Die Antwort der Regierung kann auch deshalb die Privatangestellten nicht befriedigen, weil sie vollkommen unklar ist, ganz abgesehen davon, daß sie auch Unrichtigkeiten enthält. So wird z. B. behauptet, daß das Justizministerium einen Entwurf bereits vorbereitet habe und daß der Endredaktion dieses Entwurfes eine ausführiche Enquete vorausgegangen ist, an der die Interessentenorganisationen beider Seiten teilgenommen haben. Davon weiß die größte deutsche Angestelltenorganisation der D. H. V. aber nichts. Welche sind also die Interessentenorganisationen, die an dieser Enquete teilgenommen haben? Und warum ist der Angestelltenöffentlichkeit bis heute über diesen Entwurf und die Enquete kein näherer Bericht zugegangen? Wir vermuten wohl mit Recht, daß es sich bei dem genannten Entwurf um ein altes Konzept handelt, das schon seinerzeit, als es bekannt wurde, von allen Angestellten-Gewerkschaften abgelehnt wurde; und zwar deshalb, weil es die wichtigsten Forderungen, die die Privatangestellten an ein neues Angestelltenrecht mit Recht stellen, nicht berücksichtigt hat. Es handelt sich dabei vor allem um die Abgangsentschädigung, wie sie die österreichische Gesetzgebung schon seit Jahren kennt und wie sie die Unterkommission des sozialpolitischen Ausschusses des deutschen Reichstages bereits beschlossen hat. Auf der gesetzlich festgelegten Abgangsentschädigung bestehen die Privatangestellten nach wie vor. Nur dann, wenn sie in dem genannten Entwurfe des Justizministeriums enthalten ist, hat es einen Sinn, den Entwurf der Nationalversammlung vorzulegen.
Die Absage der Regierung mit dem Hinweis auf das Ermächtigungsgesetz ist umso weniger verständlich, als eine solche Verordnung schon einmal bestand, u. zw. bis zum Mai 1923. Sie wurde damals aufgehoben, mit der Zusicherung der Regierung, die Novellierung des Handlungsgehilfengesetzes sofort in Angriff zu nehmen. Das ist wohl geschehen, auf das neue Gesetz aber haben die Privatangestellten bis heute vergeblich gewartet. Wie dringend längere Kündigungsfristen geworden sind, zeigen die heutigen Zustände auf, unter denen die Privatangestellten leben müssen. Es ist leider Tatsache, daß viele Unternehmer dazu übergehen, Verträge mit längeren Kündigungsfristen aufzukündigen, um sich der Angestellten bei Verschlechterung der Geschäftslage leichter entledigen zu können. Damit aber wird die Existenzsicherheit der Angestellten auf ein Minimum herabgesetzt, was sie natürlich mit ständiger Sorge um ihre Zukunft erfüllen muß. Die Berufsfreude der Angestellten ist aber eine der Voraussetzungen des Gedeihens unserer gesamten Wirtschaft. Schon deshalb ist es die Pflicht der Regierung, alles vorzukehren, um die volle Berufsfreude der Angestellten wieder herzustellen und alle Maßnahmen zu treffen, um die Existenzsicherheit der Angestellten zu erhöhen. (Sehr richtig!)
Im übrigen meine ich, daß der Entwurf des neuen Handlungsgehilfengesetzes kein Geheimnis bleiben soll. Das war ja auch der Zweck meiner Anfrage. Ich wollte neben der Kündigungsschutzverordnung erreichen, daß die Angestellten vor allem Gelegenheit bekommen, in einer gemeinsamen Aussprache mit dem Justiz- und Fürsorgeministerium die Grundlagen des neuen Angestelltenrechtes zu schaffen, das den dringenden Wünschen der Privatangestellten entspricht. Die Antwort der Regierung kommt einer Verlegenheit ziemlich gleich, da sie die Angestellten weiter im unklaren darüber läßt, welche Erweiterungen der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Sicherung der Existenz faktisch vorgesehen sind. Ich verweise bei dieser Gelegenheit darauf, daß ich heute einen vollständigen Gesetzesantrag für ein neues Angestelltengesetz eingebracht habe, das auf der Grundlage eines wirklich modernen Angestelltenrechtes aufgebaut ist. In diesem Antrage sind die Auffassungen niedergelegt, wie sie von dem größten Teil der deutschen Angestellten vertreten werden. In diesem Augenblicke festzustellen, wie weit die in meinem Antrag gestellten Forderungen im Entwurf des Justizministeriums bereits berücksichtigt sind, ist mir leider nicht möglich. Ich darf aber wohl annehmen, daß der Antrag, dem eine entsprechende Begründung beigefügt ist, das Interesse besonders des Herrn Ministers für soziale Fürsorge wecken wird, der sicher bereit ist, erfüllbare Wünsche der Privatangestellten im neuen Angestelltenrecht, das hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, weitestgehend zu berücksichtigen.
