Úterý 4. února 1930

6. Øeè posl. dr Hassolda (viz str. 44 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! In diesem Parlament spielt sich derzeit eine hochpolitische Debatte ab. Vor wenigen Tagen sahen wir noch besetzter als in der ersten Sitzung ein volles Haus und der Herr Außenminister Dr. Beneš hat vor diesem vollen Hause ein mit Spannung erwartetes Exposé über die Außenpolitik gegeben. Die Sache hatte den äußeren Rahmen eines Ereignisses, wenn vielleicht nicht eines politischen, so eines gesellschaftlichen Ereignisses. Wenige Tage nachher und das Bild in diesem Parlament hat sich außerordentlich verändert. Es wird hier über Dinge von ungeheuerster Tragweite gesprochen, Milliardenzahlen sind wieder aufgetaucht, wie fast zu Zeiten der Inflation, und trotzdem ist das Bild dieser Debatte geradezu erschreckend abgefallen. Wenn wir uns heute dieses Parlament und die Aufnahme dieser Debatte ansehen, müssen wir sagen, daß es geradezu unglaublich ist, daß selbst die größten Parteien dieses Parlaments kaum einen Redner in die Debatte schicken, daß die Beteiligung so ist, daß z. B. am heutigen Tag vom Vormittag bis in den Nachmittag hinein nur deutsche Redner gesprochen haben, so daß man in diesem Nationalstaat der Meinung sein könnte, daß es sich um ein sudetendeutsches Parlament handelt, und es hat sich, obwohl wir geglaubt haben, daß sich eine große politische Debatte über mehrere Tage ausdehnen werde, nun die Tatsache ergeben, daß ich sozusagen überraschend schnell beinahe zum Schlußredner dieser Debatte geworden bin, um in dieser Lage ein Resumé über das bisher Gesehene und Gesagte zu geben. Wir habeben heute vormittags gesehen, daß Redner großer Regierungsparteien sprachen und kaum zwei oder drei Zuhörer aus ihrem eigenen Kreise hatten, oder richtiger gesagt, daß sie nicht sprachen, sondern Vorlesungen hielten, wie es hier im großen und ganzen üblich ist, und daß sie dieses Parlament eigentlich im gewis sen Sinne zu einer Diktierstube gemacht haben, in der man Gelegenheit hat, seine Mitteilungen der Presse zu vermitteln, um sie auf diese Weise in die Presse zu bringen. Ich sage dies deswegen, weil an diesem Beispiel in besonderem Maße der Verfall des Parlamentarismus zu sehen ist. Es ist gar kein Zweifel, daß das Interesse, das sich hier zeigt, ein außerordentlich geringes ist. Der Herr Außenminister Dr. Beneš macht bei den verschiedenen Rednern der Regierungsparteien Höflichkeitsbesuche, um sich durch seine Anwesenheit an der Sache zu beteiligen. Ansonsten gähnt die Ministerbank und gähnt das ganze Haus vor Leere, obwohl hier über Milliardenwerte und darüber hinaus auch über eine Liquidierung geistiger Art des Weltkrieges gesprochen werden soll. Es handelt sich nicht nur um eine Krise des Parlamentarismus, sondern um einen Verfall. Es ist bedauerlich, wenn der soweit geht, daß man sagen kann, daß man den Ernst an dieser Sache zu verlieren droht. Ich würde wünschen, daß die gläubigen Wähler, die Völker dieses Staates dieses Bild sehen und daß nicht Wahlzwang wäre, sondern freie Wahl. Dann würden Sie erleben, daß das Interesse der Bevölkerung dem Interesse, welches dem Parlament durch dieses selbst entgegengebracht wird, gleichwertig würde. Die Folge davon ist, daß auch der innere Wert und die Kraft des Parlamentes sinkt und daß wirw naturgemäß immer mehr eine unbeschränkte Bürokratenherrschaft bekommen müssen, und dies umsomehr, als auch die Minister wechseln, immer häufiger wechseln, und wenn sie in eine neue Regierung hinübergenommen werden, ihre Ressorts wie Kleider wechseln, und infolgedessen auch nicht die Mögli chkeit haben, meritorisch in wirkungsvoller Weise in ihr Ressort einzugreifen. Infolgedessen muß das Exposé des Herrn Außenministers Beneš hauptsächlich als höfliche Verbeugung vor dem Parlament und dem Parlamentarismus gewertet werden, umsomehr als seine Besuche hier außerordentlich selten sind.

