Das sind die Folgerungen, die
wir aus den Ausführungen des Herrn Außenministers ziehen. Wenn
er erst einmal selbst den Mut hat, sie zu ziehen, kann er unserer
Mitarbeit gewiß sein. Er muß sich aber darüber im Klaren sein,
daß sowohl außenpolitisch, wie innenpolitisch das èechische Volk
an das deutsche gebunden ist, und daß es daher alle innen- wie
außenpolitischen Folgerungen aus dieser Tatsache zu ziehen hat.
Vorläufig ist sich der Außenminister darüber noch nicht im Klaren
und damit ist unsere Stellungnahme zu seinem Exposée gegeben.
(Souhlas a potlesk.)
Hohes Haus! In der Einleitung zu seinem Rechenschaftsbericht über die Haager Konferenz spricht der Minister des Äußern folgenden Wunsch aus: "Die Frage sei so auszulegen, daß sie tatsächlich für unsere Öffentlichkeit eine sachliche, richtige und würdige Belehrung nicht nur in finanzieller, sondern auch in politischer Beziehung bilde und damit zu wirklicher Ehre und neuer Schätzung des Auslandes diene, das heute unseren finanziellen und wirtschaftlichen Stand ganz gut kennt und mehr als je unsere innerpolitische Entwicklung und unsere internationale Position beobachte." Diesen Wunsch will ich sowohl in der Form, als auch im Inhalte meiner Darlegungen zu dem Berichte entsprechen.
Die Klarstellungen, welche ich namens meines Klubs, namens meiner Partei als der Vertreterin des sudentendeutschen Landstandes vorzubringen habe, sollen den Standpunkt bezeichnen, den wir einnehmen, sollen aufzeigen, welche Folgerungen wir sowohl dem Herrn Außenminister als auch der Regierung gegenüber überhaupt aus dem günstigen Abschluß der Haager Konferenz gezogen wissen wollen. Vorausschicken will ich noch, daß meine Partei stets und ständig bestrebt war und ist, zu arbeiten für den Frieden nach außen und innen, für die Ruhe, die wir, das arbeitende Volk am Lande, so gut wie alle anderen werktätigen Stände brauchen, um sowohl den Verpflichtungen der eigenen Familie gegenüber, als auch den Verpflichtungen gegenüber dem angestammten Volke, wie auch gegenüber dem Staate, in welchem zu leben und zu wirken wir berufen sind, gerecht werden zu können, fûr die Verständigung der Völker innerhalb des Staatsgebietes und sodann in weiterer Zielsetzung der Völker Mitteleuropas und Europas überhaupt. Es freut mich, feststellen zu können, daß aus den Ausführungen des Herrn Außenministers hervorgeht, daß er dem Glauben Ausdruck gibt, diesem Ziele durch den Abschluß der Haager Konferenz bedeutend nähergekommen zu sein.
Er wird meine Partei auch fernerhin bereit finden, ihm auf diesem Wege Gefolgschaft zu leisten, damit die Erfolge seiner Arbeit auf diesem Gebiete seines großen politischen Wirkens offensichtlich werden und den in den Wirkungskreis seiner Tätigkeit einbezogenen Kreisen zur Zufriedenheit, zum Wohle und zum Glücke gereichen mögen. Kühl und ruhig denkend, hat auch diesmal die deutsche Bevölkerung dieses Staates in ihrer überwiegenden Mehrheit zu der durch das Haager Übereinkommen geschaffenen tatsächlichen Lage ihre Stellung bezogen. Diese Stellungnahme trug der mühevollen, nervenzerrüttenden Arbeit des Herrn Ministers und seiner Mitarbeiter Rechnung. Jede neue finanzielle Belastung der Bevölkerung wird von dieser stets mit größtem Widerwillen und Mißmut ertragen. Es drohte den Völkern eine ungeheuere Belastung, wenn das zur Wirklichkeit werden sollte, wozu die Èechoslovakei durch Unterzeichnung der Friedensverträge von Versailles, St. Germain en Laye und Trianon verpflichtet war. Vergegenwärtigt man sich die ungeheueren Opfer an Geld und Blut, welche alle Völker und Staaten, die am Weltkriege teilgenommen haben, gebracht hatten, so war es wohl menschlich begreiflich, daß jeder Staat und jede Regierung bemüht und bestrebt war, die Opfer, die ihr auferlegt wurden oder werden konnten, auf ein möglichst geringes Ausmaß, welches noch erträglich war, festzulegen. In dieser Richtung hat sich natürlich auch das Außenamt der Èechoslovakei in langjähriger Arbeit und, was auch feststeht, erfolgreicher Arbeit bemüht. Nicht gering waren die Verpflichtungen laut dem unterzeichneten Friedensvertrage: Entschädigung für die übernommenen Staatsgüter 24 Milliarden Kè, Befreiungsschuld 4 1/2 Milliarden Kè; die endgültige Belastung des Staates aus diesen Titeln mit 1200 Millionen Kè bei 5 1/2 % iger Reduzierung der Zahlungen auf den heutigen Tag zeigt tatsächlich, daß eine Herabdrückung der geldlichen Belastung um 96 % erfolgte, so daß nur 4 % der ursprünglichen Summen gezahlt werden müssen.
