Pondìlí 24. listopadu 1930

Das gleiche ist bei dem unter dem Einflusse des Finanzministers stehenden Zucker und Spirituspreisen der Fall. Der inländische Konsum zahlt heute für den Zucker 6 Kè 10 h per Kilo, im Auslande bekommt man für diesen Betrag 7 Kilo Zucker. Ähnlich verhält es sich mit den Spirituspreisen. Obwohl Melasse, namentlich aber Kartoffeln außerordentlich im Preise gesunken sind, sind die Spirituspreise die gleichen geblieben. Eine Verbilligung des Bieres hat der Herr Finanzm inister dadurch hintan gehalten, daß er sich vor einigen Tagen erst die erhöhten Biersteuern bewilligen ließ. Für den Kleinhandel kommt aber dann noch die Frage, daß außer den Monopolartikeln die meisten Waren Markenartikel oder Waren sind, deren Preise durch die Kartelle festgesetzt sind. Gegen die Kartelle scheint man aber nicht die nötige Schneid aufzubringen, wie man sie gegenüber dem Kleinhandel beobachten kann.

Wir leiden zweifellos an dem Problem der hohen Konsumpreise, aber man sollte dieses Problem zuerst am Kernpunkte, an der ungeheueren staatlichen Belastung und bei der Umständlichkeit und der Verschwendung der staatlichen Verwaltung, in deren Vordergrund die Militärverwaltung und die Auslandsvertretung steht, angehen. Der Herr Finanzminister hat aber auch nicht die Initiative ergriffen, innerhalb der Staatswirtschaft die Verbilligung durchzusetzen. Der Staat, die Bahnen, die Post, die Bergwerke, die Tabakregie sind ein so ungeheuerer Konsument, daß es eine Leichtigkeit wäre, die Kartellpreise zu durchbrechen. Statt hier eine Bresche für die Verbilligung der Konsumartikel zu schlagen, macht man das Gegenteil und erhöht trotz der enormen Steuerlast noch die Post- und die Bahngebühren.

Die Belastung an vom Staate eingehobenen Steuern betrug 1913 in Böhmen, Mähren und Schlesien 68 K, 1929 betrug sie in diesen Ländern nach dem Rechnungsabschluß 899 Kè 70 h, 1931 beträgt sie nach dem Staatsvoranschlag 831 Kè und wird bei Berücksichtigung der nicht präliminierten Ausgaben und Überschreitungen auf über 900 Kè steigen, das ist auch auf Goldbasis eine über 200%ige Steigerung, die bei den direkten Steuern hauptsächlich auf der Preisspannung zwischen Erzeuger und Konsument ruht und den Rückgang der Konsumentenpreise hemmt.

Der Ansatz von je 100 Millionen für die Erwerbssteuern im Voranschlag weist auf die vom Finanzminister beabsichtigte Erhöhung dieser Steuern hin. Trotz alle dem wird es selbst bei den schärfsten Maßnahmen der Eintreibung nicht möglich sein, bei der allgemeinen Erwerbssteuer diese Einnahmen zu erreichen, da sie 1929 bei 73 Millionen Vorschreibung nur 48 Millionen Ertrag einbrachte. Schon diese Wahrscheinlichkeit beweist, daß Budgetüberschreitungen wie in den früheren Jahren geradezu unvermeidlich sind. Dadurch wird aber die Budgetmoral der Ministerien nicht gehoben, sondern verleitet dazu, Überschreitungen, wie dies besonders bei dem Nationalverteidigungsministerium in der ärgsten Form eingerissen ist, zu machen.

Unter diesen Umständen muß der Handelsund Gewerbestand unter der Last der Steuern und Abgaben zusammenbrechen und es wird zweifellos damit einer der besten Stände des Volkes vernichtet und damit aber auch die beste Stütze des Staates abgetragen.

Am Auffälligsten zeigt sich dies bei der Dotierung des Handelsministeriums, das in dem Staatsvoranschlag wieder mit der lächerlichen Summe von nur 48·6 Millionen Kronen dotiert ist, obwohl gerade dieses Ministerium jene Stelle ist, welche die wichtigsten Pfeiler der Volkswirtschaft, das ist Gewerbe, Handel und Industrie zu betreuen hat. Für Manöverzwecke verschwendet man allein das nette Sümmchen von 50 Millionen.

