Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzesantrag verbessert die Renten der Schwerstinvaliden das sind jene Invaliden, deren Invalidität mindestens 85 % beträgt - u. zw. sollen diese Invaliden, die bisher monatlich 200 Kè erhielten, von nun an das Doppelte, also monatlich 400 Kè erhalten. Weiter sagt der Gesetzentwurf, daß Blinde und absolut hilflose Schwerstinvalide zu ihren Bezügen noch einen Zuschuß von jährlich 1800 Kè erhalten können. Weiters erhöht der vorliegende Gesetzesantrag die Zusatzrente für die Witwen, welche mindestens 55 Jahre alt oder ganz hilflos sind, von bisher 200 Kè im Jahre auf 360 Kè im Jahre. Es handelt sich hier um etwa 13.000 Witwen. Endlich werden durch das vorliegende Gesetz die Anmeldungsfristen für Waisenkinder unter gewissen Voraussetzungen neu festgelegt. Problematischen Wert hat der § 31 dieser Vorlage, der erklärt, daß Überzahlungen nur für die letzten 3 Jahre zurückgefordert werden können.
Meine Herren, unsere Partei steht diesem Antrage sympathisch gegenüber, schon deswegen, weil er ja im wesentlichen auf dem Antrage basiert, den unsere Partei voriges Jahr im Frühjahr unter der alten Regierung eingebracht hat. Nur hatten wir damals in unserem Antrag insofern eine Verbesserung, indem wir sagten, man solle nicht nur die Renten der Schwerstinvaliden von 85 % an aufbessern, sondern auch die Renten derjenigen Invaliden, die 75 bis 84 % invalid sind, u. zw. deshalb, weil gerade in diese Kategorie fast alle Invaliden fallen, denen z. B. eine Hand fehlt oder ein Bein amputiert worden ist. Was die Rückzahlungen betrifft, so sagte ich schon, daß diese Bestimmung nur problematischen Wert hat, denn schon vor etwa 1 1/2 Jahren haben wir gelegentlich einmal festgestellt, daß damals monatlich etwa 1/2 Million Kè an Rückzahlungen vom Ministerium für soziale Fürsorge gestrichen worden sind.
Meine Herren, in den Zeitungspolemiken und in Versammlungen machten die Sozialdemokraten speziell unserer Partei den Vorwurf, daß wir in der letzten Regierung für die Invaliden gar nichts getan hätten. Wir hätten den Invaliden nur Versprechungen gemacht, Anträge eingebracht usw., aber nichts erzielt. Nun, ob wir Freunde oder Feinde der Invaliden sind, darüber kann nicht die sozialdemokratische Partei ein Urteil abgeben, sondern darüber zu urteilen ist in erster Linie kompetent die Fachorganisation der Invaliden. Da stellen wir nur fest, daß die Invalidenorganisation wiederholt öffentlich erklärt hat, daß die christlich-soziale Partei sich immer redlich bemüht hat, für die Invaliden etwas durchzusetzen. Wenn es uns nicht gelungen ist, tatsächlich gesetzliche Änderungen durchzuführen, so liegt die Schuld nicht bei uns, sondern bei jenen Parteien, die nach dem Urteil der sozialdemokratischen Blätter auch heuer im Sommer wieder versucht haben, die Renten der Leichtinvaliden von 25 bis 35 % einfach abzuschaffen. Meine Herren, ich glaube, es wäre gerecht, wenn die sozialistische Partei diese Parteien angreifen würde, nicht aber uns, die wir immer auch den Invaliden gegenüber unsere Pflicht erfüllt haben.
Bei dieser Gelegenheit muß wieder auf folgendes aufmerksam gemacht werden: Novelliert wird ein Gesetz, das zu einer Zeit geschaffen wurde, wo die sozialdemokratische Partei in der Regierung außerordentlich stark vertreten war, wo wir einen sozialdemokratischen Minister für soziale Fürsorge hatten. Ich stelle fest, daß die ganzen Jahre hindurch bis zum Jahre 1925 wiederholt Änderungen dieses Invalidengesetzes verlangt worden sind und daß es immer die sozialistischen Minister für soziale Fürsorge waren - auch die Referenten in den Ausschüssen waren Sozialisten - die alle diese Abänderungsanträge stets abgelehnt haben.