Noch eines darf nicht übersehen werden: daß es den meisten Privatangestelltennicht gelingt, innerhalb kurzer Kündigungsfristen zu einer neuen Stellung zu gelangen. Darauf aber kommt es ihnen an, ihre berufliche Tätigkeit möglichst nicht zu unterbrechen. Die gegenwärtige Zeit mit ihrer ständigen Vervollkommnung der kaufmännischen und technischen Verwaltung der Betriebe stellt außerordentliche Anforderungen an die Privatangestellten. Sie sind ihnen nur dann gewachsen, wenn sie in fortlaufender Verbindung mit der Praxis bleiben. Jede längere Unterbrechnung der praktischen Tätigkeit schmälert ihre Kenntnisse und Erfahrungen und erschwert damit das weitere Fortkommen. Auch aus diesem Grunde heraus muß alles getan werden, um längere Stellenlosigkeiten der Angestellten möglichst zu verhindern.
Ich möchte auch auf das ganz unzulängliche Betriebsausschüssegesetz zu sprechen kommen, dessen Novellierung gerade im Interesse der Privatangestellten dringend ist. Bekanntlich findet dieses Gesetz nur Anwendung auf das Produktionsgewerbe und auch hier hängt die Anwendung ab von der Zahl der Arbeitnehmer, die bei den Angestellten zu hoch gegriffen ist. Durch diese Einschränkung der Wirksamkeit des Gesetzes ist nur ein Teil der Privatangestellten erfaßt worden, der sich damit auch eines gewissen Kündigungsschutzes erfreut. Der übrige Teil der Angestellten entbehrt dieses Schutzes, der, soweit der Abs. 3 des Gesetzes in Betracht kommt, zwingendes Recht ist. Dieses Recht wird im Absatz cc) des § 3 bekräftigt, denn die Entlassung der Angestellten ist dann als eine ungerechte und unbegründete Strenge zu erachten, wenn das Alter des Angestellten oder die Dauer seiner Beschäftigung im Betriebe sowie seine Familien- und Vermögensverhältnisse eine Rücksichtnahme verlangen. Für diesen Fall gebührt den gekündigten Angestellten, wenn nicht die Schiedskommission die Zurücknahme der Kündigung ausspricht, eine Abfertigung in der Mindesthöhe eines Monatsgehaltes. Wenn auch gerade die letztere Bestimmung vollkommen ungenügend ist und sowohl in Österreich als auch in Deutschland eine wesentliche Erweiterung in der diesbezüglichen Gesetzgebung erfahren hat, so wäre doch damit ein Anhaltspunkt gegeben, um durch einen weiteren Ausbau des Gesetzes einen besseren Schutz der älteren Angestellten herbeizuführen. Natürlich müßte eine Novellierung des Betriebsausschüssegesetzes von vornherein dafür sorgen, daß einmal größere Abfertigungen vorgesehen werden und zum anderenmal, daß bei kollektiven Entlassungen gewisse Schutzbestimmungen nicht außer acht bleiben dürfen. Vor allem aber verlangen wir die Erstreckung des Gesetzes auf alle Angestellten.
Die Arbeitslosigkeit der Privatangestellten könnte wesentlich vermindert werden durch eine bessere Gestaltung des Pensionsversicherungsgesetzes. Mit den heutigen Rentnerleistungen für ältere Angestellte ist ein Auskommen einfach unmöglich. Deshalb ziehen es auch die älteren Privatbeamten vor, in ihren bisherigen Stellungen zu verbleiben, sie verhindern dadurch die Aufstiegsmöglichkeit vieler jüngerer und die Aufnahme stellenloser Angestellten. Durch die Einrechnung der nichtversicherten Dienstzeit, die der Entwurf der ministeriellen Kommission vorgesehen hatte, wäre diesem Übelstande sicher beizukommen. Deshalb ist auch das Verlangen nach entsprechender Aufwertung der Renten der alten Privatangestellten eine Forderung, die von allen Angestelltenorganisationen vertreten wird.
