Meine Damen und Herren! Was wir bei Behandlug des Gesetzes über die Neuregelung der Finanzwirts chaft der Selbstverwaltungskörper in den denkwürdigen Tagen des Jahres 1927 vorausgesagt haben, ist rascher eingetreten, als selbst die kühnsten Pessimisten annahmen. Das Gesetz muß schon nach drei Jahren novelliert werden. Wir sahen dies kommen und erklärten damals, daß sich das Gesetz als ein schwerer Fehlschlag erweisen werde, daß fast alle Städte und viele größeren Gemeinden in kurzer Zeit nicht mehr imstande sein werden, nach den drückenden Bestimmungen des neuen Gesetzes, den an sie gestellten Anforderungen einer modernen Gemeindeverwaltung zu entsprechen, daß viele Selbstverwaltungskörper geradezu zum finanziellen Zus ammenbruch getrieben werden und daß in der kürzesten Zeit daher eine Novellierung dieses unglückseligen, die Selbstverwaltung vernichtenden Gesetzes notwendig sein wird. Unsere Warnungen und Vorstellungen, alle Einwände erprobter Fachmänner und Organisationen wurden verlacht, übergangen und mit dem nicht schmeichelhaften Hinweise abgetan, der übrigens sogar im Motivenbericht des Gesetzes Eingang gefunden hat, daß die Gemeinden erst durch die Peitsche zur nötigen Sparsamkeit in ihren Ausgaben gezwungen, daß sie vorübergehend unter Kuratel gestellt werden müssen. Das war ja die letzte, auslösende Ursache für die Herausgabe dieses undemokratischen Gesetzes, wobei man hauptsächlich an Gemeinwesen dachte, wo die sozialistischen Parteien über eine ausgesprochene Mehrheit in der Gemeindevertretung verfügten. In wieviel Städten aber, frage ich, war und ist es der Fall, daß die Sozialisten schalten und walten können, ganz ohne jede Begrenzung? Und für diese angeblich sozialistische Mißwirtschaft mußten hunderte und tausende in besterordnung verwaltete Gemeinden mitbestraft, mußte ihnen das freie Verfügungsrecht, die Selbstverwaltung, genommen werden? Es bleibt für die damals in der Regierung sitzenden deutschen Parteien, den Bund der Landwirte, die christlichsoziale Partei und die die deutsche Gewerbepartei für alle Zeit ein schwerer, unverantwortlicher Fehler, diesen Gesetzen ihre Zustimmung gegeben, mit ihren Stimmen die Gesetzwerdung erst ermöglicht zu haben, so daß die vielfach rein èechischen Aufsichtsbehörden nunmehr das Recht bekamen, die Lebensbedürfnisse deutscher Gemeinden zu bestimmen oder richtiger gesagt, beschneiden zu können.
Auch die sachliche Begründung für die Schaffung eines solchen Gesetzes war unrichtig. Man vergaß, weil eben wieder wie so oft vom grünen Tische aus und ohne Erfahrung von Nichtfachmännern geurteilt und entschieden wurde, daß die Gemeindeverwaltungen nach dem vierjährigen Kriege vor grossen und schweren, vielfach neuen Arbeiten standen, die naturgemäß auch eine größere geldliche Anspannung erforderten. Ein Großteil der Gemeindeunternehmungen war während des Krieges mangels an Geld und Arbeitskräften stark vernachlässigt worden, insbesondere Gemeindegebäude waren vielfach in schlechten Zustand geraten und mußten, oft mit großen Mitteln, wieder instand gesetzt werden. Dazu kamen neue, bisher unbekannte oder wenig beachtete Anforderungen, die sich aus den Bedürfnissen der Zeit, einer neuzeitlichen Auffassung ergeben, z. B. die reichlichere Fürsorgetätigkeit, besonders auch für das heranwachsende Geschlecht, die Mutterberatung, Jugendschutz und Kinderfürsorge, die Erbauung moderner, hygienisch einwandfreier Wohnungen, von Stätten für Sport und Volksgesundheitspflege, von Frei, Luft und Hallenbädern, der Ausbau von Elektrizitäts und Wasserleitungen, von Kanalisationen, die Straßenpflege infolge des überraschenden Anstei gens des Autoverkehrs, was ja auch den Staat zur Schaffung besonderer Einnahmsquellen in der Form des Straßenfonds zur Deckung der Straßenerhaltungskosten zwang und anderes mehr in reichster Fülle. Es darf dabei nicht vergessen werden, daß den Selbstverwaltungskörpern trotz der außerordentlich gesteigerten Bedürfnisse neue, entsprechend ergiebige Einnahmsquellen vom Staate nicht zugewiesen