Es ist zwecklos, auf die einzelnen Kapitel des Voranschlages einzugehen, weil ja auch diesmal wieder an eine Änderung der Ziffern, selbst wenn sie im Rahmen des Gesamtbudgets möglich wären, nicht zu denken ist.

Der Staatsvoranschlag wird durch die Bürokratie nach den Wünschen und Bedürfnissen einiger weniger Parteidiktatoren im Geiste des Nationalstaatsgedankens zusammen gestellt, ohne dabei auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gesamtbevölkerung des Staates Rücksicht zu nehmen. Daß hiebei weniger den Erfordernissen der Wirtschaft oder den kulturellen und sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung entsprochen, sondern nurmehr dem Prestigedünkel Rechnung getragen wird, wissen wir alle zur Genüge.

Ganz abgesehen von den versteckten Summen, die in den einzelnen Posten des Budgets enthalten sind, welche für Entnationalisierungszwecke zur Verwendung kommen, sind ja auch ganz offen derartige Beträge ausgewiesen. Ich verweise hiebei nur auf den Betrag von 25 Millionen Kronen jährlich, welche für die überflüssigen èechischen Minderheitsschulen in den deutschen Gebieten Verwendung finden und lediglich den Zweck haben, die Entnationalisierung zu fördern.

Unter dem Kapitel Ministerium für öffentliche Arbeiten finden wir, daß für den Ausbau der Prager Hochschulen 60 Millionen jährlich vorgesehen sind, und daß der Bau einer staatlichen Gesundheitsanstalt, ferner ein umfangreicher Plan für Regierungsbauten in Prag, weiters das Wohnbauprogramm der Sozialversicherung in Prag beabsichtigt sind. Weiters plant man die Errichtung eines Wasserwirtschaftsfondes, eines Meliorationsfondes, eine staatliche Elektrifizierungsaktion, eine beschleunigte Durchführung des Straßenbauprogrammes, sowie Ausgestaltung und Vermehrung von Fluglinien. So umfangreich dieses Programm ist, so wenig wird es den deutschen Gebieten bringen.

Lediglich aus der Durchführung des Meliorationsprogrammes, in dessen Gebiet auch Wasserleitungen und Wildbachverbauungen fallen, und bei der Durchführung der Elektrifizierung können die deutschen Gebiete etwas verlangen. Im Straßenbauprogramme entfällt der Großteil auf die Umgebung Prags, Brünns und die Slovakei. In den deutschen Gebieten sind Straßenneubauten in größerem Umfange überhaupt nicht vorgesehen und die Rekonstruktionen schreiten nur langsam vorwärts. Bei den Schul- und anderen Regierungsneubauten in Prag können die Deutschen kaum etwas erhoffen, bei dem Bau der èechischen Minderheitsschulen bestimmt gar nichts. Der Wasserwirtschaftsfond wird über insgesamt 5 Milliarden Kronen verfügen, davon sollen 2220 Millionen in der ersten 15 jährigen Budgetperiode investiert werden. In dieses Programm fallen zwar die Schiffbarmachung der Beraun und der Sazava mit einem riesigen Kostenaufwand, mehrere Talsperren im èechischen Gebiete, die Schiffbarmachung der Moldau von Prag bis Budweis, aber die Elbestrecke von Aussig bis zur Staatsgrenze wird nur mit 90 Millionen Kronen bedacht und diese Investitionen werden erst in die Jahre 1937 bis 1951 fallen. Die Schiffbarmachung der Eger, die viel weniger schwierig ist, und von wirtschaftlich größter Bedeutung wäre, wurde zuerst vollkommen ignoriert. Sie soll nun auf neuerlichem Antrage hin in das Programm aufgenommen werden, aber leider erst in das Programm der letzten Etappe, so daß sie für die nächste Zeit der Wirtschaft nichts bringt. Die Schaffung einer schiffbaren Verbindung Elbe-Oder-Donau ist in dem Programme überhaupt nicht vorgesehen, sondern deren Möglichkeit soll aus Privatmitteln ohne Beihilfe des Staates in die Wege zu leiten sein. Eine solche Verbindung würde der Gesamtwirtschaft sicher ungleich höhere Vorteile bieten, als die hohen Investitionen an der Mittelelbe, an der Beraun und Sazava. Das vorgelegte Investitionsprogramm ist daher eine ganz einseitige Bevorzugung, fast eine Alleinbedenkung der èechischen Gebiete. Eine Rettung der Gesamtwirtschaft kann es nicht bringen, sondern läuft auf einen nationalen Umbau der Wirtschaft hinaus.