Was er mitgebracht hat, sind Zahlen. Zahlen sind sehr relativ zu werten und es ist infolgedessen ein müßiger Streit, über diese Zahlen zu sprechen. Man kann, von einer Seite betrachtet, sagen, daß er ein günstiges Ergebnis gebracht hat, weil die heutigen Zahlen wesentlich geringer sind, als die, die wir früher zu hören bekommen haben, andererseits aber dürfen wir nicht vergessen, daß dieses ganze Spiel mit Milliarden doch nichts anderes ist, als ein Trugbild. Wenn man vor wenigen Jahren noch vom Hauptschuldner Deutschland ungezählte Milliarden verlangt hat, die dieses Volk und seine Wirtschaft überhaupt nie hätte leisten können, und wenn man in der Entwicklung der Konferenzen reeller und vernünftiger geworden ist, so ist es unrichtig zu sagen, daß die Schuldnerstaaten nur mehr einen Bruchtei³ dessen zu zahlen haben, was sie zu zahlen gehabt hätten; ri chtiger ist vielmehr zu sagen, daß man eben zur Einsicht gekommen ist, daß man mit ungeheuer großen Zahlen ein Spiel getrieben hat, und zur Erkenntnis kommen mußte, daß diese Zahlen und diese Bezahlungen sich einfach nicht verwirklichen lassen. Es hat eine ganze Anzahl von Konferenzen stattgefunden, die letzte war die Haager Konferenz. Wir könnten bezüglich Europa und Amerika im Bilde der ganzen Haager Konferenz eine ganz einfache und klare Einteilung treffen: die Staaten Europas sind die Schuldner und Amerika ist der Gläubiger. Es wäre vielleicht ehrlicher und offener gewesen, wenn man die Haager Konferenz als eine Ausglei chskonferenz durchgeführt hätte, als eine Ausgleichskonferenz, in der Europa eingestanden hätte, daß es gegenüber den ungeheueren Milliardenforderungen Amerikas einfach zahlungsunfähig sei. Es wäre vielleicht sogar möglich gewesen, daß Europa auf dieser Haager Konferenz sozusagen Amerika gegenüber den Konkurs angesagt hätte und diese Konferenz wäre der Masseverwalter der europäischen Konkursmasse geworden. Es hätte sich daraus aber ergeben, daß die Stellung der einzelnen Staaten zueinander und gegenüber dem gemeinsamen Gläubiger vielleicht vernünftiger geworden wäre. Der Kriegsgewinner Amerika hat in Europa während des Krieges investiert und er hat sich schließlich an diesem Geschäft Weltkrieg beteiligt, um sich seinen Geschäftsgewinn nicht entgehen zu lassen. In Europa gibt es keinen Sieger und keine Besiegten, in Europa gibt es nur zusammengebrochene Völker und Schuldner. Der Kriegsgewinner Amerika zieht aus der fortdauernden Uneinigkeit seiner europäischen Schuldner seine Profite. Einer dieser Schuldner ist auch die Èechoslovakei. In der Èechoslovakei kann nicht für alle Bewohner die Auffassung des Problems, das hier besprochen wird, einheitlich sein, die Zahlungsverpflichtungen treffen die Deutschen anders als die Èechen. Das èechische Volk hat im Kriege Söldnerdienste der Entente geleistet, und zwar gewiß, wie die anderen kleinen Völker, wertvolle Dienste. Es ist bedauerlich, während man in früheren Kriegen die Söldner für ihre Dienste bezahlte, daß man heute nach der Dienstleistung von diesen Söldnern auch noch Zahlungen verlangt.

