Ètvrtek 25. záøí 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 70. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 25. záøí 1930.

1. Øeè posl. dr Keibla (viz str. 13 tìsnopisecké zprávy):

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ehe ich in die Besprechung des Gesetzes, das auf der Tagesordnung steht, eingehe, muß ich wohl, gezwungen durch die Besonderheit der Verhältnisse, zu sprechen kommen auf die ganz ungeheuerlichen Vorfälle, welche sich seit 3 Tagen hier in Prag wiederholen und welche ihren vorläufigen Höhepunkt in der gestrigen Nacht gefunden haben. (Rùzné výkøiky nìmeckých poslancù. - Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Keibl (pokraèuje): Ganz ungeheuerliche Vorfälle sind es, welche sich hier abspielen und welche, glaube ich, nicht betrachtet werden können als Einzelerscheinungen, sondern welche betrachtet werden müssen als Enderfolge oder vorläufige Enderfolge einer Kette von Voraussetzungen (Rùzné výkøiky.), die vor allem anderem ein ganzes System hier aufzeigen, das sich in letzter Linie gegen uns Deutsche wendet. Man würde glauben, es ist Wahnsinn, was sich da auf den Gassen unter der Patronanz der èechischen nationaldemokratischen Partei, unter der Patronanz der nationalsozialistischen Partei und unter der Patronanz dieser desolaten Gruppe Pergler, Støíbrný und Konsorten abspielt. (Výkøiky posl. dr Perglera.)

Aber es ist nicht nur Wahnsinn, es liegt auch Methode darin, und darum dreht es sich. Politische Marodeure sind wieder einmal an der Arbeit. (Výkøiky posl. dr Perglera. - Rùzné výkøiky.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Keibl (pokraèuje): Die èechische Volksseele kocht wieder einmal. (Výkøiky posl. dr Hassolda, Horpynky, Gajdy, Matznera, dr Hanreicha. - Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Keibl (pokraèuje): Die èechische Volksseele kocht wieder. (Výkøiky posl. Gajdy a dr Hassolda. - Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Keibl (pokraèuje): Die èechische Volksseele kocht wieder einmal und zum Kochen ist sie gebracht worden .... (Výkøiky posl. dr Perglera, Horpynky, dr Hassolda, Matznera a komunistických poslancù.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Keibl (pokraèuje) .... von einer gewissen Boulevardpresse. (Rùzné výkøiky. - Hluk.) Ich stelle fest, daß diese Hetze der èechischen Boulevardpresse weiter geht und daß ihr Ende wahrscheinlich noch nicht abzusehen ist. Es scheint vielmehr, daß man sich auf alle diese Dinge hier wie auf einen normalen Zustand einrichten muß, und es ist selbstverständlich, daß wir deutsche Volksvertreter derartige Dinge nicht dulden dürfen.

Ist es denn wirklich wahr, daß die Aufführung einiger deutscher Tonfilme die eigentliche Ursache aller dieser Dinge ist? Ich will ja nicht einmal darauf hinweisen, daß die deutschen Tonfilme hier wochenlang ge spielt wurden, ohne daß sich jemand darum gekümmert hat, und plötzlich, ich möchte sagen, in dem Augenblicke, wo die Fremdensaison, wo die Zeit der internationalen Kongresse vorüber zu sein scheint, wo man glaubt, wieder unter sich zu sein, da erinnert man sich, daß man sich zu entrüsten habe. (Posl. dr Pergler: Takovým zpùsobem se opovažuje Nìmec v èeskoslovenském parlamentì mluviti o lidech, kteøí byli pøi zakládání republiky!) Schweigen Sie, Herr Pergler! (Rùzné výkøiky. - Hluk.) Wochenlang hat man sich nicht entrüstet, und jetzt auf einmal entrüstet man sich. (Výkøiky posl. Horpynky.) Was ist in der vergangenen Zeit alles geschehen? (Výkøiky nìmeckých a komunistických poslancù.