Ètvrtek 15. kvìtna 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 48. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 15. kvìtna 1930.

1. Øeè posl. inž. Junga (viz str. 11 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren! Bevor ich zum eigentlich en Gegenstande übergehe, muß ich gegen das Verbot einer Reihe von Vorträgen des Kapitäns Kircheiß auf das schärfste Verwahrung einlegen. Auf Einladung von Bezirksbildungsausschüssen und auch von Schutzvereinen, die ja in ihrem Tätigkeitsprogramm derartige Vorträge vorgesehen haben, hat Kapitän Kircheiß, der bekanntlich mit einem Fischkutter die Welt umsegelte, unbeanständet eine ganze Reihe von Vorträgen gehalten. Auf einmal hat man ein Haar in der Suppe gefunden, u. zw. nach dem die bekannte, den Nationaldemokraten sehr nahestehende èechische Hetzpresse gegen die Vorträge gehetzt hat. (Výkøiky posl. Simma.) So kam es zu einem Verbot in Troppau, dann in Tachau und einer ganzen Reihe von Orten in Böhmen. Wir haben gestern in dieser Angelegenheit vorgesprochen und es ist uns lediglich gelungen, einige der ersten Vorträge, aber au ch nur unter Bedingungen zu retten, die untragbar sind. (Výkøiky.) Es wurde behauptet, daß die Vorträge nationalpolitischen Inhaltes seien. (Výkøiky posl. Simma.) Ich habe selbst einem solchen Vortrag in Troppau beigewohnt. Man kann natütlich sagen, daß sein Inhalt national ist, aber man kann nicht behaupten, daß auch nur ein Wort gefallen wäre, das unter dem Begriff Politik zu nehmen wäre. Die Behörden wollten ja nicht recht mit der Farbe heraus, was die Ursache des Verbotes ist. Sie stützten sich auf das Nichtvorhandensein einer Vortragslizenz und der gleichen Dinge mehr. Aber der Bezirkshauptmann von Tachau war so unvorsichtig, aus nationalpolitischen Gründen den Vortrag zu verbieten. Ich lege gegen ein derartiges Vorgehen, das uns unmöglich macht, auch beispielsweise mit Pionieren auf anderen Gebieten auch nur geistige Fühlung zu unterhalten, die schärfste Verwahrung ein. Wo bleibt denn da die freie kulturelle Betätigung? (Posl. Krebs: Dabei ist das Verbot blöd, weil der Vortrag in 10.000 Exemplaren von Büchern verbreitet ist!) Gewiß. Außerdem wurden noch die Lichtbilder vom Ministerium zensuriert und zur Vorführung freigegeben.

Nun gehe ich über zur Ruheständlerfrage. Die Gleichstellung der Ruheständler ist keine Frage von heute. Schon in der Wahlbewegung des Jahres 1925 haben die Wahlwerber aller damaligen Regierungsparteien den Wählern das bindende Versprechen abgegeben, daß sie sofort nach Zusammentritt des Parlaments an die Lösung dieser Frage schreiten werden. Freilich hat die Lösung sehr lange auf sich warten lassen. Erst nach Bildung des Bürgerblocks ist es zu einer unbefriedigenden Teillösung gekommen. Was meine Partei anlangt, so haben wir von allem Anfang an kein Mittel unversucht gelassen, den Stein ins Rollen zu bringen. Schon vor den Parlamentswahlen im Jahre 1925 wurde ein Initiativantrag unseres verstorbenen Kollegen Patzel eingebracht. Ihm folgte dann nach den Wahlen 1925 eine ganze Reihe von Interpellationen der Abg. Jung, Krebs, Simm, Wollschack und Geyer, darunter zwei dringliche. Die Dringlichkeit ist bekanntlich von der damaligen Regierungsmehrheit abgelehnt worden, sie hat sich einige Monate später erst auf die erwähnte Teillösung beschränkt. (Posl. Krebs: Auch jetzt sollen die Viehzölle sie wieder aufhalten!) Sehr richtig.

Vor fünf Vierteljahren hat meine Partei gleich anderen Parteien einen Initiativantrag eingebracht und heuer wiederholt. Diese Initiativanträge lagen auch den Beratungen der Ausschüsse sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus vor. Unseren Antrag haben wir am 19. Dezember nach den Wahlen neuerlich eingebracht, es ist der Antrag der Abg. Jung, Simm und Gen., Druck Nr. 119. Ich erwähne diesen Antrag aus dem Grunde, weil unsere Haltung zur jetzigen Regierungsvorlage, bzw. dem Senatsbeschluß natürlich durch den Inhalt dieses Initiativantrags grundsätzlich bestimmt wird.