Seitens der Großgrundbesitzer wurden Klagen auf Zahlung von mehr als 3 Millionen Goldkronen aus dem Titel der Bodenrefo rm erhoben, annähernd 7 Millionen Goldkronen sollen für die Güter der Erzherzoge, für die Güter der Kirche, für Ruhegehälter an Ungarn gezahlt werden. Gegenüber der Zahlungsverpflichtung von 10 Millionen Goldkronen unsererseits steht eine Zahlungsverpflichtung Ungarns in der Höhe von 13 1/2 Millionen, obwohl Ungarn durch den Friedensvertrag zwei Drittel seines Besitzstandes verloren hat und heute die Hälfte der Einwohnerzahl der Èechoslo vakei besitzt. Deutschland und Bulgarien zahlen ein Drittel der ursprünglichen Zahlungsverpflichtung, Deutschland allein jährlich 2 Milliarden Mark, d. i. mehr als das Doppelte dessen, was die Èechoslovakei an Staatseinnahmen aufzuweisen hat. Minister Dr. Beneš hat in seinem Exposée die These aufgestellt, daß die Übernahme von Grund und Boden unter dem üblichen Preise im Wege der Bodenreform im Interesse der staatlichen Kollektivität geschehe und im Bewußtsein der Notwendigkeit dieses Schrittes vom Standpunkt politisch-demokratischer Philosophie und Ideologie und aus Gründen sozialer und staatlich-finanzieller Art.
Ich muß mit Bedauern feststellen, daß unsere politisch-demokratische Philosophie und Ideologie von anderen Grundsätzen ausgeht. Wenn ich als das Wesen der Demokratie die Gleichheit der Rechte und Pflichten der einzelnen Staatsbürger vor dem Gesetze ansehe, so muß ich es als undemokratisch empfinden, eine Unterscheidung in dem Recht auf Eigentum und Besitz zu machen, und ich muß es in erhöhtem Maße als undemokratisch ansehen, wenn die Bodenreform zu Zwecken der Entnationalisierung, zu Zwecken der Verdrängung Deutscher von ihrer Scholle und ihrem Arbeitsplatz erfolgt, und ich muß den sozialen Charakter dieser Maßnahme bezweifeln, wenn sie eine hunderttausendköpfige Schar von Arbeitern und Angestellten brotlos macht.
Minister Beneš hat offen zugegeben, daß die westeuropäische Öffentlichkeit und die internationale juridische Wissenschaft sich von Anfang an unserer Bodenreform gegenüber ablehnend verhielt, und so war es auch verständlich und den Rechtsbegriffen Westeuropas entsprechend, daß die nach den Friedensverträgen gebildeten gemischten Schiedsgerichte ihre Zuständigkeit aussprachen, über die Forderungen ausländischer und insbesondere ungarischer, von der Bodenreform betroffenen Grundbesitzer zu entscheiden. Diese Stellungnahme ist ein naturnotwendiger Ausfluß gesunder Fortentwicklung völkerrechtlicher Normen. Ebenso wie die Einzelperson in ihren Handlungen durch die Rechte des Mitmenschen in der vollen unbeschränkten Freiheit beeinträchtigt ist und es Aufgabe des Zivilrechtes sein muß, das Zusammenleben der Menschen zu regeln, ebenso ist es Aufgabe des Völkerrechtes, die gegenseitigen Beziehungen der Staaten der Sphäre der nackten Gewalt zu entrücken.
