Meine sehr verehrten Herren! Der Handelsvertrag mit Rumänien vom 27. Juni 1930, der am 11. Juli 1930 provisorisch in Kraft gesetzt wurde, bedeutet zweifellos eine Grundlage für die Regelung und die Vertiefung unseres Handelsverkehrs mit Rumänien. Der ziemlich umfangreiche Vertrag, der uns zur Behandlung vorliegt, soll das Wirtschaftsübereinkommen von 1921, das bloß auf dem Zugeständnis der Meistbegünstigung aufgebaut war, ersetzen und enthält im allgemeinen die üblichen Bestimmungen über die Behandlung von Reisenden, über gewisse Vormerkverfahren, die Regelung betreffend den Schutz von Marken, Ursprungsbezeichnungen usw. Das wichtigste bei diesem Handelsvertrag ist, daß er auf Grund der Handelsfreiheit und Meistbegünstigung aufgebaut ist. Der Vertrag zeigt ferner ein umfangreiches Veterinärabkommen und ein ebenso umfangreiches Schlußprotokoll. Dagegen wurde leider in diesem Vertrage nicht die Sicherung verankert, die die Durchführung der Exekutionen in Rumänien auf Grund heimischer Urteile sichert. Allerdings kann - wie auch in dem Berichte zugegeben ist - eine vertragliche Regelung in dieser Beziehung nicht viel erzielen, da die mißlichen Verhältnisse in erster Linie auf das schlechte Funktionieren der Rechtspflege in Rumänien zurückzuführen sind, wobei ich aber keineswegs die Behauptung wagen würde, daß die Gerichtsbarkeit in der Èechoslovakei hinsichtlich der Gerechtigkeit unantastbar ist.
Wie aus dem dem Vertrage selbst angeschlossenen Tarifübereinkommen ersichtlich ist, wurden Zollvereinbarungen für Leder, Schuhe, Handschuhe, Textilien und Eisenwaren, weiters für Maschinen, Turn und Sportgeräte usw. erzielt. Allerdings beinhalten diese Zollvereinbarungen in der Hauptsache lediglich Bindungen und konnten Zollermäß igungen nur ausnahmsweise erreicht werden; Zollermäßigungen unter den Minimalzöllen, die überdies noch beträchtlich hoch sind und unsere Einfuhr nach Rumänien sehr erschweren, konnten überhaupt nicht erreicht werden. Dadurch konnten auch viele Wünsche unserer Exportindustrie, insbesondere die der Textilindustrie, Zollermäßigungen zu erreichen, nicht durchgesetzt werden. Ebenso gingen die Wünsche der Porzellanindustrie nicht in Erfüllung, weil scheinbar mit Rücksicht auf eine kleine rumänische Porzellanfabrik, die den Inlandsbedarf Rumäniens gar nicht zu decken imstande ist, der ihr gewährte staatliche Schutz nicht durchbrochen werden konnte. Diese Tatsache bestätigt, daß sich nahezu alle Staaten und ganz besonders die kleinen Nachkriegsstaaten bemühen, alle möglichen Industriezweige in ihren Staatsgebieten zu errichten, und um dieselben nur halbwegs lebensfähig zu erhalten, sich von der Einfuhr alteingelebter Qualitätserzeugnisse dadurch unabhängig machen wollen, daß sie sich mit immensen Zollmauern umgeben. Dieses System der Nachkriegszeit, welches aus dem unangebrachten Prestigedünkel hervorgeht, trägt mit die Hauptschuld an der herrschenden Wirtschaftskrise. In diesem System wurzelt auch das Übel der ständig wiederkehrenden Krisen.