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Keibl (pokraèuje): Im Sommer konnten unter dem Schutz der Regierung (Hluk trvá.) die èechischen Turnvereine, die Sokoln, in deutsche Gemeinden, in deutsche Städte hinauswandern, um dort bei Gott nichts anderes zu machen, als die deutsche Bevölkerung öffentlich auf das schwerste zu provozieren. (Potlesk na levici.) Ich muß sagen, daß das ein großes Stück Zumutung an unsere deutsche Bevölkerung war, und ich muß ihr von dieser Stelle aus Dank sagen, daß sie die Nerven bewahrt hat und auf die Provokationen nicht hereingefallen ist. Das wäre Ursache gewesen, daß einmal die deutsche Volksseele gekocht hätte (Souhlas na levici.), das wäre bei Gott Ursache gewesen, daß sie auf all diese Dinge reagiert und gezeigt hätte, wer eigentlich da drau ßen wohnt und eigentlich Herr im Hause ist. Aber die deutsche Bevölkerung hat Ruhe gehalten, hat ein beispielgebendes Verhalten an den Tag gelegt. Sie hat vor allem gezeigt, daß das deutsche Volk auf einer hohen Kultur- und Zivilisationsstufe steht (Potlesk na levici.), daß das deutsche Volk turmhoch steht über jenen, die nichts anderes können, als im Dunkel, in der Nacht, fragwürdige Existenzen aus den dunkeln Schlupfwinkeln herauszulocken und sie auf friedliche Staatsbürger zu hetzen. Der Unterschied ist so groß, daß dem eigentlich nichts weiter hinzugefügt werden muß. Das Verhalten der deutschen Bevölkerung und das Verhalten der èechischen Bevölkerung in den letzten Tagen spricht ganze Bände für sich. (Hluk trvá.) Ich habe gestern diese Demonstrationen mitgemacht, nicht als aktiver Teilnehmer, sondern weil ich zufällig hinzugekommen bin, und weiß, was da alles geschehen ist. In das Kaffee "Elektra" ist geschossen worden. (Výkøiky: Hört! Hört! - Rùzné výkøiky.) In vielen Kaffeehäusern und Kinos ist gewüstet worden. (Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid. (Výkøiky.)

Posl. dr Keibl (pokraèuje): Was hat um Gottes Willen mit dem Tonfilm das deutsche Theater zu tun, eine Stätte ganz anderer kultureller Betätigung, eine Stätte, die ja doch eigentlich - das ist ja kein Geheimnis eine gemeinschaftliche Kulturstätte auch der èechischen Bevölkerung ist, weil es ja bekannt ist, daß auch die èechische Bevölkerung ihre Kulturbedürfnisse teilweise im deutschen Theater befriedigt. Eine ganze Menge Fensterscheiben ist entzwei gegangen. Das wäre noch zu verschmerzen. Aber wie kommen friedliche Besucher einer Kulturstätte dazu, daß sie sozusagen in Gefahr kommen, durch Panik und all das, was damit zusammenhängt, am Leib Schaden zu leiden? Das ist eine öffentliche Gefährdung, die das Verbrechen der öffentlich en Gewalttätigkeit in sich schließt. (Výkøiky posl. dr Hassolda.)