Für die Deutschen ist dieses Problem ein anderes. Denn wir können dieses Problem nicht nur von den engen Grenzen der Èechoslovakei betrachten, sondern wir fühlen selbstverständlich in diesem Zusammenhange mit Deutschland, mit unserem Volke. Was auf einer Seite hier erspart wird, dessen sind wir uns bewußt, daß es auf der anderen Seite eine drückende Fessel für das ganze deutsche Volk ist, und wir sind hier in dem Zwiespalt, daß sich die Sache auf der einen Seite im Staatswesen für uns - vielleicht wirtschaftlich zumindest - scheinbar günstig auswirkt, während in Wirklichkeit jedes Ersparen hier eine Belastung für Deutschland ist und unser Gesamtvolk trotzdem wieder trifft. Zahlen müssen in diesem Staate sämtliche Völker, auch die beiden Hauptvölker, die Èechen und die Deutschen. Der Unterschied ist nur der, daß die Èechen für ihre Freiheit eine Befreiungstaxe zahlen, während die Deutschen für den Verlust ihrer Freiheit und für ihre Eingliederung in einen volksfremden Staat auch noch zu zahlen haben.

Mit dieser letzten Äußerung bin ich eigentlich zum Kernproblem gekommen und dieses Kernproblem ist die Nationalitätenfrage dieses Staates. Es wird auf die Dauer nicht möglich sein, durch wirtschaftliche Maßnahmen, durch Vorbeigehen an dieser Frage dem Grundproblem des Staates aus dem Wege zu gehen. Es ist unrichtig zu glauben, daß wir durch die Veränderungen in der Regierungszusammensetzung einer prinzipiellen Lösung dieser entscheidenden Frage des Staates nähergekommen wären. Es liegen heute die Verhältnisse gewiß anders, als vor 10 Jahren. Die lojährige Entwicklung hat nicht nur eine Beruhigung, sondern auch eine Veränderung in der Auffassung des deutschen Problems bei èechischen führenden Persönli chkeiten hervorgerufen. Ich verweise nur darauf, daß der Herr Präsident Prof. Masaryk einst von den Deutschen als Kolonisten und Emigranten sprach und daß seine letzten Äußerungen dahin gehen, daß die Deutschen ein integrierender Bestandteil dieses Staates seien. Herr Prof. Masaryk hat sich ebenfalls den Tatsachen gefügt, er hat die Tatsachen erkannt und hat sich nicht gescheut, diese Tatsachen auch auszusprechen. Er mußte umlernen aus der Kriegsmentalität in die Realität unserer Zeit. Und es bleibt auch Ihnen nicht erspart, diesen Schritt zu tun. Herr Präsident Masaryk hat auch im Zusamm enhang mit dem Geburtstag eines früheren Politikers darauf hingewiesen, daß er es als Verdienst seinerseits ansieht, mitgearbeitet zu haben an der Anbahnung der Aussöhnung oder zumindest der ruhigen Fühlungnahme der Völker. Herr Präsident Masaryk wird in kurzer Zeit seinen 80. Geburtstag begehen. Es wäre ihm die Möglichkeit gegeben, (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Taub.) aus diesem Anlaß eine Tat zu setzen, eine Tat in der Nationalitätenfrage. Ich verstehe allerdings darunter nicht, daß er vielleicht als Philosoph dem Auslande gegenüber irgendwelche schöne Kundgebungen erläßt, die nach Außen ihre Wirkung nicht verfehlen werden, während er nach Innen der Gesetzgeber ist, während er für uns im Innern der Staatsmann ist, der alle Gesetze unterschrieben hat, die bisher - auch die schärfsten - gegen uns erflossen sind. Es klafft hier zwischen dem Philosophen des Auslandes und dem Staatsmanne des Inlandes ein ganz gewaltiger Riß. Es wäre wohl für ihn die Möglichkeit, aus Aulaß seines 80. Geburtstages einen entscheidenden Schritt zur prinzipiellen Lösung der nationalen Frage in diesem Staate zu tun. So viel mir bekannt ist, wird aus Anlaß dieses Geburtstages ein Buch veröffentlicht werden, in welchem alle Völker Europas zu dieser Tatsache und zur Persönlichkeit Masaryks Stellung nehmen sollen. An diesem Buch sollen sich auch reichsdeutsche Kreise in der Mitarbeit betätigen. Ich bin gespannt darauf, in welcher Form dies geschehen wird und es wird zu untersuchen sein, auf welchem Wege diese reichsdeutschen Kreise dazugekommen sind, an diesem Buche mitzuarbeiten.