Meine Herren, wenn wir so draußen die Schwerstinvaliden fragen, was sie zu dieser neuen Vorlage sagen, die ja ihre Bezüge verbessert, so finden wir sehr wenig Freude unter den Invaliden, auch unter jenen, die tatsächlich mehr bekommen. Sie sagen sich: Was haben wir von der Erhöhung, wenn wir mit der linken Hand etwas bekommen, was uns mit der Rechten wieder weggenommen wird! Denken Sie nur an die Steuererhöhungen, die in Bälde in Kraft treten und die doch selbstverständlich auf die Ärmsten abgewälzt werden. Wir haben gestern den Rechnungsabschluß für 1929 in die Hand bekommen und konnten da feststellen, daß die Steuereingänge im Vorjahre um eine Milliarde größer waren, als sie präliminiert wurden, während sich die Staatsausgaben ungefähr auf dem Niveau des Staatsvoranschlages gehalten haben. Das beweist, daß neue Steuern ganz und gar überflüssig sind, da der Finanzminister sicherlich aus dem großen Reservoir der früheren Jahre hinreichend schöpfen könnte. Was sehr viele Invalide beunruhigt, sind die fortwährenden Steuerexekutionen und zahlreiche Invalide haben sich darüber beschwert, u. zw. mit vollem Recht, daß sie jetzt in dieser Zeit der Wirtschaftskrise Mahnungen bekommen, Verzugszinsen für die Vermögensabgabe zu zahlen, die doch schon vor vielen Jahren bezahlt worden ist. Keine rechte Freude kann bei den Invaliden auch deswegen aufkommen, weil wir sehen, daß in unserem Staate die Arbeitslosigkeit von Monat zu Monat steigt. Die Regierung hat heuer im Frühjahr versprochen, sie werde ein großes Wirtschaftsprogramm, ein großes Investitionsprogramm aufstellen. Wir haben bis heute aber von diesem Programme gar nichts gehört. Höchstens, daß ein Punkt durchgeführt wurde, der allerdings nicht im Programme stand, nämlich daß man einigen verkrachten Banken 300 Millionen Kè geborgt hat.
In der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die ja sehr viele Invalide hat, kann auch keine richtige Freude über das Gesetz aufkommen, wenn die Landwirte sehen, wie sie von Woche zu Woche weniger für das Getreide bekommen. Der Getreidepreis ist heute bei einem Tiefstand angelangt, von dem man sagen könnte, er könne nicht mehr unterboten werden; und wenn man eine Woche später die Börsennachrichten liest, so findet man, daß das Getreide weiter stürzt. Unsere Landwirte befürchten, daß sich ihre Lage nicht bessern, im Gegenteil vielleicht sogar noch verschlimmern wird. Man denke ferner an die Handelsvertragsverhandlungen, wo speziell Österreich und Deutschland von uns verlangen, daß unsere landwirtschaftlichen Erzeugnisse so gut wie gar nicht mehr in diese Länder gehen sollen.
Große Erregung ist unter den Invaliden auch deshalb, weil sie sehen, daß sich in nationaler Beziehung im letzten Jahr so gut wie gar nichts gebessert, im Gegenteil vieles verschlechtert hat. Es ist etwas Unerhörtes, wenn wir sehen, daß wir in der Èechoslovakei einige hundert fast rein deutsche Gemeinden haben, in denen wohl kein deutscher Kindergarten, aber schon ein staatlicher èechischer Kindergarten besteht; wenn wir weiters hören, daß in den Staatsvoranschlag für das nächste Jahr eine ganz gewaltige Summe für den Neubau von überflüssigen Minderheitsschulen eingestellt werden soll. Große Beunruhigung herrscht auch darüber, daß in der nächsten Zeit die Waldreform durchgeführt werden soll, und es wird wahrscheinlich genau so sein, wie seinerzeit bei der Bodenreform, daß viele Hunderte und Tausende Invalide und Arbeiter entlassen werden.