Wenn es bei den Verhandlungen über den Handelsvertrag mit Rumänien nicht gelang, die Wünsche unserer Wirtschaft zur Gänze zum Durchbruch zu bringen, darf daraus den Unterhändlern kein Vorwurf gemacht werden. Im Gegenteil, es ist mit Rücksicht auf die schwache Position, die die Èechoslovakei bei den Verhandlungen einnahm, zuzugeben, daß im Vertrage relativ viel erreicht wurde. Die Position unserer Unterhändler bei diesen Vertragsverhandlungen, wie überhaupt bei allen Verhandlungen mit Agrarstaaten ist derzeit äußerst schwierig, weil die jetzigen Agrarzölle und deren Minimalisierung die Verhandlungsfreiheit sehr unterbinden. Daher sind auch die Argumentationen des Koll. Windirsch als Angehörigen der Regierungsmehrheit, der diesen Vertrag als Stückwerk bezeichnete, nicht ganz richtig, und muß ich als Oppositioneller schon sagen, daß wir, die wir uns in der Opposition befinden, im Interesse der allgemeinen Wirtschaft uns glücklich schätzen würden, wenn die derzeitige Regierungsmehrheit in allen ihren Maßnahmen keine schlechtere Arbeit, bzw. kein schlechteres Resultat als wie es dieser Handelsvertrag mit Rumänien ist, vorlegen würde. Die Tatsache, daß die Èechoslovakei weder ein reiner Agrar-, noch ein reiner Industriestaat ist, sowie die weitere Tatsache, daß der agrarische Teil der Bevölkerung dieses Staates durch die politische Zerklüftung des städtischen Bürgertums, insbesondere bei Gewerbe, Handel und Industrie, weit größeren politischen Einfluß auf alle gesetzlichen Maßnahmen hat, als die übrigen Stände, bewirkt, daß immer der rein agrarische Interessenstandpunkt zum Durchbruche kommt und dadurch oftmals die übrigen Wirtschaftszweige benachteiligt werden, was in keinem Verhältnis zur Schichtung der Bevölkerung des Staates steht. Dies soll gegenüber den Agrariern kein Vorwurf sein, wohl aber eine Mahnung an die anderen Stände.
Wir wissen ja auch, daß die Landwirtschaft eifrigst bestrebt ist ihre bestehende Notlage durch die verschiedensten gesetzlichen Maßnahmen zu mildern. Wir gewerblichen Mittelständler werden jederzeit diese Bestrebungen tatkräftigst unterstützen, weil auch wir schließlich und endlich ein Interesse haben, einen wirtschaftlich starken Bauernstand zu erhalten.
Diese nur kurz gestreiften politischen Machtverhältnisse in der Èechoslovakei und die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen haben seinerzeit die Vertragsverhandlungen mit Polen sehr erschwert und ergaben auch bei den Verhandlungen mit Rumänien schier unüberwindliche Schwierigkeiten. Im Hinblick auf diese Verhältnisse wird es daher nicht so schnell zu den vom Minister Beneš angekündigten Verhandlungen mit Jugoslavien kommen, obwohl die Wirtschaft ein eminentes Interesse daran hat, daß endlich nicht nur mit Jugoslavien, sondern auch mit Deutschland ein Handelsvertrag abgeschlossen werde. Es ist ja wohl zu bekannt, welche Schwierigkeiten uns für die bevorstehenden Verhandlungen mit Ungarn entgegenstehen. Ich glaube nicht, dieselben anführen zu müssen. Die Schwierigkeiten bei den kommenden Verhandlungen mit Deutschland werden gewiß nicht leichter sein, weil die jüngsten Ereignisse der Prager Gasse Deutschland gegen die Èechoslovakei keinesfalls freundlicher gestimmt haben. Ich will hier auf diese skandalösen Vorfälle nicht eingehen, aber es muß doch dem èechischen Volk mit Ausnahme der Anhänger um Gajda, Lukavský, Baxa usw. klar sein, daß auch dem Deutschen Reich einmal die Geduld reißen muß und daß es zu Repressalien greifen wird. Ich verweise nur darauf, daß im Deutschen Reiche eine Bewegung im Zuge ist, die böhmischen Kurorte und Bäder zu meiden. Jeder denkende Wirtschaftler wird ermessen, welche kolossalen Schäden dadurch nicht nur den westböhmischen Kurorten, sondern dem ganzen Fremdenverkehr überhaupt entstehen, an dem schließlich