn annehmen, wodurch noch einer Reihe von Arbeitslosen die Existenz genommen wird, ist es begreiflich, daß die Krise in den deutschen Gebieten dieses Staates furchtbarer zum Ausdruck kommt, als in den übrigen Gebieten. Wiederholt wurde schon auf die traurige Lage der Arbeiterschaft in Rothau und im Trautenauer Gebiete verwiesen. In Nordmähren ist es nicht besser. Ich verwiese darauf, daß in Friedland an der Mohra im Jahre 1929 der einzige Fabriksbetrieb, eine Flachsspinnerei, dauernd stillgelegt wurde. In der Nähe sind außer einigen Brettsägen keine Betriebe vorhanden. Im politischen Bezirk Mähr. Schönberg wurden in Zöptau und Reutenhau die dortigen Eisenwerke vor cca. 4 Jahren dauernd stillgelegt, ferner in Wiesenberg im September 1929 die Flachsspinnerei, in Mähr. Schönberg die Seidenfabriken Slivet A. G. und Eisenberger, auch die Grafitwerke in M. Altstadt sind vorübergehend stillgelegt. In Halbseit liegt die Flachsspinnerei seit 1929 ebenfalls still. In diesen Bezirken ist die Leinen- und Seidenindustrie die ausschlaggebende Industrie, und derzeit gibt es nur einen Betrieb in der Textilindustrie, wo die volle Woche gearbeitet wird, doch hatte auch dieser im Sommer vorüber gehend mit verkürzter Arbeitszeit arbeiten müssen. In Sternberg liegt die Textilindustrie seit Jahren vollständig darnieder, die Lage ist noch viel trostloser dort und als einziger Betrieb kommt dort nur noch die Tabakfabrik in Betracht. Das ist nur ein kleines Bild, um darzulegen, wie die Lage der Arbeiterschaft im nordmährischen Gebiet beschaffen ist. Der letzte Ausweis des Arbeitsvermittlungsamtes für den politischen Bezirk Mähr. Schönberg wies 3.500 gemeldete Arbeitslose aus, eine Ziffer, die diesen Monat noch bedeutend steigen wird. In den letzten Tagen wurde gemeldet, daß zwei große Betriebe abwechselnd nur die Hälfte der Arbeiterschaft beschäftigen werden. Man stelle sich die Not und das Elend dieser Menschen vor. Im Theßtaler Gebiete, wo die Eisenwerke und Spinnereien seit Jahren eingestellt sind, ist es den Arbeitern nicht mehr möglich gewesen, eine dauernde Beschäftigung zu finden. Erschütternd wirkt es, wenn die Arbeitslosen, die keine Unterstützung mehr erhalten können, klagen und weinen und fragen: Was sollen wir machen, wird diese Notaushilfe noch weiter geführt, die uns wenigstens vor Hunger und Kälte notdürftig geschützt hat? Vor Hunger können wir nicht schlafen. Wir können nicht mehr schlafen und uns nicht mehr sattessen, es ist zum verzweifeln. In dieser Situation ist es eine dringliche Frage, ob wenigstens die Notaushilfe weiter geführt wird. Oder die Arbeitslosen fragen, wie ich es vor einigen Tagen erlebt habe, daß eine Frau zu mir kommt und sagt: "Ich möchte mein Häusel verkaufen, ich bin arbeitslos und bekomme keine Unterstützung mehr, der Mann ist arbeitslos und bekommt keine Unterstützung und auch der Sohn ist arbeitslos. Wir haben uns für die sauer ersparten paar Kreuzer das Häuschen gekauft, aber ich will nicht verhungern und lieber das Häuschen verkaufen, Aussicht auf Arbeitsmöglichkeit haben wir nicht mehr, denn es können nicht einmal mehr die jungen Menschen unterkommen." Angesichts dieser traurigen Situation muß unter allen Umständen helfend eingegriffen werden und jeder vernünftige Mensch wird erkennen, daß dringende Hilfe unbedingt notwendig ist. Wohl sind diese Anweisungen auf Lebensmittel nur eine kleine Hilfe, aber für jene Menschen, die vor dem Nichts stehen, bedeuten sie doch eine Hilfe, da sie sonst verhungern müßten. Wenn es eine Krise der Landwirtschaft gibt, wenn auf die ungeheuere Zahl der Ausgleiche und Konkurse verwiesen wird, dann müssen wir sagen, daß diese Menschen doch wenigstens noch zu essen haben und ihre Arbeitskraft erhalten ist, während der Arbeiter, der durch Wochen und Monate und Jahre arbeitslos ist, seine Existenz und damit alles verloren hat und nicht mehr imstande ist, sich zu ernähren und zu kleiden und obendrein noch seine Gesundheit verliert.