Aus einer Berechnung, die Herr Prof. Dr. Schönbaum angestellt hat, geht hervor, daß für die Einrechnung der nicht versicherten Dienstzeit der Angestellten im ersten Jahre 7 Millionen Kè, im zweiten Jahr 10ÿ7 Millionen Kè, im dritten 13ÿ3 Millionen Kè, im vierten 15ÿ5 Millionen Kè, im zehnten 20ÿ5 Millionen Kè und im zwanzigsten Jahr 27 Millionen Kè gebraucht wurden. Nach dem 20. Jahre fallen die Zuschüsse wieder, um mit dem 40. Jahr zu verschwinden. Es würde sich also nur um eine vorübergehende Belastung des Staates handeln, wenn er die Kosten der Einrechnung der nicht versicherten Dienstzeit auf sich nehmen würde. Das wäre schon deshalb durchaus berechtigt, weil der Staat die Privatangestellten durch die Dienstvertragsgebühr doppelt belastet und daraus einen jährlichen Nutzen von rund 20 Millionen Kè zieht und weiter einen ganz unberechtigten Einfluß auf die Verwaltung der Pensionsversicherungsanstalten nimmt. Es ist nun bezeichnend, daß die Regierung diese Zuschüsse zur Erhöhung der Renten der alten Angestellten ablehnt. Das war ja auch die Ursache der gestrigen Sitzung der ministeriellen Kommission, die die Aufgabe hatte, zwischen den Vertretern der Angestellten und Unternehmer ein Einvernehmen zu erzielen, um eine weitere Beitragserhöhung für die Pensionsversicherung der Privatangestellten zu ermöglichen, die nur den Zweck haben soll, durch die Anrechnung der nicht versicherten Dienstzeit die Renten der älteren Angestellten entsprechend zu erhöhen.
So sehr ich und meine Kollegen es begrüßen, daß das traurige Los der Privatangestelltenrentner endlich gebessert werden soll, so sehr bedaure ich, daß die Regierung nicht gewillt ist, das Erfordernis von insgesamt 383 Millionen Kè, das sich, wie schon bemerkt, auf 40 Jahre verteilt, zu übernehmen, und daß es deshalb notwendig ist, diesen Betrag auf die Versicherten und ihre Arbeitgeber wieder umzulegen. Auch in diesem Falle zeigt es sich, daß es immer an Geld fehlt, wenn es sich um die soziale Wohlfahrt der Arbeitnehmer handelt, während für alle möglichen anderen Dinge sofort Hunderte von Millionen zur Verfügung stehen.
Die starke Arbeitslosigkeit der Privatangestellten hat nicht allein ihre Ursache in den konjunkturellen Verhältnissen. Sie ist mit zurückzuführen auf das Überangebot, das insbesondere für den kaufmännischen Beruf vorhanden ist. Hätten wir eine gründliche Arbeitsmarktstatistik, so würde es den Eltern und Erziehern bald klar werden, wie falsch es ist, ihre Kinder und Schützlinge gerade dem kaufmännischen Beruf zuzuführen. Deshalb sollte die Regierung Vorkehrungen treffen um einen allzustarken Zulauf zum Kaufmannsberuf zu unterbinden. Das könnte durch ein Berufsausbildungsgesetz geschehen, dessen Inangriffnahme im Interesse der Privatangestellten bald erfolgen sollte.
Sehr bedauerlich ist, daß bei uns die Berufsberatung noch in den Kinderschuhen steckt. Ihr Ausbau ist unbedingt nötig. Die Landeskommissionen haben damit wohl einen Anfang gemacht. Leider stehen diesen Körperschaften nicht die genügenden Geldmittel zur Verfügung, um die Einrichtung der Berufsberatungsstellen so auszugestalten, daß sie dem gedachten Zwecke auch entsprechen. Hier muß also ausgeholfen werden. Es darf keineswegs bei den wenigen Berufsberatungsstellen bleiben, sondern es muß dafür gesorgt werden, daß an allen größeren Plätzen solche errichtet werden, am besten im Anschluß an die öffentlichen Stellennach weise. Daß dabei viele Schwierigkeiten zu überwinden sind, ist mir wohl bekannt. Einige Schwierigkeit macht die Frage, wer Träger der Berufsberatungsstellen sein soll. Denn nicht nur die Jugendfürsorge reklamiert diese Stellen für sich, sondern vielfach auch die Schule. Es mag durchaus richtig sein, daß die Schule am meisten Gelegenheit hat. Eignung und Neigung der Jugendlichen zu beobachten. Auch sind der Schule die häuslichen Verhältnisse am besten bekannt. Andererseits aber fehlen hier die Kenntnisse der Arbeitsmarktverhältnisse, was bei der Berufswahl oft von ausschlaggebender Bedeutung ist. Mit Recht weist wiederum die Jugendfürsorge darauf hin, daß sie sich bisher schon der schutzlosen Jugend angenommen hat und daß sie deshalb mit allen Fragen der Jugend am besten vertraut ist. Richtig ist, daß alle genannten drei Faktoren, also Schule, Jugendfürsorge und Stellennachweis in der Berufsberatung zusammenarbeiten sollten. Dazu kämen noch die Vertreter der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Aber ebenso wichtig wie die Zusammensetzung der Berufsberatungsstellen ist die Frage nach den Berufsberatern. An diesen werden außerordentliche Anforderungen ge stellt. Er muß vor allem eine gediegene pädagogisch-psychologische Eignung besitzen und die Statistik beherrschen.