worden waren und daß sie nach wie vor allein nur auf die Gemeindeabgaben und Zuschläge und auf das in der Regel geringe Erträgnis des Gemeindevermögens angewiesen blieben. Auch die vielleicht vom Staate hierzu für bestimmte Zwecke gewährten Unterstützungen bewegten sich gegenüber dem Aufwande in einer höchst bescheidenen, oft lächerlichen Höhe. Das alles mußte man bei der Beurteilung der Gemeindefinanzen in der Nachkriegszeit mit in Erwägung ziehen und hätte vor allem trachten müssen, den Gemeinden neue Einnahmsquellen zu erschließen und billigen Kredit zur Verfügung zu stellen. Diesen Weg, der von selbst die Sanierung der Gemeindefinanzen herbeigeführt hätte, beschritt man nicht, man glaubte vielmehr, durch Beschränkung der Umlagenfreiheit und durch Erschwerung der Darlehensaufnahme die Bedürfnisse moderner Gemeindeverwaltungen gewaltsam herabsetzen zu können. Dieses Gesetz war auch sonst ein äußerst geschickter Schachzug des Staatsfiskus. Man täuschte der Bevölkerung durch die gleichzeitig zur Beratung stehende Steuerreform eine kommende Steuersenkung und Steuerermäßigung vor. In Wirklichkeit aber trat dies durch die erfolgte Hebung der Steuergrundlage nicht ein. Den Vorteil davon hatte der Staat, der sich auf diesem Wege mehr Steuereingänge verschafft hat, ohne daß die Steuerzahler ihrem sonst begreiflichen Unmut über neue Steuern Ausdruck zu geben brauchten. Die Betrogenen allerdings waren bei diesem Geschäfte die Selbstverwaltungskörper, denen man ihre notwendigen Umlagen gekürzt hatte.
Drei Jahre Wirksamkeit dieses Gesetzes haben also bereits genügt, auch dem Theoretiker Dr. Engliš als Finanzminister und auch den Verteidigern dieses Gesetzes in den Reihen der Regierungsparteien den Unsinn der damaligen Reform klarzumachen und zum Bewußtsein zu bringen, wie recht die Deutsche Nationalpartei damals mit ihren Befürchtungen hatte und daß etwas zur Rettung der der Katastrophe zutreibenden Selbstverwaltungsverbände geschehen müsse. Man konnte sich allerdings bei der Zusammensetzung der jetzigen Regierung, bei der Teilnahme sozialistischer Parteien der Hoffnung hingeben, daß diese Novellierung das Übel an der Wurzel fassen und auch jede bürokratische Abhängigkeit beseitigen werde. Im Kampfe gegen dieses unheilvolle Gesetz waren die deutschen Sozialdemokraten im Jahre 1927 mit in den ersten Reihen gestanden, sie hatten keine Gelegenheit - ob passend oder nicht - vorübergehen lassen, um die deutschen Regierungsparteien auf das schärfste wegen dieses Verbrechens an der Selbstverwaltung anzugreifen. Ich zitiere nur, was in der damaligen Debatte hier im Hause ihr Sprecher, Abg. Kaufmann am 5. Mai darüber sagte: "Durch die jetzige Drosselung der Gemeinden in ihrem Budgetrecht, ihrem Selbstbestimmungsrecht, in ihrer Finanzhoheit, werden die Gemeinden auf allen diesen Gebieten vollständig lahmgelegt werden, sie werden versagen. Alles was ihnen" den deutschen Regierungsparteien nämlich, angeblich nach den eigenen Erklärungen heilig gewesen, geben sie auf, all das, was ihnen, solange sie nicht in der Regierung waren, heilig war, treten sie mit Füßen. Daß Sie sich dessen begeben, daß Sie sich förmlich politisch und moralisch kastrieren, wird von Ihren jetzigen Partnern, meine Herren von den deutschen Regierungsparteien, nicht gewürdigt werden und Sie werden zur gegebenen Zeit den Dank davon erhalten. Wir werden den Kampf für die Gemeindeautonomie weiter führen. Wir werden den Kampf organisieren, wir werden den Kampf auf dem Gebiete der Verwaltung aufnehmen und führen, solange, bis wir den Erfolg auf unserer Seite haben, so wie wir ja auch durch Jahrzehnte den Kampf um die Teilnahme an der Gesetzgebung, um die Einflußnahme auf die Gesetzgebung geführt haben. Der Tag des Gerichtes wird kommen. Für dieses neue Verbrechen, den Mord an der Autonomie der Selbstverwaltung, für den Verrat, den die deutschen bürgerlichen Parteien begehen, werden sie vor den Völkern dieses Staates Rechenschaft ablegen müssen, wenn die Wähler wieder das Wort haben werden."