Das Ministerium für öffentliche Arbeiten war es auch, das heuer im Frühjahre den berüchtigten Kauf des Hauses "Buen Retiro" in Marienbad um 7 1/4 Millionen Kronen durchgeführt hat. Dieses total verluderte Hotel "Buen Retiro" in Marienbad, welches mit diesem horrenten Betrage angekauft wurde, wird noch einen weiteren Aufwand von einigen Millionen Kronen erfordern, um es nur halbwegs in Verwendung nehmen zu können. Der Zweck dieses Ankaufes erfolgte lediglich, um für den Agitator des Herrn Abg. Lukavský eine Versorgung zu schaffen. Es ist ja kein Geheimnis, daß der Herr Arbeitsminister Dostálek durch Intervention von dieser Seite gezwungen wurde, dieses Hotel in sein Ressort zu übernehmen und es den staatlichen Bergund Hüttenwerken zuzuteilen. Das Verwerflichste bei der Erwerbung dieses Hauses "Buen Retiro" ist aber, daß man dasselbe ohne Ausschreibung dem bisherigen Mitbesitzer Ing. Meèíø um die Summe von 70.000 Kè jährlich verpachtete. Ganz abgesehen davon, daß die Verzinsung dieses Objektes in dem Staatsvoranschlag gar nicht ausgewiesen ist, bedeutet es doch zweifellos eine Verschleuderung von Steuergeldern zu Gunsten eines einzelnen Protektionskindes. Ich will von der moralischen Seite dieses Vorgehens gar nicht sprechen, ich will auch nichts darüber sagen, welchen Eindruck diese Versorgung eines sattsam bekannten Chauvinisten aus Staatsmitteln in der bodenständigen Bevölkerung Marienbads hervorgerufen hat, sondern ich möchte nur darauf verweisen, wie unkaufmännisch der Staat vorgeht, da er bei der Erwerbung dieses Objektes nicht einmal mit einer 1% Verzinsung rechnen kann. Auf der einen Seite fehlen dem Ministerium die entsprechenden Mittel, Genesungs- und Erholungsheime für die Arbeiter in den staatlichen Betrieben zu schaffen, und auf der anderen Seite wirft man in der leichtfertigsten Art und Weise Millionenbeträge in den Rachen einzelner Parteiphantasten. Die Züchtung solcher Parasiten untergräbt nicht nur das Ansehen des Staates, sondern erzieht Elemente zu Handlungen, die mit Recht und Ehrlichkeit schon gar nichts zu tun haben.

Diese Zustände bilden natürlich den besten Boden für alle möglichen Korruptions- und Skandalaffairen, an denen wir wahrhaftig nicht arm sind. Auf diese Umstände sind auch die bei der Marienbader Post vorgekommenen Briefspolierungen zurückzuführen. Diese Marienbader Postaffaire hat nicht umsonst in der ganzen Öffentlichkeit so viel Staub aufgewirbelt. Was an der Sache das meiste Befremden erwecken mußte, war die sonderbare Haltung der Postverwaltung. In dem ersten amtlichen Berichte über die Beraubung von Briefsendungen wurde konstatiert, daß sich der Postamtsvorstand in Marienbad hat nichts zu schulden kommen lassen, was seinem Weiterverbleib auf dem Vorstandposten hinderlich wäre. Inzwischen pfiffen es aber schon die Spatzen auf den Dächern, daß auf der Marienbader Post etwas nicht in Ordnung war. Tatsächlich kamen schon mehrere Jahre hindurch Fälle von Briefberaubungen vor und zwar meistens zum Schaden der in Marienbad während der Saison zur Kur weilenden Ausländer. Die Geschädigten aus aller Herren Ländern erstatteten manchmal überhaupt keine Anzeige, erzählten aber dann von der Verläßlichkeit der èechoslovakischen Post. Daß dabei nicht nur der Ruf des Staates, sondern leider auch der des Kurortes nicht gut weggekommen ist, liegt auf der Hand. Durch die Briefberaubungen kamen selbst die Hotelangestellten in Verdacht, was wieder zu verschiedenen peinlichen Zwischenfällen führte. So konnte zum Beispiel der Portier eines der besten Hotels in Marienbad nachweisen, daß er einen des Wertinhaltes beraubten Brief an eine reiche Ausländerin, welche in dem Hotel wohnte, sofort nach der Übernahme vom Briefträger der Adressatin zugestellt hatte und daß er daher an der Beraubung dieses Briefes unschuldig war.