Die Souveränität des Staates bedeutet Freiheit, aber nicht Willkür. Die Rechte fremder Staatsbürger und somit die Rechte eines fremden Staates sind durch die Bodenreform berührt worden, und ich muß feststellen, daß auch das Ergebnis der Haager Konferenz nicht die ungarischen Grundbesitzer den Bodenreformgesetzen frei unterworfen hat. Nach wie vor hat über die Entschädigung ein gemischtes Schiedsgericht zu entscheiden, dem durch den Vertrag vom Haag in Ausgestaltung des rechtlichen Instanzenzuges als oberste Instanz der internationale Schiedsgerichtshof im Haag als Berufungsinstanz übergeordnet wird. Die Tatsache, daß die Bodenreform als eine über die internen Maßnahmen des Staates hinaus fremde Rechte berührende Maßnahme auch einer zwischenstaatlichen Entscheidung unterliegt, ist im Haag aufrecht erhalten worden.
Ich halte es für äußerst wichtig festzustellen, daß der Grundsatz, daß die Souveränität eines Staates nicht zur Willkür ausarten darf, neuerlich international festgestellt wurde. Was zwischen Staaten als Rechtssatz festgelegt wurde, muß in Konsequenz logischer Fortentwicklung auch im Verhältnis der einzelnen Völker zum Staate selbst gelten. Ich denke hier in erster Linie an das Recht der sogenannten Minderheiten, denen ebenfalls international vertraglich das Recht auf rechtliche Gleichstellung und tatsächliche Gleichbehandlung zuerkannt wurde. Auch von diesem Gesichtspunkte aus begrüße ich das Ergebnis der Haager Konferenz, die unter voller Anerkennung aller staatlichen Souveränität die willkürliche Anwendung staatlicher Gewalten jedoch unter allen Umständen ablehnt. Auch auf diesem Gebiete mögen die Ergebnisse vom Haag das Beispiel einer zufriedenstellenden Entwicklung Europas geben.
In seinem Exposée sagt der Herr Minister Dr. Beneš in dem Kapitel, das er "Einige Worte der Polemik" überschrieben hat, Folgendes: "Und wieviele durch den Krieg vernichtete Gegenden und ganze Länder werden trotz alledem vielleicht keinen einzigen Heller Ersatz bekommen und alles aus eigener Tasche bezahlen müssen, während unser Vaterland durch ein beneidenswertes Geschick davon verschont geblieben ist, Kriegsschauplatz zu werden." Er sagte diese Worte im Anhang dazu, daß er klarstellte, welche Opfer an Gut und Blut die anderen Staaten und insbesondere die Großmächte aufzuweisen hatten. Er sagte dies und dachte wohl, daß man von deutscher Seite ruhig darüber hinweggehen könnte, ohne daß dieses Wort "ein beneidenswertes Geschick hat es ermöglicht, daß die Èechoslovakei nicht Kriegsschauplatz geworden ist" von uns in einigen weiteren Bildern näher gekennzeichnet und umrissen würde. Worin bestand das beneidenswerte Geschick der Èechoslovakischen Republik auf diesem Gebiet? Doch nur darin, daß der alte Staat Österreich in seiner Bevölkerung und besonders in seiner deutschen Bevölkerung einen Teil seiner Völker hatte, die opferwillig und opferbereit waren, die bereit waren, Geld und Gut und Blut dem Staate zu opfern, um die herandrängende russische Walze an den Staatsgrenzen des alten Gebietes aufzuhalten. Nur diese Opfer an Geld, nur das tapfere Verhalten unseres heldenmütigen Heeres, in welchem auch Èechen mitgekämpft haben, haben es ermöglicht, daß die Èechoslovakei kein Kriegsschauplatz geworden ist, und die deutsche Bevölkerung und mit ihr alle anderen Bevölkerungskreise, die für diesen Zweck ihr Geld geopfert haben, können nun erwarten, daß nach dem günstigen Abschneiden in der Haager Konferenz sich auch die Èechoslovakei bemüßigt fühlt, den Opfern von damals gerecht zu werden. Es geht nicht an, draußen im Auslande für eine günstige Atmosphäre der Verhandlungen vorbereitende und erfolgreiche Arbeit zu leisten und dabei zu vergessen, daß die ruhige Verständigung und Arbeit der einheimischen Bevölkerung nur möglich ist, wenn auch diese Volkskreise befriedigt werden.