Nach so scharfen Worten der Verurteilung des Gesetzes, das der christlichsoziale Abg. Kunz, damals Bürgermeister von Zuckmantel, zu verteidigen den Mut gefunden und als einen Übergang aus dem Wirrwarr der Finanz und Steuergesetze in einigermaßen sichere Verhältnisse bezeichnet hat, muß te man also erwarten, daß die deutschen Sozialdemokraten als Regierungspartei die Novellierung dieses Gesetzes und seine Änderung von Grund aus erzwingen werden und daß sie mit Rücksicht auf ihre Vergangenheit und ihre programmatische Festlegung keinem Gesetze ihre Zustimmung geben werden, das den Selbstverwaltungskörpern nicht ihre volle Freiheit wieder zurückgibt. Wer mit solchen Hoffnungen an das Studium der neuen Gesetzesvorlage herantritt, wird allerdings eine schwere Enttäuschung erleben und wird es verstehen, wenn der Herr Minister Dr. Czech beim letzten sozialdemokratischen Parteitag in Teplitz-Schönau als derWeisheit letzten Schluß und zur Entschuldigung gewissermaßen erklären muß te, daß die Regierungskoalition kein Vergnügungsetablissement, sondern eine Folterkammer sei. Wenn dieser Ausdruck stimmt - und Herr Minister Dr. Czech muß es ja als Beteiligter wissen - dann müssen wir allerdings feststellen, daß bei der Novellierung des Gemeindefinanzgesetzes die Herren Genossen aller Schattierungen ganz kräftig und ausgiebig wieder vom Herrn Finanzminister Dr. Engliš und den anderen Gegnern der Selbstverwaltung gefoltert worden sind, und zwar bis zu einem Grade, von dem ich niemals gedacht hätte, daß es für sie noch erträglich ist. Sie haben dabei eine staunenswerte Duldsamkeit, die ihnen sonst nicht eigen ist, bewiesen. Dabei verfallen sie heute in denselben Fehler, wie die früheren deutschen Regierungsparteien, daß sie der breiten Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen versuchen und von Erfolgen sprechen, wo selbst bei der schärfsten Betrachtung und beim besten Wohlwollen keine zu sehen sind. Herr Dr. Czech führte beim Parteitag über den Kampf um die Novelle zur Sanierung der Gemeindefinanzen folgendes aus: "Hier wurde ein Stück Arbeit geleistet, das eine teilweise Wiedergutmachung der durch den Bürgerblock verursachten Schäden bedeutet und wodurch es den Gemeinden ermöglicht wird, die durch den Bürgerblock zum Stillstand gebrachte wirtschaftliche, kulturelle und soziale Arbeit der Selbstverwaltungskörper nach einer mehrjährigen Unterbrechung wieder aufzunehmen". Und auf die mehrfachen Bedenken von verschiedener Seite bei der Wechselrede kam er in seinem Schlußworte noch einmal auf dieses Gesetz zurück und erklärte: "Die neue Gemeindefinanzvorlage wurde im heißesten Kampf erarbeitet. Wir sind auch da unseren Verpflichtungen in vollem Maß nachgekommen, wenn auch ohne weiters zugestanden werden mag, daß diese Vorlage unsere Wünsche nicht voll befriedigt. Ein Stück Unrecht, das unter dem Bürgerblock Gesetz wurde, ist aber da durch das Verdienst sozialistischer Mitarbeit wieder gutgemacht worden. Die Novelle ermöglicht neue wirtschaftliche, soziale und kulturelle Arbeit der Selbstverwaltung, ohne deren Mitwirkung wir in diesem Staate überhaupt nicht leben können. Auch hier ein Erfolg sozialdemokratischer Mitarbeit."
