Meine Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, daß der vorliegende Gesetzentwurf den Plänen der bürgerlichen Parteien in der Koalition stark widerstreitet und daß der Mieterschutz heute schon praktisch erledigt wäre, wenn nicht der 17. Oktober des Vorj ahrs den alten Bürgerblock zur Seite geschoben hätte, wenn die Sozialdemokraten nicht in der Regierung säßen. Die programmatischen Erklärungen der bürgerlichen Parteien zur letzten Wahl und ihre bisherigen Leistungen auf dem Gebiete der Wohnungsfürsorge bezeugen dies zur Genüge. Wohl ist der gesetzliche Mieterschutz von den ihrer Mehrheit nach bürgerlichen Parlamenten geschaffen worden, doch das geschah seinerzeit unter dem außerordentlichen Druck des Krieges. Niemals aber hat die Bourgeoisie die Verpflichtung der Gesellschaft anerkannt, allen Menschen gute Wohnungen zu verschaffen und zu sichern, weil ihr immer der Profit heiliger war als das Leben, die Gesundheit, die Kultur und die Moral ihrer Mitmenschen. Das Wort Kultur ist allerdings ununterbrochen deklamiert worden. Aber daß alle Kultur mit dem Dache über dem Kopf beginnt, spielt für die Deklamatoren überhaupt keine Rolle. "Moral" sagte man mindestens in jed em zehnten Satze und sperrte dabei Männer, Frauen, Erwachsene und kleine Kinder in einen Wohnraum. Das Jahrhundert des Kindes war angebrochen - und die Kinder verkamen in feuchten, dunklen, überfüllten Stuben; Heiligkeit des Familienlebens predigte man und zerstörte mit dem Greuel der Elendswohnüng alle Familienbande. Hygiene wurde zum Losungswort der Zeit erkoren und zugleich zwang man Kranke ihr Leiden allen ihren Angehörigen zu vermitteln, indem man sie mit ihnen zusammenpferchte. Unzählige Gräber, viele Kranken- und Irrenanstalten und manches Zuchthaus hätte man ersparen können, wenn man dem Volke gute, gesunde, ausreichende Wohnungen gesichert hätte. Der Krieg hat die Bourgeoisie genötigt, wenigstens die bestehenden Mietverträge zu schützen. Es war ein Stück der Durchhaltepolitik, an der in erster Linie die Bourgeoisie interessiert war. Nach dem Kriege und angesichts aller seiner Folgen konnte man nicht den Mieterschutz einfach beseitigen. Wie sehr er aber der Bourgeoisie ein Dorn im Auge war, daraus hat sie bald kein Hehl gemacht. Soweit sie konnte, lockerte sie ihn, um ihn ohne Rücksicht auf die Opfer bei passender Gelegenheit völlig abzutun. Wo Sozialdemokraten am Ruder waren, stand der Mieterschutz fest und wurde, wie das Wiener Beispiel zeigt, von dem hier so oft leider vergeblich gesprochen wurde, durch großzügige Wohnungsfürsorge ergänzt. Denn das war ja wahr und richtig, daß der Schutz der alten Häuser allein nur eine halbe Maßregel darstellt, die das Recht der jungen Generation negiert, sich ihren eigenen Hausstand zu gründen, eine Notmaßregel für die Alten ohne Rücksicht auf die Not der Jungen. Die österreichische Wohnungsfürsorge und die Wiener Volkswohnungsbauten, zu denen heute Menschen aus dem ganzen Auslande pilgern, die uneingeschränktes Lob finden müssen, haben bei der Bourgeoisie in Österreich die Antwort erhalten, daß diese kulturelle, hygienische, nationale und moralische Großtat beantwortet wurde mit der Heimwehr und mit Bürgerkriegsdrohungen. In der Èechoslovakischen Republik schützte anfangs der starke Einfluß der èechoslovakischen Sozialdemokraten innerhalb der allnationalen Koalition die Mieter. Auch die Bauförderung wurde nicht außer Acht gelassen, wiewohl das èechoslovakische System dem Wiener nicht ebenbürtig war. Mit dem Erstarken der Bourgeoisie innerhalb der allnationalen Koalition wurden den èechischen Sozialdemokraten immer schlimmere Kompromisse abgenötigt. Der Mieterschutz wurde auf diese Art von Jahr zu Jahr gelockert. Dann kam die Herrschaft des Bürgerblocks und mit ihr der erste große Durchbruch des Mieterschutzes. Es war ein Stoß aufs Ganze, der Tausenden und aber Tausenden Menschen das Dach gekostet hat, daneben aber den Zweck verfolgte, Mieter gegen Mieter zu