Zur Vorlage selbst ist zu sagen, daß sie reichlich verspätet eingebracht wurde. Tausende von Ruheständlern haben unterdessen das Zeitliche gesegnet. Zu ihrer Besserstellung war kein Geld vorhanden (Posl. Simm: Engelmacherprinzip!) Jawohl.

Für militärische Rüstungszwecke hat man im Jahre 1926 gleich 315 Millionen für 11 Jahre im vorhinein bewilligt, da war Geld da. Es ist das der gleiche Betrag, der nun angeblich, ich sage "angeblich", für die Gleichstellung der Ruheständler gefordert wird. Für die Vereinigung von drei Großbanken waren ebenfalls 300 Millionen da, und zwar ohne die Notwendigkeit einer Bedeckung, die sonst eine so große Rolle spielt; ebenso hat der Staat, wie der vom Koll. Hassold in der letzten Sitzung behandelte Marienbader Fall beweist, stets Geld zur Verfügung, wenn èechische Grenzer die patriotische Absicht hegen, ihre Taschen auf Kosten der Steuerzahler zu füllen. (Výkøiky posl. Geyera.)

Die Regierungsvorlage stellt ein Kompromiß dar mit allen Mängeln eines solchen, sie ist gleich der Vorlage über die Novellierung der Arbeitslosenfürsorge, das Ergebnis eines Kuhhandels zwischen den Regierungsparteien. Hätte es keine landwirtschaftlichen Forderungen gegeben, so könnten auch die Altruheständler noch sehr lange warten, bis man ihre Bezüge verbessert. Die Verkoppelung mit der Zollvorlage minderte den Wert dieser Vorlage selbst dann, wenn sie sonst keine Mängel aufwiese; denn das Wenige, was die Hauptmasse der Ruheständler hier erhält, wird ihr durch die notwendig einsetzende Verteuerung der Lebenshaltung wieder abgenommen werden, mancher Gruppe, der letzten Gruppe, sogar vorweggenommen, denn bevor die dritte oder vierte Etappe da zu kommt, ihre Ruhegenüsse verbessert zu erhalten, wird unterdessen längst eine Teuerung vorhanden sein, die reichlich das aufwiegt, was die Leute mehr erhalten. Wir haben die ablehnende Stellungnahme gegenüber den Zollvorlagen damit begründet, daß sie notwendigerweise verteuernd wirken. Diejenigen, die das Monopol auf Bauernvertretung für sich beanspruchen, warfen uns deshalb Feindschaft gegen die Landwirtschaft vor. Wir haben ihnen aber die Wege gewiesen, die nicht nur der Landwirtschaft, sondern der Wirtschaft schlechtweg auf die Beine helfen, die überdies verbilligend wirken würden, und das ist die Herabsetzung der Ausgaben des Staates und damit der Steuern, die Herabsetzung des Zinsfußes und damit die Verbilligung des Kredits. Niemand wird leugnen können, daß dieser Weg gangbar ist und daß es sich um keine Utopie handelt. So ist die Ursache, warum der Weg nicht beschritten wird, wohl lediglich darin zu sehen, daß der erste Vorschlag den Kampf gegen einige allmächtige Ressortminister bedeutet, vor allem den Handelsminister, der im Zeichen des Abrüstungsschwindels der mächtigste Mann im Staate ist. Das zweite aber bedeutet den Kampf gegen etwas noch mächtigeres, gegen das Finanzkapital, das im Zeitalter der parlamentarischen Scheindemokratie alle Staaten beherrscht. Darum greift man lieber zu einem Kompromiß, das schließlich niemanden befriedigt, weil es eine Scheinlösung darstellt (Posl. Geyer: Und nach 8 Tagen unwirksam wird!) ja, so unwirksam wird, sodaß man alsbald von Novellierungen spricht.