Wenn ich von der Nationalitätenfrage als der lebenswichtigsten Frage dieses Staates sprach, so ist darauf hinzuweisen, daß die lojährige Wandlung eine Veränderung der Grundlagen geschaffen hat, auf denen es vielleicht möglich ist, neue Verhandlungen zwischen den Völkern anzubahnen. Es ist nun einmal Tatsache, daß vor 10 Jahren - und es ist begreiflich und menschlich fast entschuldbar - die Kriegsmentalität so außerordentlich stark gewirkt hat, daß eine Verwirrung der Geister gegeben war, mit der man rechnen mußte und die man nicht ändern konnte. Auf èechischer Seite war man in einen überraschenden Sieg hineingeraten und man hat diesen Sieg begreiflicher Weise bis zur Neige auszukosten versucht. Auf deutscher Seite war es begreiflich, daß zu einer Zeit, da die Grenzen der Staaten Europas in Fluß geraten waren, auch die Deutschen die Hoffnung nicht aufgaben und den Versuch unternahmen, zu ihrem nationalen Staat als zugehörige des deutschen Volkes zu kommen. Es war begreiflich, daß sich auf diesem Wege eine Spaltung der Wege gezeigt hat. Nunmehr sind seit dieser Zeit 10 Jahre vorüber, es sind neue Grundlagen geschaffen, die auf beiden Seiten anerkannt werden und es ist nach diesen 10 Jahren vielleicht möglich daß man eine neue Verhandlungsbasis für die Lebensmöglichkeit der Völker in diesem Staate sucht. Es ist interessant, die Entwicklung auf èechischer und deutscher Seite zu betrachten. Sie haben den Staat Èechoslovakei benannt. Die Firma ist eigentlich schon unrichtig, denn neben Èechen und Slovaken leben noch fast - die nächste Volkszählung wird es zeigen - vier Millionen Sudetendeutsche, die ein integrierender Bestandteil dieses Staates sind und die nicht schon von vornherein aus der Firma weggelöscht werden können. "Das Wort "èechoslovakisches Volk" war wohl ein Programm für sie, es war ein Programm, daß das èechische und slovaki sche Volk zusammenschweißt, assimiliert, zusammengeschmiedet werden soll zu einem Volke. Nun, meine Herren, dieser Prozeß ist Ihnen nicht gelungen. Sie scheinen das slovakische Volk nicht viel genauer gekannt zu haben, als schließlich wir auch, denn es hat sich gezeigt, daß das slovakische Volk einen außerordentlich starken Eigenwillen und Lebenswillen als Volk hat und Sie sehen jetzt die Entwicklung, daß das slovakische Volk seine völkische Eigenart genau so betont, wie das èechische, so daß also ein èechoslovakisches Volk nach 10 Jahren nicht gegeben ist. Es ist dies einmal einne jener Realitäten, die als Grundlage in Betracht gezogen werden müssen. Sie dürfen nicht glauben, daß mich vielleicht etwas blendet, um Ihnen im vorwurfsvollen Tone diese Erkenntnis zu sagen; ich schrecke davor nicht zurück zu sagen, daß es auch kein sudetendeutsches Volk gegeben hat. Es hat gegeben und es gibt eine sudetendeutsche Schicksalsgemeinschaft, eine Gemeinschaft jener Menschen, welche in einem einzigen Staat zusammengekommen sind. In Wirklichkeit sind wir Sudetendeutschen lebende Franken, Bayern, Sachsen, Schlesier, die lebenden Nachkommen des gesamten deutschen Volkstums und leben so weit differenziert, daß wir ebenfalls nur als Sudetendeutsche Schicksalsgemeinschaft anzusprechen sind. Wenn nun mehr diese 10 Jahre vorüber sind, so können wir erkennen, daß Sie nicht imstande waren, in dieser Zeit sich das slovakische Volk zu assimilieren und Sie können die Hoffnung begraben, wenn Sie geglaubt haben, daß Sie imstande wären, das sudetendeutsche Volk durch die Gründung dieses