hetzen und in die belagerte Festung die Meuterei hineinzutragen. (Posl. Haiblick: Und jetzt macht Ihr den nächsten Stoß!) Den machen wir nicht (Hluk.) und wenn mir dieser Einwand von kommunistischer Seite gemacht wird, so möchte ich die Herren daran erinnern, daß, wenn wir es so machten, wie die Kommunisten, der Mieterschutz heute schon beseitigt wäre (Sehr richtig!), daß heute die Menschen zu all dem furchtbaren Elend auch noch dieses Elend mit in den Kauf nehmen müßten. (Výkøiky poslancù nìm. soc. demokratických a komunistických.) Es hat den Kommunisten nicht genügt, daß sie die Arbeiterklasse so schwer geschädigt und herabgesetzt haben und auch ihre Politik in diesem Augenblick zeigt wieder, was für Folgen entstehen würden für die breiten Massen der Bevölkerung, wenn auch wir nach dem Rezept der Kommunisten uns verhalten hätten. Es kamen zwei Zinserhöhungen damals um je 20% und dazu eine ganze Anzahl neuer Kündigungsgründe. (Hluk.) So begann das Werk. Noch viel wichtiger aber war der Bourgeoisie die prinzipielle Durchstoßung des Mieterschutzes, vor allem die Ausnahme der Neuvermietungen in alten Häusern aus dem Mieterschutz. Es ist auf diese Art ein Chaos entstanden und es muß gesagt werden, daß dieses Chaos natürlich beabsichtigt war. Das war ja der Zweck der Übung. Man hat einen Zustand herbeigeführt, daß im selben Stockwerk in gleichen Wohnungen heute Mietzinse gefordert werden, die um das Fünffäche von einander differieren. Man hat damit erreichen wollen, daß ein Teil der Mieter, und zwar jener Teil, der genötigt ist nach diesem so verschlechterten Mieterschutzgesetz seine Wohnungen zu beziehen, gegen die anderen Mieter mobil gemacht werden können. (Hluk.)
Der zweite Stoß war die Ermächtigung der meisten Gemeinden unter 2000 Einwohnern, den Mieterschutz aufzuheben, durchaus nicht eine Maßregel, von der man wollte, daß sie am Papier bestehen bleibt. Denn wir wissen, daß von den Zentralstellen aus allen Bürgerparteien in den Gemeindevertretungen in diesen kleinen Gemeinden die Aufforderung zukam, von dieser gesetzlichen Bestimmung unter allen Umständen Gebrauch zu machen. Und es war der dritte Schlag die Aufhebung der Rückforderbarkeit von Mietzinsüberzahlungen. Es sollte damit ausgesprochen werden, daß dem Mieter für den Wucher, der an den Mietern verübt wird, die in einer Zwangslage sich dazu bereit erklärt haben, einen über das gesetzliche Maß hinausgehenden Mietzins zu zahlen, die Möglichkeit genommen werde, Schadenersatz einzufordern. Nebenbei bemerkt haben das alles auch die Herren Christlichsozialen mitgemacht, die sich heute so gern in der Rolle gefallen, daß sie gegen ihren Willen hineingedrängt wurden und sich nun als Schützer der Mieter hier aufspielen wollen. Man kann sich denken, was jetzt ohne die Sozialdemokraten in der Regierung geschehen wäre. Unsere Aufgabe in der Koalition war, die Mieter zu schützen und besonders darauf zu sehen, daß kein Durchbruch des Mieterschutzgesetzes eintritt. Ich darf wohl sagen, nach dem, was hier vorliegt, daß uns diese Aufgabe gelungen ist; (Rùzné výkøiky.) denn die Erweiterung der Kündigungsgründe nach § 1. Abs. 1, Punkt 13, in dem Passus, der die Verlobten betrifft, ist ohne besonderen Belang, wenn man bedenkt, daß das Gesetz statuiert, daß dem Mieter, der auf diese Weise aus dem Hause entfernt wird, eine Ersatzwohnung gegeben werden muß, daß nur einmal jährlich von dieser Begünstigung seitens des Hausherrn Gebrauch gemacht werden darf und daß, falls nicht binnen 4 Wochen dem Verlöbnis die Heirat und Wohnungsbenützung folgt, ein Ersatz des Schadens und die Rückgabe der Wohnung an den alten Mieter folgen muß. Vielleicht ist es zweckmäßig, in dem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß ein Teil der großen deutschen bürgerlichen Presse gerade bei diesem Kündigungsgrund heute einhackt und von einem fürchterlichen Unglück spricht, das da über die Mieter hereinbricht. Vielleicht ist es zweckmäßig, daran zu erinnern, daß