Meine Partei hat während des ganzen zehnund elfjährigen Verweilens in diesem Hause nie davon Abstand genommen zu erklären, daß auch die Lösung des Kriegsanleiheproblems, wie sie sich die Machthaber von damals gedacht haben, für uns keine Lösung bedeuten kann. Denn gerade unsere Kreise am Land, die in Geldsachen unerfahren waren, wurden durch Druck und Terror der Regierungsstellen, durch Überredungskünste der Banken und ihrer Vertreter veranlaßt, über ihr Maß der wirtschaftlichen Tragfähigkeit Kriegsanleihe zu zeichnen. Mit einem Federstrich wurde das annulliert. Es geht nicht an, daß man sich von den Großmächten derartige Abschläge auf die Zahlungsverpflichtungen zugute kommen läßt, ohne diesen Opfern irgendetwas als Entschädigung zu bringen. Demgemäß wird bei dieser Gelegenheit neuerdings unsere Forderung aufgestellt, daß der Staat daran gehen möge, nun, da die geldlichen Verpflichtungen, die dem Staate aus dem Haager Übereinkommen erwachsen sind, geringfügig sind, an die Lösung dieses Problems neuerdings heranzutreten. Denn wir wissen, daß die Verpflichtungen, die dem Staate erwachsen, jährlich nur etwas über 80 Millionen ausmachen, und der Herr Finanzminister Dr. Engliš hat erklärt, daß er für diesen Betrag die Bedeckung innerhalb seines Haushaltes hat, und es ist uns erfreulich, dies festzustellen. Der Herr Finanzminister Dr. Engliš wird als gewiegter Finanzfachmann ebenso wie als gewiegter Bankfachmann bei der Aufstellung seines Staatshaushaltes stets für stille Reserven gesorgt haben. Und daß solche da sind, zeigt uns die überaus vorsichtige Aufstellung des Budgets im Vergleiche mit den Rechnungsabschlüssen. Dort sehen wir, daß die Mehreingänge weit über 100 Millionen ausmachen, z. B. bei der Tabakregie. Es kann und muß demgemäß auch der Betrag gefunden werden für die Entschädigung, die wir gemäß dem Übereinkommen zu leisten haben. Es muß aber auch noch anderes Geld flüssig gemacht werden, das bereitgestellt werden muß, um die Opfer von damals zu entschädigen. Eines dieser Opfer waren die Kriegsanleihezeichner, die dem Staate die Mittel zur Verfügung gestellt haben. Aus den Beträgen der Kriegsanleihe wurden die Staatsgüter vermehrt und Industrien ausgebaut. Ich erinnere an die Škodawerke in Pilsen, die mit Millionen und Millionenbeträgen unserer Kriegsanleihe dotiert wurden, um das Werk auszubauen, ich erinnere aber auch daran, daß andere Güter geschaffen wurden, die der Staat nun kostenlos übernommen hat, und es ergibt sich daraus die Verpflichtung, daß der Staat denen, die zur Errichtung, zum Aufbau und zur Erhaltung dieser Staatsgüter beigetragen haben, etwas zukommen läßt. Das andere Opfer, das es zuwege gebracht hat, daß die Èechoslovakei durch ein beneidenswertes Geschick davon verschont geblieben ist, Kriegsschauplatz zu werden, brachten die direkten Kriegsteilnehmer am Kriegsschauplatz selbst, und da, Herr Minister, waren es unsere tapferen Soldaten und unser tapferes Heer, die dem Feinde den Eintritt in unser Staatsgebiet nicht gestatteten. Diese Opfer des Krieges, diese Kriegsverletzten bekommen vonseiten des èechoslovakischen Staates eine Entschädigung, wie sie geringer kein anderer Staat Europas zahlt. Sie sehen demgemäß auch, daß der Staat aus der günstigen Lösung der Haager Konferenz die Verpflichtung übernehmen müßte, für diese Opfer etwas zu erübrigen, ihnen entgegenzukommen.