Staates aus dem Rahmen dieses Staates, aus der Geschichte verschwinden zu lassen. Die schwersten 10 Jahre sind vorüber und was Ihnen in den verflossenen 10 Jahren und in der großen Periode nach dem Umsturz nicht gelungen ist, wird Ihnen in der Zeit der Entwicklung, in der wir jetzt sind, umso weniger gelingen können; so sehr wir mit der Tatsache neuer Staaten in Europa rechnen müssen, so sehr müssen auch Sie mit der Tatsache rechnen, daß die Deutschen in diesem Staate ein gegebener Faktor sind und daß sie eine Lebensmöglichkeit aus Ihrem eigenen Interesse, aus dem Interesse des Staates für die sudetendeutsche Bevölkerung finden müssen. Es ist daher auf beiden Seiten für die Lösung der nationalen Frage ein wesentlicher Faktor gegeben, daß wir die vorhandenen Tatsachen, die vorhandenen realen Tatsachen, die Existenz der Völker nebeneinander erkennen und daß daher die Möglichkeit nicht mehr besteht zu hoffen, daß der eine den anderen niederringen kann, sondern es besteht die Frage zu versuchen, eine Lösung dieser nationalen Frage zu bringen. Inzwischen schreitet besonders die wirtschaftliche Entwicklung in Mitteleuropa weiter, die Wirtschaftskrise, die hier nun in lauten Tönen erschallt, sie ist keine Sondererscheinung des Staates, sondern gerade sie zeigt, daß die Staaten Mitteleuropas auf Gedeih und Verderben miteinander verbunden sind und daß der Untergang eines Teiles naturnotwendig mit sich bringt, daß auch der andere Teil mitgerissen wird. Infolgedessen wird sich die Stärke der wirtschaftlichen Ausstrahlungen eines Mitteleuropa auswirken und wird den Abbau der starren Staatsgrenzen in Zukunft notwendig erscheinen lassen. Eine bedeutende Entwicklung scheint mir auf dem Gebiet des Völkerrechtes gegeben. Je starrer der Souveränitätsbegriff des Staates aufgefaßt wird, desto mehr ist der Ursache zu kriegerischen Zusammenstößen gegeben. Je mehr die Souveränität des Staates überspannt wird, die Grenzen als Riesenmauern betrachtet werden, über die keine Verbindung zu den anderen Staaten und Völkern geduldet wird, je mehr dieser Souveränitätsbegriff angespannt wird, desto mehr wird er zu einer Gefahr, da er schließlich immer wieder zu einem Zusammenprallen und zu kriegerischen Ereignissen geführt hat. Dieser Souveränitätsbegriff des Staates wäre vor allem uns eine Last, nachdem wir in einem volksfremden Staat leben und selbstverständlich durch unsere sprachliche, geistige und kulturelle Zusammengehörigkeit zum gesamten deutschen Volke neben den Staatsinteressen, neben den Wirtschaftsinteressen unsere gemeinsamen nationalen Interessen verfolgt haben und selbstverständlich auch weiter verfolgen werden. Möge sich die Entwicklung hier wie immer gestalten, für eine gewisse Periode der Geschichte stehen wir in diesem Staate und dieser Tatsache Rechnung tragend ist es notwendig, daß der Versuch gemacht wird, daß die im Staate lebenden Völker zu einem modus vivendi kommen. Es ist ja in unserem Interesse gelegen, Heimat und Volkstum zu erhalten und auch in Ihrem Interesse gelegen, unsere Wirtschaft nicht zu zerstören, weil sie damit die Wirtschaft im eigenen Staate zerstören. Es ist infolgedessen für uns und für Sie gleich wertvoll, daß Verwaltungskörper geschaffen werden, in denen die Völker ihre kulturellen Angelegenheiten im Staate verwalten. Und da darf die Tatsache nicht aus dem Auge gelassen werden, daß je mehr Sie unser Leben drosseln. Sie schließlich und endlich Ihre eigenen Interessen verletzen.