Bei dieser Gelegenheit muß ich auch darauf aufmerksam machen, daß unser Klubobmann Dr. Luschka vor ziemlich langer Zeit hier im Hause einen Antrag auf Einsetzung eines Minderheitenausschusses einbrachte. Der Antrag ist durch und durch sachlich und es ist sehr zu bedauern, daß er zunächst einmal monatelang nicht in das Haus kam, weil die Druckerei scheinbar überlastet war, und daß jetzt in den Ferien wiederum Monate verstrichen sind, ohne daß sich die amtlichen Stellen zu diesem ernstgemeinten Antrag geäußert hätten. Es scheint so, als ob auch die nächsten Monate gar keine Änderung im Standpunkte der Regierungsparteien zu diesem wichtigen Antrag bringen sollten.
Noch größer ist die Entrüstung der Kriegsinvaliden, wenn sie sehen, daß der Militarismus in diesem Staate nicht abgebaut wird. Man hat speziell unserer Partei schwere Vorwürfe gemacht, weil wir im Jahre 1926 einen sehr hohen Rüstungsfond bewilligt haben. Aber wir haben damals nur deswegen dafür gestimmt, weil uns der damalige Verteidigungsminister Udržal das Versprechen gab, in zwei, höchstens drei Jahren werde die 14monatige Dienstzeit eingeführt. Die zwei, drei Jahre sind schon längst vorüber und wir sehen, daß niemand mit dem Einlösen dieses Versprechens Ernst macht. Wenn wir im Gegenteil die kriegerischen Reden einiger Minister hören, so haben wir die Befürchtung, daß die maßgebenden Kreise in der Èechoslovakei gar nicht daran denken, endlich einmal die 14monatige Dienstzeit einzuführen. Voriges Jahr, als die landwirtschaftlichen Produkte im Preise fielen, stellte ein sozialdemokratischer Kollege im landwirtschaftlichen Ausschuß, der damals im Sommer einberufen worden war, den Antrag, es mögen die Manöver entfallen und das Geld, das dafür verwendet wird, solle der Landwirtschaft gegeben werden. Weil die damaligen Regierungsparteien diesem Antrag nicht zustimmten, wurden wir einer heftigen Kritik unterzogen, ja wir wurden direkt beschimpft. Ich stelle fest, daß wir heuer ja wiederum Manöver hatten, ich muß sagen, daß diese Manöver einen weit größeren Umfang hatten, als im vorigen Jahre. Ich erinnere da an die Fliegerangriffe auf Olmütz und andere Orte. Es hat gestern ein Kollege die sehr richtige Bemerkung gemacht, daß der Minister für soziale Fürsorge, wenn das so weiter geht, wahrscheinlich bald eine Abteilung zur Kurierung jener Zivilisten wird schaffen müssen, die nicht im Kriege, sondern im Frieden zu Krüppeln geschlagen worden sind.
Durch das vorliegende Gesetz bekommt
ein kleiner Teil der Invaliden mehr. Wir wissen, wie schwer es
ist, selbst dieses Wenige zu erreichen und wir würdigen daher
dieses Gesetz. Aber man darf nicht dem Invaliden das wieder nehmen,
was man ihm gibt. Die soziale Lage der Bevölkerung dieses Staates
kann nicht durch Steuererhöhungen und nicht durch nationale Ungerechtigkeiten,
sondern nur durch den Abbau unproduktiver Staatsausgaben und durch
nationale Duldsamkeit verbessert werden. Im Namen meiner Partei
erkläre ich, daß wir für die Vorlage stimmen werden. (Potlesk.)