Die Vorlage ist im Senat eingebracht worden, dort wurden lediglich zwei kleine Verbesserungen erzielt, nämlich die Wiedereinbeziehung der aus irgend welchen Gründen ausgeschiedenen Angehörigen des Geburtsjahrganges 1865 in die erste Etappe und die Zuerkennung von 75% statt der beabsichtigten 50% für eine Gruppe von Militärruheständlern, die einige hundert Personen zählt. Warum man diesen nicht die vollen Ruhebezüge zuerkennt, bleibt für jeden gerecht Denkenden unerfindlich, insbesondere, da es sich um arme Teufel handelt. Wenn sich nicht alle meldeten, so liegt die Ursache in den ungeklärten Verhältnissen der damaligen Zeit, und wenn der eine oder andere ein sogenannter Rakušák war, so muß festgestellt werden, daß so mancher Rakušák unterdessen höchste Staatsämter erklommen hat. (Posl. Krebs: Minister des Innern geworden ist!) Sehr richtig, und auch noch andere.

Schafft der § 1 ein Ausnahmsgesetz für eine Gruppe von Militärpersonen, so tut es der § 3 hinsichtlich einer Gruppe von Ärzten. Man sollte endlich 12 Jahre nach dem Umsturz mit den Ausnahmsgesetzen aufhören! § 7 verkürzt die im Ausland lebenden Ruheständler um 10%. Ich habe im sozialpolitischen Ausschuß darauf hingewiesen, daß durch den Umsturz allerlei Familienbande zerrissen wurden und es daher begreiflich ist, wenn ein Ruheständler, dessen Familie weggezogen ist, in einem Nachfolgestaate lebt, auch dorthin strebt. Das ist menschlich durchaus begreiflich und hat weiß Gott mit Abneigung gegen den Staat nicht das geringste zu tun. Der Entgang an Steuern, der auf Rechnung der 5200 Ruheständler, die im Auslande leben, geht, kann ernstlich nicht in Betracht kommen, wenn man, wie schon erwähnt, gleich 300 Millionen für die Großbanken zur Verfügung hat. Der § 11, welcher die Geltendmachung der Ansprüche seitens der Anspruchsberechtigten verlangt, wird eine unendliche Vielschreiberei verursachen. Die damit verbundene Überlastung der in Betracht kommenden Ämter führt zur Verzögerung der Durchführung. Wir haben noch genug von der Durchführung der seinerzeitigen 20%igen Erhöhung die bekanntlich 2 Jahre in Anspruch gekommen hat. Dieser Paragraph wird lediglich dazu führen, daß viele Ruheständler und ihre Witwen viele Monate werden warten müssen, bevor sie in den Genuß der neuen Bezüge kommen, und so mancher wird diesen Zeitpunkt überhaupt nicht mehr erleben. Wer da weiß, welche Orgien St. Bürokratius selbst bei den einfachsten Dingen feiert und wie oft der Amtsschimmel unnötigerweise strapaziert wird, wird natürlich in diesem Paragraphen nur den Versuch einer Hinauszögerung der Inkraftsetzung erblicken. (Posl. Simm: Da spricht Dr. Engliš von Rationalisierung der Verwaltung!) Ein sehr richtiger Zwischenruf, der beweist, wie ernst man derartige Worte zu nehmen hat. (Výkøiky.)

In der Gesetzesvorlage, bzw. im Senatsbeschluß fehlt eine Bestimmung hinsichtlich der Gnadenpensionen. Diese wäre schon deshalb notwendig, weil Polen und Rumänien die bereits vor Jahren abgeschlossenen Verträge von Rom und Wien noch immer nicht ratifiziert haben und kaum je ratifizieren werden, so daß die sogenannten Enthobenen tatsächlich lediglich auf Gnadenpensionen angewiesen sind. Der § 12 spricht nur von Gnadengaben, welche die ordentlichen Ruheund Versorgungsgenüsse vertreten, und das auch nur hinsichtlich der Eisenbahner. Überdies berechtigt er nur das Eisenbah nministerium, er verpflichtet es jedoch nicht zu dieser Regelung. Der größte Mangel der Vorlage liegt aber im § 10. Es ist das die dort festgesetzte Durchführung des Gesetzes in vier Zeiträumen, die sich auf die Jahre 1930 bis 1933 erstrecken. Nun wird sich aber diese Durchführung tatsächlich weit in das Jahr 1934 hineinziehen und ein Teil der Ruheständler wird seine Gleichstellung bestimmt nicht mehr erleben.