Herr Prof. Kafka hat in logischer Folgerung dieser Dinge den Schluß gebraucht, daß nach der Haager Konferenz, die sozusagen den Weltfrieden bringen sollte, eine Konferenz von Prag folgen müßte. Diese Konferenz von Prag soll die Aufgabe durchführen, für die Gegenwart einen deutsch-èechischen Frieden zu schaffen. Es ist zweifellos - und meine Auffassung geht auch dahin - daß die Haager Konferenz nicht die letzte gewesen ist. Wir haben an dieser Anzahl von Konferenzen gesehen, daß es Probleme gibt, die auf einmal nicht zu lösen sind, die schließlich Entwicklungen unterworfen sind, die immer und immer wieder behandelt werden müssen. Ich glaube gewiß nicht, daß die von Herrn Prof. Kafka angeregte Friedenskonferenz von Prag morgen oder übermorgen zusammentreten wird und sollte eine ähnliche Sache zur Welt kommen, so wird nicht eine einzige Auseinandersetzung den Frieden in Prag schaffen können. Aber ich möchte doch auf einen Zwischenruf des Herrn Exministers Dr. Winter, den er vorhin bei den Ausführungen des Herrn Prof. Kafka gemacht hat, zurückkommen. Koll. Winter hat gesagt, daß die Deutschen doch in der Regierung sitzen und daher die Friedenskonferenz bereits stattfinden kann. So stellen wir uns die Friedenskonferenz zwischen diesen beiden Völkern nicht vor. Wenn diese Friedenskonferenz getragen ist von wirtschaftlichen Fragen, letzten Endes von der Frage des Geldes, so wird sie auf diesem Gebiete vielleicht manche wi rtschaftliche Frage lösen können, sie wird aber das Grundproblem dieses Staates, die Nationalitätenfrage, damit nie und nimmer aus der Welt schaffen und auch nicht lösen können. Ich würde neugierig sein, wie Herr Exminister Dr. Winter seinen Zuruf rechtfertigt, was bisher neben wirtschaftlichen Fragen zu einem tatsächlichen Ausgleich, zu Ausgleichsverhandlungen zwischen Deutschen und Èechen in diesem Staate geführt hat. Ich glaube, außer der Tatsache, daß man sich zusammengesetzt hat, ist bisher noch nicht viel Positives herausgekommen. Doch die Entwicklung steht nicht still. Im ersten Parlament war die Kriegsmentalität so außerordentlich stark, daß mehr oder weniger darin eine Fortsetzung des Rumpfparlamentes, des Revolutionskonvents zu sehen war. Im zweiten Parlament haben wir eine Periode gesehen, in der Deutsche und Èechen sozusagen zu wirtschaftlicher Arbeit zusammengewöhnt wurden. Die Fortsetzung davon wäre, daß dieses dritte Parlament nach dem Zusammengewöhnen zu wirtschaftlicher Arbeit auch die nationale Frage in ernster und entscheidender Form anschneiden würde. Sie dürfen nicht vergessen: Die Zahl allein macht es nicht aus. Sie dürfen nicht vergessen, daß zwei kulturell gleich starke Völker einander gegenüberstehen mit einer weiten Geschichte, Völker, die nicht gewillt sind, sich durch Brosamen abfertigen zu lassen und die auch nicht auf rein wirtschaftlichem Wege zusa mmengeführt werden können. Es wäre die würdigste Arbeit, wo immer, innerhalb oder außerhalb des Parlaments, wenn versucht würde, unserem deutschen Volke in diesem Staate soviel Lebensraum zu geben, daß wir nicht um Grund und Boden, nicht um Wirtschaft, um Schule und um jedes Kind ringen müssen, selbst dann, wenn sie zwar vom Gesetz geschützt, aber