Hohes Haus! Seit dem Jahre 1922 ist wiederholt die Regierung und das Parlament auf das bittere Los der Kriegsbeschädigten aufmerksam gemacht worden. Es sind zahlreiche Anträge im Hause vorgelegen, häufig ist im sozialpolitischen Auschuß versucht worden, die Ausgestaltung der Kriegsbeschädigtenfürsorge zur Beratung zu bringen, aber es waren alle diese Bemühungen vergeblich. Die Organisationen der Kriegsbeschädigten selbst haben in Memoranden und anderen großen Kundgebungen daran erinnert, daß es eine Verpflichtung des Staates, der Öffentlichkeit, vor allem der Gesetzgebung ist, sich der Kriegsbeschädigten anzunehmen und die Mängel des Gesetzes über die Kriegsbeschädigtenfürsorge zu beseitigen. Das Gesetz vom Jahre 1922 bildete gegenüber dem vorausgegangenen Zustand einen Fortschritt. Es war ein Entgegenkommen, ein Schritt nach vorwärts in einer Frage, die durchaus nicht so einfach ist, deren Lösung, was wir niemals verkannt haben, mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden ist. Nun ist es endlich nach 8 langen Jahren möglich gewesen, eine kleine Verbessung der Kriegsbeschädigtenfürsorge zu erreichen. Der Gesetzesantrag, der davon handelt, steht zur Beratung und wird am heutigen Tage zum Beschlusse erhoben werden. Anstatt daß man nun aber anerkennt, daß sich endlich nach langer Zeit die Gesetzgebung der Kriegsbeschädigten erinnert, nach vielen Jahren vergeblichen Bohrens es doch endlich möglich gewesen ist, durch ein Gesetz für den schwersten betroffenen Teil der Kriegsbeschädigten Hilfe zu schaffen, anstatt dessen hören wir Ausführungen, die dahin ausklingen, daß das, was hier geschieht, eigentlich gar nichts bedeutet. Da ist wohl darauf aufmerksam zu machen, daß in den Jahren vorher es Zeitabschnitte gegeben hat, wo es leichter möglich gewesen wäre, in der Regierung und innerhalb des Parlamentes für die Kriegsbeschädigten einiges zu erreichen. Die wirtschaftlichen Zustände waren bessere, insbesondere unter der verflossenen Bürgerkoalition, die finanziellen Verhältnisse des Staates waren durchaus nicht so trist, infolge des guten Geschäftsganges, der Hochkonjunktur in manchen Industriezweigen, stiegen die Steuereingänge, kurz, es wäre durchaus nicht eine so unmögliche Sache gewesen, innerhalb der Jahre von 1926 bis 1929/30 einiges für die Kriegsbeschädigten zu tun. Es ist auch einmal ein starker Anlauf genommen worden, unmittelbar vor der Aufrichtung der deutsch-èechischen Regierungskoalition. Das waren die ersten Monate des Jahres 1926. Damals entschlossen sich die deutschen Parteien, die deutschen Sozialdemokraten, die deutschen Christlichsozialen und die Landbündler dazu, umfassende Anträge zur Verbesserung der Kriegsbeschädigtenfürsorge im Parlamente einzubringen und alles aufzubieten, um diese Gesetzentwürfe zur Verhandlung zu bringen. Wer sich aber nach der Überreichung dieser Anträge für die Verwirklichung des darin Verlangten eingesetzt hat, das waren die deutschen Sozialdemokraten, während die anderen Parteien, die diese Aktion mit uns gemeinsam begonnen hatten, nicht gern daran erinnert werden wollten. Als Zeichen dafür, wie wenig man sich so recht einsetzen mochte für die Anträge, die mit uns gemeinsam ausgearbeitet und von jeder Partei separat eingebracht worden waren, dafür gibt uns ein Vorgang im Dezember des Jahres 1928 am besten Auskunft. Die Kriegsbeschädigtenverbände hatten in großen Kundgebungen den Staat wieder an seine Pflicht erinnert und sie verlangten von den politischen Parteien des Abgeordnetenhauses, nicht nur von den deutschen, sondern auch von den èechischen politischen Parteien, daß man endlich einen Schritt nach vorwärts unternehme. Der sozialpolitische Ausschuß beschäftigte sich mit anderen sozialpolitischen Fragen, aber es wurde in einer dieser Sitzungen angeregt, daß man sich auch mit der Kriegsbeschädigtenfürsorge befasse. Abordnungen der Kriegsbeschädigtenorganisationen, des Bundes der Kriegsverletzten erschienen in Prag und da glaubten wir, für eine baldige Beratung der überreichten Anträge eintreten zu sollen. Da entgegnete man uns, daß die Regierung einen eigenen Antrag einbringen wolle. Weil wir dafür eine kurze Frist festgesetzt haben wollten, wurden wir als eine Partei hingestellt, die den Kriegsbeschädigten gegenüber eine demagogische Politik treibe. Unsere Voraussage, daß es wieder zu keiner Beratung der Kriegsbeschädigtenfürsorge kommen werde, hat sich erfüllt. Erst in diesem Parlamente und erst nachdem sich eine andere Zusammensetzung in der Parlamentsmehrheit ergeben hat, erst jetzt ist es möglich, wieder an die Kriegsbeschädigtenfürsorge heranzutreten und einen Schritt nach vorwärts zu tun.