Natürlich muß er auch entsprechend große Erfahrungen in den einzelnen Berufen besitzen und mit der Jugend umzugehen wissen. Die Auswahl künftiger Berufsberater wird also außerordentlich sorgfältig zu ge schehen haben, sonst richtet die Berufsberatungsstelle mehr Unheil an, als sie der All gemeinheit Nutzen schafft. Das letzte Ergebnis der Berufsberatung muß die Lehrstellenvermittlung sein. Schon deshalb ist ein Hand in Hand-Arbeiten mit den öffentlichen Stellennachweisen und den Stellenvermittlungen der kaufmännischen Angestelltenverbände unbedingt erforderlich.
Die Stellenlosigkeit der Privatangestellten könnte für die Zukunft stark gemindert werden durch eine entsprechende Regelung der Zahl der Lehrlinge. Die Gewerbeordnung gibt dazu die Möglichkeit. Der § 100 a) besagt: "So weit für einzelne Gewerbe keine Bestimmungen über das Verhältnis der Zahl der Lehrlinge zu jener der Gehilfen im Wege des Genossenschaftstatuts getroffen werden, kann der Handelsminister im Einvernehmen mit dem Minister des Innern nach Anhörung der Handels- und Gewerbekammer dieses Zahlenverhältnis - im Verordnungwege festsetzen. Diese Festsetzung kann im allgemeinen oder für bestimmte Bezirke erfolgen." Von dieser Bestimmung wird so gut wie kein Gebrauch gemacht. Es ist bis heute nur in ganz wenigen Fällen gelungen, solche Vereinbarungen mit Gremien und Genossenschaften zu treffen, soweit die kaufmännischen Lehrlinge in Frage kommen. Deshalb auch wird seitens der Angestelltengewerkschaften darüber Klage geführt, daß in sehr vielen Fällen die Zahl der Lehrlinge in einem schreienden Mißverhältnis zur Zahl der Angestellten steht. Gegen diese Lehringsausbeutung war der Kampf der Gewerkschaften bisher fast ergebnislos. Und die gegenwärtige Fassung der vorhin zitierten Bestimmung der Gewerbeordnung läßt kaum hoffen, daß in Bälde ein Zustand beseitigt wird, der für Tausende kaufmännische Lehrlinge die Aussichtslosigkeit beruflichen Vorwärtskommens bedeutet. Deshalb fordern wir eine wesentliche Änderung des § 100 der Gewerbeordnung, weil die darin enthaltene "Kann"- Bestimmung zu dem heutigen Zustand geführt hat, ganz abgesehen davon, daß die einseitige Haltung der Handelskammern in der Frage der Zahl der Lehrlinge schon von vornherein eine Regelung außerordentlich erschwert. Ebenso wie die Handelskammern müssen auch die Gewerkschaften der Angestellten gehört werden. Das wichtigste aber ist die verpflichtende Bestimmung, die in diesem Absatze der Gewerbeordnung aufgenommen werden müßte, weil sie allein eine Änderung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt der kaufmännischen Lehrlinge herbeiführen könnte. Es muß dabei besonders bemerkt werden, daß, da noch immer keinerlei gesetzliche Mindestvoraussetzungen für den Eintritt in den Angestelltenberuf bestehen, die Ausbildung der Lehrlinge während ihrer Lehrzeit von ausschlaggebender Bedeutung für deren ganze Zukunft ist. Sie kann aber nur gewährleistet werden, wenn einerseits zwischen der Zahl der Angestellten und der Lehrlinge ein bestimmtes Verhältnis herrscht, wenn Bestimmungen getroffen werden über die notwendige Eignung der zur Ausbildung von Lehrlingen befugten Personen, wenn die Vorschriften über die Ausbildungspflichten des Lehrherrn, bzw. seines verantwortlichen Stellvertreters verschärft werden und wenn andererseits für den weiteren Ausbau der beruflichen Fortbildungsschulen gesorgt wird. Von größter Wichtigkeit wäre weiter, wenn der Lehrherr gesetzlich verpflichtet würde, den Auslehrling für eine bestimmte Zeit weiter zu beschäftigen. Gerade diese Verpflichtung würde viel zur Milderung der Stellenlosigkeit der kaufmännischen Angestellten beitragen.