Es wurden nicht immer reiche Leute geschädigt. Selbst Minderbemittelte, welche durch Versendung von kleineren Geldbeträgen in den Briefen die höheren Postgebühren für eine Postanweisung oder einen Geldbrief ersparen wollten, mußten ihr Vertrauen zu der Post durch Verlust der Sendung büßen. Ein Dienstmädchen kam auf diese Weise um ihr bitter erspartes Geld. Die Briefberaubungen wurden auch im Auslande, speziell in Deutschland, untersucht und alles deutete darauf hin, daß sich der Täter auf dem èechoslovakischen Gebiete befinden müsse. Unsere Postverwaltung, welche eine ganze Menge von Juristen für den administrativen und Konzeptsdienst unterhält, war nicht im Stande, dem Täter auf die Spur zu kommen und die Übelstände zu beseitigen. Es kamen wohl öfters hohe Inspektionsbeamte dienstlich nach Marienbad, rechneten sich dafür ihre Diäten auf und fanden jedesmal das Hauptpostamt in Marienbad in bester Ordnung. Und nun kam heuer die Anzeige von mehreren Aufsichtsbeamten der Marienbader Hauptpost an die Postdirektion in Prag. Diese pflichtbewußten, größtenteils von anderen Postämtern exponierten Beamten, ersuchten in ihrer Anzeige vom 29. Juli d. J. die vorgesetzte Behörde um Untersuchung der Briefberaubungen ohne Wissen des Postamtsvorstandes. Die Postdirektion entsandte nach Marienbad am 6. August l. J. den Postobersekretär. Schneider von der Sicherheitskontrolle. Derselbe nahm die schriftliche Anzeige mehrerer Postbeamten entgegen, ohne bei der Hauptpost selbst zu erscheinen, und kehrte am selben Tage nach Prag zurück. Und jetzt kam das Beste. Der schwer beschuldigte Postamtsvorstand mußte sich über telephonischen Auftrag aus Prag am 8. August d. J. im Präsidium der Prager Postdirektion melden. Am 9. August 1930 trat derselbe seinen normalen Urlaub an und übergab die Leitung des Postamtes dem ältesten Aufsichtsbeamten.