Die Etappenlösung wird mit Hinweis auf die erforderlichen Mittel begründet. Das ist kein stichhältiger Grund. Wenn man jährlich für Heereszwecke über zwei Milliarden zur Verfügung hat und sozusagen aus dem Handgelenk für Rüstungszwecke 315 Millionen jäh rlich gleich auf 11 Jah re bewilligt hat, wird man wohl auch etwas für die alten Diener des Staates übrig haben, die am Aufbau dieses Staates - ob mit oder ohne Absicht, ist gleichgültig - wesentlich mitgewirkt haben. Der Staat ist ja nicht vom Himmel gefallen, es hat ihn nicht der èechoslovakische Herrgott am 28. Oktober 1918 aus dem Nichts geschaffen, er hat natürlich eine Vorgeschichte, und es war natürlich auch notwendig, daß auch nach dem 28. Oktober 1918 staatliche Angestellte ihre Pflicht erfüllt und für ihn gearbeitet haben Es waren auch sehr viele Deutsche darunter, die ihre Pflicht erfüllten, weil sie es so gew ohnt waren, denen man es dann allerdings sehr schlecht gelohnt hat. Man muß auch bedenken, daß dieser Betrag, selbst wenn er 317 Millionen betrüge, was ich noch immer anzweifle, trotzdem Sektionschef Vlasák mir im sozialpolitischen Ausschusse erklärt hat, die Berechnungen seien unbedingt verläßlich, nie ganz ausgeschöpft wird. Ich verweise darauf, daß zur Zeit des Bürgerblocks Berechnungen durchgeführt worden sind, die, wie ich aus verläßlicher Quelle weiß, bloß einen Betrag von 280 Millionen ergeben haben, und ich verweise darauf, daß wir einmal aus dem Munde des Herrn Finanzministers oder des Sektionschefs einen Betrag nennen gehört haben, der sich nur etwas über 200 Millionen, sicher aber weit unter 300 Millionen bewegt hat. Infolgedessen ist es unerfindlich, wieso man auf einmal zu einem Betrag, von 317 Millionen kommt. (Výkøiky.) Aber selbst wenn es 317 Millionen wären, so ist es ein rein fiktiver Betrag, der nie voll zur Geltung gelangt. Er käme nur zur Geltung, wenn die Regelung in Einem im Jahre 1930 durchgeführt würde. Dadurch aber, daß man die Etappenlösung durchführt, kann dieser Betrag nie voll zur Geltung kommen. Denn an dem Tage, an dem der ltezte Ruheständler der vierten Etappe die erhöhten Ruhegenüsse bekommt, sind aus den anderen Gruppen schon längst so und so viele Personen abgestorben, so daß sich der Betrag wesentlich vermindert hat. Das ist die richtige Sachlage und diese muß ganz offen beleuchtet werden.

Wir wenden uns also gegen die Durchführung des Gesetzes in Etappen, weil sie ein Unrecht darstellt, (Posl. Simm: Das ist ein Geschäft, das Finanzminister Engliš mit dem Tode abschließt!) Sehr richtig, ein Geschäft, wie man es von dieser Seite mit einer Bank nicht abschließen möchte. (Posl. Simm: Auch mit den Kriegsbeschädigten springt man so um!) Ein sehr richtiger Zwischenruf! Die Gruppe der Kriegsbeschädigten gehört auch in diesen Zusammenhang. Die Etappenlösung ist unmoralisch, weil sie eine Gruppe gegen die andere ausspielt und Neid weckt, vor allem aber deshalb, weil sie das Unrecht, das man kaltblütig beging, indem man einen Teil deutscher Bürger des Staates schädigte, weiter bestehen läßt, statt es so rasch als möglich wenigstens teilweise gutzumachen. Denn ganz kann man es nicht mehr gut machen, jenes Unrecht, das durch die chauvinistische Ausnützung des Gesetzes über die Sparmaßnahmen in der Verwaltung oder des Abbaugesetzes, wie man es kurz nennt, an vielen Tausenden deutscher Staatsbediensteter und Staatseisenbahner verübt wurde. Gespart hat man trotzdem nicht. Denn wenn man gespart hätte, könnte der Finanzminister nicht von der Notwendigkeit der Rationalisierung der Verwaltung sprechen, denn dann müßte sie schon vorhanden sein. Wir wissen aber auch aus eigener Anschauung, daß nicht gespart wurde, sondern daß man lediglich auf frei gewordene deutsche Arbeitsplätze Èechen gebracht hat. So ist das Abbaugesetz die Krönung eines Systems geworden, das politisch mit der Staatsverfassung, kulturell mit dem Sprachengesetz und den Schulgesetzen, wirtschaftlich mit der Enteignung der Kriegsanleihebesitzer, der Boden- und Wälderreform und den Bahnverstaatlichungen eingeleitet wurde und das uns Deutschen Milliarden an Geldeswert, Hunderttausende Hektar an Grund und Boden, Tausende an Schulklassen und Zehntausende von Arbeitsplätzen gekostet und das uns politisch, kulturell und wirtschaftlich zu Hörigen, zu Hintersassen gestempelt hat. Solche Dinge darf man nicht vergessen. Es muß an sie insbesondere angesichts der immer mehr um sich greifenden Symbiosestimmung erinnert werden. Welches Elend man in Familien tausender deutscher Staatsangestellter und Eisenbahner angerichtet hat, indem man ihre Ernährer vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder mit geringfügigen Abfertigungen abgespeist hat, läßt sich nicht beschreiben. Ich habe einen ganzen Stoß von Briefen, in welchen dieses zum Himmel schreiende Elend geschildert wird. Rücksichtslos ist man die ganzen Jahre hindurch über unsere Forderung zur Tagesordnung hinweggegangen, die Abbaufälle unter Hinzuziehung der Organisationen zu überprüfen und zumindest dort, wo ein krasses Unrecht geschehen ist, wieder gut zu machen. Man hat den Betroffenen keinen Einblick in die Akten gewährt, selbst nicht in jenen Fällen, wo gerichthch geklagt wurde. Warum tat man es nicht? Weil man kein reines Gewissen gehabt hat, sonst brauchte man sich nicht zu scheuen. Über den Abbau haben Fünferausschüsse entschieden, welche aus Vertretern der Koalitionsparteien zusammengesetzt waren, und was da an Angeberei und Spitzelei mitgespielt hat, kann man sich nach dem Wenigen, was durchgesickert ist, ausmalen.