Bei der Schaffung der Staatsgüter waren es die Beamten, die am meisten dazu beigetragen haben, um diese Güter auszubauen und sie dem Staat in bester Ordnung zu übergeben. Es war das die Beamtenschaft des alten Staates, und wie hat sich die Èechoslovakische Republik ihrer Verpflichtung gegenüber den Pensionisten entzogen! Auch diese Kreise haben bis heute keine Würdigung ihrer staatsaufbauenden Arbeit in der Vergangenheit wie auch im Interesse dieses Staates erlebt. Jahrelang werden sie vertröstet, seit Jahren stellt man ihnen eine Besserstellung in Aussicht. Wir hoffen, daß endlich die Zusage des Herrn Finanzministers diesbezüglich zur Wirklichkeit wird.
Aus dem günstigen und guten Abschluß der Haager Konferenz sind für die Èechoslovakei Verpflichtungen erwachsen. Sie, die bei den Mächten des Westens, welche auf diesem Gebiete ausschlaggebend sind, durch mühevolle und erfolgreiche Arbeit für die Èechoslovakei günstig abgeschnitten haben, müssen endlich auch sagen: Wir wollen unsere Bevölkerung, die seinerzeit durch die Kriegsereignisse Schaden erlitten hat, entschädigen und ihr Genugtuung zuteil werden lassen. Nicht nur in dieser Richtung soll also die Haager Konferenz günstig abschneiden, sondern - der Herr Minister hat das in seinem Exposé erklärt und unterstrichen - die Haager Konferenz soll ein großer Markstein der europäischen Politik sein. Ja, der Haag ist ein Markstein, wie wir ihn gerne verzeichnet sehen in dem Exposé des Herrn Ministers und wie er zur Tat werden soll. Aber eines hat der Herr Minister des Äußern zu sagen vergessen, daß nicht allein die Regelung der geldlichen Verhältnisse der Staaten, die sich einst feindlich gegenüberstanden, es ermöglichen kann, daß das Verhältnis der Völker zu einander ein besseres wird. Nicht allein die finanzielle Regelung kann die Verständigung, Ruhe, Arbeitslust und Arbeitswilligkeit innerhalb der Völker bringen, sondern der Herr Minister des Äußern muß sich auch bemühen zu sagen, daß jener Geist innerhalb Mitteleuropas ein Ende finden werde, der sich bei allen möglichen Gelegenheiten gegen das oder jenes Volk zeigt. Die Èechoslovakei ist wirtschaftlich abhängig von ihren Nachbaren. Wir können also nur hoffen, daß die Haager Konferenz für unsere Nachbaren, das sind Österreich, Deutsch³and und schließlich auch Ungarn, sich derart günstig auswirken wird, daß uns dort der Absatzmarkt für unsere überschüssigen Güter eröffnet wird. Heute, im elften Jahre nach der Gründung des Staates, sind wir mit dem Überschuß unserer Erzeugnisse mit mehr als 50% auf die Ausfuhr nach Deutschland und Österreich angewiesen. Wir sehen, daß diese beiden deutschen Staaten unsere besten Kunden sind. Es geht nicht an, daß man sich hier auf den rein geschäftsmäßigen Standpunkt stellt: Hier gute Ware, hier Geld dafür; man muß auch die gefühlsmäßige Einstellung der Völker berücksichtigen. Es geht nicht an, daß die Minderheitsvölker in diesem Staat schlechter behandelt werden als es das Staatsgrundgesetz, die Verfassung bestimmt. Darum muß noch zur Regelung der finanziellen Frage auch die Besserstellung innerhalb des Zusammenlebens der Völker erfolgen. Dann werden sich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen den Nachbarstaaten besser gestalten, und um für all das die Mittel in die Hand zu bekommen, gibt es eine Möglichkeit, nämlich die Militärrüstungen abzubauen. Nur dann, wenn man all das berücksichtigt, kann für die Ruhe, für die Verständigung sowie für das Glück und für das Wohl des Staates sowie der Völker gesorgt werden. Wenn für das Glück, das Wohl und die Zufriedenheit der Völker seitens der Machthaber gesorgt wird, dann wird das zur Wahrheit werden, was der Herr Minister des Äußern in Aussicht gestellt hat, daß die Verständigung in Mitteleuropa solche Formen annimmt, daß auch die wirtschaftliche Beruhigung, die Belebung und Aufrechterhaltung eines gewissen Wohlstandes gesichert ist.