Daß das jetzige Gesetz, das beschlossen werden soll, nicht allen Forderungen der Kriegsbeschädigten Rechnung trägt, darüber ist kein Wort zu verlieren. Man soll aber nicht vergessen, in welcher Zeit wir leben, unter welch schwierigen Umständen das Gesetz zustande kommt. Man soll nicht vergessen, daß wir uns in einer geradezu entsetzlichen wirtschaftlichen Krise befinden, daß Zehntausende Arbeitslose da sind, für die der Staat auch Mittel bereit stellen muß und jetzt schon mehr Mittel bereitgestellt hat, als jemals aus der früheren Bürgerblockregierung herauszuholen gewesen sind. Das alles darf nicht übersehen werden. Wir erblicken in diesem Gesetz den ersten Versuch, die Kriegsbeschädigtenfürsorge auszugestalten, es ist eine Etappe, ein erster Schritt, und wir werden sicherlich nicht daran vergessen, daß auch noch sonstige Härten, die im Kriegsbeschädigtenfürsorgegesetz enthalten sind, beseitigt werden müssen.
In dieser Debatte ist vor allem darüber geklagt worden, u. zw. mit Recht, daß die Ausführung und Handhabung des Kriegsbeschädigtenfürsorgegesetzes, daß die Behandlung der Kriegsinvaliden, der armen Opfer des Krieges, sehr stark zu beanständen ist. Aber erinnern wir uns doch daran, daß die Schikanierung und die vielen kleinlichen Quälereien der Kriegsbeschädigten gerade in den Jahren von 1925 an immer schlimmer geworden sind. Die Beamten, die in den Bezirksinvalidenämtern sitzen, die staatlichen Bürokraten, die sich mit der Ausführung des Gesetzes befassen, horchen natürlich auf Weisungen und wenn man zu einer Zeit, wo es wirklich finanziell möglich gewesen wäre, mehr zu tun als jetzt, wenn man damals noch Weisungen der oberen Behörden an die unteren Stellen hinausgibt, daß man vor allem bei den Ausgaben für die Kriegsbeschädigten sparen müsse, so darf man sich gar nicht so sehr wundern, wenn manche Beamte einen solchen Auftrag in geradezu raffinierter Weise ausführten. Wir haben in den letzten Jahren die traurigsten Erfahrungen gemacht und es ist begreiflich, wenn von den Kriegsbeschädigten insbesondere gegen die Bezirksinvalidenämter scharf vorgegangen wird. In diesen Bezirksämtern für die Kriegsbeschädigten hat man wirklich nur daran gedacht, alles zu unternehmen, um die Ausgaben für die Kriegsbeschädigtenfürsorge herabzudrükken. Die Bürokraten gewöhnen sich nun sehr schwer daran, in etwas sozialerem Geiste den armen Opfern des Krieges gegenüberzutreten.
Der vorliegende Gesetzentwurf bedeutet nicht die volle Lösung der Frage der Kriegsbeschädigtenfürsorge. Es ist eine große Frage, eine Frage, die mancherlei Schwierigkeiten bei ihrer Lösung bietet. Wir schrecken davor nicht zurück. Aber wir können sie nicht allein lösen, es ist vor allem notwendig, daß auch jene politischen Gruppen, die bisher so wenig Geneigtheit gezeigt haben mitzutun, daß auch sie ihre Anschauungen und Auffassungen dem Problem der Kriegsbeschädigtenfürsorge gegenüber ändern.