Unter diesen Verhältnissen steigen selbstverständlich auch die Anforderungen an die Krankenversicherungsanstalten, die durch die Krise und den Rückgang der Versichertenzahl infolge Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen steigenden Krankenmeldungen ungeheuer schwer betroffen werden. Durch Einführung der Kurzarbeit sinken die Lohnklassen und die Kurzarbeiterverträge sind bei den Bezirksversicherunganstalten schon zu einer dauernden Einrichtung geworden. Wenn daher das Budget eine Erhöhung für Arbeitslosenunterstützung und einen kleinen Beitrag für die Sanierung der Krankenversicherungsanstalten vorsieht, so drückt sich darin nur die Anerkennung der Notlage dieser Institute und der Arbeitslosen aus. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch darauf verweisen, daß es unbedingt notwendig ist, daß die berufenen Stellen sich auch mit der Frage der Arbeitslosenunterstützung der Grenzarbeiter befassen müssen. Die Lage der Grenzarbeiter ist trostlos. Ich hatte Gelegenheit, diese Dinge zu überprüfen. Die Arbeiter aus der Èechoslovakei, die in Deutschland arbeiten, müsen dort den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung bezahlen, aber sie erhalten nichts, wenn sie arbeitslos werden, weil sie in der Èechoslovakei, im Ausland, wohnen. Es handelt sich um Hunderte und Tausende und die zuständigen Stellen müssen sich mit der Regelung dieser Frage ehestens befassen, damit diese Arbeiterschaft nicht dauernd schwer geschädigt wird. Ich will noch darauf verweisen, daß der frühere Bürgerblock gerade in der sozialen Gesetzgebung vollständig versagt hat und mit die Schuld daran trägt, wenn heute in der Zeit der Krise erhöhte Anforderungen an den Staat gestellt werden müssen. Trotz guter Konjunktur wurde nichts vorgesorgt, obwohl bereits im Jahre 1926 in Prag auf einem Kongreß der drei größten Textilarbeiterverbände im Beisein von Vertretern der zuständigen Ministerien die Forderung nach Novellierung des Arbeitslosenunterstützungsgesetzes erhoben und energisch gefordert wurde. Schon damals wurde gefordert die Schaffung einer Arbeitslosenversicherung, zumindest aber vorläufig eine Verbesserung des Genter Systems. Die rechtzeitige Novellierung in der Zeit der guten Konjunktur hätte auch die Gewerkschaften in die Lage versetzt, sich größere Reserven anzusammeln. Es mutet eigentümlich an, wenn gestern ein Redner der deutschen Christlichsozialen Herr Abg. P. Fritscher hier die Forderung aufgestellt hat nach Hilfe für die deutsche Textilindustrie, nach Staatsaufträgen, ferner nach der Arbeitslosenversicherung, Darlehen an die Verbände, Schlichtungskommissionen, Abänderung des § 82 h) der Gewerbeordnung, nach Verbesserung der Überaltertenunterstützung, nach Bauförderung, nachdem sie seit drei Jahren das Zünglein an der Wage waren und auf die Regierung entscheidenden Einfluß gehabt hatten und ohne ihre Hilfe der Bürgerblock zerfallen wäre, und doch haben sie soviel wie nichts auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge geleistet. Sie haben neben der Verschlechterung der Sozialversicherung als einziges soziales Gesetz die Überaltertenversicherung geschaffen, aber die Tendenz des Gesetzes ist vollständig verfehlt. Jetzt aber verlangen sie, daß den alten Leuten geholfen werde, während nach dem Gesetz, das sie für die Überalterten geschaffen haben, nicht einmal ein Rechtsanspruch auf diese Unterstützung besteht. Die Grundtendenz des Gesetzes ist verfehlt, weil die Unterstützung gebunden ist nach der Art des Berufes, ob die Leute versicherungspflichtig gewesen wären oder nicht. Wenn schon zur Zuerkennung der Überaltertenunterstützung der Grundsatz der vollständigen Mittel- und Erwerbslosigkeit gegeben sein muß, sollte nicht mehr gefragt werden, ob die Leute nach der Art ihres Lebensberufes einer Versicherungspflicht unterworfen gewesen wären. Wenn für diesen Zweck im jetzigen Budget ein Betrag von 8 Millionen mehr eingestellt worden ist als im vorigen Jahre, so ist das immerhin eine kleine Verbesserung. Doch glauben wir, daß der Betrag nicht ausreichen wird, weil eine bedeutende Verbesserung der Überaltertenunterstützung unbedingt notwendig ist.