Auch wir sind, wie er, bemüht
und bemüssigt, für das Wohl unseres deutschen Volkes zu arbeiten.
Wir sorgen in erster Linie für das Wohl und Wehe des Landstandes,
und ich muß hier noch einmal die Frage streifen, mit der ich mich
von allem Anfang an beschäftigt habe, nämlich die Frage der Kriegs
anleihe, die infolge der günstigen Bereinigung der Reparationsfrage,
infolge der günstigen Bereinigung der Befreiungsschuld so gelöst
werden sollte, daß sie unserer Wirtschaft neue Geldmittel zuzuführen
in der Lage ist. Wenn unsere Wirtschaft durch alle diese Maßnahmen
früherer Regierungen finanziell nicht so schwer geschädigt worden
wäre, wären wir auch heute in der Lage, die landwirtschaftliche
Krise, die sich zu einer Katastrophe zu entwickeln droht, leichter
zu bewältigen, und man müßte nicht in scharfer Weise die Mittel
des Staates heranziehen und die anderen Bevölkerungsschichten
nicht durch allzugroße Inanspruchnahme der Staatsmittel beunruhigen.
Es ist eine Pflicht, jene Kreise zu entschädigen, die man seinerzeit
durch die Kriegsanleihe und die Vermögensabgabe wirtschaftlich
entblutet hat. Für das Glück und das Wohl des Volkes zu arbeiten,
soll unser allerhöchstes Ziel sein. Aber diesem Ziel ko mmen wir
nur näher, wenn wir auch die Tatsachen berücksichtigen, nämlich
die Tatsachen der Auswirkung der Haager Konferenz, nicht nur was
die finanzielle Seite für den Staat betrifft, sondern auch vom
Standpunkte des Wohlergehens der Völker, die in diesem Staate
leben. (Souhlas a potlesk.)
Hohes Haus! Der Herr Minister des Äußern hat sich - das müssen wir von allem Anfang zugestehen - nach den anstrengenden Tagen der Haager Konferenz die Aufgabe, die ihm vor dem Parlament der Èechoslovakischen Republik gestellt war, nicht leicht gemacht. Er hat in seinem überaus umfangreichen Exposée wohl alle die vielen mitunter schwierigen und komplizierten Probleme, um die es sich hier handelt, berührt, er ist bis zu dem Ursprung der Problematik zurückgegangen und hat, wenn ich es richtig übersehe, wohl kaum eine einzige Phase der Entwicklung übergangen. Vom Standpunkt des Parlaments aus muß eine derartige Methode der ministeriellen Berichterstattung zweifellos volle Billigung finden, umsomehr als sie in der Vergangenheit des èechoslovakischen Parlaments eine Seltenheit darstellte. Aber wir müssen daran doch die Frage knüpfen: Warum hat man früher niemals die Gelegenheit ergriffen, über diese Fragen vor dem Parlament zu sprechen? Warum hat man es nicht spontan getan und warum hat man es unterlassen, auf Anfragen, die in dieser Richtung gestellt worden sind, zu antworten? Als nach dem Krieg das Versprechen verkündet wurde, daß nun endlich einmal mit der sogenannten Geheimdiplomatie Schluß sein werde, war ich niemals so naiv, diese These in ihrem Wortsinn zu nehmen. Es ist unmöglich, diplomatische Aktionen sich vor der breitesten Öffentlichkeit entwickeln zu lassen. Weder der Privatmann noch ein Staat kann zu Verhandlungen gehen und schon vorher zur Kenntnis des Verhandlungspartners bringen, was er eigentlich verlangen, was er konzedieren werde, welche Methode und Taktik er anwenden werde und was seine letzte und vorletzte Rückzugslinie ist. Aber es besteht ein ungeheuerer Unterschied zwischen einer derartigen unnötigen und bedenklichen Öffentlichkeit und einem derart vollkommenen Schweigen über die wichtigsten Fragen vor dem eigenen Parlament. Der Herr Minister des Äußeren hat eine Reihe von Argumenten angeführt; ich muß aber trotzdem sagen, daß mich diese Gründe nicht vollkommen überzeugen können, und daß ich es nicht nur vom Standpunkt des