und endlich auch Prag mit zum größten Teil beteiligt ist. Es ist daher geradezu unerklärlich, um nicht sagen zu müssen unerhört, wenn Koll. Ježek von der nationaldemokratischen Partei im Budgetausschuß die Forderung erhebt, die auslandsdeutschen Korrespondenten aus dem èechoslovakischen Staatsgebiet auszuweisen. Nicht nur, daß ich dagegen schärfstens protestiere, möchte ich diesen èechischnationalen Fanatikern doch sagen Selbst wenn diesem unglaublichen Verlangen Folge geleistet würde, werden wir dafür sorgen, daß die Welt erfahre, daß die Friedensschalmaien, die der Herr Außenminister Beneš immer im Ausland ertönen läßt, Lug und Trug sind und daß dem èechischen Chauvinismus der ganze staatspolitische Machtapparat zur Unterdrückung seiner Minderheiten zur Verfügung steht. In dem Vertrag mit Rumänien selbst ist es abgesehen vom Tarifübereinkommen als Vorteil zu buchen, daß es gelungen ist, entgegen dem Widerstande der Rumänen der vollen Meistbegünstigung zum Durchbruch zu verhelfen, gegen deren Zuerkennung Rumänien anfangs die größten Schwierigkeiten bereitete. Der Abschluß des Vertrages fiel allerdings vor die Konferenzen von Sinaia, Warschau und Bukarest, es konnte daher in diesem rumänischen Vertrag die auf jenen Konferenzen ausgesprochene Absicht nach Einführung einer Präferenz zwischen den Agrarstaaten noch nicht Ausdruck finden. Da die Èechoslovakei an diesen Verhandlungen beteiligt ist, wäre wohl auf die Gefahr hinzuweisen, die das angeregte Präferenzsystem unserer Gesamtwirtschaft bringen kann. Bereits die letzten Verhandlungen in Genf zeigten, daß die Westund Nordstaaten sich entschieden gegen jedes Präferenzsystem wenden, welches der durch die Handelsverträge verbürgten Meistbegünstigung widersprechen würde. Wir müssen berücksichtigen, daß der größte Teil unserer Ausfuhr nicht nach dem Osten, sondern in die West und Nordstaaten geht. Eine besondere Vorzugsstellung in den östlichen Ländern werden wir in Hinblick darauf, daß wir den Oststaaten gerade auf agrarischem Gebiete wenig Entgegenkommen zeigen können, kaum erreichen. Gegenüber den geringen Vorteilen, die wir gegebenenfalls in den Agrarstaaten aus dem Titel der Präferenz erwirken können, sind die Gefahren zu berücksichtigen, die sich durch eine Differenzierung unserer Einfuhr in die Weststaaten ergeben würden. Speziell die Vereinigten Staaten von Amerika dürften die Einfuhr aus jenen Ländern mit höheren Zöllen belegen, welche Agrarprodukte, z. B. aus den Balkanstaaten billiger verzollen als nordamerikanische Agrarprodukte. Nur nebenbei möchte ich auch von dem höheren Einfuhrzoll auf Südfrüchte sprechen, den Koll. Windirsch für Bananen und Orangen fordert. Es darf nicht außeracht gelassen werden, daß die Zahlungs und Kreditverhältnisse der Weststaaten mit jenen der Oststaaten kaum zu vergleichen sind. Und dieses Merkmal ist bei Handelsbeziehungen keinesfalls von unwesentlicher Bedeutung. Es kann sich also eine derartige Präferenz auf unsere Wirtschaft nur nachteilig auswirken, so daß vor Experimenten dringend gewarnt werden muß. Wir müssen insbesondere jedes System ablehnen, welches die meistbegünstigte Behandlung unserer Ausfuhr nach den West und Nordstaaten irgendwie beeinträchtigen kann. Nur die meistbegünstigte Behandlung kann uns alle jene Vorteile sichern, die sich die anderen Staaten bei Vertragsverhandlungen erwirken. Wir müssen dem System der Meistbegünstigung schon deshalb den Vorzug geben, weil bei Verhandlungen mit Großstaaten auf Grundlage eines Präferenzsystems unser verhältnismäßig kleiner Wirtschaftskörper zu wenig wirtschaftliche Macht zur Geltung bringen kann, um die Wünsche unserer Wirtschaft entsprechend durchsetzen zu können. Da dieser Vertrag mit Rumänien eine gewisse Festigung der Handelsbeziehungen mit diesem Staat darstellt, wird