Die Regelung von Angebot und Nachfrage scheint mir also eine der wichtigsten Voraussetzungen einer Besserung der Arbeitsmarktverhältnisse der Privatangestellten zu sein. Diese Regelung könnte auch wirksam unterstützt werden, wenn die Angestelltenorganisationen die Möglichkeit hätten, für alle Geschäftszweige Kollektivverträge abzuschließen. Ich bin im Haushaltungsausschuß bereits auf diese Frage näher eingegangen und habe verlangt, daß das Ministerium für soziale Fürsorge so rasch wie möglich das von meiner Partei verlangte Kollektivvertragsgesetz und die Errichtung von Einigungsämtern vorsieht. Gesetzlich geschützte Kollektivverträge wären der beste Schutz gegen den die Privatangestellten stets bedrohenden Gehaltsdruck, der nicht zuletzt von berufsfremden Personen ausgeübt wird, um zu irgendeiner Anstellung zu gelangen. Auf die Arbeitslosenunterstützung will kein Privatangestellter angewiesen sein, nicht nur aus den bereits genannten Gründen, sondern auch deshalb, weil weder die Höhe der Arbeitslosenunterstützung noch ihre Dauer den besonderen Verhältnissen der Privatangestellten Rechnung trägt.
Das gilt auch von der vorliegenden Novellierung des Arbeitslosenunterstützungsgesetzes, zu der bereits Koll. Kasper eingehend Stellung genommen hat. Wir bedauern besonders, daß im neuen Gesetze die Höchstgrenze des Staatsbei trages mit 18 Kè festgesetzt wurde. Dadurch ist es den Gewerkschaften der Angestellten einfach unmöglich gemacht, die Unterstützungssätze so festzulegen, daß sie den berechtigten Ansprüchen wenigstens eines Teiles der Angestellten entsprechen würden. Wir fordern deshalb entschieden, daß eine Höchstgrenze des Staatsbeitrages überhaupt fallen gelassen wird, um den Angestelltengewerkschaften eine höhere Gesamtunterstützung zu ermöglichen. Eine solche ist insbesondere für ältere Angestellte unbedingt nötig, die durch eine längere Arbeitslosigkeit ohnedies schwer geschädigt werden und die, da sie zumeist aus besseren Stellungen kommen, eine vollkommene Umstellung aller ihrer bisherigen Lebensgewohnheiten vornehmen müssen. Deshalb muß die Angestelltengewerkschaft in der Lage sein, diesen ihren Mitgliedern in der Zeit der Stellenlosigkeit weitgehendst entgegenkommen zu können. Das ist aber nur möglich, wenn auch der Staat seine Pflicht tut und durch entsprechende Zuschüsse die Gewerkschaft erst in die Lage versetzt, den besonderen Bedürfnissen der Privatangestellten auch durch die Höhe der Arbeitslosenunterstützung zu entsprechen. Die dadurch für den Staat entstehende Mehrbelastung ist so gering, daß sie, gemessen an dem sonstigen Aufwand des Staates überhaupt nicht ins Gewicnt fällt. In der Arbeitslosenfürsorge spielt die Dauer der Unterstützung eine besondere Rolle, besonders wiederum bei den Privatangestellten, die meist eine längere Zeit hindurch ohne Stellung bleiben. Das gilt nicht nur für die älteren Angestellten, von denen ich bereits sprach, sondern für die Privatangestellten schlechthin. Deshalb war auch die größte deutsche Angestelltengewerkschaft dieses Staats, der deutsche Handelsangestelltenverband von allem Anfang an ein Gegner des sogenannten Genter Systems. Und das mit Recht. Die Gründe dieser Stellungnahme sind vor allem in den außerordentlich umständlichen Voraussetzungen der Erlangung des Staatsbeitrages zu suchen. Tagelang muß sich der Arbeitslose bemühen, um die Bestätigungen der Arbeitsvermittlungsstelle, des letzten Arbeitgebers, der Krankenkasse, der Gemeinde und der gewerkschaftlichen Organisation zu erlangen. Damit