Am 11. und 12. August l. J. weilte in Marienbad der Postrat Dr. Nájemník und untersuchte den Gegenstand der Anzeige, nachdem er mehrere Postbeamten protokollarisch einvernommen hatte. Wie die Untersuchung ausfiel, zeigt der erste amtliche Bericht, vorausgesetzt, daß keine absichtliche Täuschung vorlag. Die Prager Postdirektion hat den Beschuldigten zuerst von dem Inhalte der Anzeige in Kenntnis gesetzt, so daß er sich darnach verhalten konnte, und erst dann setzte die Untersuchung durch Dr. Nájemník ein. Die Untersuchung führte Dr. Nájemník allein, obwohl bei weniger wichtigen Fällen, wie z. B. bei dem Postamte in Nusle, zwei Untersuchungsbeamte eingesetzt wurden. Nicht genug daran, daß man es versucht hat, die Marienbader Postaffäre durch eine billige Erklärung zu vertuschen, wurde der Beschuldigte noch amtlich ermächtigt, gegen diejenigen Zeitungen und Personen, die ihn angezeigt hatten, gerichtlich vorzugehen. Das war der Gipfel der Anmaßung einer Behörde gegenüber der Presse, eine Herausforderung der gesamten Öffentlichkeit und ein unerhörter Einschüchterungsversuch gegen jene Postbeamten, die in Erfüllung ihrer Dienstespflich ten die vorgesetzte Behörde auf die Spur des ruchlosen Täters bringen wollten. Solche Methoden der Postverwaltung haben aus der Marienbader Postaffäre einen öffentlichen Skandal gemacht. Die unfähige, durchseuchte Bürokratie zeigte einmal ihr wahres Wesen. Es ist dringend notwendig, unter solchen Elementen gründlich aufzuräumen. In der Marienbader Postaffäre mußte erst der oberste Inspektionsbeamte, Zentralinspektor Dr. Lechner vom Postministerium, in die administrative Untersuchung eingreifen und es gelang ihm tatsächlich, den Vorfall derart zu klären, daß die Postverwaltung zu der Überzeugung kam, daß der Vorstand der Marienbader Hauptpost entgegen dem ersten amtlichen Berichte auf seinem Dienstposten nicht verbleiben kann.

Dies kam bereits in dem zweiten amtlichen Berichte zum Ausdrucke und wurde auch durch die am 27. Oktober l. J. erfolgte Neuausschreibung der Vorstandsstelle bei den Postämtern Marienbad I und II bestätigt. Mit diesem Falle befaßt sich gegenwärtig das Gericht und deswegen kann man dem Ergebnisse der gerichtlichen Untersuchung nicht vorgreifen. Auf die Anklagebank gehört aber nicht nur der Täter, sondern auch das ganze bürokratische System bei der Post, dessen Beseitigung im Interesse des Wirtschaftslebens liegt. Wie aber im Gegensatze zu diesem Falle die Redlichkeit belohnt wird, und wie und welcher Verlaß auf ein Staatsamt ist, beweist ein anderer Fall: In Marienbad hat am 15. September 1927 die Frau eines städt. Parkwächters, namens Theresia Tögel, in der Kolonnade einen Brilliantring gefunden und ihn auf dem staatlichen Polizeiamt gegen eine Bestätigung des dortigen Fundamtes abgegeben. Von einem Juwelier wurde der Wert des Ringes auf 5000 Kè geschätzt. Als sich die Finderin nach Ablauf eines Jahres nach dem Schicksal erkundigte, wurde ihr der Bescheid zuteil, daß ein Verlustträger sich nicht gemeldet habe, doch der Ring abhanden gekommen sei. Theresia Tögl klagte daraufhin beim Zivilkreisgericht in Prag den Èechoslovakischen Staat auf Herausgabe des Ringes bezw. auf Bezahlung des Betrages von 5000 Kè als dessen Schätzwert. Die Klage und die Berufung wurde mit der Begründung abgewiesen, daß kein Gesetz existiere, das den Staat zur Übernahme der Haftung für bei der Behörde abhanden gekommene Fundgegenstände verpflichte. Die Prozeßkosten, die zu Lasten der Minderbemittelten Klägerin fielen, wurden vom Staate rücksichtslos im Wege der Mobilarexekution angesprochen. Da das Bürgerliche Gesetzbuch einen Fundgegenstand, dessen Verlustträger sich nicht meldet, nach drei Jahren dem Finder zuspricht, so wartete die Frau Theresia Tögl den Ablauf von drei Jahren, gerechnet vom Tage nach der Abgabe im Fundamente, ab, um dann im Sinne des gefällten Urteiles den Ring als ihr Eigentum von den für die Aufbewahrung desselben verantwortlichen Fundamtsbeamten selbst fordern zu können. Der dreijährige Termin war am 16. September l. J. abgelaufen. Man kann nun gespannt sein, welche Schritte diese Staatsbehörde unternehmen wird, um diese Sache aus der Welt zu schaffen. Aus diesem Falle geht die Unsicherheit des Schutzes für Privateigentum durch die Staatsbehörden einwandfrei hervor. Man kann allerdings bei gewisser Protektion auch von diesen Stellen oft sehr wertvolle Dienstleistungen bekommen, wenn man die entsprechenden Mittel nicht scheut. So war z. B. während der heurigen Kursaison in Marienbad ein Beamter der Kriminalabteilung der Staatspolizei zugleich Kontrollor der in Marienbad in allen Kaffeehäusern und Gastwirtschaften aufgestellten Spielautomaten. Diese Geldspielautomaten, welche sich der Protektion eines ausländischen Konsuls in Prag erfreuen, wecken hauptsächlich die Spielleidenschaft der ärmsten Schichten.