Ich selbst gehöre zu den Abgebauten, ich bin der einzige Parlamentier, der vom Abbaugesetz getroffen wurde. Solange mein Fall die Gerichte beschäftigt hat, habe ich darüber nicht gesprochen. Nun ist er erledigt und ich will ihn heute als Illustrationsbeispiel anführen, damit Sie sich ausmalen können, wie es erst in den anderen Fällen zugegangen ist.

Ich bin am Tage nach den Wahlen des Jahres 1925 unter dem damaligen Eisenbahnminister Dr. Franke, den wir aus seiner Tätigkeit auch als Postminister genau kennen, verständigt worden, daß ich nach dem Abbaugesetz in den dauernden Ruhestand versetzt werde. Ich hatte damals insgesamt 21 Dienstjahre, also noch 14 Jahre Dienstzeit vor mir. Als Grund des Abbaus wurde meine wirtschaftliche Sicherstellung angegeben, die doch lediglich in den Einnahmen als Abgeordneter gesucht werden kann. Auch eine merkwürdige Moral, die da mitspielt, daß man das Abgeordnetenmandat als Einnahmsquelle betrachtet. (Výkøiky posl. Geyera.) Ich habe in der ordnungsmäßigen Frist berufen, meiner Berufung ist nicht stattgegeben worden. Das geschah unter Eisenbahnminister Bechynì, damit auch die zweite sozialistische Partei in der Sache vertreten ist. Daraufhin hat mein Klub durch den damaligen Vizepräsidenten Spina beim Präsidium des Hauses den Fall anhängig gemacht. In meinem Fall aber hat dieses hohe Haus eine Verletzung der parlamentarischen Würde nicht gesehen, auf die man sonst immer so hohes Gewicht legt, wenn man nach den Best immungen der Geschäftsordnung jemanden ausschließen oder maßregeln will. Wenn es sich aber darum handelt, die Würde des Parlamentes gegenüber Behörden zu wahren, da schweigt sich das ganze Parlament aus, und da haben auch die Regierung und das Präsidium weiter nichts zu finden. Der Fall wurde dem Eisenbahnministerium lediglich mit dem Ersuchen um Auskunft übermittelt, und weil ich nicht so lange zuwarten konnte, bin ich unterdessen an das Verwaltungsgericht gegangen und habe dort Beschwerde erhoben, in dem Sinne, daß durch meine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand auf Grund eines Ausnahmsgesetzes - ein solches ist doch das Abbaugesetz - § 20 der Verfassungsurkunde verletzt worden ist. § 20, Abs. 1 der Verfassung hat folgenden Wortlaut: "Hat ein in Staatsdiensten Angestellter, der in das Národní Shromáždìní gewählt wurde, als dessen Mitglied die Angelobung geleistet, wird er für die Zeit seiner Mitgliedschaft beurlaubt und hat während dieser Zeit Anspruch auf seine ständigen Bezüge mit Ausnahme der Orts-, resp. Funktionszulage sowie Anspruch auf die Zeitvorrückung." Das ist der Inhalt des Paragraphen, und diesen Inhalt kann man singemäß nur dahin auslegen, daß ein im Staatsdienste Angestellter, der Parlametarier ist, weder durch außergewöhnliche Vorrückungen bevorzugt noch gemaßregelt werden darf. Einen anderen Zweck kann diese Bestimmung überhaupt nicht haben. Die Behandlung nach einem Ausnahmsgesetz aber - und das ist das Abbaugesetz gewesen - ist selbstverständlich eine Maßregelung, das ist sie nach dem normalen Rechtsempfinden aller. Eine solche hätte aber vor allem bei jemandem vermieden werden müssen, der doch in einem parlamentarisch regierten Staat eine ganz andere Stellung einnehmen muß, wie etwa im alten Österreich, das nicht parlamentarisch regiert war. Im alten Österreich aber wäre es keinem Menschen eingefallen, ein solches Gesetz auf Parlamentarier anzuwenden, wie es auch keiner Stadtgemeinde eingefallen ist, etwas derartiges zu tun.