gesunden Parlamentarismus für unrichtig und unerträglich halte, daß man durch zehn Jahre über eine der schwierigsten finanziellen und politischen Fragen geschwiegen hat, sondern daß ich es auch unter dem Gesichtspunkt des schließlichen Effektes nicht für unbedenklich halte, daß man darüber nie gesprochen hat. Wenn in anderen Staaten, in denen die Situation nicht weniger heikel war, wenn im Parlament des Deutschen Reiches, in Frankreich und England, die ja auch ihre Schwierigkeiten gegenüber Amerika hatten, wenn in Ungarn und überall sonst mit einer gewissen Aufrichtigkeit von den Sorgen der Reparationen gesprochen werden konnte, so hätte dies meines Erachtens auch in diesem Palrament unbed ingt geschehen können. Was wäre erreicht worden? Hätten wir andere Ziffern bekommen? Ich wage das nicht zu behaupten, trotzdem vielleicht ein gewisser Widerhall der öffentlichen Meinung die Position unserer Delegation gestärkt hätte. Aber ist nicht vielleicht in manchen Hauptstädten der Gedanke aufgekommen: Wenn das èechoslovakische Parlament sich so gar nicht mit der Frage der Reparationen zu beschäftigen für nötig erachtet, dann scheint es in dieser Hinsicht keine besondere Sorgen zu haben? Und wenn all das auch nicht richtig ist, wenn wir nicht um eine einzige Krone weniger zu zahlen hätten, als wir zu zahlen haben, so wäre durch entsprechende Vorbereitung der öffentlichen Meinung zumindestens das eine erzielt worden, daß nicht eine Enttäuschung der breitesten Öffentlichkeit eingetreten wäre, gerade in einem Augenblick, da meines Erachtens diese Enttäuschung am allerwenigsten berechtigt ist.
Gestatten Sie mir, daß ich nach diesen einleitenden Bemerkungen in eine ganz kurze und nüchterne Analyse des Ergebnisses übergehe, und zwar zunächst des rein finanziellen Ergebnisses der Haager Konferenz vom Standpunkt der èechoslovakischen Interessen. Die Fragen, die wir uns zu stellen haben, sind ganz klar und knapp: Was war vor dem Haag? Was ist nach dem Haag? Ich teile so, wie dies die Probleme verlangen. Ich fange mit dem bedeutungslostesten an. Wir hatten seit 1921 die theoretische Anerkennung eines Anteiles an den Reparationen, wir haben nunmehr die praktische Zuerkennung von einem Prozent der Ostreparationen, eines zweifellos ganz geringfügigen und bedeutungslosen Betrages. Wir hatten vor dem Haag Kriegsschulden - von den amerikanischen will ich nicht mehr sprechen - an Italien und Frankreich in einem sehr bedeutenden Umfange, und wir haben nach dem Haag eine Reduzierung dieser Kriegsschulden zu verzeichnen. Wir hatten folgende Leistungen nach der Lage vor dem Haag - so wie es der Minister des Äußern in seinem Exposée angeführt hat - zu erbringen: 1. Eine Befreiungsschuld in der Höhe von 4 1/2 Milliarden Kè, und 2. Verpflichtungen für die sogenannten biens cédés im Betrage von etwas über 24 Milliarden Kè - somit nach der Zusammenstellung des Exposées aus diesen beiden Titeln eine Gesamtleistung von rund 29 Milliarden Kè. Nach dem Haag, wenn ich wiederum den Ziffern des Exposées folge, haben wir eine Jahresverpflichtung von 10 Millionen Goldmark durch 37 Jahre und der Herr Minister des Äußern, übrigens unter Berufung auf den Herrn Finanzminister, berechnet hiefür einen Gegenwartswert von 1190 Millionen Kè. Es ergibt sich also nach der Auffassung des Exposées ein Verhältnis von 29 Milliarden vor dem Haag zu einer Summe von 1ÿ2 Milliarden nach dem Haag. Diese Antithese ist nicht unhübsch, das wird man mir zugeben. Aber ganz so schön, wie diese Ziffern sie darstellen, ist sie allerdings nicht. Ich muß dies wahrheitsgetreu vorbringen.