Lehrlinge, das Hotelpersonal bilden die ständigen Kunden dieser Automaten. Schon vom sozialen Standpunkte aus sollte ein generelles Verbot gegen diese Geldspielautomaten erlassen werden, weil dieselben unbedingt, insbesondere bei Jugendlichen, die Spielwut wecken. So hat ein Bäckerlehrling die ganze Summe einer bezahlten Lieferung in der Absicht, durch diese Geldspielautomaten auch für sich etwas zu gewinnen, verspielt und nachher aus Furcht vor der Bestrafung tagelang in den Wäldern sich herumgetrieben. Als dann die Presse diesen Fall aufgriff, kam es auch zu Tage, daß, wie schon erwähnt, ein Staatspolizist die Beaufsichtigung dieser Automaten mit inne hatte. Als dann dieser Mann durch seinen Vorgesetzten von dem Kriminaldienst suspendiert und zum Straßendienst kommandiert wurde, verweigerte derselbe diese Dienstleistung hauptsächlich auch darum, weil er angeblich während des Dienstes als Kriminalbea ter die Uniform verkauft hatte. Ob dieser Mann auf Grund dieser Qualifikation in eine höhere Staatsstellung vorgerückt ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

Diese Fälle, deren ich noch eine ganze Reihe anführen könnte, sollen lediglich die zuständigen Stellen veranlassen, daß in allen Ämtern bei der Anstellung von Kräften nur nach den sachlichen Momenten vorgegangen werde und nicht, wie bisher, nach der Volkszugehörigkeit bezw. nach der Parteilegitimation. Für die Steuerträger aber sind diese Erscheinungen charakteristisch und beweisen ganz eindeutig, daß in der Èechoslovakei die Politik nicht durch die Wirtschaft diktiert ist, sondern bestimmt wird, mach dem herrschenden System.

Es müßte doch endlich erkannt werden, daß auch Staaten zu Grunde gehen können, wenn sie den Gesetzen der Wirtschaft dauernd zuwiderhandeln.

Der vorgelegte Staatsvoranschlag läßt aber noch nicht erkennen, daß man an eine Änderung denkt. Es wäre geradezu verlockend, für dieses System auch die heutigen deutschen Regierungsparteien mit verantwortlich zu machen, weil sie ja diesem Budget und dem darin verankerten System ihre Zustimmung nicht versagen dürfen. Es haben die heutigen deutschen Regierungsparteien, als sie noch in der Opposition waren, durch ihre Redner die schwersten Bedenken gegen die jeweiligen Staatsvoranschläge vorbringen lassen. So hat Koll. Dr. Rosche die schwerstwiegenden Bedenken im wahrstem Sinne des Wortes vorgebracht, er hat in der ausführlichsten Weise gegen die Budgetierung angekämpft und heute müssen wir erleben, daß die Partei, der Koll. Dr. Rosche angehört, an den einzelnen Budgetposten, die die gleichen wie jene der früheren Regierungen sind, gar nichts zu ändern im Stande war und für diese Posten stimmen muß. Dasselbe taten auch die Redner der deutschen sozialdemokratischen Partei. So hat Koll. Hackenberg zu dem Staatsvoranschlag des Jahres 1929 auf meine Ausführungen zu dem gleichen Budget in sehr ausführlicher Weise gesprochen und hiebei bemängelt, daß wir nicht im Stande waren, auch nur ein Jota der früheren Staatsvoranschläge zu ändern. Ich will nicht gehässig sein, sonst müßte ich ihm heute seine damals gehaltene Rede vorlesen, es genügt aber wohl festzustellen, daß Koll. Hackenberg bezw. seine Partei jetzt trotz der Regierungsanteilnahme nicht im Stande ist, eine Änderung zu Gunsten der deutschen Wirtschaft oder überhaupt zu Gunsten des deutschen Volkes herbeizuführen. Der Koll. de Witte der deutschen sozialdemokratischen Partei hat zu dem Staatsvoranschlag 1930 unter anderen gesagt, daß das vorliegende Budget 1930 noch ein Werk des Bürgerblocks ist und daher die sozialdemokratische Partei für die Verteilung der Lasten und Verwendung der Gelder noch nicht den entsprechenden Einfluß nehmen konnte, weil seine Partei erst im Dezember des Vorjahres in die Regierung eingetreten sei. Nun befindet sich aber die sozialdemokratische Partei schon ein volles Jahr in der Regierung und wir müssen erleben, daß diese Partei trotz ihrer Stärke und trotz der engen politischen Verbindung mit der èechischen sozialdemokratischen Partei nicht im Stande war, eine Änderung weder in der Behandlung des Budgets, noch auch in der Dotierung der einzelnen Kapitel gegenüber den früheren Budgetierungen durchzusetzen.