Zweieinhalb Jahre mußte ich warten, bis das Verwaltungsgericht endlich seinen Spruch fällte. Es war ein sehr salomonischer Spruch, der besagte, daß ich als Staatseisenbahner kein Staatsbediensteter sei, sondern zum Staate lediglich in einem privatrechtlichen Verhältnis stünde und daß das Verwaltungsgericht daher zur Entscheidung nicht zuständig sei, sondern daß diese bei den ordentlichen Gerichten gesucht werden müsse. Der Frage, ob § 20, Absatz 1 der Verfassung verletzt sei, wich das Verwaltungsgericht aus, obwohl dieser Paragraph, den ich verlas, nicht von Staatsbediensteten, sondern von im Staatsdienste Angestellten spricht, wozu selbstverständlich auch Staatseisenbahner gehören.

Ich bin also zum ordentlichen Gericht gegangen, zum Kreisgericht in Brünn. Wie es heute bei Gerichten zugeht, kann ich aus eigener Anschauung darlegen. Vor allem war ich in einen falschen Verhandlungssaal geladen und nur dem Zufall war es zuzuschreiben, daß mein Rechtsanwalt und ich dies rechtzeitig erfuhren, sonst wäre die Verhandlung ohne unsere Teilnahme vor sich gegangen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.) Als wir an die richtige Stelle kamen, haben wir feststellen müssen, daß für denselben Vormittag eine Unzahl anderer Prozesse angesetzt war. Eine ganze Anzahl Ehescheidungen ist vorgenommen worden, auch so im Handumdrehen, und während der halben Stunde, da mein Fall behandelt wurde, kam es nochmals zu einer Unterbrechung und rasch ist noch eine Ehescheidung vollzogen worden. Dann hat der Richter gefragt, was eigentlich in der Klageschrift stünde, er habe sie nicht gelesen. Er ließ sich den Inhalt erklären und schloß die Verhandlung damit, daß das Urteil schriftlich bekannt gegeben werde. Es hat danach ausgesehen! Ich berief, die Berufung wurde wieder abweislich beschieden. Allzuviel Mühe haben sich auch die Herren beim Oberlandesgericht mit der Behandlung der Sache nicht gegeben. Zum Obersten Gericht gehe ich nach diesen Erfahrungen überhaupt nicht mehr, denn man muß bedenken, daß in Brünn Kreisgericht, Oberlandesgericht und Oberstes Gericht in einem Gebäude untergebracht sind, und es ist selbstverständlich, daß der eine Referent den andern fragt und daß es natürlich unter solchen Umständen unmöglich ist, jemals zu einem ordentlichen Urteil zu kommen.