Ähnlich liegen die Dinge hinsichtlich des Bauförderungsgesetzes. Soweit es unter den gegebenen Machtverhältnissen möglich war, hat das Ministerium für soziale Fürsorge wenigstens einen bescheidenen Anfang gemacht und die Bauförderung, verbunden mit produktiver Arbeitslosenunterstützung, ins Rollen gebracht. Gewiß ist die Forderung berechtigt, genügende und gesunde Wohnungen zu schaffen. Es ist das ja unsere Forderung. Solange aber nicht genügende Wohnungen vorhanden sind, muß der Mieterschutz erhalten bleiben. Aber auch da konnten wir sehen, daß die deutschen Christlichsozialen in der böhmischen Landesvertretung für die Aufhebung des Mieterschutzes gestimmt haben. An unserer Stellung hinsichtlich des Schutzes der Mieter wird sich solange nichts ändern, solange nicht durch ein entsprechendes Bauförderungsgesetz der Abbau des Mieterschutzes ermöglicht werden kann. Daran ändert sich auch nichts, wenn selbst einzelne Abgeordnete oder Zeitungen, die den Koalitionsparteien angehören, in unerhörter persönlicher Weise gegen den Minister für soziale Fürsorge Stellung nahmen. Es könnte uns höchstens zwingen, daß wir ebenfalls mit derartigen Methoden antworten, an Material dazu wird es uns gewiß nicht fehlen.

Es ist zu begrüßen, daß das Ministerium für soziale Fürsorge nach besten Kräften bemüht ist, an einer Milderung und Beseitigung der Krise zu arbeiten. Eine Reihe von Anregungen, die der Minister in seinem Exposée im Budgetausschuß erwähnt hat, sind Forderungen, die wir immer aufgestellt haben, und bei deren Verwirklichung wir dem Ministerium unsere volle Unterstützung leihen werden. Zu einigen will ich ein paar Worte sagen.

Dringend notwendig ist der Ausbau der Gewerbeinspektion. Doch dürfte der eingestellte Mehrbetrag von rund 100.000 Kè viel zu niedrig sein und nicht ausreichen, einen Ausbau und eine Verbesserung der Gewerbeinspektorate durchzuführen. Ein Beispiel, wie notwendig es wäre, das Gewerbeinspektorat auszubauen und ihm Kräfte zur Verfügung zu stellen. Dem Mähr. Schönberger Gewerbeinspektorat steht nur eine Schreibkraft zur Verfügung. Das Gebiet umfaßt den politischen Bezirk Schönberg, Hohenstadt und das Freiwaldauer Gebiet. Wenn im Freiwaldauer Gebiet eine Firma um Überzeit ersucht und sich der Gewerbeinspektor überzeugen soll, ob die Notwendigkeit der Überstundenzeit vorliegt, was in jedem Falle unter den jetzigen Umständen notwendig wäre, dann ist der Gewerbeinspektor mindestens zwei Tage fort. Er hat aber auch noch andere Arbeiten zu verrichten, und es kommt vor, daß das Gewerbeinspektorat tagelang gesperrt ist, wenn der Schreiber krank oder auf Urlaub ist; ähnlich wie in Mähr. Schönberg dürften die Verhältnisse auch in anderen Gebieten sein. Gerade jetzt, in der Zeit der Wirtschaftskrise, wäre eine äußerst scharfe, gewissenhafte und regelmäßige Kontrolle notwendig, weil ein ungeheuerer Mißbrauch seitens der Unternehmungen mit den Überstunden getrieben wird. Man nützt die Notlage der Arbeiterschaft in der Zeit der Wirtschaftskrise aus, um sie zu nötigen, Überstunden zu machen, die nicht angemeldet werden, unter der Androhung, daß der Betrieb gesperrt oder daß man einfach zu Entlassungen greifen wird. Wiederholt kommt es vor, daß man selbst die im Gesetz vorgesehenen Vergütungen für die Überzeit der Arbeiterschaft einfach nicht gewährt und man nach dieser Richtung hin noch die Arbeiterschaft, die schon so unter den trostlosen Verhältnissen leidet, schädigt.