diese selbe bürgerliche Presse bis jetzt sich darauf beschränkt hat, über die Verhandlungen innerhalb der Regierung bzw. im sozialpolitischen Ausschuß nüchtern zu referieren und daß sie kein Wort das Tadels gefunden hat, als man mit dem Plan umgegangen ist, die Ersatzwohnung überhaupt auszuschließen, die Wohnungen zu kündigen, ohne daß der Hausherr verpflichtet gewesen wäre, eine Ersatzwohnung für den Gekündigten zu beschaffen. Die Erleuchtung, die heute diesem Teil der bürgerlichen Presse kommt, kommt also reichlich spät und man merkt die Absicht, die dahinter steckt, all zu deutlich, um nicht darüber verst immt zu sein. (Výkøiky posl. Haiblicka.) Herr Haiblick, ich muß Ihnen doch sagen, daß ich mich außerordentlich wundere, woher gerade Sie die Courage nehmen, hier aufzutreten, Sie umgekehrter Feldherr, Sie Niederlagenstratege von Bleistadt und Unterreichenau. Sie haben die allergrößte Ursache, sich hier noch zu produzieren. Sie würden gut daran tun, wenn Sie sich schön schweigsam in den Winkel drücken würden. (Výkøiky posl. Haiblicka.) Die Zinssteigerungen, die bei einem Einkommen über 60.000 Kè durch diesen Regierungsentwurf zugelassen werden, sind gegen unseren Willen bestimmt worden. Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß wir darum gekämpft haben, daß auch diese Maßregel unterbleibt. Es waren die bürgerlichen Parteien, die unbedingt wenigstens das durchsetzen wollten und an die sich nun die betroffenen Menschen mit mehr als 60.000 Kè steuerpflichtigem Einkommen halten mögen. Wir waren gegen diese Ausnahme und stimmten diesem Kompromiß nur zu, um die erschwingliche Wohnung für Arbeiter, Gewerbetreibende und kleine Beamte zu retten. Die Regierung anerkennt die Notwendigkeit der definitiven Regelung der Wohnungsfrage, auch wir sind da für, aber wir werden selbstverständlich unsere Aufgabe darin sehen, bei dieser definitiven Regelung der Wohnungsfrage der Anwalt der kleinen Menschen, der Menschen mit niedrigem Einkommen zu sein, der Anwalt jener, die Anspruch darauf haben, geschützt zu werden. Voran gehen muß natürlich allem andern die Schaffung von genügenden Wohnräumen, wobei ich sagen möchte, daß "genügend" hier heißt nicht nur die Schaffung von Wohnräumen an sich, sondern guten Wohnräumen zu erschwinglichen Preisen. Bauförderung voran, das muß die Parole sein. Nun lassen Sie mich ein paar Worte gerade zu diesem Kapitel sagen, das in diesem Zusammenhange selbstverständlich behandelt werden muß, trotzdem die Bauförderungsvorlage erst in der nächsten Woche vor das Haus kommt. Die staatliche Bauförderung war nach dem Krieg ganz erheblich, aber leider kam sie vor allem für das deutsche Gebiet nur ganz wenig in Betracht. Das war damals nicht schuld des Gesetzgebers, sondern, wie man sich nicht verhehlen darf, zu sehr großen Teilen Schuld der deutschen Kreditinstitute, die mit wenigen Ausnahmen nicht bereit waren, entsprechende Kredite für das Bauen zur Verfügung zu stellen. Der wachsende Einfluß des Bürgertums baute auch die Bauförderung ab, soweit, daß damit tatsächlich Schluß wurde. Humanität, Christentum, Liebe zur Nation, das sind so schöne Sonntagsphrasen für die Bourgeoisie, das ist so gut für Predigten und Kommersreden, aber es steckt, wie man weiß, niemals etwas dahinter. Die einzige Bauförderung, die denn noch geblieben ist, war die Staatsgarantie, die aber herzlich wenig Hilfe brachte und bringen konnte. Die Staatsgarantie erleichtert nur die Kredithilfe, sie drückt aber die Kreditlast fast überhaupt nicht herab, sie schuf fast keine Kleinwohnungen und viel zu teuere Wohnungen. Der Erfolg der sozialdemokratischen Aktion innerhalb der Regierungsmehrheit ist nun, daß das neue Bauförderungsgesetz, von dem Sie doch wenigstens. (Výkøiky komunistických poslancù.) - ich nehme an, daß Sie Zeitungen lesen - wissen werden, in welcher Art und Weise es sich vom bisherigen Zustand unterscheidet. Es wird erst nächste Woche hier aufliegen, aber ich möchte doch in großen