meine Partei für diesen Handelsvertrag stimmen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber dem Herrn Außenminister Beneš dringend ans Herz legen, unseren Gesandtschaften und Konsulaten im Ausland die dringende Weisung zu geben, sich mit den Handelsverhältnissen der einzelnen Staaten auch zu beschäftigen. Ich erwähne das deshalb, weil im Gegensatz zu der Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten Udržal im Senat am 16. Oktober, worin er betonte, daß das Netz unserer Vertretungsbehörden im Ausland zwecks Einleitung und Vertiefung der Handelsbeziehungen mit dem Ausland erweitert wird, manche der schon bestehenden Auslandsvertretungen sich scheinbar um die Wirtschaftsverhältnisse überhaupt nicht kümmern. Zur Illustrierung und Beweisführung dieser Behauptung gestatte ich mir, auf das Generalkonsulat in New York hinzuweisen. Ich möchte davon zwei Fälle aufzeigen. In meinen Handelskammersprengel Eger kam ein amerikanischer Einkäufer, welcher sich vom genannten Generalkonsulat ein Bezugsquellenverzeichnis verschafft hatte. In diesem Verzeichnis, das doch authentisch sein soll und das ich in Abschrift hier vor mir habe, sind lediglich zwei Firmen der in Betracht komm enden Branche richtig angeführt. Dagegen zählt die Liste vier Firmen auf, die schon seit Jahren nicht mehr bestehen, ferner zwei Firmen, die als Erzeuger nicht in Betracht kommen, und weiters zwei Firmen, die nicht bestehen und überhaupt nie bestanden haben. Dagegen fehlt eine ganze Anzahl derartiger Exportfirmen.
Ein weiterer Fall. Am 23. März
1930 brachte das "Prager Tagblatt" eine Notiz über einen
Beschluß des nordamerikanischen Senates auf Erhöhung des Spitzenzolles.
Zufolge dieser Meldung, die für die in meinem Handelskammersprengel
Eger hoch entwickelte Spitzenindustrie wichtig war, liefen Anfragen
einzelner Firmen sowohl bei der Handelskammer als auch beim Allgemeinen
deutschen Textilverband ein, ob diese Zeitungsnachricht den Tatsachen
entspreche. Sowohl die Handelskammer als auch der Textilverband
konnten keine Auskunft erteilen, weil sie ohne jegliche an tliche
Nachricht waren. Der Textilverband erhob nun am 8. April 1930,
daß auch im Außenministerium seitens der Gesandtschaften oder
Konsulate keine offizielle Mitteilung eingetroffen sei und erst
am 18. April konnte man im Außenministerium in Erfahrung bringen,
daß tags vorher, also am 17. April der offizielle Bericht im Außenministerium
eingetroffen sei. Unsere zuständigen Stellen waren also wochenlang
ohne Beric te über die wichtigen Vorgänge in den Vereinigten Staaten,
obwohl andere Länder durch ihre Vertretungsbehörde über die Entwicklung
der Dinge zum Vorteil der Wirtschaft laufend unterrichtet waren.
So berichtete z. B. die deutsche "Textilzeitung" in
Berlin schon am 1. April 1930 über den amerikanischen Spitzenzoll
und die dadurch hervorgerufene Erregung in Calais und die Protestkundgebungen
in Nothingham. Das französische Parlament beschäftigte sich schon
in den ersten Apriltagen auf Grund von Informationen seiner Auslandsvertretung
mit den amerikanischen Spitzenzöllen. Das èechoslovakische Generalkonsulat
in New York hat sich, wie aus dieser Schilderung klar hervorgeht,
mit dieser wichtigen Frage, die einen großen Industriezweig dieser
Republik betrifft, gar nicht befaßt. Die Steuerträger dieses Staates
verlangen, wenn sie schon die teueren Auslandsvertretungen bezahlen
müssen, daß sich diese auch mit den Fragen der Wirtschaft beschäftigen.
Dieser Grundsatz sollte aber nicht nur allein für die Auslandsvertretungen
Geltung haben, sondern auch im Innern des Staates für die Verwaltung
eine Richtschnur sein. Dann wäre unserer Auffassung nach auch
der Wirtschaft besser gedient und würde die Bürokratie nicht die
Demokratie auf Kosten der allgemeinen Wirtschaft erwürgen. (Potlesk.)