Ich bedauere lebhaft, daß ich zu dieser rosigen Einschätzung der vorliegenden Gesetzesvorlage nicht kommen kann, wenngleich ich als objektiver Kritiker zugeben muß, daß einige unwesentliche Erleichterungen gegenüber dem jetzigen unhaltbaren Zustand eingetreten sind. Und wenn der "Sozialdemokrat" in seiner Nummer vom 22. Oktober 1930 der Vorlage in einem Leitartikel unter dem Titel "Ein Schritt vorwärts" ein Loblied singt, so muß ich meiner Verwunderung über die Bescheidenheit Ausdruck geben, zu der sich die Herren Sozialdemokraten in der kurzen Zeit ihrer Regierungstätigkeit durchgerungen haben. Was sollen denn die angeblichen Vorteile der neuen Vorlage sein? Die bisherige Umlagendrosselung wird etwas gelockert, und die Einhebung von Umlagen bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen bis zur höchsten Grenze von 350 % und die Aufnahme von Darlehen in bestimmten Fällen möglich sein. Der Ausgleichsfond wird aufgelassen und es übernehmen die Länder auf Grund erhöhter Einnahmen und Ausgaben, den trotz höchster Umlagenanspannung passiven Städten und Bezirken durch Zuschüsse zu helfen, besonders beim Bau humanitärer Anstalten u. dgl. Das sogenannte Verpflegskostenfünftel wird auf die Dauer von 4 Wochen beschränkt und bei Irrenanstalten ganz abgeschafft. Das ist, in wenigen Worten ausgedrückt, der große Wert der Reform, um mit dem "Sozialdemokrat" zu sprechen, der allerdings gleich anschließend selbst feststellen muß: "Die Novelle bringt nicht die Erfüllung unserer Wünsche, wie sie in der Brünner Resolution der Gemeindevertreterkonferenz niedergelegt wurden. Sie stellt die Gemeindewirtschaft nicht auf eine völlig neue Grundlage, wie wir es verlangt haben, sie macht nicht alles wieder gut, was der Bürgerblock an der Selbstverwaltung verbrochen hat."
Vom Standpunkt meiner Partei muß ich in der Kritik noch viel schärfer sein. Ich muß auch die neue, unter sozialdemokratisch er Mitarbeit entstandene Novelle als ein durchaus unbrauchbares Instrument, aus dem Chaos herauszukommen, bezeichnen. Ich bedauere es, daß man nicht gleich an eine gründliche Reform geschritten ist und daß man vorübergehend eine Teillösung, die keine ist, gesucht hat, durch welche die endgültige Beseitigung dieses schädlichen Gesetzes nur verzögert und wieder um einige Jahre aufgehalten wird. Es wäre viel zweckdienlicher gewesen, gleich das ganze Problem der Selbstverwaltung aufzurollen und gründlich zu behandeln. Mit einigen Kampfereinspritzungen wird der sieche Körper nicht zu neuem Lebeen kommen. Da muß schon ein durchgreifender Gesundungsprozeß eingeleitet werden.