Der Beantwortung der Kernfrage, Verletzung der Verfassung, sind die ordentlichen Gerichte in beiden Instanzen ebenfalls ausgewichen. Was das Obergericht in seinem in meinen Händen befindlichen Urteil ausspricht, würde einem Bürgerschüler vielleicht noch Ehre machen, niemals aber einem Juristen. Das Obergericht hat Folgendes erklärt: "Formalen Charakter trägt auch die Frage der Zulässigkeit der Behauptung daß die Vorschriften des § 20 der Verfassungsurkunde verletzt wurden. Insoweit der Kläger diese Tatsache zum Klagegrund macht, verläßt er das Feld des Privatrechtes und gründet seinen Anspruch auf ein öffentlichrechtliches Verhältnis, worüber jedoch die ordentlichen Gerichte nicht entscheiden können." Ich bitte sehr: Das Verwaltungsgericht entscheidet nicht und die ordentlichen Gerichte können auch nicht entscheiden. Nun weiter: "Weil jedoch der Kläger sonst von privatrechtlichen Verhältnissen ausgeht und die auf diesen Verhältnissen gegründete Klage abgewiesen wurde, war es nicht notwendig, sie noch wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen, soweit sie auch zum Teil auf öffentlichrechtlichen Erwägungen beruht. Nebenbei erwähnt kann die Argumentierung des Klägers nicht als richtig angesehen werden, weil § 20 der Verfassungsurkunde nicht so ausgelegt werden kann, als ob durch ihn die Pensionierung von Staatsbeamten, welche Abgeordnete wurden, grundsätzlich ausgeschlossen wäre." Soweit das Oberlandesgericht. Dazu möchte ich doch bemerken, daß die ordnungsmäßige Pensionierung nach Ablauf der Dienstzeit durch § 20 der Verfassungsurkunde natürlich nicht ausgeschlossen wird; das weiß ich auch. Aber es handelt sich um die Frage, ob man unter dem Schutze der Verfassung steht auch als oppositioneller Abgeordneter oder ob man vogelfrei ist. Das ist die Frage. Einer Erörterung dieser Frage weicht man aus, beziehungsweise man gibt Urteile heraus, über die man geradezu lachen muß. (Posl. Knirsch: Ein dauernder Schandfleck für das Parlament ist das!) Jawohl, weil, dieses Parlament seine Würde nicht zu wahren weiß. Dies gilt übrigens auch von der Pensionistenfrage. Alle Regierungsparteien haben in den Ausschüssen erklärt, sie hätten das Gesetz besser gemacht, aber das Finanzministerium wolle nicht. Wir befinden uns doch in einem parlamentarisch regierten Staat und ich frage: Ist der Finanzminister der Herr des Parlaments und der Regierungsparteien oder hat nicht vielmehr der Minister das zu machen, was wir ihm vorschreiben? Das wäre doch sicherlich der richtige Weg für eine parlamentarische Regierung. Ich stelle also die Tatsache fest - und nur deshalb habe ich meinen Fall erörtert - daß es in diesem Staat unmöglich ist, eine Verfassungsverletzung festzustellen. Tatsache ist es weiter, daß ein oppositioneller Abgeordneter vogelfrei ist, daß man die parlamentarische Würde wohl durch Handhabung der Geschäftsordnung wahrt, es aber nicht wagt, sie gegen die Behörden zu wahren. Das Ganze nennt sich Rechtsstaat. Wie will erst ein Staatsbürger, der nicht Parlamentarier ist, sein Recht finden? Mein Fall war nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes neuerlich beim Präsidium des Abgeordnetenhauses anhängig, abermals ohne Erfolg. Nun können Sie sich vorstellen, wie erst der Ausgang der anderen Abbaufälle war. Daß nach einigen Abweisungen natürlich niemand mehr eine Klage eingebracht hat, sondern daß die Betroffenen lieber ihr Elend tragen, ist begreiflich, weil sie sich dazu nicht auch noch Kosten verursachen wollen. Ganz könnte das begangene Unrecht an vielen Tausenden von Menschen nicht gutgemacht werden, bezw. nur gutgemacht werden durch eine tatsächliche Überprüfung aller Abbaufälle und durch Wiedereinstellung der Abgebauten. Zumindest aber hätte man dieses Unrecht einigermaßen gutmachen müssen und gutmachen können dadurch, daß man sie in die erste Etappe der Ruheständler einbezogen hätte.