Über die Notwendigkeit der Abänderung des § 82 h) der Gewerbeordnung, der von der Entlassung der Arbeiter im Krankheitsfalle handelt, will ich nicht viel sagen, weil ich annehme, daß in kürzester Zeit eine Novellierung dieses Gesetzes durchgeführt werden wird. Dringend notwendig ist die Novellierung des Unfallversicherungsgesetzes, und das Bestreben des Fürsorgeministeriums ist zu begrüßen, auch die Berufskrankheiten als Unfall zu behandeln. Ich möchte auch bei dieser Gelegenheit den besonderen Wunsch und die Forderung ausdrücken, daß endlich auch für dieForstarbeiter dieUnfallversicherung durchgeführt werde, die bei ihren schweren und verantwortungsvollen Arbeiten, die mit ungeheueren Unfallsgefahren verbunden sind, bis heute noch nnmer vollständig schutzlos dastehen. Dies Unrecht zu beseitigen ist mir eine der ersten und dringendsten Aufgaben, die erledigt werden müssen. Hinsichtlich der Frage der Kriegsbeschädigtenrentner möchte ich auf die Notwendigkeit verweisen, die Verbesserungen für die Kriegsbeschädigten durchzuführen, weil sie bei uns noch bedeutend schlechter behandelt werden als in allen umliegenden Staaten. Es ist jedenfalls aber nicht angebracht, wenn das Organ des Bundes der Kriegsverletzten in seiner letzten Nummer auf der ersten Seite gegen das Fürsorgeministerium loszieht und wenn im Innern des Blattes die geleistete Arbeit des Ministers anerkannt wird. Eine solche Mischerei wird sicherlich nicht dazu beitragen, die Arbeitsund Kampffreudigkeit für die Kriegsverletzten zu heben.

Eine allmähliche Besserung könnte gewiß eintreten und für viele eine Arbeitsmöglichkeit bieten, wenn ernstlich an die Durchführung der Maßnahmen geschritten würde, die das Ministerium für soziale Fürsorge in Vorschlag gebracht hat u. zw. scharfe Stellung gegen den Mißbrauch der Überzeitarbeit, Verkürzung der Arbeitszeit und Verlängerung der Schulzeit, wodurch sicherlich tausende Arbeiter mehr Beschäftigung finden könnten. Eine Abkürzung der Arbeitszeit resp. der Arbeitswoche wird nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn dadurch keine Lohnkürzung eintritt und die Arbeiterschaft kaufkräftig erhalten wird. Ferner ist dringend notwendig die Novellierung des Sozialversicherungsgesetzes, welches neben der Verschlechterung der Autonomie durch den Bürgerblock auch für die Arbeiter finanziell verschlechtert wurde. Die Verschlechterung drückt sich vor allem darin aus, daß der sechste Teil des Lohnes für die Einreihung in die Lohnklassen in Betracht kommt, wenn in der Regel weniger als 6 Tage in der Woche gearbeitet wird. Dadurch werden die Kurzarbeiter - und deren gibt es Zehntausende - nicht nur schwer im Falle der Krankheit benachteiligt, weil sie ein niedrigeres Krankengeld bekommen, sondern auch besonders schwer bei der Rentenbemessung im Falle der Invalidität oder des Alters geschädigt, weil die Steigerung der Beträge sehr gering sein wird. Es wird ferner notwendig sein, die Renten zu erhöhen und die Altersgrenze herabzusetzen, denn über 50 Jahre alte Leute haben ohnedies kaum mehr Aussichten, eine neue Stellung zu erhalten, weil jüngere Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Sie können aber nur dann ausgeschaltet werden, wenn ihr Lebensunterhalt halbwegs gesichert ist. Dadurch würde eine Entlastung auf dem Arbeitsmarkt herbeigeführt. Diese Maßnahme erweist sich aber auch als notwendig, weil bei der heutigen Arbeitsweise der Verbrauch des arbeitenden Menschen ein viel größerer ist als früher.