Was den Gegenwartswert der Annuität von 10 Millionen Goldmark anlangt, will ich darauf verzichten, ihn nachzuprüfen, weil ich seit jeher ein schlechter Mathematiker war und will nur feststellen, daß von anderer Seite ein etwas höherer Gegenwartswert dieser Annuitätsleistungen berechnet wird. Dagegen muß ich eines hervorheben. Die Riesenziffer von 29 Milliarden muß unter einem Gesichtspunkte, der weniger den Mathematiker als den Juristen interessiert, ein bißchen geändert werden. Denn die 25 Milliarden für die biens cédés haben nach den Friedensverträgen eine Abzugspost und zwar eine Abzugspost einerseits durch die Leistungen aus dem Titel der Übernahme gewisser fundierter Vorkriegsschuld nach § 208 des Friedensvertrages von St. Germain, und es ist ferner jener Betrag der nicht sichergestellten, nicht fundierten Schulden abzuziehen, der dem in den Staatsgütern investierten Betrag entspricht. Ich kann nicht ermessen, wie hoch diese Abzugspost ist, aber ich will feststellen, daß nicht ganze 25 Milliarden für die biens cédés vor dem Haag in Betracht gekommen sind, sondern nur 25 Milliarden abzüglich jener Milliarden, die auf die fundierten und nichtfundierten Vorkriegsschulden entfallen. (Posl. dr Rosche: Sieben Milliarden!) Dadurch verändert sich, wenn es sich um 7 Milliarden handelt, die Antithese folgendermaßen, daß nicht 29 Milliarden gegenüberstehen 1ÿ2 Milliarden, sondern nur 22 Milliarden. Ein noch immerhin schönes Verhältnis und ich muß sagen, daß es der Minister des Äußern gar nicht nötig, gehabt hat, daß es dem ganzen Stil seines Exposées nicht entspricht, in diesem Falle mit einer Ziffer zu operieren, die einer genauen Prüfung nicht standhält.
Ich gehe weiter. Ich habe von der Beteiligung an den Ostreparationen gesprochen, von der Kriegsschuld, von der Befreiungstaxe und von den biens cédés, und nun kommt etwas, was eigentlich mit dem wirklichen Thema der Haager Konferenz, als einer Reparationskonferenz, nicht unmittelbar zusammenhängt, das ist die Bereinigung aller jener Fragen, die im Exposée unter dem Titel der "Liquidierung der Vergangenheit" zusammengefaßt werden, in welchem Fragenkomplexe die sog. Agrar- oder Bodenreformfrage von unserem Standpunkte - bei anderen Staaten ist es anders - die größte Rolle spielt.
Vor Haag war die Situation so, daß, wenn ich von anderem schweige, eine ganze Reihe ausländischer Großgrundbesitzer aus dem Titel der unzureichenden Entschädigung für ihre enteigneten oder zu enteignenden Güter Ansprüche an den èechoslovakischen Staat vor den gemischten Schiedsgerichten stellte, während jetzt - immer der Darstellung des Exposé folgend - nach dem Plan des Italieners Brocchi zwei Fonds bestehen, der Fond A und der Fond B, welche beide Fonds den Herrn Minister zu der Feststellung veranlaßten, daß die Èechoslovakei nichts darüber, was unserem Bodenreformgesetze entspricht, an ausländische Großgrundbesitzer zahlen wird. Hier muß ich allerdings sagen, daß in dem Passus des Exposées, der sich mit diesen beiden Fonds beschäftigt, manches nicht klar ist, was mich nicht nur als Politiker, nicht nur vom Standpunkt der Finanzinteressen des Staates, sondern auch vom juristischen Standpunkte interessiert. Nach den Darlegungen des Herrn Ministers des Äußern weiß man nicht recht: Hat das Passivsubjekt dieser Prozesse gewechselt, ist nunmehr passiv legitimiert gegenüber den Klagen der Großgrundbesitzer des Auslandes nicht mehr die Èechoslovakische Republik, sondern der Fond und seine Verwaltung, oder ist es anders, sind nach wie vor die Staaten die Passivsubjekte und sind die Fonds nur die Befriedigungsmaße? Das ist eine Frage, die wir stellen müssen.