Ich will durch diese Feststellungen keineswegs die Tätigkeit dieser Partei im Interesse des deutschen Volkes herabsetzen, aber es muß denn doch festgestellt werden, daß auch die jetzige Regierungsmehrheit nicht den ehrlichen Willen aufbringt, die 3 1/2 Millionen Sudetendeutschen als gleichwertige Bürger anzuerkennen. Es muß aber auch festgestellt werden, daß die jetzigen deutschen Regierungsparteien nicht im Stande sind, das System der Entrechtung der Minderheiten zu ändern und dies gibt uns den Beweis, daß es der èechischen Seite trotz der oftmals betonten Gleichberechtigung nicht ernst ist und daß die Minderheiten in diesem Staate auf eine gerechte und gleichmässige Behandlung, wie sie die Staatsgrundgesetze und die Friedensverträge festggesetzt haben, nicht rechnen können.

Daraus aber muß die ganze deutsche Öffentlichkeit erkennen, daß der Wille des deutschen Volkes zu loyaler Mitarbeit nicht gewürdigt und anerkannt wird, sondern im Gegenteil, alle Entnationalisierungsmaßnahmen ungehemmt ihren Weg weiter gehen.

Daraus ergibt sich aber auch, daß wir als Vertreter des deutschen gewerblichen Mittelstandes kein Vertrauen zu der jetzigen Regierung haben und daher gegen dieses Staatsbudget stimmen werden. (Potlesk.)

3. Øeè posl. Macouna (viz str. 63 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Zum erstenmal hat die deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei durch ihre Vertreter in Regierung und Parlament an dem Zustandekommen des Staatsvoranschlages, der jetzt zur Beratung steht, mitgewirkt. Auf Grund der Erklärung unserer Partei anläßlich ihres Eintritts in die Regierungskoalition, die nach den Wahlen im Jahre 1929 gebildet wurde, stelle ich eingangs im Namen unseres Klubs fest, daß wir uns der Verantwortung dieser taktischen Wendung in unserer Politik gegenüber unseren Wählern, vor allem gegenüber der deutschen Arbeiterklasse unseres Staates, voll bewußt sind.

Der Staatsvoranschlag für 1931 ist in seiner Zusammensetzung und nach seiner gesamten Bedeutung für uns kein Ideal. Wäre es nur von unserem Willen abhängig, so wäre er zweifellos anders gestaltet. Das gilt, um wesentliches hervorzuheben, für die Frage des Militarismus, für die kulturellen Forderungen und für die uns so wichtigen Fragen der Selbstverwaltung. Der Staatsvoranschlag ist für uns ein Kompromiß. Unsere ablehnende Stellung gegenüber dem heutigen Militarismus bleibt unverändert und sein Abbau ist die Sache unserer weiteren Kämpfe im Staate und international. Es bleibt unverändert unser Grundsatz bezüglich der kulturellen Forderungen, wo bisher nur wenige Fortschritte zu verzeichnen sind. In der Frage der Selbstverwaltung hat uns die Politik der vergangenen Regierung schwere Aufgaben der Wiedergutmachung hinterlassen. Ein Teilerfolg auf diesem Gebiete ist durch die in den letzten Tagen vom Abgeordnetenhaus beschlossene Novelle zum Gemeindefinanzgesetz zu verzeichnen. Und nach wie vor geht unser Kampf um die Verwaltungsreform.