Hohes Haus! Mein Klubkollege Dr. Luschka hat gestern im Außenausschuß dem Herrn Außenminister Beneš gesagt, daß wir von ihm nicht so sehr Trutz und Wehrund Waffenbündnisse fordern, als vielmehr wirtschaftliche Arbeit. Wir müssen konstatieren, daß bisher die Tätigkeit unseres Außenamtes mehr auf Sicherung unseres Staates und Waffenverträge gerichtet war als auf wirtschaftliche Abmachungen und müssen bedauern, daß die große europäische Bedeutung des Herrn Ministers Beneš keinerlei wirtschaftliche Niederschläge bei unseren Nachbarstaaten gefunden hat. So liegt uns auch jetzt ein Handelsvertrag vor mit einem jener Staaten, die mit der Èechoslovakischen Republik besonders befreundet sind, mit einem Staat der Kleinen Entente. Wir können auch hier leider nicht konstatieren, daß eine besondere Freundschaft des Staates Rumänien zur Èechoslovakischen Republik aus diesem Handelsvertrag zu ersehen wäre. Dieser Handelsvertrag kodifiziert zum größ ten Teil die bisherigen Beziehungen und fügt einige kleine unbedeutende Änderungen hinzu. Was eigentlich das Schwerwiegende an dem Handelsvertrag mit Rumänien ist, ist der Umstand, daß leider unsere Handelsbeziehungen zu diesem Staate sich auf einer absteigenden Linie befinden, denn unsere Ausfuhr ist von 907 Millionen Kè auf 769 Millionen gesunken, ja in den ersten sieben Monaten dieses Jahres auf 359 Millionen heruntergegangen, während die Einfuhr rumänischer Waren ungefähr in demselben Verhältnis gestiegen ist, so daß sie gegen das Jahr 1926, wo sie 480 Millionen betrug, schon in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 315 Millionen ausmacht. Unser Handelsaktivum ist dementsprechend immer mehr gesunken und beträgt im Jahre 1929 nur mehr 296 Millionen, und in den ersten sieben Monaten dieses Jahres knappe 43 Millionen Kronen.
Dabei hat den Hauptanteil an der Einfuhr ein Artikel Rumäniens, der zollfrei ist u. zw. das Mineralöl, was allein 160 Millionen Kè ausmacht.
Der gegenwärtige Handelsvertrag ist ein Kompromißvertrag zwischen den agrarischen und industriellen Interessen. Wir müssen freilich feststellen, daß die Zollnachlässe, die auf einzelne Industrieartikel von Run änien gewährt worden sind, so unbedeutend sind, daß wir dadurch kaum etwa eine Belebung unserer Industrie erwarten können, vor allem nicht unserer Textilindustrie, die bei diesem Handelsvertrag ziemlich schlecht weggekommen ist. Vielleicht wird als Erfolg hingestellt, daß die Zollsätze auf Vieh so ziemlich restlos Anwendung gefunden haben. In anderen Beziehungen hat auch die Landwirtschaft Grund zur Klage über diesen Handelsvertrag. Und gewisse Gegenden, wie Südmähren, werden an der Herabsetzung einzelner Einfuhrzollpositionen durch diesen Handelsvertrag schwer zu tragen haben. Im allgemeinen können wir aber nicht behaupten, daß dieser Handelsvertrag eine solche ungeheuere Wichtigkeit besäße, wie es vielfach in der Presse dargestellt worden ist. Er ist nicht eine Säule unseres Wirtschaftssystems, wie behauptet wurde, denn unsere Ausfuhr nach Rumänien beträgt nur 3·7 % unserer Gesamtausfuhr überhaupt. Wenn wir Südslavien gegen Rumänien halten, so ist die letztere Handelsbilanz für uns geringfügig, und wenn wir die unseres Nachbarstaates Deutschland dagegen halten, verschwindet sie fast. Deutschland allein nimmt 24 % des Gesamtumsatzes unseres Handelsverkehres ein. Daher müssen wir anschließend an den vorgelegten Handelsvertrag die Forderung erheben, daß zwei besonders wichtige Handelsverträge nachfolgen, u. zw. mit Südslavien und vor allem der Handelsvertrag mit Deutschland. Ich kann die Schwierigkeiten, die unsere Unterhändler in Berlin finden werden, begreifen. Die Vorfälle in den Prager Straßen vom 21. bis 26. September sind keine günstige Einleitung für den Handelsvertrag und das Hervorbrechen des Chauvinismus auf wirtschaftlichem Gebiete werden wir höchstwahrscheinlich auch bei den Handelsvertragsverhandlungen bitter zu bezahlen haben. Trotz alledem ist unsere wirtschaftliche Not eine derartige, daß unter allen Umständen an die sofortige Aufnahme der Handelsvertragsverhandlungen mit Deutschland geschritten werden muß, u. zw. mit dem festen Willen, diese auch zu einem gedeihlichen Abschluß zu bringen. Der Abschluß des Handelsvertrages mit Deut chland ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die Möglichkeit, die gegenwärtige Krise, wenn schon nicht ganz beheben, so doch wenigstens in einem gewissen Umfange mildern zu können.