Zügen dieses Bauförderungsgesetz skizzieren. Vor allem einmal erweitert es die Staatsgarantie auf 90% des Bauaufwandes, während bisher 75% bis 85% des Bauaufwandes durch staatliche Garantie gedeckt werden konnten. Zweitens sieht es vor einen effektiven Staatsbeitrag in der Höhe von 2 1/2 % und zwar durch 10 Jahre, wobei gleich eine entsprechende Verlängerung vorgesehen ist, das bedeutet, wenn Sie die Freundlichkeit haben, den Bleistift zur Hand zu nehmen, daß die Verzinsung und der Aufwand für Kleinwohnungen um 750 Kè jährlich geringer ist, also statt 1950 nur 1200 Kè betragen wird. Ganz besonders wichtig aber ist, daß wir dabei durchzusetzten vermochten, daß dieser Kredit sich auf die Errichtung von Kleinwohnungen beschränkt, daß also die volle Ausnützung des ganzen Betrags für Kleinwohnungen erzielt werden wird. Dabei muß ich etwas über den Begriff "Kleinwohnung" sagen, weil es hier Kreise gibt, die glauben, daß für Arbeiterfamilien die Wohnküche gerade als genügender Kleinwohnraum in Betracht kommt. Wir lehnen das ganz entschieden und prinzipiell ab. Kochen, essen, schlafen, arbeiten, lesen, lernen, Gesunde und Kranke alle bei Tag und Nacht in einem Raum, das ist die Hölle. Das ist ein Verbrechen an Kindern und Eltern. Dagegen müssen wir Stellung nehmen, nicht mit blödem Geschrei, sondern praktisch dagegen Taten setzen. Ich möchte den bürgerlichen Herren sagen, sie möchten sich doch einmal, die sich so viel darauf zugute tun, daß man es hier mit einem Kulturstaat zu tun hat, sie möchten doch einmal den Stecken zur Hand nehmen und einen Spaziergang in die Welt machen, z. B. in die nordischen Staaten gehen und schauen, wie die Arbeiter in Dänemark wohnen und leben, welche Wohnkultur dort besteht und ich glaube, es würde ihnen die Courage vergehen, hier einen einzigen Wohnraum für die Familie als ausreichend zu erklären. Sie werden sich damit abfinden müssen, daß auch Arbeiter Menschen sind und ein Recht haben, wie Menschen zu leben. Gebären und Sterben, Arbeiten und Ruhen, Kindheit und Lebenssorge zus ammengekeilt zwischen vier Wänden, da muß man entweder ein Dummkopf oder ein Schuft sein, wenn man eine solche Forderung erhebt.
Sehr wichtig ist ein anderer Punkt, auf dessen Durchsetzung die Sozialdemokraten gedrängt haben, und zwar die Bestimmung, daß die Staatshilfe nur an Gemeinden gegeben werden dürfe. Und erst wenn die Gemeinden, wie es leider häufig genug der Fall ist, nicht von der Absicht durchdrungen sind, dem Wohnungselend zu steuern, erst wenn die Gemeinden von der Staatshilfe keinen Gebrauch machen, soll der Kredit an Genossenschaften, eventuell auch an Private gegeben werden, wobei den Genossenschaften selbstverständlich der Vorzug einzuräumen ist. Da diese Staatshilfe für alle bis 31. Dezember 1931 in Angriff genommenen Objekte gelten soll, ist auch eine Ausnützungsmöglichkeit gegeben. Die Möglichkeit der Herstellung von 20.000 Wohnungen im Jahr eröffnet in weiterer Folge Aussichten auf Belebung der Bautätigkeit, auf Beschäftigung der Bauarbeiter und Bauhandwerker, es kann eine Besserung der wirtschaftlichen Situation herbeigeführt werden.
Meine Herren, trotzdem bin ich
mir dessen bewußt, daß all das, was wir in dieser Beziehung erreicht
haben und erreichen werden, gegenüber dem Elend, das heute herrscht,
nichts ist als ein Tropfen auf einen glühenden Stein. Wir wissen
das, aber wir kennen eben die Grenzen unserer Kraft. Alle Kraft,
über die wir verfügen, wollen wir in den Dienst des Volkes stellen.
Eines haben wir schon geschafft: Das Attentat auf das Prinzip
des Mieterschutzes ist abgewehrt; ein zweites werden wir erzielen,
nämlich daß die Verpflichtung des Staates anerkannt wird, finanziell
den Bau von Kleinwohnungen zu fördern. Wir glauben sagen zu dürfen,
daß die Sozialdemokratie diesen Kampf in Ehren bestanden hat,
sie hat damit ihre soziale, kulturelle und nationale Pflicht erfüllt,
so hat sie es seit jeher gehalten und so wird sie es weiter halten.
(Potlesk.)