Wie hat sich aber die Polizei in diesem Falle betätigt? Ich bin der Letzte, der nach der Polizei ruft, ich bin der Letzte, der nicht die Freiheit des Staatsbürgers zu schätzen weiß. (Výkøiky posl. dr Hanreicha.) Wenn ich mir den Unterschied betrachte, wie die Polizei gleich bereit ist, wenn einmal die Arbeiter irgendwo demonstrieren, wie sie gleich bereit ist, Gruppen, welche für ihre materiellen Güter einstehen, auseinanderzutreiben und wie sie sie behandelt, und wenn ich mir den Unterschied in der gestrigen Betätigung der Polizei vergegenwärtige, ist es so, als ob ich sagen müßte: Hier hat die Polizei geradezu mitgeholfen. Die Polizei stand nicht auf Seite der Gefährdeten, sie stand auf Seite der Ruhestörer. Sie ist mit strahlendem Gesicht neben dem Demonstrantenzug gegangen, sie hat sich sichtlich gefreut, wenn wieder einmal gegen die Juden und gegen die Deutschen Schmährufe ausgestoßen worden sind, und hat es geflissentlich vermieden, an der Stätte im Moment des Aufruhrs rechtzeitig zu erscheinen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr Lukavský.) Sie hat es immer so einzurichten verstanden, daß sie nach vollbrachter Tat kam. (Výkøiky. Hluk.) Meine Herren, gestern war der vierte Tag, da derartige Dinge vorgekommen sind. (Hluk.) Das Polizeipräsidium mußte derartige Dinge vorausgesehen haben, wenn nicht, dann gehört es eben weggejagt zu werden. Wir werden ja sehen, was weiter geschieht. Wir dürfen doch nicht glauben, daß das Einzelerscheinungen sind, daß das Dinge sind, die sich heute ereignen und morgen auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Meine Herren, es steckt System in der ganzen Sache. Ich behaupte, es geht eine gerade Linie von der berühmten Rede des Herrn Ministerpräsidenten Udržal in Lipan, wo er darauf hinwies, daß die Èechoslovakei angeblich überall von Feinden umgeben sei und wobei er schon damals sozusagen gezeigt hat, wo die angeblichen Feinde sitzen, die man sich gelegentlich auf's Korn zu nehmen hätte. Von dieser Rede angefangen über die Sokoleinmärsche in das deutsche Gebiet (Výkøiky posl. Gajdy a Horpynky. - Hluk.) über das herrliche Verhalten des Außenministers Beneš in Genf (Hluk.) bis zu den gestrigen Ereignissen, führt eine Linie. (Hluk trvá.) Glauben Sie denn, meine Herren von der èechischen Seite, daß es gar so schwer wäre, eventuell die Revanche herbeizuführen? Glauben Sie, daß es gar so schwer wäre, in Österreich und in Deutschland vice versa auch gegen die èechische Kultur ähnliche Dinge aufzuführen? Wir können natürlich das, was wir hier als unerträglich und unerhört bezeichnen, anderswo nicht gutheißen; aber schließlich und endlich wird auch einmal die Geduld reißen, und abgesehen davon: Wir sind nicht verantwortlich für das, was anderswo geschieht, wenn anderswo im Deutschen Reiche und in Österreich die Notwendigkeit erkannt würde, den hiesigen Elementen klar vor Augen zu führen, daß sie ja doch nicht auf einem èechischen Globus allein sitzen, daß sie sich einzuordnen haben in die europäische Kulturwelt. (Výkøiky posl. dr Perglera a dr Hanreicha.)

Meine Herren, wir verlangen den ausreichenden Schutz des deutschen Eigentums und der deutschen Person, wir verlangen, daß sich hier der Minister des Innern einstelle und offen erkläre, was er zum Schutze deutschen Eigentums, deutscher Kultur und deutscher Personen vorzukehren gedenkt. Gleichzeitig machen wir aber auch die politischen Parteien verantwortlich für all das, was geschehen ist und für all das, was eventuell noch geschehen wird. Und ich wiederhole noch einmal: Wir sind überzeugt, daß diese Dinge weitergehen und daß sie mit jedem Tage ärger werden und daß wir nicht allzuweit haben zu den Zuständen, wie wir sie schon einmal hier gesehen haben, nur daß damals die Ursachen andere waren. Wir verlangen von den deutschen Regierungsparteien, von den deutschen Ministern, daß sie sich dieser Dinge annehmen und mit uns sozusagen in einer Reihe kämpfen. Die weiteren Maßnahmen parlamentarischer und agitatorischer Art in jeder Richtung behalten wir uns vor, bis wir wissen, wie diese Angelegenheit endgültig erledigt worden ist. (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)