Wir haben gestern von dem Redner der deutschen Nationalsozialisten gehört, daß sie für diesen Gesetzentwurf nicht stimmen werden, es ist ihnen zu wenig. Es ist sicherlich den Kriegsbeschädigten nicht alles gegeben worden, was sie wollen. Es ist auch uns zu wenig, aber wir sind nicht allein auf der Welt und wir müssen mit den vorhandenen Mach tverhältnissen rechnen und müssen schauen, aus diesen Machtverhältnissen für die armen Opfer des Krieges herauszuholen was möglich ist. Wenn nicht mehr zu erreichen möglich gewesen ist, liegt das nicht an unserem Willen. Mit der Parole, alles oder nichts, wäre den Kriegsbeschädigten am wenigsten gedient. Nichts alls große Worte sind es, die wir da gehört haben.
Dabei ist gestern von dieser Stelle ein Wort gefallen, das festgenagelt werden muß. Nach dem Wahlerfolg Adolf Hitlers in Deutschland, tragen auch bei uns die deutschen Nationalsozialisten ein bißchen den Kopf zu hoch, sie gehen herum, als ob sie Eroberer und Helden der Tat und des Geistes wären. Das ist aber doch ein wenig verstiegen, aus dem Ausgang der Wahlen in Deutschland zu schließen, daß jetzt alles auf die Seite der Hakenkreuzler hinüberlaufen wird. Die Herren von der deutschnationalsozialistischen Seite in der Èechoslovakei sollen uns einmal sagen, was sie an hervorragenden politischen Taten aufzuweisen haben. Was gibt den Hakenkreuzlern die Berechtigung, in solch wegwerfender Weise und in so verletzender Form über jene Arbeiter zu sprechen, wie das gestern geschehen ist, die Hitler nicht vergöttern und nicht in jedem deutschen Nationalsozialisten in der Èechoslovakei einen kleinen Hitler erblicken.
Ein Redner der deutschen Nationalsozialisten hat gestern auf einen kommunistischen Zwischenruf Folgendes geantwortet: "Die deutschen Arbeiter werden in absehbarer Zeit zur Gänze bei uns sein und nur Mob und Gesindel wird nicht bei uns sein!" Was bedeuten diese Worte? Sie bedeuten nichts anderes, als daß der verehrte Vertreter der deutschen nationalsozialistischen Partei der Meinung ist, daß diejenigen, die sich nicht unter ihre Fahne begeben, Mob und Gesindel sind. In Deutschland wurden für die Sozialdemokraten 8 1/2 Millionen Stimmen abgegeben. Die sind der sozialdemokratischen Partei treu geblieben. In der Èechoslovakei, das wissen die deutschen Nationalsozialisten sehr gut, steht der größte Teil der deutschen Arbeiter in den Organisationen der Sozialdemokratie, der die Zumutung, eine Politik mitzumachen, wie sie von den deutschen Nationalsozialisten gemacht wird, zurückweist. Wie kann sich ein Politiker bei nüchternem Denken auch nur einbilden, daß diese Hunderttausende und in Deutschland Millionen, die jahrzehntelang in den Organisationen und freien Gewerkschaften in der Sozialdemokratie tätig gewesen sind, jetzt, weil Hitler einen Wahlerfolg gehabt hat, aus diesen Organisationen, aus der sozialdemokratischen Partei davonlaufen und in das Lager der Nationalsozialisten übergehen werden? Meint vielleicht der Vertreter der deutschen Nationalsozialisten, daß diejenigen, die das nicht getan haben, nur Mob und Gesindel sind, Menschen sind, die man mit solchen Schimpfworten belegen kann? Wir regen uns darüber nicht weiter auf. Wir werden vielleicht noch öfter solche Äußerungen und große Worte zu hören bekommen. Es wird sich aber die Enttäuschung, ja noch mehr, der politische Katzenj ammer auch in Deutschland sehr bald in jenen Schichten der Bevölkerung einstellen, die sich bei diesen Wahlen auf eine Seite gestellt haben, die Deutschland nicht aus der jetzigen schwierigen Lage, in der es sich befindet, nicht aus der wirtschaftlichen Not herausführen kann. Die deutschen Nationalsozialisten sind eben jetzt die Nutznießer dieser wirtschaftlichen Not, in die die deutsche Bevölkerung infolge der ungeheueren Lasten, die sie zu tragen hat, geraten ist.