Wichtig ist die Lösung der Frage der Arbeitsvermittlung. Denn gerade in der Zeit der Krise ist es notwendig, eine durchgreifende Regelung der Arbeitsvermittlungsanstalten herbeizuführen, weil ja nicht derjenige zuerst eine Arbeit erhält, der am längsten arbeitslos ist, sondern derjenige, der die meiste Protektion hat oder sich hintenherum einen Arbeitsplatz erkaufen kann.

Wenn den Forderungen der Gewerkschaften Rechnung getragen und im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen den Gewerkschaften eine entscheidende Mitwirkung bei Einschränkung der Arbeitszeit oder bei Stillegung von Betrieben eingeräumt wird, dann dürfte es möglich sein, eine Besserung auf dem Arbeitsmarkt herbeizuführen und die ärgsten Auswüchse und die oft ungerechtfertigt herbeigeführten Drosselungen der Arbeitszeit zu beseitigen.

Wir wissen wohl, daß eine Lösung des ganzen Problems nur in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung bei einer Plan- und Bedarfswirtschaft möglich ist. Wenn wir heute an der Regierung teilnehmen und für dieses Budget stimmen, so deswegen, weil wir es für zweckmäßig halten, bei den gegebenen Machtverhältnissen auch innerhalb der Regierung im Interesse der arbeitenden Menschheit zu wirken. Daß dieses Wirken nicht vergeblich ist, sehen wir gerade beim Kapitel der sol zialen Fürsorge. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Hodiny (viz str. 31 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! In der Zeit der schwersten Not gehen wir daran, den Staatshaushalt für das Jahr 1931 zu bereinigen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Zierhut.)

Insbesonders ist es die Landwirtschaft, die in dieser Not die schwersten Zeiten denn je durchzumachen hat. Die Krise in der Landwirtschaft, die bereits über ein Jahr in äußerster Heftigkeit währt und die Ertragsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe unterbunden hat, hat inzwischen auf Gewerbe, Industrie und alle übrigen Kreise unseres Wirtschaftslebens übergegriffen. Es war nichts anderes zu erwarten. Alle von uns im Laufe der Jahre vorgebrachten Warnungen waren in den Wind gesprochen. Förmlich mutwillig wurde aus diesem Staat ein reiner Industriestaat geschaffen. Schon mit der Erbschaft von Österreich her wurden auf den meisten industriellen Gebieten 70, ja sogar 90% der Industrie von ganz Österreich-Ungarn übernommen. Nicht genug daran, ließ man sich in den Industriekonjunkturjahren der Nachkriegszeit verleiten, die ohnehin schon übergroße Industrie, deren Innenmarkt durch die Ziehung der neuen Staatsgrenze von annähernd 52 Millionen Menschen auf 13 1/2 Millionen Menschen gesunken war, immer mehr und mehr auszubauen, geleitet von dem einzigen Gedanken, die Ausfuhr der industriellen Produkte allein sei im Stande die Kriegsschäden zu heilen und die Volkswirtschaft dieses Staates raschest emporblühen zu lassen. Diesen Erwägungen war wohl ein mächtiger Aufschwung der Industrie zu danken. Doch nur zu bald sollten sich die Folgen dieser falschen Rechnung zeigen. Die gesteigerte Ausfuhr zog infolge der Selbsterhaltungsbestrebungen der Aufnahmsstaaten eine gesteigerte Einfuhr nach sich, die, da wir zumeist in Agrarländer ausführten, beinahe ausschließlich in der Einfuhr von Agrarprodukten bestand. Die heimische Landwirtschaft hat in der Nachkriegszeit aus Selbsterhaltungstrieb die Eigenproduktion außerordentlich gesteigert. Die natürliche Folge der gesteigerten Produktion und der gesteigerten Einfuhr von Agrarprodukten war ein Überangebot, das unaufhaltsam den Preis erfall unserer Produkte nach sich zog.

Die auf falsche Voraussetzungen aufgebaute Industrieförderung zog den Verfall der Landwirtschaft nach sich und statt beizeiten Einhalt zu gebieten, entschloß man sich auf èechischer Seite, ein paar Jahre auf Kosten der Landwirtschaft zu regieren, was umso leichter begreiflich erschien, als die zumeist in besseren Gebieten liegende èechische Landwirtschaft infolge der höheren Erträge widerstandsfähiger und infolge der ganz anders eingestellten Steuerbehandlung einem derartigen, doch nur auf Kosten der deutschen unter nommenen Versuch gewachsen erschien.