Nun will ich zum Gegenstand der Tagesordnung übergehen. Über das Wesen dieses Gesetzes, welches den Staatsbeamten einen Bettel gibt und mehr erscheinen will, als es ist, will ich mich meritorisch nicht einlassen; das ist von unserer Partei bereits geschehen. Aber ich will den Umstand, daß die Regierung es für notwendig gehalten hat, in der jetzigen Zeit den Staatsbeamten etwas mehr als sonst zukommen zu lassen, benützen, um die Frage vorzulegen, warum all das wohl geschehen ist. Es müssen ganz besondere wirtschaftliche Zustände sein, welche den sonst schwer zu bewegenden Herrn Finanzminister bewogen haben, sein Beutelchen aufzumachen und unter vielen Wenn und Aber dem armen Staatsangestellten etwas zuzubilligen. Der Grund sind die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse und so führt mich das automatisch und von selbst zu einer kurzen Betrachtung der heutigen wirtschaftlichen Lage. Es besteht eben dieser Zusammenhang, und da die wirtschaftliche Lage, in der wir heute leben, so außerordentlich schwer ist, ist es notwendig, daß auch darüber ei nmal im Parlament gesprochen werde, umsomehr, als auf Seite der verantwortlichen Faktoren scheinbar gar kein sonderliches Interesse besteht, dieser Frage näher zu treten, ja daß man sich hier beiläufig die Ansicht zurechtlegt, eine wirtschaftlich schlechte Lage, eine Wirtschaftskrise besteht nur dann und insoweit, als die Regierung es für gut hält, sie zuzugestehen. So weit sie offiziell nicht zugestanden ist, besteht sie nicht, und wir wissen ganz genau, daß der Herr Finanzminister heute noch auf dem Standpunkt steht, daß eine derartige wirtschaftliche Krise nur teilweise oder überhaupt nicht besteht. Und doch ist es immer klarer, daß die gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten überaus ernster Natur sind. Es handelt sich um eine Welterscheinung, nicht um eine gewöhnliche Krise, sondern um die Folgen radikaler Änderungen des Organismus der Weltwirtschaft, die vor allem auf die stellenweise zu starke Rationalisierung, auf die Bestrebungen nach Neuschaffung von Industrien in den neuen Staaten, sowie auf den Rückgang der Verbrauchskraft weiter Schichten der Bevölkerung zurückzuführen sind. Wir haben es offenbar mit einer Störung des Gleichgewichts der Erzeugung und des Verbrauches zu tun, es kann die notwendige Gleichgewichtslage nicht gefunden werden. Die Wirtschaftsziffern der Èechoslovakei bringen diese ungünstige Entwicklung klar zum Ausdruck. So stiegen die Konkurse von 34 im Juni 1929 auf 72 im Mai 1930 und 76 im Juni 1930, 66 im Juli 1930. Die Zahl der Ausgleiche betrug im August 1929 185, heuer: im Mai 394, Juni - 317, Juli - 315. Die Zahl der arbeitslosen Stellenwerber betrug April 1930 - 79.721, im April 1929 43.094, im Mai 1930 - 77.669, im Mai 1929 - 36.186, im Juni 1930 - 73.464, im Juni 1929 - 34.434. Der Umfang der Arbeitslosigkeit ist aber weit größer, weil in den angegebenen Ziffern die Arbeitslosen, die sich bei den Arbeitsvermittlungsanstalten nicht gemeldet haben, sowie die Kurzarbeiter nicht enthalten sind. Wurden noch im Oktober 1929 1,969.380 Überstunden geleistet, so betrugen sie im April 1930 - 475.434, im Mai 1930 384.784, im Juni 1930 583.421. Auf den Eisenbahnen ging die Zahl der beigestellten Waggons in der Zeit vom Jänner bis Juni 1930 um 196.000 gegen die gleiche Zeit im Vorjahre zurück. Wir sehen und hören in einem fort, daß in den verschiedenen Betrieben Kurzarbeit eingelegt wird, daß massenweise Arbeiter gekündigt, Unternehmungen, auch alte und angesehene, eingestellt und liquidiert werden. Dabei darf allerdings die Tatsache nicht