Eine Hauptursache, daß die finanzielle Gebahrung vieler Gemeinden nicht in Ordnung zu halten ist, liegt nach wie vor in der heutigen Steuerpraxis des Staates selbst, der unmöglich zu leistende Steuern vorschreibt, die Betroffenen zwingt, gegen diese Vorschreibung Rechtsmittel zu ergreifen oder Nachlaßgesuche einzubringen. Der Veranlagungsapparat, der durch die Schaffung des Nachlaßgesetzes Nr. 235 vom Jahre 1924 entlastet werden sollte, ist heute mehr denn je überlastet und es leidet darunter nicht allein die Finanzverwaltung, weil sie zu keiner definitiven Vorschreibung kommt, sondern es leiden auch die Gemeinnden, die nie wissen, wie sie daran sind und mit welchen Umlagen sie rechnen können. Wie aber soll der Gemeindehaushalt auf einer sicheren und verläßlichen Grundlage aufgebaut werden, wenn immer wieder sich nachträglich die von der Steuerbehörde bekanntgegebene Umlagenbasis als falsch und viel zu hoch erweist und die wirklichen Steuereingänge bedeutend kleiner sind, als sie selbst bei der gewissenhaftesten Annahme eingesetzt wurden? Der Staatsfiskus weiß sich allerdings sehr leicht zu helfen, indem er die Zahlungen an direkten Steuern ganz überwiegend auf die Einkommensteuer und nur ganz unzureichend auf die umlagenpflichtigen Ertragssteuern verrechnet, so daß die Gemeinden ihren Anteil nur von dem bekommen, was übrig bleibt. Und hat das Steueramt vielleicht ei nmal auf Grund der unrichtigen Annahmen einer Gemeinde zu viel überwiesen, dann zahlt es eben den nächsten Monat oder auch die nächsten Monate nichts aus und bringt sich diese Eingänge auf die Schuld der Gemeinde gut, bis sie ganz abgetragen ist. Die Gemeinde mag dann zusehen, wie sie ihr Auskommen findet, wie sie die Gehälter an ihre Angestellten und die sonstigen Ausgaben aufbringt. Es gibt Gemeinden, welche Monate hindurch nicht eine Krone Steuergelder zugewiesen bekamen. Auch die Uneinbringlichkeiten, welche aus der verspäteten Einhebung durch die staatlichen Steuerämter entstehen, würden auf ein Minimum zusammenschmelzen, wenn die Gemeinden die Umlagen selbst einheben dürften. Es ist ein ganz unmöglicher Zustand, wenn man aus einer vom Verbande der èechoslovakischen Städte zusammengestellten Statistik erfährt, daß die Rückstände der Gemeinden an Zuschlägen bis einschließlich 1929 762 Millionen Kè betragen. Die Vertreter der Selbstverwaltungskörper haben mehr als einmal erklärt, daß die einzig mögliche Rettung der Gemeinden auf die Dauer nur in der rechtzeitig und richtig durchgeführten Vorschreibung und Einhebung der Steuern bestehen kann. (Posl. Kremser: Warum nicht ein Wort über die Steuerabschreibungen?) Ich habe ja doch erwähnt, daß die Steuerabschreibungen deshalb nicht genügen, weil die Steuern von Haus aus viel zu hoch vorgeschrieben wurden. Ich habe mich mit diesem Kapitel erst unlängst ausführlich in meiner Rede zu den Steuergesetzen beschäftigt. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.)
Dieser Grundforderung trägt die vorliegende Gesetzesvorlage in keiner Weise Rechnung. Es ist darüber hinaus weder von einem Steuerausgleich zwischen Staat, Land und Gemeinde, noch von einem Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer die Rede, welche von einer gewissen Einkommenshöhe an erhöht werden könnte, ja Finanzminister Dr. Engliš hat mehr als einmal ausdrücklich erklärt, daß den Selbstverwaltungskörpern neue Einnahmsquellen nicht zugewiesen werden können, wahrscheinlich weil neue Steuerquellen wirklich heute kaum mehr zu finden wären, andererseits der Staat