Der Herr Minister Dr. Englis hat in seiner Budgetrede, in der Besprechung der Wirtschaftskrise sich ziemlich optimistisch verhalten. Nun, die nachfolgenden Ereignisse haben ihm nicht Recht gegeben und es ist kaum ein Monat her seit die Wirtschaftskrise bei uns immer ärgere und schwerere Formen annimmt. Ja gerade im letzten Monat hat sich die Krise derart zugespitzt, daß wir mit banger Sorge den kommenden Wintermonaten entgegensehen müssen. Die Krise hat einen solchen Umfang angenommen, daß es notwendig ist, daß die Regierung in zielbewußter Weise Gegenmaßregeln ergreife, denn es ist undenkbar, daß wir mit irgendwelchen Superaktionen, mögen sie größer oder kleiner sein, der Not wesentlich beikommen können. Am 16. Oktober meldete die Textilindustrie, daß die Ausfuhr in den Monaten August und September gegen das Vorjahr um 703 Millionen zurückgegangen ist. Dabei ist diese rückläufige Bewegung noch lange nicht zum Stehen gebracht, denn es steht uns noch der Verlust des englischen Marktes bevor, der für die Textilindustrie 603 Millionen betrug und der wegen der dortigen Zollgesetze verloren gehen soll. Ja, wir stehen mit banger Sorge vor dem 15. Dezember, der die Kündigung des Handelsvertrages mit Ungarn bringt. Es ist zu befürchten, daß wir in Ungarn das mühsam errungene Meistbegünstigungsrecht verlieren und dadurch auf dem ungarischen Markte in eine ungünstige Konkurrenz mit Deutschland und Italien gedrängt werden. Der ungarische Markt bedeutet für uns eine Post von 472 Millionen für die Textilindustrie. Ungünstige Handelsvertragsverhandlungen mit Ungarn oder eine lange Dauer bis zum Abschluß eines neuen Handelsvertrages mit der Meistbegünstigungsklausel für die Textilindustrie hätte zur Folge, daß neuerdings zehntausend Textilarbeiter bei uns brotlos würden. Daß das namentlich wieder das deutsche Gebiet dieses Staates betrifft, ist für uns doppelt bedauerlich und vielleicht auch eine Erklärung, daß man bei der Erörterung dieser Fragen die Sache so ziemlich leicht nimmt und glaubt, daß die Kündigung des Handelsvertrages mit Ungarn eine Kleinigkeit wäre. Wir befinden uns Ungarn gegenüber in einer sehr schlechten Position und das verdanken wir wieder unserer Außenpolitik, so daß wir gegen die anderen Staaten ins Hintertreffen kommen, da unsere Außenpolitik alles Mögliche ersonnen und durchgeführt hat, um uns in Ungarn verhaßt zu machen, um dem èechoslovakischen Kaufmann in Ungarn die Tür zu verschließen. Dazu steigert sich die Not von Tag zu Tag. Die Klagen der Landwirtschaft werden lauter und stärker, wie wir es soeben vom Koll. Zadina gehört haben und es ist Tatsache, daß die Preisbildung auf dem Weltmarkte für landwirtschaftliche Artikel jetzt eine derartige ist, daß die erzielten Preise nicht mehr die dürftigsten Gestehungskosten auch nur teilweise decken. Was glauben Sie, was man dem Bauer in Stecken bezahlt, der für 14 Kè franko Waggon die Kartoffeln abliefern muß? Die Arbeit, den Dünger, das Anlagekapital? Nichts von alledem! Und das ist wohl die große Tragik dieser Preiskatastrophe, daß die Produzenten ungeheuere Opfer bingen, ohne daß diese Opfer der Gesamtheit des Volkes zugute kämen. Das