unerwähnt bleiben, daß die jetzige Krise von einigen Wirtschaftsführern geradezu mißbraucht wird, um unter dem Vorwande notwendiger Zentralisation von Betrieben alte, lebensfähige Arbeitsstätten mit einem Federstrich aufzulassen und die betroffenen Arbeiter samt ihren Familien dem Hunger und Elend zu überantworten. Ich meine das Eisenwerk Rothau-Annatal und die Fabriken des Mauthnerkonzerns im Polzentale. Jeder Mensch, der die Verhältnisse kennt, weiß, daß es nicht nötig war, die Rothauer Eisenwerke aufzulassen. Nur Leute, denen jedes soziale Verantwortungsgefühl durch den jahrelangen Bezug übermäßiger Gehalte und Tantiemen vollständig abhanden gekommen ist, konnten sich über alle Bedenken, die ihnen rechtzeitig und eindringlich von den verschiedensten Seiten vorgebracht wurden, einfach hinwegesetzen. Ganz ähnlich liegt es mit den Textilbetrieben des Polzentales, wenn auch dort das große Sterben nicht auf einmal, sondern erst nach und nach erfolgen soll. Es ist ganz merkwürdig, daß die Regierung, die sonst ihre Nase in jede Kleinigkeit zu stecken beliebt - ich erinnere an die beliebten Spionageaffären mit harmlosen Touristen hier gar nichts unternommen hat, um diesem herostratischen Beginnen zu wehren. Im Gegenteil, sie schmunzelte sehr befriedigt dazu und billigte alles das, ja noch mehr, es wurde versucht, für die brotlos gewordenen Rothauer-Annataler neue Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen. Dies wäre nur mit Hilfe der Regierung gegangen. Diese Hilfe der Regierung ist verweigert worden. Der Grund, meine Damen und Herren, ist sehr einleuchtend, denn es handelt sich in erster Linie um deutsche Gebiete, um deutsche Arbeiter, und da hat man natürlich gar nichts erreicht. (Výkøiky komunistických poslancù.) Die Rothauer Eisenwerke werden eigentlich nicht aufgelassen, sie werden nur nach Ostrau übetragen, um dort mehr Arbeitsmöglichkeiten zu bieten. Dasselbe geschieht mit den Textilbetrieben in Polzental. Auch sie werden nicht aufgelassen, aber man vereinigt sie mit den Textilbetrieben um Nachod herum und schafft im èechischen Gebiete mehr Arbeitsmöglichkeit, ein großes Industriezentrum, auf Kosten des deutschen Gebietes, des deutschen Arbeitsplatzes, der deutschen Wirtschaft.

Derzeit kann niemand sagen, ob der Tiefpunkt des allgemeinen wirtschaftlichen Niederganges bereits erreicht ist oder nicht, noch weniger, ob sich daran alsogleich ein wenn auch noch so unbedeutender Aufstieg anschließt oder aber - und das ist das wahrscheinlichere - ob nicht der Tiefpunkt der Wirtschaftslage sich sozusagen zu einer flachen Ebene auswächst, auf der die Wirtschaftsposition eine Zeit lang liegen bleibt, ehe sie sich besinnt und vielleicht allmählich eine aufsteigende Linie wieder beginnt. Für diesen Staat ist seine zahlreiche von Österreich ihm gebliebene Industrie eine schwere Belastung. Sie ist für seinen inneren Markt zu groß. Und doch ist für die Wirtschaft jedes Staates der innere Markt von hervorragender Bedeutung. Ihn ununterbrochen zu beobachten und seine Aufnahmsfähigkeit zu stärken, muß das Bestreben der Regierung und aller Wirtschaftsorganisationen sein. Der hiesige innere Markt zählt im besten Falle 14 Millionen Verbraucher; selbst in normalen Zeiten sind ihre Bedürfnisse ganz ungleich. Die Slowakei und Karpathorußland stehen hinsichtlich ihrer kulturellen und zivilisatorischen Bedürfnisse noch weit unter dem Durchschnitt des Westeuropäers. Aber selbst in den westlichen Ländern dieses Staates wird dieser Durchschnitt nur stellenweise erreicht, niemals aber überschritten. Der Verbrauch der Èechoslovakei ist selbst in normalen Zeiten ein solcher, daß man sagen muß, er habe einen kleinbürgerlichen Zuschnitt. Nun leben wir aber derzeit gar nicht in normalen Zeiten. Die übergroße Mehrzahl der Verbraucher hat ein Einkommen, das tief unter dem gesetzlichen Existenzminimum liegt, und nur wenige erreichen