bei seiner weit über seine Kräfte und über seine Verhältnisse hinausgehenden Wirtschaft nicht gesonnen ist, auf Steuereingänge zu Gunsten der Selbstverwaltungskörper zu verzichten und sich dafür in seinen Ausgaben zu beschränken. Vielen Gemeinden würde es schon genügen, wenn sie wenigstens das wieder zurückbekommen würden, was ihnen das Gemeindegesetz Nr. 76 vom Jahre 1927 in unverantwortlicher Weise weggenommen hat, ich meine die 10 % ige Zuweisung aus der Umsatz und Luxussteuer und den Anteil, der nach § 58 und § 85 bei Industrieunternehmungen, welche mehr als 400 Arbeiter beschäftigen, von der Umlagenbasis dieser Unternehmungen gemäß § 10 dem Ausgleichsfond zufließt. Die 10 % ige Zuweisung aus der Umsatz und Luxussteuer geht bei Industriegemeinden oft in die Hunderttausende Kronen jährlich, ja bei einigen Städten macht sie sogar 1 Million Kronen und mehr aus. Nur ein Beispiel: Die Stadtgemeinde Neutitschein erhielt vor Inkrafttreten des zitierten Gesetzes jährlich aus diesem Titel annähernd eine halbe Million Kronen, die sie nun auf Grund der Neuregelung zu Gunsten des Ausgleichsfonds verliert. Auch die zweite Bestimmung wirkt sich für Neutitschein außerordentlich unheilvoll aus. In der Stadt sind 2 große Fabriksunternehmungen mit zusammen 3.500 bis 4.000 Arbeitern, wovon zwei Drittel bis drei Viertel nicht in der Stadt selbst, sondern in umliegenden Ortschaften und auch im weiter südlich gelegenen Hinterland wohnen, von wo aus sie mit der Bahn täglich den Arbeitsplatz erreichen. Diese Umstände haben nur zur Folge, daß die Bestimmungen der § § 58 und 85 des Gesetzes 76/27 zur Anwendung kommen, was für die Stadtgemeinde bei einer Umlagenbasis von zusammen 350 bis 400 Tausend Kè für jede Industrieunternehmung bei einer Zuschlagshöhe von 200% einen Ausfall an ordentlichen Einnahmen von 700.000 bis 800.000 Kè jährlich und zusammen mit der verlorenen Umsatz und Luxussteuer einen solchen von 1.2 bis 1.3 Millionen Kè jährlich bedeutet. Die Stadtgemeinde Neutitschein ist im Jahre 1929 zur Deckung des unbedeckten Abganges in der ordentlichen Gebahrung mit 1.3 Millionen Kè an den Ausgleichsfond herangetreten. Aus dieser Aufstellung zeigt sich nun, daß trotz der Begrenzung der Gemeindezuschläge auf 200 % die Stadtgemeinde Neutitschein mit ihren Einnahmen das Auslangen finden könnte, ohne den Ausgleichsfond in Anspruch zu nehmen, wenn ihr der volle Ertrag der 200 % Gemeindezuschläge zu der Steuerbasis und die bisherige Zuweisung aus der Umsatz und Luxussteuer verblieben wäre. So haben gerade die Gesetze Nr. 76/27 und 77/27 eine ungerechte Härte dadurch mit sich gebracht, daß der Ausgleichsfond in erster Linie auf Kosten jener Gemeinden, welche Sitz großer Industrieunternehmungen sind, aufgefüllt wird und daß den finanziell schwachen Gemeinden und Bezi rken auf dem Wege über den Ausgleichsfond auf Kosten jener Gemeinden, die zufällig Sitz von Industrieunternehmungen sind, geholfen wird, mit dem Ergebnis, daß diese Städte dann selbst genötigt sind, an den Ausgleichsfond um Zuweisungen heranzutreten. Ich behaupte, daß es damals ein bewußter Plan des Herrn Finanzministers war, weil er wuß te, daß auf diesem Wege die großen deutschen Städte mit reichen Industrieunternehmungen auf dem Wege über den Ausgleichsfond den èechischen Gemeinden Einnahmen zuweisen werden. (Posl. dr Hanreich: Wo ist der Herr Finanzminister?) Er hat es nicht notwendig, noch belehrt zu werden, er ist auf dem Gebiete der Gemeindefinanzen ein Theoretiker und läßt sich durch nichts belehren.