Wir wissen sehr gut, daß die Kriegsbeschädigten weitergehende Forderungen aufgestellt haben. Wir waren immer entschlossen, uns für diese Forderungen auf dem Boden des Parlaments einzusetzen. Es ist uns gelungen, unter der neuen Regierungsmehrheit einen kleinen Schritt nach vorwärts zu tun. Wenn wir in der Verbessung der Kriegsbeschädigtenfürsorge weiterschreiten wollen, müssen sich auch die anderen Parteien, müssen sich die anderen Gruppen endlich dieser Aufgabe zuwenden. Aber es besteht keine Ursache und es ist kleinlich und unverständlich, wenn der erste Schritt nach vorwärts in der Kriegsbeschädigtenfürsorge benörgelt wird. Ich bin überzeugt, daß nur Kleinlichkeit, nur politische Kurzsichtigkeit dazu führen kann, daß man diesen Gesetzentwurf ablehnt.
Wir werden für ihn stimmen, wir
glauben auch, damit den Kriegsbeschädigten einen Dienst erwiesen
zu haben, und wir Sozialdemokraten sind nach wie vor entschlossen,
an dem weiteren Ausbau der Kriegsbeschädigtenfürsorge entscheidend
mitzuarbeiten. (Potlesk.)
Hohes Haus! Namens der deutschen Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft will ich zu dem in Verhandlung stehenden Gegenstand nur einige wenige Worte sagen. Es ist eine èechoslovakische Spezialität, daß man heute, 12 Jahre nach dem sogenannten Friedensschluß, über eine Frage verhandelt, die längst in einer des Staates würdigen, der Größe der Not und des Elends der beteiligten Kreise entsprechenden Weise geregelt sein sollte. Dies umsomehr in einem Staate, dessen führende Männer so oft von Humanität und Menschlichkeit sprechen, in einem Staate, der für tausend andere Sachen Millionen zur Verfügung hat, freilich für Angelegenheiten, die sein Prestige in den Augen der Welt heben und seine Konsolidierung erweisen sollen. Gehört es aber nicht zur Hebung des Ansehens eines Staates, wenn er sagen kann: Ich sorge für meine vom Unglück betroffenen Landeskinder, ich leihe meine Hilfe den von Kummer um ihre Existenz besorgten Staatsbürgern, ich gebe freudig, wenn es gilt, menschliches Elend zu bannen oder wenigstens zu verringern. Seit Jahren befaßt man sich bei uns mit der Frage der Entschädigung der Kriegsbeschädigten. Es werden Beschlüsse gefaßt, es werden Vorlagen an die gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt. Bei allen diesen Regierungsanträgen kann man aber die Tendenz, die Absicht herauslesen, daß die Regierung der Meinung ist, den Kriegsbeschädigten gegenüber eine Gnade zu erweisen, während es doch ihre selbstverständliche Pflicht ist, dort zu helfen, wo es nötig ist, wo es ein Gebot primitivster Menschlichkeit ist. Wir werden für das Gesetz, bzw. für seine Novellierung stimmen, nicht etwa weil wir die dort aufgestellten Sätze für genügend, für ausreichend ansehen - das sind sie bei Gott nicht - wir sehen vielmehr die Novelle nur als eine kleine Verbesserung der bisherigen Bestimmungen, nicht aber als eine endgültige Lösung dieser Frage an. Es ist sehr zu bedauern, daß die von den gesetzgebenden Körperschaften wiederholt gefaßten Beschlüsse von der Regierung nicht respektiert worden sind, daß die Anträge, welche sowohl hier als im Senat gestellt wurden, ich will nicht sagen einfach in den Papierkorb wanderten, aber doch gleichgültig behandelt wurden und daß wir uns heute nach 12 Jahren neuerdings mit dieser Frage befassen sollen.