es, und nur einige ganz geringe Ausnahmen halten sich darüber. Daher wird allenthalben der Verbrauch auf das unumgänglichst notwendige eingeschränkt, ja, es kann stellenweise geradezu von einem Käuferstreik gesprochen werden. Der ohnehin enge innere Markt wird dadurch noch noch enger. Das drückt auf den Gewerbe- und Handelsstand, auf den Detailisten, der Druck geht weiter nach rückwärts und erreicht den Grossisten und Erzeuger. Dieser schränkt seinen Betrieb wieder ein, es kommt zu einer neuerlichen Arbeiter- und Angestelltenentlassung. Dadurch aber werden wieder eine ganze Anzahl von Verbrauchern in wirtschaftliche Schwierigkeiten versetzt, ihre wirtschaftliche Kraft wird abgewürgt, der innere Markt wird wieder schwächer, der circulus vitiosus ist geschlossen. Wer sich dem Glauben hingibt, daß da mit Maßnahmen, wie z. B. der dreizehnte Monatsgehalt der Beamten, etwas dauernd zu bessern sei, der dürfte sich allerdings schwer täuschen. Ich brauche wohl nicht erst zu erklären, daß ich die rascheste Auszahlung dieses Bettels, der sich stolz 13. Monatsgehalt nennt, was er ja gar nicht ist, und da mit einem Tam-Tam in die Welt gesetzt wird, der einer besseren Sache würdig wäre, an die Beamtenschaft für unbedingt notwendig erachte. Aber ich halte es für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß damit dem stockenden Konsum, der Krise auf dem inneren Markte noch keine Hilfe gebracht ist und auch den Verbraucherkreisen, was die Beamtenschaft selbst betrifft, noch lange nicht gedient ist, daß noch vieles andere wird unternommen werden müssen und daß insbesondere die Regierung nicht denken darf, daß damit jetzt schon vielleicht alles getan ist und daß wirklich nichts mehr weiter zu tun übrig bleibt.

In dieser Beziehung sind sich wohl alle darüber einig, daß der mangelnde Absatz nicht durch eine künstige Inflation der Kaufkraft der konsumierenden Bevölkerung, sondern nur dadurch gesteigert werden kann, daß Maßnahmen getroffen werden, die es ermöglichen, daß sich die Preise allgemein und dauernd senken. Es ist doch eine ganz offenkundige Tatsache, daß fast alle Rohprodukte im Preise derart gefallen sind, wie noch nie zuvor; Kupfer, Zink, Gummi, Kaffee, Wolle, Baumwolle und jetzt wieder in Amerika das Getreide zeigen einen Tiefstand der Kurse. Man müßte glauben, daß sich diese Umstände auch auf die Preise unseres inneren Marktes auswirken müssen. Aber wir sehen nicht allzuviel davon, keinesfalls können wir sagen, daß die Preise auf dem inneren Markt in ähnlichem Maße sinken, wie die Preise der Rohstoffe auf dem Weltmarkt. Gewiß hat auch die Stetigkeit eines Marktes manches Gute für sich. Schließlich ist es auch in normalen Zeiten Aufgabe des Zollschutzes, zu verhindern, daß die Folgen einer ausländischen Krise sogleich in ihrer ganzen Wucht auf dem Inlandsmarkt verspürt werden. Aber derzeit liegen die Verhältnisse doch anders. Die Tatsache ist nicht wegzuleugnen, daß die Preise der meisten wirklich zum Lebensunterhalt notwendigen Bedarfsartikel die Kaufkraft des allergrößten Teiles unserer Bevölkerung übersteigen. Sollen sich beide Teile, Käufer und Verkäufer, finden, dann müssen hiezu die Voraussetzungen geschaffen werden. Nach Lage des Falles können sie nur darin bestehen, daß der Staat es den Verkäufern, also Unternehmern, Erzeugern, Gewerbs- und Handelsleuten möglich macht, mit den Warenpreisen herunterzugehen. Kein Verkäufer hat ein Interesse an teueren Preisen. Er weiß ganz genau, daß er mehr verdient und leichter verdient, wenn er billig und viel verkaufen kann, als wenn er teuer und selten verkaufen muß. Also auf Seite der Verkäufer ist zwar der Wille, in den meisten Fällen aber nicht die Möglichkeit vorhanden, selbst und ohne Mithilfe des Staates die Warenpreise soweit abzubauen, daß der normale Verkehr zwischen beiden Teilen in dem Maße wieder aufgenommen werden kann wie etwa in der Vergangenheit.