Die gekennzeichneten Mängel der Gesetzesvorlage veranlassen auch unsere Abänderungsanträge. Sie fußen auf dem Inhalt unseres Initiativantrages Druck Nr. 119. Wir haben schon im Senat und neuerlich in den beiden Ausschüssen des Abgeordnetenhauses derartige Anträge eingebracht. Sie beziehen sich auf die §§ 1, 3, 7, 10, 11 und 12 und haben zum Inhalt die Beseitigung der Ausnahmsbestimmungen für die im § 1, Abs. 2 genannten Militärgagisten und für die im § 3, Abs. 2 angeführten Ärzte. Wir verlangen die Einbeziehung der Gnadenpensionen in das Gese tz durch einen neuen Abs. 4 zum § 1 derart, daß auch ihnen eine verhältnismäßige Erhöhung auf Lebensdauer gewährt wird. Weiters verlangten wir, das die im § 7 enthaltene Kürzung der Ruhegenüsse der im Auslande Lebenden beseitigt wird und daß zu einem Aufenthalte im Auslande, wenn er drei Monate nicht übersteigt, keine Bewilligung notwendig ist. Vor allem verlangen wir aber die Beseitigung der Etappen und die Durchführung der Gleichstellung unter Einem im Jahre 1930 Für alle Fälle haben wir zu diesem § 10 zwei Eventualanträge eingebracht. Der eine fordert die Durchführung in drei statt der vorgesehenen vier Etappen, der zweite die Einbeziehung der Abgebauten in die erste Etappe. Weiters verlangen wir die Streichung des § 11, welcher bestimmt, daß die Betroffenen erst ansuchen müssen. Zu diesem Gegenstand hat übrigens gestern Koll. Dr. Rosche im Budgetausschuß sehr ausführlich gesprochen und auch darauf hingewiesen, daß dieser Paragraph ganz unnötig ist. (Posl. Krebs: Weil er den Gnadencharakter kennzeichnet!) Und weil wir ja vorher sehen, daß dadurch die Inkraftsetzung Monate hindurch hinausgezögert wird. Und endlich eine andere Fassung des § 12 derart, daß das Eisenbahnministerium sich die Regelung der Gnadengaben nicht nur vorzubehalten hat, sondern daß es verpflichtet wird, diese Regelung automatisch durchzuführen, und daß die Gnadenpensionen in normale Pensionen umgewandelt werden. Weiters brachten wir drei Resolutionsanträge ein, in welchen wir die zeitgemäße Erhöhung der Renten jener Eisenbahnunfallrentner verlangen, welche keine Pension beziehen, bzw. ihre Witwen und Waisen. Diese Frage ist seinerzeit vom Koll. Krebs und mir in einer Interpellation angeschnitten worden. Die vom Kollegen Sen. Teschner im Senat eingebrachte diesbezügliche Resolution ist dort angenommen worden. Die zweite Resolution fordert die Erhöhung der Ruhe- und Versorgungsgenüsse der Altpensionisten des autonomen Dienstes und deren Hinterbliebenen. Die dritte setzt sich für die Erhöhung der Renten der Altrentner der Privatpensionsversicherung ein, sie gedenkt also einer Gruppe von Menschen, die buchst äblich am Hungertuche nagt. Die erste Resolution wurde im Senate angenommen. Im sozialpolitischen und im Budgetausschuß dieses Hauses ist die mit meinem Namen gezeichnete Resolution, obzwar sie den gleichen Inhalt hat wie die im Senat angenommene, abgelehnt worden. Da haben Sie auch ein merkwürdiges Schulbeispiel für den Parlamentarismus, der in Prag herrscht. Man ist der Meinung, daß man einer oppositionellen Partei auch eine Resolution nicht annehmen darf, selbst dann nicht, wenn der Inhalt sachlich durchaus gerechtfertigt ist. Die Resolution betreffend die Pensionisten des autonomen Dienstes ist vom Koll. Ježek aufgenommen worden, und daher wurde sie angenommen. Die gleichlautende von mir und Koll. Kallina ist natürlich abgelehnt worden. Und die dritte, die ich hier erwähnte, wurde abgelehnt mit dem Hinweis darauf, daß es sich hier um Personen handelt, die mit diesem Gesetz in keinen Zusammenhang zu bringen sind. Nun, was ist denn der Zweck einer Resolution? Die Resolution fordert ja nur auf, und wenn wir uns umsehen, was aus den vielen Resolutionen geworden ist, wissen wir, daß die Regierung die Resolutionen sehr wenig ern st nimmt, deshalb, weil man sie niemals daran erinnert, daß sie sie auch durchzuführen hat. Obzwar ich also von vornherein weiß, daß alle Liebesmühe vergeblich ist und unsere Anträge doch abgelehnt werden, weil dieses Parlament im Gegensatz zum französischen, das doch sonst immer so gerne als Vorbild genommen wird, es niemals wagt, gegen die Pläne und Absichten eines Ministers Stellung zu nehmen, haben wir unsere Anträge trotzdem neu eingebracht. Wenn wir schon für die Vorlage stimmen, so wollen wir bei dieser Gelegenheit wenigstens unsere grundsätzlichen Anschauungen zum Ausdruck bringen und auch die Mängel hervorheben.


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