Wie diese Städte aber bei der Überprüfung ihres Bedarfes und der Stichhältigkeit ihrer Ansprüche durch die Aufsichtsbehörde behandelt werden, davon weiß so mancher ein Lied zu singen. Ein solches Vorgehen ist ungerecht und unlogisch, da gerade die Industriestädte wegen ihrer wachsenden Bevölkerung anders zu beurteilen sind, als eine Landgemeinde, und im Hinblick auf diese großen Aufgaben ein moralisches Recht darauf haben, daß ihnen die durch die ortsansässige Industrie aufgebrachten Gemeindeumlagen zur Gänze verbleiben, zumal jede Industriestadt infolge der großen Arbeiterbevölkerung naturgemäß größere Ausgaben für soziale Fürsorgezwecke hat. Auch für den Fall, daß ein Teil der Arbeiterbevölkerung nicht in der betreffenden Stadt wohnt, bietet sie stets diesen Arbeitern, weil diese in der Stadt den Arbeitsplatz haben, den Anreiz zur Zuwanderung, allerdings nur jenen, die sich nicht durch Hausbesitz, Landwirtschaft oder durch andere Nebenberufe an die Scholle des Dorfes gebunden fühlen. Es wird daher immer gerade der finanziell schwächere Teil der auswärts wohnenden Bevölkerung zuwandern, wodurch sich der Aufwand für die sozialen Aufgaben der betreffenden Gemeinden erhöht. Tritt nur für die Industrie, sei es im allgemeinen, sei es in einzelnen Zweigen, eine Krise ein, wie dies gegenwärtig der Fall ist, so werden sich erfahrungsgemäß die Folgen am Sitze der großen Industrieunternehmungen schwerer auswirken als am Sitze von kleinen Unternehmungen, u. zw. auch deshalb, weil die großen Unternehmungen als Exportindustrie vom Auslandsmarkte abhängig sind.
Nach dieser Sachlage müßte verlangt werden, daß die Härten, die sich durch den Entzug der 5, bzw. 10%igen Zuweisung aus der Umsatz und Luxussteuer und durch die Bestimmungen der §§ 58 und 85 des Gesetzes Nr. 76/27 ergeben, durch die restlose Aufhebung dieser Bestimmungen beseitigt werden und die Dotierung des Ausgleichsfonds in Hinkunft durch Zuweisungen aus dem Ertrag der Staatssteuern zu erfolgen hat. Auch diesen durchaus berechtigten Forderungen wurde durch die neue Novelle in keiner Weise Rechnung getragen, es ändert sich daher in dieser Hinsicht an dem heutigen unmöglichen und ungerechten Zustand gar nichts.
Auch einer weiteren alten Forderung, Gemeindeunternehmungen, z. B. den Elektrizitäts, Gas und Wasserwerken, den Schlachthöfen, Gütern, Wäldern u. s. w. die bedingungslose Steuerfreiheit zu geben, wie es ja auch in Deutschland der Fall ist, wo diese Gemeindeuntern ehmungen oftmal das finanzielle Rückgrat der Gemeinden bilden, wurde wieder nicht entsprochen. Manche Stadt würde aus ihren industriellen Unternehmungen eine große Hilfe erhalten, so daß sie mit niedrigeren Umlagensätzen das Auslangen finden könnte. Ebenso wird von Seiten des Staates für die immer größer werdenden Arbeiten des übertragenen Wirkungskreises keinerlei Entschädigung geleistet und so wachsen sich diese Arbeiten zu einer schweren Belastung der Selbstverwaltungskörper aus. Die neue Novelle bringt also den notleidenden Selbstverwaltungskörpern in keiner Weise eine Erleichterung oder neue Einnahmen, sie gestattet nur gnädigst, unter gewissen Umständen höhere Umlagen einzuheben, was besonders in der Zeit einer schweren Wirtschaftskrise äußerst unsympathisch ist. Was aber bleibt den Gemeinden übrig, wenn sie den vielfachen Anforderungen auch nur halbwegs entsprechen wollen, als zu diesem unbeliebten Mittel zu greifen? Die Folge eines solchen Schrittes wird naturnotwendig wieder sein, daß sich viele Wirtschaftskreise gegen die freie Selbstverwaltung kehren werden, was scheinbar von Seiten des Staates gewünscht wird, um mit diesem Reste alter Freiheiten bei gelegener Zeit ohne Widerstand vollständig aufräumen zu können. Man stellt heute mit Absicht die freie Selbstverwaltung gegen die Wirtschaft ein.