in den Tatsachen bedroht sind. Die natürliche Entwicklung der dritten parlamentarischen Periode, sage ich, wäre, einen Schritt vorwärts zu kommen in der Richtung, daß nach der wirtschaftlichen Annäherung auch eine nationale Lebensmöglichkeit gesucht wird, damit wir für die Zeit, in der die Geschichte uns in den Rahmen dieses Staates gestellt hat, eine Lebensmöglichkeit und Entwicklungsmöglichkeit des eigenen Volkstums haben. Sie werden ohne Lösung dieser Frage in diesem Staate nie und nimmer zur Ruhe kommen. Und wir brauchen nicht zu denken, daß wir durch eine Lösung auf Jahrzehnte hinaus vielleicht nichts geschaffen haben. Die große historische Entwicklung in Europa wird weitergehen, unbeschadet dessen, ob der Kampf hier fortbesteht oder ob die Möglichkeit zu ein em fri edlichen Leben geschaffen wird. In beiden Fällen werden wir die großen Linien der Entwicklung Europas nicht von diesem Staate aus aufhalten können. Es wäre nur eine Erkenntnis, die hoch einzuschätzen wäre, wenn man für diese Zeit Lebensmöglichkeiten schafft, wenn beide Völker sich kulturell und auf allen Gebieten des geistigen Lebens sowie der Wirtschaft auswirken können. Was die zukünftige Entwicklung bringt, ist in der Geschichte verborgen. Wenn ich ein Wort sagen soll, so möchte es das sein, daß nach den Friedensverträgen, die den letzten Weltkrieg liquidiert haben, weitere Konferenzen kommen werden, die auch das Antlitz Europas wieder verändern werden. Es ist das eine Natürlichkeit, und es wäre leichtfertig zu glauben, daß mit dem letzten Weltkrieg die Entwicklung staatsrechtlich in Europa abgeschlossen ist. Nach jedem großen Krieg kam eine Ermüdung und Ermattung und die Geschichte ging doch ihren Schritt weiter. Das letzte Jahrhundert hat gezeigt, daß gerade die Nationalitätenfrage so stark geworden ist, daß die Volksteile zu einem gemeinsamen Volksstaat zusammenstreben. Wenn es ein Gesetz wäre, daß auch dem deutschen Volke einst ein deutscher Volksstaat in Mitteleuropa erstehen soll, so ist es nur unsere Frage, daß dies auf dem Wege der Entwicklung geschehen möge. Ebensowenig wie Sie, können wir oder kann jemand, der den Weltkrieg erlebt hat, an einen neuen Krieg denken. Aber es besteht die Möglichkeit, daß auf dem Wege der Entwicklung Staaten geschaffen werden, in denen die Völker in natürlicher Weise zusammengefaßt sind und daß diese Staaten wiederum zusammengefaßt werden. Wir stellen es uns gewiß nicht wie ein PanEuropa vor, aber wir stellen es uns vor als einen Bund freier Völker und Staaten in Europa. Herr Professor Kafka hat mit den Worten geschlossen, er hoffe, daß eine Friedenskonferenz in Prag stattfinden werde. Ich will damit schließen, daß ich sage: Wenn es zu einer solchen Konferenz käme, dann soll kein Stückwerk und Flickwerk geschaffen werden, sondern es soll die grundsätzliche Frage, die nationale Frage dieses Staates, von Grund aus gelöst werden. Wäre die Debatte hier tatsächlich ein gewisser Ausklang zu dieser weiteren Entwicklung, so wäre nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch die Haager Konferenz und das Exposé des Dr. Beneš von größter Bedeutung gewesen. (Potlesk.)

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