ist aber der Leidensweg keineswegs erschöpft. Nun beginnen erst die für die Angestellten oftmals recht peinlichen Meldungen, die dreimal in der Woche zu geschehen haben. Sie sind zum Zwecke der Kontrolle eingerichtet worden. Wir wehren uns gewiß nicht dagegen, wenn alles geschieht, um einen Mißbrauch mit der Arbeitslosenunterstützung zu verhindern, sind aber der Meinung, daß sich die Kontrolle auf die Gewerkschaften beschränken kann, die ja zum Träger der Arbeitslosenfürsorge dieses Staates geworden sind. Nur da, wo sich keine Ortsgruppe der gewerkschaftlichen Organisation befindet, der der Stellenlose angehört, wäre eine Kontrolle durch das Gemeindeamt am Platze, da sich ja auf solchen Plätzen keine Arbeitsvermittlungsanstalt befinden dürfte. Im Einvernehmen mit den Arbeitsvermittlungsanstalten würden die Gewerkschaften sicher einen Weg finden, der zur gleichen Überprüfung der Stellenlosen führt, ohne daß sie gezwungen werden - und das gilt besonders für viele Privatangestellte vor öffentlichen Ämtern in Schlangen zu stehen, nur um den formalen Stempel in ihren Ausweis aufgedrückt zu erhalten. Wir bedauern auch hier, daß die Regierungsvorlage keinerlei Erleichterung in den Meldevorschriften vorgenommen hat.
Geblieben ist ferner die strafrechtliche
Haftbarmachung der Vertrauensmänner, die für ihre selbstlose Tätigkeit
immer fürchten müssen, bei nicht haargenauer Handhabung der umfangreichen
Bestimmungen des Gesetzes mit den Gerichten bekannt zu werden.
Und geblieben ist die einschneidende staatliche Kontrolle, die
die gewerkschaftliche Handlungsfreiheit auf das schwerste gefährdet.
Auch sehen wir nicht ein, daß der Absatz 4 des Gesetzes aufrecht
erhalten blieb, der den Organisationen der Arbeitnehmer geradezu
die weltanschauliche Richtung verbietet. Unzulänglich ist weiter
die in der Vorlage vorgesehene Unterstützungsdauer. Darunter haben
die Privatangestellten schon bisher zu leiden gehabt. Wenn auch
die Arbeitslosenfürsorge der Allgemeinen Pensionsanstalt und der
Ersatzinstitute eingriff und dafür sorgte, daß der pensionsversicherungspflichtige
Angestellte noch einige Monate hindurch einen geringeren Unterstützungsbeitrag
erhielt, so blieb die Tatsache doch aufrecht, daß der Privatangestellte
schon nach dreimonatiger Arbeitslosigkeit in die denkbar größte
Notlage geriet. Denn die Unterstützung der Pensionsversicherungsträger
war bisher so gering, daß davon in den meisten Fällen kaum die
Wohnungsmiete bestritten werden konnte. Während in früheren Zeiten
der Angestellte durch Aushilfs- und Nebenbeschäftigungen noch
etwas zu verdienen wußte, sind heute auch diese Erwerbsquellen
versiegt. Er bleibt, da die produktive Arbeitslosenfürsorge für
ihn kaum in Betracht kommt, also auf die rein geldliche Arbeitslosenunterstützung
angewiesen. Deshalb fordern wir, daß diese sich den besonderen
Verhältnissen der Privatangestellten anpaßt, sowohl in der Höhe
als auch in der Dauer der Bezüge. Die Privatangestellten fordern
deshalb die eheste Gesetzwerdung der Arbeitslosenversicherung.
Nur im Ra hmen dieser wird es mögich sein, die Wünsche der Privatangestellten
zu berücksichtigen, besonders wenn von vornherein die Selbstverwaltung
so ausgebaut wird, daß die Privatangestellten über ihre Beiträge
verfügen können. Schon heute erklären wir, daß wir die künftige
Arbeitslosenversicherung so gestaltet wissen wollen. Wir erwarten,
daß der Minister für soziale Fürsorge ehestens mit den Vorarbeiten
für ein Arbeitslosenversicherungsgesetz beginnen wird. (Potlesk.)