Aber nicht allein den inneren Markt dürfen wir betrachten, wir müssen auch den äußeren Markt betrachten, das heißt unseren Export. Unser innerer Markt ist eng, unsere Industrie ist groß. Sie kann sich mit dem inneren Markt nicht zufrieden geben. Wer das von ihr verlangt, der fordert von ihr, daß sie die größte Zahl ihrer Betriebe schließen, ihre Arbeiter und Angestellten entlassen soll. Das Heer der Arbeitslosen vermehren heißt aber, den inneren Markt immer mehr und dauernd schwächen. Von dem mit solchen Maßnahmen verbundenen Kapitalsverlust will ich gar nicht sprechen. Andererseits hat ein so enger und schwacher innerer Markt, wie der der Èechoslovakei, nur einen großen Vorteil davon, wenn der inländischen Erzeugung der große Weltmarkt offen steht und geöffnet bleibt. Dadurch erhalten die zahlreichen abgeleiteten Existenzen ständigen Verdienst, mit dem sie ihre und ihrer Genossen Kaufkraft erhöhen. Für die Erzeugung ist eine ganz andere Grundlage gewonnen, die normalen Gestehungskosten werden kleiner, daher können dann die Waren für den inneren Markt billiger geliefert werden, als wie von einer Erzeugung, die nur und einzig auf den inneren Markt eingestellt ist. Aber auch da kann die Staatshilfe nicht entbehrt werden. Wir müssen aber mit großer Verwunderung, ja mit Erbitterung feststellen, daß die Staatsverwaltung allen diesen Problemen keine Aufmerksamkeit schenkt.

Ein Kapitel für sich ist die Frage der Kreditbeschaffung. Wenn man sich vorstellt, daß die Bankrate 4 % beträgt, so muß man sich doch eigentlich wundern, daß es im wirklichen Kreditverkehr nirgends möglich ist, Geld um 4% zu erhalten. Wer heute in der Èechoslovakei zu irgendeinem Zwecke, auch zu produktiven Zwecken Geld sucht, wird erfahren, daß er 7, 8 und noch mehr Prozent zu bezahlen hat. Es ist, als ob der Nationalbank der Mut fehlen würde, regulierend auf dem Geldmarkt einzugreifen. Es ist, als ob hier ein Fehler unterlaufen würde, der zweifellos nur von regierungswegen beseitigt werden kann. Es muß die Nationalbank in die Lage versetzt werden, hier wirklich regulierend eingreifen zu können, so daß sich tatsächlich der Kreditzinsfuß von der Bankrate nicht allzusehr unterscheidet. Es ist ja an gewissen Stellen genug Kapital vorhanden. Es ist nur nicht möglich, unter den heutigen Verhältnissen dieses Kapital dorthin zu leiten, wo es gebraucht wird. Ich will nicht darauf hinweisen, daß der Weg des Kreditsuchenden über den Kreditgeber bis dorthin, wo er den Kredit empfängt, ungemein lange und dornenvoll ist, bespickt mit allen möglichen bürokratischen Sachen, und daß es halbe Jahre und oft noch länger dauert, ehe der Kreditgeber alles durchstudiert und durchgelesen, sich seine Meinung gebildet hat, ob der Kreditgeber des Kredits würdig ist, bis er ihm schließlich den Kredit zukommen läßt. Das alles ist ein schleppender Gang, viel zu lange und nur erklärlich dadurch, daß gerade diejenigen Stellen, bei denen sich die Kapitalsakkumulation behauptet, beiläufig so konstruiert sind, wie die alten Sparkassen. Ich meine die verschiedenen Versicherungsanstalten, vor allem die Zentralsozialversicherungsanstalt. Ausgehend von dem Prinzipe, daß die von diesen Anstalten gegebenen Kredite mündelsicher sein müssen, ist es wohl selbstverständlich, daß Vorsichten eingehalten werden müssen, die bei bankmäßigen Krediten vielleicht außer Betracht bleiben könnten. Ich bin der Letzte, der das bezweifelt, aber ich behaupte, daß es doch Mittel und Wege geben müßte, um diese großen Mengen von Geld, die aus der werbenden Wirtschaft herausgezogen worden sind, auch dieser werbenden Wirtschaft wieder zuzuführen, ohne diesen ungeheueren bürokratischen Apparat in Bewegung setzen zu müssen, ohne soviel Zeit zu brauchen, so daß der Kreditwerber gezwungen ist, für diese Zwischenzeit, wo er von seinem billigen Kredit nicht Gebrauch machen kann, selbst andere Bankinstitute einzuschieben und natürlich für diese Zweischenhilfe Beträge zu zahlen, die weit darüber hinausgehen, was die Wirtschaft unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen an Kreditspesen zu tragen vermag. Das Problem ist nicht von gestern und heute, sondern von gestern und vorgestern. Ich möchte, daß die Regierung sich endlich einmal das durch den Kopf gehen läßt, ob dem Handel und Gewerbe und der Erzeugung nicht doch notwendigerweise jetzt schon geholfen werden möchte und müßte und ob es nicht ginge, alle diese Dinge im Wege schneller Kredithilfe der produktiven Wirtschaft nutzbar zu machen und auf diese Weise den inneren Markt wieder anzukurbeln.