Für die Länder allerdings bedeutet das vorliegende Gesetz infolge der bedeutenden Zuweisungen aus der erhöhten Biersteuer hoffentlich die endgültige Sanierung ihrer trostlosen Finanzen. Die Länder werden also künftighin die Funktionen des bisherigen Ausgleichsfonds übernehmen, der nicht mehr als besonderer Fond verwaltet werden wird. Es werden ihnen die für den bisherigen Ausgleichsfond bestimmten Zuweisungen zufließen, in der Landesrechnung in Empfang gestellt und ausgegeben werden, allerdings nicht zur Gänze, denn nur 4/5 müssen den Bezirken und Gemeinden zugewiesen werden, über das restliche Fünftel können die Länder frei verfügen. Wie unbegründet es ist, die Bestimmungen des § 6 und der §§ 58 und 85 des Gesetzes Nr. 76/27 aufrecht zu erhalten, zeigt folgende Erwägung:
Infolge der Erhöhung der Zuschlagsgrenze der Gemeindeumlagen werden künftighin nur einige wenige Gemeinden und Bezirke um Zuwendungen aus dem sogenanten Ausgleichsfond vorstellig werden; denn jede Gemeinde wird trachten, ihre Gebahrung so einzurichten, daß sie nicht auf die Gnade des Landesausschusses angewiesen ist. Auch unter der Geltung der derzeitigen drückenden gesetzlichen Bestimmungen zeigten übrigens viele Gemeinden das gleiche Bestreben. Die Beilage zum Motivenbericht des vorliegenden Gesetzes rechnet bereits mit einem bedeutenden Sinken der Ansprüche der Bezirke und Gemeinden aus dem Titel des ehemaligen Ausgleichsfondes. Trotz dieser zu erwartenden nicht unbedeutenden Minderung der Ansprüche der Bezirke und Gemeinden bleiben aber alle Zuweisungen wie bisher zur Gänze aufrecht. Es werden diese Zuweisungen sogar steigen; denn infolge der Erhöhung der Zuschlagsgrenze der Gemeindeumlagen erhöhen sich automatisch die Zuweisungen aus dem Anteil an den Gemeindezuschlägen zur allgemeinen und besonderen Erwerbsteuer. Es werden sich also trotz verminderter Ansprüche der Bezirke und Gemeinden die zur Deckung dieser Ansprüche für die Länder bestimmten Zuweisungen erhöhen, und die Länder dürfen hievon sogar ein volles Fünftel behalten. Wenn ich einleitend bemerkt habe, daß sich durch die Gesetze 76/27 und 77/27 die Einnahmen des Staates auf Kosten der Gemeinden erhöht haben, so kann man jetzt ruhig behaupten, daß jetzt durch das vorliegende Gesetz die Sanierung der Länder, und zwar wieder auf Kosten der Gemeinden, erfolgen soll.
Daß die deutschen Gemeinden vielleicht bei dem èechischen Landesausschuß ein größeres Entgegenkommen für ihre Wünsche finden werden, als dies gegenwärtig bei den oft zur Mehrheit deutschen Bezirkvertretungen der Fall war, kann mit Recht bezweifelt werden. Es ist gewiß kein Vorteil, die Entscheidung über örtliche Bedürfnisse dieser uninteressierten Instanz zu übertragen, während die Bezirksbehörden vielfach ein natürliches und örtliches Interesse und ein viel größeres Verständnis infolge ihrer Ortskenntnis hatten und daher gegebenenfalls mehr Entgegenkommen bewiesen.
Schwere Bedenken muß auch die Eingliederung des Schulvoranschlages in die Gemeindevoranschläge hervorrufen. Damit wird der Ortsschulrat vollständig bedeutungslos, wenn ihm das wichtigste Recht, den Voranschlag für das ihm unterstellte Schulwesen aufzustellen und die entfallenden Beträge zu verwalten, entzogen wird. Die Mitwirkung des Ortsschulrates in Schulangelegenheiten der Gemeinden wird damit zu einer bloßen Formsache herabgedrückt. Streitigkeiten zwischen Gemeinde und Ortsschulrat werden die Folgen sein, besonders dort, wo eine wenig schulfreundliche Gemeindevertretung der Schule die notwendigen Erfordernisse vorenthalten wird und wo die beiden Vertretungskörper nicht miteinander harmonieren. In national bedrohten Gemeinden können sich aus der verschiedenen nationalen Zusammensetzung leider gleichfalls große Schwierigkeiten ergeben. Damit wird auch die Autonomie der Schulbehörden weiter, und zwar wesentlich eingeschränkt, was gegenüber dem Zustand im alten Österreich eine weitere Rückentwicklung bedeutet.