Wenn man bedenkt, daß die Invaliden nach den bestehenden Gesetzen und Verordnungen ganz minimale Beträge an Unterstützungen bekommen, wenn man weiter bedenkt, daß die Witwen per Tag für ein Kind 1 Kè 46 h, bei 2 Kindern 2 Kè 46 h erhalten, dann muß man sich wirklich fragen, wie es sich die Regierung vorstellt, daß die Leute mit diesen minimalen Beträgen ihr Auslangen finden sollen, wie sie halbwegs ein anständiges Leben führen sollen. Bei der ganzen Frage kommen ja nur zwei Momente in Frage, das finanzielle und das rein menschliche. Finanziell kann meiner Ansicht nach keine Schwierigkeit obwalten, den wiederholt geäußerten Wünschen der Kriegsbeschädigten zu entsprechen. Wir erfahren es alljährlich und aus dem letzten Bericht neuerlich, daß die Eingänge des Staates bedeutend höher waren, als sie präliminiert wurden, daß tatsächlich ein Überschuß vorhanden ist, aus dem die Kriegsinvaliden wenigstens teilweise entschädigt werden können. Ich glaube nicht, daß das Gleichgewicht des Staates dadurch gestört würde, wenn man z. B. den Unglücklichsten der Unglücklichen, den Blinden, eine doppelt erhöhte Rente zusprechen würde. Und ich kann auch nicht glauben, daß man vom menschlichen, mitfühlenden Standpunkt aus eine Einwendung bezüglich einer Erhöhung der Renten erheben kann. Der Krüppel, der an der Straßenecke bettelt, muß in jedem von uns das Gefühl der Verantwortung für seine Besserstellung hervorrufen und muß den Staat an seine Verpflichtung erinnern, ihm ein menschenwürdiges Dasein, welches er schuldlos verloren hat, zu verschaffen.
Sehr zu rügen ist auch der schwerfällige Apparat der bürokratisch arbeitenden Kommissionen, die sich nicht richten nach dem alten lateinischen Sprichwort: "Bis dat, qui cito dat", ein Sprichwort, das in jedem Bureau dieser Kommissionen hängen sollte und das von den Kommissionen auf's strengste befolgt werden müßte. Aber es ist bekannt, daß die Kriegsinvaliden, ehe sie eine Unterstützung bekommen, langwierige Verhandlungen durchzumachen haben, ärztliche Untersuchungen usw. und daß all dies mit protokollarischen Aufnahmen, mit überflüssigen Erkundigungen über Einkommensverhältnisse, Beschäftigung usw. verbunden ist. Das ist eine Angelegenheit, welche seitens der Regierung denn doch einer Besserung zugeführt werden sollte.
Meine sehr geehrten Herren! Es ist schon heute ei nmal gesagt worden, daß der Militarismus in unserem Staate eine der ersten Rollen spielt und Sie werden ja heute oder morgen, zumindest nach den Ausführungen des Herrn Landesverteidigungsministers, ich glaube am vorgestrigen Tage, neue Opfer an Kriegsbeschädigten schaffen. Und wenn Sie nicht anders als bisher für die Kriegsbeschädigten sorgen, nicht mit einem derartigen Minimum von Lebensmöglichkeit, sondern besser, dann werden Sie auch in den Reihen Ihrer begeistertsten Anhänger nicht die nötige Unterstützung finden und werden verzweifelt in die Zukunft blicken müssen. Der Herr Landesverteidigungsminister hat, ich glaube vorgestern, eine Rede gehalten, in welcher er auf die allgemeine politische Lage in Europa hinwies und mit den Worten geschlossen: Wir müssen auf der Hut sein! Sie brauchen also das Militär Ihrer Ansicht nach und werden heute oder morgen mit Ihren Kriegsbeschädigten wahrscheinlich besser umgehen, als mit denen, die Sie heute jahrelang darben und hungern lassen.