ungeheuerliche Mißverhältnis zwischen Produktion und Konsumpreisen ist wohl ein Teil des Inhaltes der jetzigen Krise. Dadurch, daß die ungeheure Preissenkung, die den Landwirt verelendet, nicht bis zum Konsumenten vorgedrungen ist, ist der Anreiz zur Belebung des Konsums weggeblieben, und auf der anderen Seite ist der erwartete Abbau der Gestehungskosten, der notwendig wäre, nicht eingetreten. So sehen wir überall einen ungeheueren Tiefstand der Urprodukte, einen ungeheueren Tiefstand der Rohstoffe, aber die Preissenkung ist weder bis zum Konsumenten vorgedrungen, noch hat sie die Fertigfabrikate namhaft ergriffen.
Um nur einige Ziffern anzuführen; im Vergleich zum Jahre 1914 stellen sich die Großhandelspreise nach Feststellung des statistischen Staatsamtes zum Septemberbeginn in Gold berechnet für Weizen mit 76·5, Roggen 67·8, Weizenmehl 84·5, Roggenmehl 75·9, Rohzucker 57·5, Kakao 53, Kartoffel 27, Baumwolle 93. Man sieht, daß die Agrarprodukte überall gefallen sind und weit unter der Friedensparität stehen. Die Fertigprodukte aber dem gegenübergestellt weisen auf: Bier 139·4, Eisen 107·5, Steinkohle 167, Spiritus versteuert 267, Zement 115·9. Im allgemeinen stellen sich die ausländischen Industrieprodukte auf 102, die inländischen auf 136·7. Da sehen wir eines ganz klar, daß alle jene Produkte, die von Kartellen hergestellt werden, die große Diskrepanz zwischen Rohstoffen und Fertigfabrikaten aufweisen. Von diesen kartellmäßig bewirtschafteten Artik eln, sind auch die landwirtschaftlichen Kartellartikeln, namentlich der Zucker nicht ausgeschlossen. Wenn wir den Konsum heute befragen, so sehen wir z. B., daß in Südböhmen die Kartoffeln 14 Kè per Meterzenter, also 14 Heller per Kilo franko Waggon kosten, daß aber in den nordböhmischen Stä dten heute noch die Kartoffeln mit 60 bis 90 Heller angeboten und verkauft werden. Die Herabsetzung des Preisniveaus gelangt nicht zum Konsumenten und das ist der wichtigste Teil der Krise. Nun haben wir allerdings ein eigenes Ministerium, das sich mit diesem Übelstand zu beschäftigen hätte, wir haben eine großartige Institution, ein eigenes Ernährungsministerium, dessen ausdrückliche Aufgabe die Behandlung dieser Angelegenheit wäre. Wo bleibt aber der Herr Ernährungsminister angesichts dieser Umstände? Das Ernäh rungsministerium macht alljährlich einmal im Juli von sich reden, wenn es einen Versuch mit untauglichen Mitteln zur Festsetzung der Kirschenpreise unternimmt. Im übrigen ernährt es aber scheinbar nur seine Beamten. Einmal war das Ernährungsministerium sehr agil u. zw. alle seine angestellten Kräfte, als man nämlich im Jahre 1929 daran ging, dieses Ministerium wegen vollständiger Überflüssigkeit abzubauen und aufzuheben.
Die jetzige Preiskrise, diese Disparität zwischen Erzeugungs und Produzentenpreisen läßt eigentlich bedauernswert erscheinen, daß damals dieser Beschluß nicht durchgeführt wurde. Ich weiß nicht, warum sich der Herr Ernährungsn inister an das Problem nicht heranwagt, vielleicht deshalb, weil er Rücksichten auf die sozialdemokratischen Konsumvereine nimmt, damit diese durch die Preissenkung nicht allzusehr geschädigt werden.