Auch in dem wichtigen Kapitel "Steuern" weist der Staatsvoranschlag keinesfalls eine Annäherung an unsere Grundsätze bezüglich der Steuerpolitik auf. Die Belastung ist ungleich zugunsten der besitzenden Klassen. 80% der gesamten Staatseinnahmen sind Leistungen der besitzlosen Bevölkerung. Das von uns bekämpfte heutige Steuersystem konnte nur eine gewisse Hemmung in der weiteren Entwicklung der indirekten Steuern erfahren. Nach diesen Feststellungen ist nun für uns, der heutigen wirtschaftlichen Situation unser Augenmerk zu widmen, das dringendste Gebot.

Die Wirtschaftskrise hat sich im Laufe dieses Jahres bedeutend verschlimmert und gegenwärtig stehen wir vor einem überaus bösen Winter. Wir verzeichnen eine ausgesprochene Industrie- und Landwirtschaftskrise. Was die letztere anlangt, so wiederholen wir, was von uns bei verschiedenen Gelegenheiten bereits betont wurde, daß wir volles Verständnis für die Krise der Landwirtschaft haben und nach wie vor gewillt sind, an ihrer Behebung mitzuarbeiten. Die Landwirtschaft erhebt die berechtigte Forderung nach Deckung der Produktionskosten und nach einem notwendigen Arbeitsgewinn. Wir wenden uns aber mit aller Schärfe gegen die leider noch immer angestrebte agrarische Zollpolitik, die die agrarischen Produkte unnötig verteuert, der Landwirtschaft nach unserer Überzeugung keine Hilfe bringt, jedoch die Gefahr, daß durch ihre Auswirkungen die Arbeitslosigkeit in der Industrie gesteigert wird, mit sich bringt.

Wir erblicken die erfolgreiche Bekämpfung der landwirtschaftlichen Krise in einer planmäßigen Organisierung der Produktion, in der Schaffung größerer Wirtschaftsgebiete sowie in der Herstellung einer Austauschgemeinschaft zentraleuropäischer Agrar- und Industriestaaten. Schließlich ist die Lage beider Produktionsgruppen voneinander abhängig: Gute Löhne der Arbeiterschaft sind der stärkste Faktor zur Behebung der Krise in der Landwirtschaft.

Die Industriekrise ist aber zweifellos das schwerste Problem des Staates überhaupt. Die Vorsorge hiefür im Staatsvoranschlag erscheint uns keineswegs als ausreichend. Einige Daten mögen aufzeigen, wie groß die Krise ist, um wieviel sie sich verschlimmert hat und daß alle Konzentration der Regierung und des Parlamentes auf diese wichtigste Lebensfrage erforderlich ist.

Nach dem Stande unserer Industrie ist ein bedeutender Gradmesser für die Konjunktur der Außenhandel. In dieser Beziehung weist das laufende Jahr eine bedeutende Senkung aus. Im Zeitraum von je 9 Monaten ergibt sich von 1929 auf 1930 folgende Unterscheidung. Wir hatten im Jahre 1929 in der gesamten Zeit von 9 Monaten eine Ausfuhr von 14.367 Millionen, eine Einfuhr von 714.685 Millionen, im Jahre 1930 eine Ausfuhr von 12.740 Millionen, eine Einfuhr von 11.793 Millionen. Das ergibt in der genannten Zeit ein Ausfuhrminus von 1.627 Millionen und ein Einfuhrminus von 2.892 Milionen Kè. Der gesamte Warenhandel der Èechoslovakischen Republik ist daher in der ersten 9 Monaten um 4.519 Millionen Kè niedriger als in derselben Zeit des Jahres 1929.


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