Bald, zu bald kam der Katzenjammer. Und als endlich der èechische Landwirt den deutschen zur Mitarbeit aufrief, hatten sich die Gegner der Landwirtschaft bereits so eingespielt, daß die warnenden Stimmen der Landwirtschaft im Jahre 1926 unbeachtet blieben und der genügende Schutz der Landwirtschaft verweigert wurde. Die Folgen erleben wir jetzt und diese werden durch immer wieder neuaufgestellte falsche Voraussetzungen täglich noch gesteigert.

Der Landwirt braucht keinen Schutz! Mit Mühe gelingt es, nur kleine, ungenügende Hilfsmaßnahmen durchzusetzen, während heute noch die Industriehochschutzzölle als alleiniseligmachendes Mittel zur Rettung der Industrie betrachtet werden. Je später an den Ausgleich der Schutzmaßnahmen für industrielle, und landwirtschaftliche Produktion geschritten wird, desto größer wird die Gei fahr des vollständigen Zusammenbruches der Volkswirtschaft in diesem Staat - und die Folgen? Ich glaube darüber haben uns die Verhältnisse in Rußland genügend belehrt.

Eine so unverantwortliche Versündigung an den ehernen Grundsätzen der Volkswirtschaft dieses Staates wird mit dem Verderben der Landwirtschaft auch den Zusammenbruch jeder anderen Erwerbsmöglichkeit nach sich ziehen. Die vollständige Verelendung steht vor der Tür und bereitet den Boden für den von den russischen Gewaltaposteln gestreuten Samen.

Alle anderen Nachbarstaaten gehen daran, ihre Landwirtschaft aufnahmefähiger zu gestalten - nur bei uns, in der Èechoslovakei gilt weiter die Losung:

"Die Landwirtschaft kennen wir nur dann, wenn wir bei den Wahlen ihre Stimmen brauchen. Da entdecken wir alle, daß wir die Landwirtschaft verstehen und für sie auch was übrig haben. Nach den Wahlen - da überlassen wir die Sorge darum den paar Bodentreuen, die in der Landwirtschaft und deren Sicherung mehr sehen wollen als wir, die sich sogar vermessen, in der gesicherten Landwirtschaft das Wohl und die Sicherheit des Volkes und das Wohl und die Sicherheit eines jeden Staates ersehen zu wollen."

Schafft diesen Ausgleich, ehe es zu spät ist! Die geregelte Volkswirtschaft dieses Staates erfordert auch dringendst die Regelung der Verhältnisse der Völker in diesem Staat. Ein zweitesmal rufe ich aus: Schafft diesen Ausgleich, ehe es zu spät ist!

Auch bei dieser Arbeit geht man auf èechischer Seite von falschen Voraussetzungen aus.

Scheinbar wollen auf èechischer Seite gewisse staatserhaltende Parteien auch in diesem Staate die staatsbürgerliche Erziehung der Minderheiten nach polnischem Muster einrichten. Nur wird statt des polnischen Knüppels, wie er gerade jetzt zur Wahlzeit in diesem Kulturstaat zur Verwendung kam, hier ein anderes Erziehungsmittel in Anwendung gebracht.

In Polen, die bracchiale Gewalt der Prügel und der Pistole - hier bei uns, sicherlich als das bisher erfolgreichste und verschiedentlich gern benützte Erziehungsmittel des Versprechens, der Unwahrheit und oft auch der Lüge. Und gar oft setzt sich die Lüge durch. Die verantwortlichen Staatsmänner finden oft die Schönsten Worte für die Anfreundung der Völker und den Friedenswillen in diesem Staat. Schon der erste Versuch, diese Worte in die Tat umzusetzen, scheitert kläglichst, da diese Staatsmänner in ihren Ministerien entweder mit ihrem Willen, oder - was ich in einzelnen Fällen annehmen will - gegen ihren Willen vielfach von einer Garde schärfster Chauvinisten umgeben sind, die von den unsichtbaren, noch immer geduldeten Nebenregierungen gewonnen sind, jede Regung ihrer Vorgesetzten zum Besseren im Keime zu ersticken.


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