Herr Minister Englis erklärt in seiner Budgetrede, sich zwischen dem Verbraucher und dem Niveau der Großhandelspreise sei eine unübersteigbare Barriere, die letztenendes die Krise verlängert. Die Barriere der Vermittler, die der Verteilung der Güter dient, die Barriere der Verkäufer ist der Mittelpunkt des Problems. Das ist richtig. Aber in dieser Barriere, die die Preissenkung von Produktions und Großhandelspreisen, von Rohstoffen und Feldprodukten an den Konsumenten der Fertigwaren und der Lebensmittel aufhält, steht der Herr Finanzminister selbst als das gefährlichste und größte Hindernis, u. zw. wegen der ungeheueren Belastung der Wirtschaft mit den verschiedensten Abgaben. In scheinbarer Erkenntnis des Umstandes geht der Herr Finanzminister daran, dieses Abgabenverhältnis zu ändern, aber nicht etwa nach unten, sondern nach oben. Die Abgaben und Steuern werden noch erhöht, wie wir vorgestern aus den neuen Steuervorlagen hier im Hause ersehen haben. Statt auf dem Wege der Verbilligung selbst beispielgebend voranzugehen, unternimmt die Staatsverwaltung gerade das Gegenteil und tritt selbst als Verteuerer und Erschwerer der gesamten Wirtschaft auf. Nicht Begünstigung der Preissenkung, sondern Begünstigung der Preissteigerung und Verteuerung des gesamten Wirtschaftsprozesses! Das war wohl der ungeeigetste Augenblick, hier im Hause neue Steuergesetze aufzulegen, neue Bela stungen für den Konsum, neue Belastung en sowohl für den Groß-, wie für den Detailhandel zu schaffen, und es gehört seitens der einzelnen Parteien mehr als politischer Mut dazu, ich möchte sagen politische Verwegenheit, in der jetzigen Not neue Steuern zu beschließen und mit neuen Belastu ngngen vor die Bevölkerung hinzutreten.
Die außerordentliche Not würde außerordentliche Maßnahmen rechtfertigen. Der Hauptteil der gesamten Krise ist in der Industrie die Textilindustrie. Die Textilindustrie hat erklärt, daß eine Belebung des Geschäftes möglich wäre, wenn gewisse staatliche Bedingungen einträten. Als solche nennt sie in erster Linie die Gewährung von billigen Exportkrediten, eventuell die Bereitstellung von Exportprämien. Es ist aber im Rahmen des Voranschlages, so weit wir ihn beurteilen können, wenn nicht etwa wieder eine unbekannte Milliarde irgendwo herauskommt, heute nichts dafür vorgesehen. Eine großzügige Aktion ist also nicht möglich. Wir verlangen daher, daß außerordentliche Maßnahmen ergriffen werden, und wenn der Herr Finanzminister sich gegen die Aufnahme einer Anleihe noch so sehr sträubt, so ist sie doch notwendig, weil die außerordentliche Not eben außerordentliche Maßnahmen erfordert. Notwendig ist ferner die Aufnahme einer Notstandsanleihe zur Belebung der Textilindustrie in Form von Gewährung von Exportkrediten und Beistellung von Exportprämien, ferner zur Schaffung produktiver Arbeitslosenfürsorge; denn an Arbeit mangelt es nicht. Das ist ja das Ungeheuerliche, daß wir hunderttausend arbeitslose Menschen im Staate haben und Arbeit für mehrere Hunderttausende bereit da liegt. So ist unser Straßenelend weltbekannt und sprichwörtlich und doch können die Straßen nicht ausgebaut werden. Man läßt die Arbeitslosen zu Tausenden und Abertausenden müssig darauf spazieren gehen, weil der Staat sich nicht entschließen kann, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen und eine größere Investitionsanleihe aufzunehmen, um so produktive Fürsorge zu leisten. Nicht Hungermauern sollen gebaut werden, wie der Herr Finanzminister erklärt hat, absolut nicht, sondern solche Arbeiten, die sich später wieder in der Wirtschaft verzinsen und das aufgewendete Kapital als gut angelegt erscheinen lassen.