Was den Export betrifft, müssen wir feststellen, daß schon seit einigen Jahren der Überschuß der Außenhandelsbilanz im Schwinden begriffen ist. Seit dem Jahre 1929 verringert sich auch der gesamte Umsatz im Außenhandelsverkehr. Die Statistik zeigt für 1930 wieder bessere Ziffern. Aber sie dürfen uns nicht über die bestehenden Schwierigkeiten hinwegtäuschen. Wie sind denn diese besseren Ziffern eigentlich zustandegekommen? Durch Zwangsverkauf von fertigen Waren an das Ausland um jeden Preis und nur zu dem Zwecke, um dringende Bankschuld en abzudecken. Daher sind die Ziffern im Außenhandelsverkehr scheinbar in die Höhe gegangen, andererseits ist die Einfuhr deswegen kleiner geworden, weil man sich bei der Einfuhr von Rohstoffen einschränken mußte, durchaus nicht aber vielleicht deshalb, weil man sie überhaupt entbehren konnte. An den Überschüssen der Außenhandelsbilanz, die auf diese Weise erzielt wurden, brauchen der Herr Handelsminister und der Herr Finanzminister wahrlich keine Freude zu haben. Die Zeiten, da der Staat ständig auf einen Überschuß der Handelsbilanz von mehr als 2 Milliarden Kè hinweisen konnte, sind wohl für immer vorbei. Der wichtigste Grund für die dauernde Verschlechterung der Außenhandelsbilanz liegt darin, daß wichtige Ausfuhrgüter auf dem Weltmarkte zunehmenden Absatzschwierigkeiten begegnen. So sank der Wert der Ausfuhr von Zucker, der im Jahre 1924 2.431,695.000 Kè betrug, im Jahre 1929 auf 1.068,299.000, der Wert der Baumwollwaren von etwas über 3 Milliarden im Jahre 1927 auf etwas über 2·8 Milliarden im Jahre 1929, der Wert von Flachs. Hanf und Jutewaren von 722 Millionen im Jahre 1927 auf 641·9 Millionen im Jahre 1929. Dazu kommt, daß die inländische Ausfuhr nach Deutschland in einem Zeitraum von knapp 3 Jahren sich um mehr als 2 Milliarden verschlechtert hat. Die Ausfuhr nach Südosteuropa ist gesunken, dagegen konnte Jugoslavien seine Ausfuhr nach der Èechoslovakei in den Jahren 1924 bis 1928 verdoppeln, und nach Deutschland beinahe verdreifachen. Die Èechoslovakei wird mit ihrem Außenhandel immer mehr ins entferntene Ausland abgedrängt. So wird ihre außenhandelspolitische Lage von Jahr zu Jahr schwieriger. Immer höher erheben sich die Mauern des Zollschutzes um die einzelnen Staaten und hindern den so notwendigen Austausch der Güter, immer größer wird die Kapitalsverschwendung, hervorgerufen durch die unsinnige Autarkiebestrebungen der neuentstandenen kleinen Staaten und durch die vielfach ganz verfehlten Maßnahmen moderner Rationalisierung der Betriebe.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP