Pondìlí 24. února 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 23. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pondìlí dne 24. února 1930.

1. Øeè posl. Macouna (viz str. 25 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Verhandlung des Staatsvoranschlags für 1930 erfordert auch die Besprechung der dringendsten Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung. Wir verzeichnen seit mehr als 4 Jahren mit tiefstem Bedauern den Stillstand der sozialpolitischen Gesetzgebung, wir verzeichnen die Verschlechterung der Sozialversicherung als eine Verschärfung dieser Stagnation. Das wirtschaftliche Kapitel im Rahmen der Budgetverhandlungen ist aber angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation von umso größerer Bedeutung. Das öffentliche Leben und unsere parlamentarischen Verhandlungen sind heute erfüllt von der landwirtschaftlichen Krise. Die deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei und die gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter und Angestellten haben Verständnis und Hilfsbereitschaft für die Lösung der landwirtschaftlichen Krise, kommen doch tausende Kleinbauern und landwirtschaftliche Arbeiter in Betracht. Was aber gleichwertig zur Erörterung für eine Lösung und entsprechende großzügige Maßnahmen kommen muß, das ist die Industriekrise, die gegenwärtig die Arbeiterschaft belastet und die Krise in den Jahren 1922/23 zu übertreffen droht. Heute verzeichnen wir die katastrophale Steigerung der Arbeitslosenziffer in unserem Staate. Zwischen 100.000 und 150.000 liegt die Zahl der total Arbeitslosen in der Republik. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.) Ein sehr schweres Merkmal, sogar zum Unterschied von der ersten großen Krise, ist die steigende Zahl der Betriebsstilllegungen in der Textilindustrie, Bekleidungs-, Glas-, Metall- und Porzellanindustrie. Es dürften diese Berufe im nordböhmischen Gebiet allein in den letzten Wochen eine Arbeitslosenzahl von 40.000 ausweisen. Neben der totalen Arbeitslosigkeit verzeichnen wir durchgängig Kurzarbeit in ganzen Industriegebieten. Gegenüber dieser wirtschaftlichen Situation erheben wir den Ruf nach der produktiven Arbeitslosenfürsorge. Ich möchte hier ein Wort im Interesse meiner engeren Heimat sprechen und an die maßgebenden Faktoren wegen gerechterer Verteilung der Staatslieferungen und Staatsaufträge appellieren. Die Betriebe in den deutschen Gebieten Böhmens und im mährisch-schlesischen Gebiet werden bei Erteilung von Staatsaufträgen in der Metallindustrie, Bekleidungsindustrie und im Baugewerbe schwer benachteiligt und wir haben auch die ungerechte Zuteilung der Kohlenlieferungen auf den Staatsbahnen. Wir fordern als erste Notwendigkeit die Inangriffnahme des staatlichen Investitionsprogramms, da im Lande selbst ja z. B. der Ausbau des Verkehrs eine dringende Notwendigkeit ist, wobei ich auf den Waggonmangel, drn Ausbau der Autobuslinien und auf die Fluß- und Bachregulierungen verweise, die allerdings von den Gemeinden und Bezirken, die durch das Finanzgesetz eingeschränkt sind, nicht so gefördert werden können, wie es notwendig wäre.

Das Baugesetz muß endlich eine Terminierung auf eine lange Frist erhalten, damit es ausgenützt wird, denn eine großzügige Bauförderung würde der Belebung vieler anderer Industrien dienen. Daher sagen wir: zunächst Arbeit für die Arbeitslosen!

Leider ist aber zur Bekämpfung der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit die produktive Arbeitslosenfürsorge nicht ausreichend. Wir haben uns gefreut, daß der Herr Minister für soziale Fürsorge in seinem Exposé im Budgetausschuß die Reform der staatlichen Arbeitslosenunterstützung ankündigte, die eine sofortige Notwendigkeit ist. Der heutige Staatsbeitrag zur gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung ist in mehrfacher Beziehung in normalen Zeiten unzulänglich, er ist unbrauchbar in der Zeit der Krise. Der Zusammenhang der staatlichen Arbeitslosenunterstützung mit jener, die sich die Gewerkschaften geschaffen haben, ist auf die Dauer unmöglich, weil die gewerkschaftliche Unterstützung auf den individuellen Fall berechnet ist, damit das arbeitslose Gewerkschaftsmitglied nicht sofort der Not ausgesetzt ist und in die Lage kommt, sich inen entsprechenden Arbeitsplatz zu suchen. Die staatliche Arbeitslosenversicherung soll aber gerade für die Opfer der Krisis sorgen, wozu Staat und Wirtschaft verpflichtet sind. Nun haben wir im Budget für diesen Zweck 22,100.000 Kè. Steigt die Zahl der Arbeitslosen, die ich mit 150.000 berechne, nur auf 200.000, dann ergibt das pro Person den Betrag von 110 Kè. Gestatten Sie einen kurzen Vergleich mit dem Auslande, wo staatliche und obligatorische Arbeitslosenversicherung wirkt. Deutschland hat nach seinem letzten Haushaltsjahr eine Leistung von 740 Kè pro Versicherten, England umgerechnet 602 Kè, demgegenüber entfällt auf einen Versicherten im Rahmen des Gesetzes über den Staatsbeitrag zur Arbeitslosenunterstützung in der Èechoslovakei ein Betrag von 14 Kè. Sogar das kleine Österreich gab im Jahre 1928 aus Bundesmitteln rund 47 Millionen Kronen für die Arbeitslosenunterstützung aus.

Die Reformbestrebungen, die ich hier namens meiner Partei und der freien Gewerkschaften zu vertreten habe, sind: Wir verlangen die Arbeitslosenversicherung an Stelle des heutigen Gesetzes über den Staatsbeitrag, als Übergangsstadium die Novellierung des Gesetzes vom 19. Juli 1921 in der Richtung daß der Staatsbeitrag ohne höhere Belastung der Gewerkschaften verlängert werde, daß nach einem halben Jahr eine weitere Unterstützung der noch verbleibenden Arbeitslosen aus Staatsmitteln erfolgt und zu diesem Zweck ein staatlicher Krisenfond geschaffen werde, aus dem auch Schutz den durch die Leistungen für die Arbeitslosenunterstützung stark belasteten Gewerkschaften gewährt werden soll. Wir verlangen die endliche Gewährung von Vorschüssen für die Auszahlung des Staatsbeitrages. Heute müssen die Gewerkschaftsorganisationen ihre Gelder dem Staate auf lange Zeit und unverzinslich vorstrecken. Schließlich fordern wir die Deckung der Verwaltungskosten.

Bei diesem Kapitel will ich bemerken, daß wir es in dieser und in anderen aktuellen Fragen begrüßen, daß im Ministerium für soziale Fürsorge ein Organisationsplan besteht, dieser sozialen und den weiteren wirtschaftlichen Fragen eine sichere Grundlage zu geben. Es soll nicht Parteinahme sein, wenn ich das ausspreche, aber mit Ausnahme gewisser Parteien hat die Presse der großen Mehrzahl der Parteien das Programm des Ministeriums als einen Lichtpunkt in unserem sozialen Leben begrüßt.

Der heutigen Situation der Wirtsvhaftskrise steht eine Arbeiterschaft und Angestelltenschaft gegenüber, deren heutiges Lohnniveau und Lebenshaltung nicht so beschaffen sind, daß sie dieser Krise physisch lange standhalten kann. Nach den Feststellungen der Zentralsozialversicherungsanstalt, also einer amtlichen Stelle, vom 30. Juni 1928 verdienen 2·2 Millionen Menschen in der Èechoslovakei pro Woche nicht 200 Kè, gut die Hälfte davon nicht mehr als 100 Kè und darunter. Dagegen sind die Lebensnshaltungskosten einer vierköpfigen Familie, nach der Statistik der Union der Bergarbeiter 343·39 Kè. Dieser Vergleich erklärt, daß in dieser Zeit die Krise mit Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit sich sozial in der verderblichsten Weise am Körper der Arbeiter auswirken muß. Die Angestellten - wieder nach den Feststellungen der Pensionsversicherung - brauchen für die gleiche Familienzahl als Lebenskosten 394 25 Kè. wöchentlich, und bei einer Zahl von 164.912 Versicherten erreichen drei Viertel das genannte Existenzminimum nicht. Diese kurze Betrachtung des Lebensstandards unserer Arbeiterschaft läßt den Schluß zu, daß die Steigerung der, Kaufkraft des Inlandkonsums die wichtigste Vorbedingung für die Stabilisierung unserer Volkswirtschaft ist, als der eines Staates, in der die arbeitende Bevölkerung die weitaus große Mehrzahl bildet.

In diesem Zusammenhang will ich auf ein arges Übel verweisen und appellieren, durch ein entsprechendes Gesetz hier Remedur zu schaffen. Trotz Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verzeichnen wir ein fortgesetztes Ansteigen der Überstundenleistungen in den Betrieben der verschiedenen lndustrien. Während 1926 nur 9.276.046 Überstunden zu verzeichnen waren, halten wir mit Schluß 1929 bei 15,439.131 Überstunden. Die Weisungen, die in dieser Hinsicht vom Fürsorgeministerium ergangen sind, werden durch das Verbot der Überstundenleistun gen in diesem Ausmaße ergänzt werden müssen.

Mit der Lohn- und Lebenshaltung hängt das vielumstrittene Kapitel des Mieterschutzes zusammen. Ich brauche wohl nicht im Zusammenhang der besprochenen Dinge zu betonen, daß die Lockerung des Mieterschutzes derzeit unmöglich ist. Vorausgehen muß eine Lohn- und Gehaltserhöhung. Eine definitive Regelung ist möglich, wenn ein Bauund Wohnungsgesetz den Bau von Kleinwohnungen zu entsprechenden Preisen garantiert.

Nun einiges aus der Serie weiterer sozialpolitischer Fragen. Die Èechoslovakische Republik gehört der internationalen Arbeitsorganisation an. Ihr Zweck ist, ein gleiches internationales Minimum an Arbeiter- und Angestelltenschutz zu schaffen. Ausschaltung der Länderkonkurrenz auf Kosten der Arbeitskraft eine Angelegenheit, an der außer der Arbeiterschaft auch die Unternehmerklasse und der Staat ein Interesse haben müssen. Wir verzeichnen aber, daß die Èechoslovakei mit der Ratifizierung der internationalen Konventionen sehr weit im Rückstande ist. Von den 29 internationalen Übereinkommen hat die Èechoslovakei nur 11 ratifiziert und steht damit zufälligerweise auch an der 11. Stelle, zusammen mit Spanien, Griechenland und Indien; selbst Italien und Ungarn sind uns darin voraus. Es ist also notwendig, weitere wichtige internationale Konventionen endlich zu ratifizieren, darunter die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, über den Mutterschutz, über die Nachtarbeit der Jugendlichen, über die Nachtarbeit in den Bäckereien, über Entschädigungen bei Betriebsunfällen und Berufskrankheiten und über die Methoden zur Festsetzung von Mindestlöhnen.

Zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeiterschaft in den Betrieben ist die Gewerbeinspektion eingeführt. Es muß festgestellt werden, daß wir in der Èechoslovakei dringend die endliche Durchführung und Erweiterung der Gewerbeinspektion zur allgemeinen Arbeitsinspektion verlangen müssen. Es war auch eine Vorlage hier, die in der Zeit der Bürgerkoalition in der Versenkung verschwunden ist. Wir haben heute ich möchte das auch im Interesse der Gewerbeinspektionsbeamten sagen einen durchaus unzulänglichen Zustand in der Gewerbeinspektion. Es unterstehen heute der staatlichen Gewerbeinspektion 106.889 Betriebe, dafür sind 91 Beamte vorhanden, woraus es erklärlich ist, daß auch im verflossenen Jahre nur 30.000 Betriebe, und die nicht gründlich, inspiziert werden konnten. Die Folge ist die ständig wachsende Zahl der Betriebsunfälle, die ihre Begründung in der mangelnden Inspektion der ungenügenden Sicherheitsvorkehrungen haben, die aber auch durch die Rationalisierungsversuche hervorgerufen sind. Das Anzeige- und Strafverfahren hat eine ganz ungenügende Wirkung, so daß sich die Notwendigkeit folgender Maßnahmen ergibt: erstens die Erweiterung der Gewerbeinspektion zur Arbeitsinspektion, dann die Einsetzung von Fachinspektoraten in Berufen mit besonderen Gefahrenklassen, wie im Baugewerbe, die Grubeninspektion im Bergbau und schließlich die Einsetzung von Jugendinspektoren.

Von diesen rein sozialpolitischen Gesetzen, die wir brauchen, lassen Sie mich nur kurz sagen, daß in Verbindung damit auch einige wichtige Fortschritte in der Modernisierung des Arbeitsrechtes dringlich sind. Wir haben die Reform der altseligen Gewerbeordnung noch immer nicht durchgeführt, die Arbeiterschaft interessiert die endliche Änderung des sechsten Hauptstückes der Gewerbeordnung, in welchem ein Stück Arbeitsvertrag liegt. Schon 1922 hat das Handelsministerium die Fragebogen an die wirtschaftlichen Interessenten gesendet, bis heute ist in dieser wichtigen Reform nichts zustande gekommen. Eine dringliche Notwendigkeit, die als vorläufige Spezialreform schleunigst durchgeführt werden sollte, ist die endliche Änderung des § 82 der Gewerbeordnung, litera h), der die fristlose Entlassung im Krankheitsfalle nach 4 Wochen ermöglicht. Die materiellen und moralischen Nachteile dieser Geset zesbestimmung wirken brutal. Dort, wo Kündigungsfristen bestehen, wie im Bergbau, sind zahlreiche Fälle des Verlustes des Kündigungsrechtes und des Kündigungsanspruches zu verzeichnen. Diese Gesetzesbestimmung, die noch besteht, macht auch die Vorteile neuerer Gesetze hinfällig, so des Betriebsausschußgesetzes und des Urlaubsgesetzes.

Wir haben ferner für die Privatangestellten notwendig eine Reform des sogenannten Handlungsgehilfengesetzes, welches heute eigentlich der Arbeitsvertrag für die Gesamtheit der Privatangestellten ist. Das gegenwärtige Gesetz, eine der besten arbeitsrechtlichen Schöpfungen des alten Österreich, ist eine günstige Grundlage für die Reform. Einige Bestimmungen jedoch müssen den geänderten Verhältnissen angepaßt werden, wie das in Österreich und Deutschland bereits geschehen ist. Weiterhin ist notwendig, für die Kategorie der Privatangestellten endlich die einheitliche Durchführung der Sonntagsruhe und der Sechsuhrladensperre, schließlich die Richtigstellung der Rechtsverhältnisse einer Angestelltengruppe, der Agenten und Vertreter, deren Rechtsverhältnisse heute in einigen Gesetzen verstreut geregelt sind.

Ich kann mir nicht versagen, noch auf ein Detail zu verweisen, wo es notwendig ist, aus moralischen Gründen eine Schande zu beseitigen. Wir müssen ein gesetzliches Verbot der schwarzen Listen herbeiführen, mit denen heute noch versucht wird, den Kampf der Arbeiterschaft um die Besserung ihrer Lebenshaltung zu drosseln. Der deutsche Hauptverband der Industrie hat sich erst Ende des Jahres 1929 eine Kundgebung an die Betriebe seiner Reichenberger Kreisorganisation geleistet, die lautet: "Geehrte Firma, wir teilen Ihnen mit, daß die Arbeiter unserer Mitgliedsfirma "Mechanische Steinschleiferei in Einsiedel bei Reichenberg" Donnerstag, den 14. ds., in Streik getreten sind. Die Ursache liegt darin, daß die Arbeiter jede Regelung des Lohnes, die dort notwendig geworden war, ablehnten. Wir geben Ihnen auf der beiliegenden Liste die Namen jener Arbeiter bekannt, welche bei der Firma beschäftigt waren." Die Arbeiterschaft dieses Betriebes wehrte sich anscheinend gegen den Lohnabbau, was zur Folge hatte, daß die industrielle Organisation nach altbewährtem Muster eine schwarze Liste aufsetzte, um das Elend dieser Arbeiter weiter zu verschlimmern.

In den letzten Tagen wurde das Leidenskapitel einer anderen Kategorie von leidenden Menschen hier besprochen, das der Kriegsinvaliden. Es genügt, wenn ich darauf verweise, daß die deutsche sozialdemokratische Partei hier wie in den anderen schon zitierten sozialen Fragen für eine Novellierung des Gesetzes für die Kriegsbeschädigten ist, welche das Unrecht gutzumachen hat. Notwendig ist die Angleich ung an die Kriegsbeschädigtengesetzgebung der Nachbarstaaten.

Nun einige Worte zum Kapitel Sozialversicherung: In der allgemeinen Sozialversicherung der Arbeiter haben wir ein Stück bedauernswerter Reaktion in der Zeit der Bürgerregierung erlebt. Wir fordern Wiedergutmachung in ideeller und materieller Beziehung. Wir denken an den schwarzen Freitag vom 21. September 1928, wo die einzige wichtige Verbesserung der reaktionären Novelle durch das Diktat der Unternehmerorganisationen und durch den Wortbruch der damaligen Bürgerkoalition uns wieder entrissen wurde. Die Folge dieser Reaktion in der Sozialversicherung war fast die Ruinierung der Krankenversicherungsanstalten. Unsere Forderungen auf dem Gebiete der allgemeinen Sozialversicherung sind also: Wiedergutmachung, Verbesserung der Sozialversicherung im Kapitel der Lohnklassen und im Begriffe der Invalidität, weiters fordern wir zwischenstaatliche Verträge für die gesamte Sozialversich erung. Laut erheben wir die Forderung nach Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung und fordern die rascheste Durchführung der Wahlen in alle Versicherungsinstitute.

Wir haben im Gesetz über die Pensionsversicherung der Angestellten das einzige Gesetz, welches in der Zeit der Bürgerkoalition auf dem Gebiete der Sozialversicherung fertiggeworden ist, wobei jedoch wiederum entgegen den Vorschlägen der Novellisierungskommission, einer Fachkommission, bestehend aus Arbeitgebern, Angestellten und Regierungsvertretern, doch Verschlechterungen an der Vorlage vorgenommen wurden, z. B. in der Anrechnung der nichtversicherten Dienstzeit, welche den älteren Angestellten und alten Rentnern zugute gekommen wäre. Notwendig ist überhaupt eine Besserstellung der Altversicherten aus den Jahren 1909 bis 1919, eine Notwendigkeit ist die Herausgabe der Durchführungsverordnungen und der Tabellen für die Einkäufe und die Zusatzversicherung.

Die Staats- und öffentlichen Angestellten haben den Heilfond, der in diesen Kreisen heute nurmehr Unheilfond genannt wird. Die Notwendigkeit der Ausdehnung der Krankenversicherung auf diese Berufsgruppe war zu begrüßen, nicht aber die unglückliche gesetzliche und administrative Lösung. Es bestehen heute mehrere Heilfonds und es herrscht in den Kreisen der öffentlichen Angestellten ein allgemeiner Widerstand gegen diese Einrichtung, und zwar aus dem Grunde, weil durch den Heilfond keine vollständliche ärztliche Hilfe gewährt wird, sondern der Angestellte Zuschußleistungen erbringen muß. In der Organisation des Heilfonds herrscht ein unbeweglicher Zentralismus, es fehlt die dezentralisierte Verwaltung. Die Bezirksausschüsse sind zur vollständigen Passivität verurteilt und passiv ist nun auch der Heilfond geworden. Der Herr Finanzminister hat bei den Beratungen im Budgetausschuß den Vorschlag gemacht, den Heilfond aufzulösen. Das ginge so weit, als es sich um die heutige Organisation des Heilfondes handelt. Das Recht der Krankenversicherung aber muß den öffentlichen Angestellten gesichert werden und es ist zweifellos nur notwendig, daß die Überführung in eine andere Organisation der Krankenversicherung in Betracht gezogen wird. Die Reform des Heilfonds ist von seiner Umorganisierung abhängig, aber für die Selbstverwaltung der Krankenversicherung ist die Niederlage des Heilfonds in seiner heutigen Organisation eine glänzende Rechtfertigung.

Weiters haben wir das traurige Kapitel der Überalterten. Es muß ein neues Gesetz geschaffen werden, das die Unwürdigkeit der St ruktur dieses Gesetzes und seiner unmöghchen Leistungen beseitigt. Ich verweise auf die kleinliche Praxis der Behörden, die eine große Anzahl von Gesuchen abgewiesen haben, indem sie jede Armenunterstützung, jede Alimentation von Kindern, Unfallrenten und kleine freiwillige Arbeitgeberunterstützungen eingerechnet haben. Ich glaube daher, daß die Novellierung des Gesetzes für die Überalterten auf jener Grundlage vollzogen werden muß, wie sie im Antrage des Dr. Heller und Gen. im Senate gegeben sind.

Das hier Vorgebrachte kann nicht als Gesamtprogramm der sozialen und wirtschaftlichen Forderungen für die Arbeiter und Angestellten in unserem Staate bezeichnet werden, sondern es ist nur ein Notprogramm, welches rasche Erfüllung heischt.

Früher wurde oft von der Stabilisierung und Konsolidierung von Staat und Wirtschaft gesprochen; wie dem auch sei, jedenfalls hat die arbeitende Klasse in diesem Lande als der weitaus größte Teil der Bevölkerung für den Aufbau und für die Erhaltung dieses Staates die größten Opfer gebracht. Daher müssen sich heute nach einer Periode des Stillstandes und der Reaktion auf dem Gebiete der sozialen Gesetzgebung und des Arbeiterrechtes das Parlament und die Regierung dazu aufraffen, der Arbeiterklasse die schuldige Rechnung zu bezahlen. Wir fordern Wiedergutmachung und erhöhte Tätigkeit in der sozialen Gesetzgebung. Die sogenannten sozialen Lasten sind keine Behinderung der Konkurrenzfähigkeit, sondern das Gegenteil. In Deutschland hat der Reichsbankpräsident Schacht - um ein Beispiel von anderswoher anzuführen - dieser Tage bei irgendeinem Bankett von dem Sozialrentner gesprochen, dem der Versorgungsschein in die Wiege gelegt wird. Als Antwort auf diese Äußerung sagte kein Sozialist, sondern ein Bürgerlicher in einem bürgerlichen Blatte Folgendes: "So kann über die soziale Fürsorge und ihre Einrichtungen allerdings jemand sprechen, dessen Jahreseinkommen 340.000 Reichsmark beträgt." Mit dieser Gehaltsstufe im Angestelltenschema würden wir uns schließlich auch einverstanden erklären, dann wäre unser sozialpolitisches Programm auch ein anderes. Für uns aber steht es fest, daß die sogenannten sozialen Lasten keine Behinderung der Konkurrenzfähigkeit des Staates, sondern das Gegenteil bedeuten: Die Hebung der Lebenslage der Arbeiter und Angestellten gerecht nicht nur diesen selbst zum Vorteil, sondern sie ist die hervorragende Vorbedingung für die Kraft unserer staatlichen Volkswirtschaft. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Kunze (viz str. 33 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Im Rahmen der Budgets aller Ressorts spielt das Bodenamt eine ganz eigenartige Rolle. Es ist das einzige Verwaltungsressort, bei dem Einnahmen und Ausgaben einander die Wege halten. Den Einnahmen mit 28,472.314 Kè stehen Ausgaben hellermäßig in der gleichen Höhe gegenüber. Das Budget des Bodenamtes erinnert hiebei an jene viel umstrittenen und mit Recht abgelehnten Ämter des Mittelalters, deren ersste Aufgabe es war, sich selbst zu erhalten. Während die Ausgabenseite des Budgets ziffernmäßig genau zergliedert ist und wir bis ins letzte Detail daraus entnehmen können, wieviel für Beamte, für die Führung des Verwaltungsapparates, für sachliche Erfordernisse usw. aufgewendet wird, steht auf der Einnahmseite ein einziger Posten von Belang, nämlich die mit mehr als 26 Millionen veranschlagte Einnahme aus der Durchführung der Bodenreform. Woher dieses Geld kommt, bleibt ein Geheimnis. Der Präsident des Bodenamtes Dr. Voženílek hat zwar in seinem Bericht im Budgetausschuß erwähnt, daß die gesamte Verwaltung und Geldgebarung des Bodenamtes der Kontrolle des Rechnungskontrollamtes untersteht und hier Überprüfungen vorgenommen werden. Ich muß jedoch feststellen, daß ein Bericht über die Überprüfung der Gebarung des Bodenamtes nur in der gleichen verschleierten Form vorliegt, wie der Voranschlag selbst. Auch hier heißt es lediglich: Einnahmen aus der Durchführung der Bodenreform, und auch der Staatsrechnungsabschluß gibt keinen Aufschluß darüber, woher diese Einnahmen stammen. Die ganze Gebarung des Bodenamtes hinsichtlich der Durchführung der Bodenreform selbst geht durch den ominösen Entschädigungsfonds. Das einzige, was wir hievon wissen, ist die Angabe des Präsidenten Voženílek, daß der Umsatz dieses Fonds rund 9 1/2 Milliarden bisher betragen hat. Rechnungsmäßig klar belegt ist jedoch nirgends, wieviel an Entschädigungspreis gezahlt wurde, wieviel die Neuerwerber an das Bodenamt entrichten mußten, welche Beträge ihnen zu Lasten des Entschädigungsfonds gestundet wurden usw. Wenn ich auch die Angabe der Überprüfung dieses Fonds nicht bezweifeln will, so will ich doch feststellen, daß eine Überprüfung, von der niemand etwas erfährt, vollständig zwecklos ist. Das Bodenamt wird deshalb nichts dagegen haben, wenn ich selbst versuche, in groben Zügen die finanzielle Gebarung dieses Fonds zu berechnen.

Nach den Veröffentlichungen des Sta atsbodenamtes haben durch die Bodenreform 1,302.689 ha bisher den Besitzer gewechselt. Von dieser Summe ist nicht alles direkt durch das Bodenamt gegangen, es kommen die Zuteilungen an langjährige Kleinpächter, die nicht durch das Bodenamt erfolgten, sowie die Summe der sogenannten freihändigen Verkäufe im Gesamtausmaße von 373.941 ha in Wegfall, so daß man, um in runden Ziffern zu reden, davon ausgehen kann, daß durch die Bodenreform 950.000 ha durch direkte Zuteilung durch das Bodenamt in andere Hände gelangten. Nach den Angaben des Prä sidenten Voženílek in der Budgetdebatte 1927 betrug der durchschnittliche Übernahmspreis 1.904 Kè, während der durchschnittliche Zuteilungspreis 3.104 Kè ausmacht. Das Bodenamt hat somit 1 ha Boden mit einem Zwischenhandelsgewinn von 1.200 Kè weitergegeben, so daß sich eine Gesamteinnahme des Bodenamtes rund 1.1 Millionen Kè ergibt. Hiebei ist der zugegebenermaßen höhere Zuteilungspreis für Restgüter nicht in dieser Rechnung eingesetzt, se daß sich der Gesamtverdienst des Bodenamtes lediglich aus der Verschiebung des Grundbesitzes mit mindestens 1 1/4 Milliarden Kè beziffern läßt. Bei dem angegebenen Gesamtumsatz von 9 1/2 Milliarden hat somit der Entschädigungsfonds reichlich 12% vom Umsatz verdient. Ich glaube, daß es kein Geschäft auf der Welt mit derartigen Verdienstmöglichkeiten gibt. Ich hoffe nur, nicht annehmen zu müssen, daß diese Verdienstmöglichkeit das treibende Element bei der Gesamtaktion darstellt. Was wir jedoch verlangen, ist genaue Rechnungslegung über diese Beträge.

Aber auch hinsichtlich der anderen Fonds des Bodenamtes herrscht das gleiche Dunkel. Und auch hier schafft der Hinweis des Präsidenten in seiner Budgetrede auf die Veröffentlichung über die erste Zehnjahresperiode des Bodenamtes ebenso wenig Klarheit, wie die angebliche Überprüfung durch das Rechnungskontrollamt. Ich will hier nur den Fond für die Versorgung der Güterbeamten nach § 73 des Entschädigungsgesetzes herausgreifen und versuchen, auch die Gebarung dieses Fonds zu durchleuchten. Nach der Veröffentlichung in dem Zehnjahresbericht über die Bodenreform, auf den Präsident Voženílek als Anhaltspunkt für das Verständnis der Fondsgebarung ausdrücklich hingewiesen hat, ist z. B. das Vermögen dieses Fonds zur Sicherstellung der durch die Bodenreform geschädigten Angestellten mit Ende 1922 mit 33 1/2 Millionen ausgewiesen. Im Gegensatz dazu hat das amtliche Organ des Bodenamtes, die "Pozemková Reforma", in der Nr. 2/1923 für den gleichen Stichtag ein Vermögen von 33 Millionen Kè ausgewiesen. Es besteht also hier zwischen den amtlichen Verlautbarungen eine ungeklärte Differenz von 1/2 Million. Ich stehe jedoch nicht an zu erklären, daß dieser Betrag in der Gebarung des Bodenamtes, das nicht nur gewohnt ist, mit Millionen Kè, sondern auch gleichzeitig mit Millionen Hektar zu operieren, leicht unter den Tisch fallen kann.

Die Differenzen vergrößern sich jedoch zusehends. Nach der "Pozemková Reforma" Nr. 1/1926 wird das Vermögen des Fonds für den 31. Dezember 1925 mit 70,783.100 Kè ausgewiesen, während die Zehnjahrpublikation für den gleichen Zeitpunkt ein Fondvermögen von 50,107.450 Kè ausweist. Die Angaben über die Fondshöhe schwanken demnach für denselben Zeitpunkt um 20 Millionen Kè, gewiß eine Summe, von der man nicht annehmen kann, daß sie ohneweiters unter den Tisch fällt und wo die Frage nach dem Verbleib der Differenzen und nach der Kontrolle durch das Rechnungskontrollamt berechtigt ist. Die Differenzen werden jedoch noch größer. Nach dem schon wiederholt zitierten Zehnjahresbericht beläuft sich das Vermögen des Fonds für den 31. Dezember 1927 auf 43,324.182 Kè. Der Direktor des Versorgungsfondes Ministerialrat Dr. Fahoun hat in seinem Interview, wiedergegeben im Ústøední Svaz", für den gleichen Zeitpunkt das Vermögen mit 23,554.558 Kè, also um rund 20 Millionen Kè weniger angegeben. Dazu kommt noch, daß Abg. Adámek als Berichterstatter über den Voranschlag des staatlichen Bodenamtes in der Budgetdebatte für, das Jahr 1928 für den 30. September 1927 das Fondsvermögen mi 81,139.361 Kè ausgewiesen hat. Wenn die Sache nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen, daß für ungefähr den gleichen Zeitpunkt in offiziellen Verlautbarungen das Vermögen des Fondes zur Versorgung der Güterangestellten einmal mit 81, einmal mit 43 und einmal mit 23 Millionen Kè angegeben wird. Ich muß gestehen, ich bin zu wenig oder, vielleicht besser gesagt, zu viel Mathematiker, um dieses Rechenexperiment zu verstehen. Wenn der Dichter für ungeklärte Naturwunder seinen Helden sagen läßt: "Erkläre mir, Graf Oerindur, diesen Zwiespalt der Natur", so möchte ich dieses Wort auf die heutige Zeit folgendermaßen abändern: "Erkläre mir, Bodenpräsident, dieses Rechenexperiment".

Das einzige, was ich mit Sicherheit glaube annehmen zu können, ist, daß alle diese Zahlen nicht stimmen, und ich kann deshalb den Bericht, der im Parlament über die finanzielle Gebarung des Bodenamtes vorgelegt wurde, nicht für entsprechend halten und muß nach wie vor eine öffentliche Rechnungslegung und eine detaillierte, auch der Öffentlichkeit bekanntzugebende Kontrolle durch das Oberste Rechnungskontrollamt verlangen.

Meine Herren! Nach den Ausführungen des Präsidenten des Staatsbodenamtes im Budgetausschuß soll mit aller Energie in der nächsten Zeit an der Fortführung der Bodenreform gearbeitet und insbesondere die Waldbodenreform ihrem Ende zugeführt werden. Als Erwerber kommen hier im Gegensatz zur landwirtschaftlichen Bodenreform nicht einzelne Personen, sondern in erster Linie öffentlich-rechtliche Körperschaften in Frage. An erster Stelle steht hier der Staat, der im Verlaufe der Bodenreform seinen Besitz bereits um 285.000 ha Wald und um 31.000 ha landwirtschaftlichen Grundes und Bodens, also um insgesamt rund 325.000 ha vermehrt hat. Bei weitem ist der Staat der größte Nutznießer der Bodenreform und es muß jeden unvoreingenommenen Beobachter eigentümlich berühren, daß die Staatsverwaltung ihre Aufgabe darin erblickt, die seit Jahrzehnten und Jahrhunderten auf ihrer Scholle ansässigen Grundbesitzer zu enteignen und sich selbst mit einer Gesamtfläche von heute schon nahezu 1·1 Millionen ha zum allergrößten Grundbesitzer im Staate zu machen. Wir haben wiederholt hören müssen, daß es ein Ziel der Bodenreform sei, die Latifundien zu beseitigen. Die praktische Auswirkung zeigt, daß Latifundien in der Hand des Staates zusammengeballt werden und daß hier gerade jene Erscheinung verwirkli wird, zu deren Beseitigung angeblich die Bodenreform dienen sollte. Die Erfolge, die der Staat als der allergrößte Grundbesitzer in seiner Wirtschaftsführung aufzuweisen hat, sind geradezu erschreckend. Das Ministerium für nationale Verteidigung ist heute Besitzer von rund 45.000 ha und dieses Ausmaß ist budgetmäßig vollkommen ertraglos. Das Bodenamt mit einem Grundbesitz von rund 95.000 ha hält es überhaupt nicht der Mühe wert, dem Parlamente Rechnung über seine Betriebsführung zu legen, und die Staatsgüterdirektion, die dem Landwirtschaftsministerium angeschlossen ist, mit einem Besitzausmaß von rund 950.000 ha, weist einen Ertrag nach, der nach den im Budgetausschuß gegebenen Berechnungen einer Verzinsung von 0.5% des Wertes entspricht. Der Staat als Grundbesitzer steht hier vor einer Katastrophe seiner Wirtschaft.

Immense Werte werden zwecklos vergeudet, der Wert der Gesamtproduktion wird nahezu auf den Nullpunkt herabgedrückt und die Staatswirtschaft führt zu einer ungeahnten Schädigung des gesamtvolkswirtschaftlichen Einkommens. Nach den grundlegenden Voraussetzungen der staatlichen Wirtschaft kann dies nichts anders sein. Meine Partei hat oft genug vor dem ungehemmten Fortschreiten der Verstaatlichungsaktion gewarnt und ich muß mit Bedauern feststellen, daß unsere schwärzesten Befürchtungen durch die Tat noch bei weitem übertroffen wurden. Wir waren aber nicht die einzigen, die diese Entwicklung kommen sahen. Ich will nur darauf verweisen, daß auch der gewesene Finanzminister Dr. Rašín, wohl einer der besten Kenner unserer volkswirtschaftlichen Verhältnisse, dieselben Befürchtungen hegte. Im August 1922 hielt er in Písek eine Rede, in der er seine Befürchtungen vor der kommenden Verstaatlichungsaktion in den lapidaren Sätzen ausspricht: "Die Staatsgüter sind passiv und mit dem Wald wäre das größte Unglück. Die Raben melden sich schon ..."


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