VII. Gebührenwesen, Beitreibung von Geldstrafen, Kosten der Schlichtungsbehörden.

§ 33. Gebühren und Stempelfreiheit.

Für die Tätigkeit der Schlichtungsausschüsse und der Schlichter werden keine Gebühren eingehoben.

Vollmachten zu Vertretungen und Verfahren, Vereinbarungen und Schiedssprüche sind stempelfrei.

§ 34. Beitreibung und Verrechnung der Geldstrafen.

Ordnungsstrafen werden von der politischen Verwaltung eingetrieben und sind zur Unterstützung der Arbeitslosen des Bezirkes zu verwenden.

§ 35. Kosten der Schlichtungsbehörden.

Der Staat trägt die Kosten der Schlichter und Schlichtungsausschüsse.

VIII. Aufsicht über die Schlichtungsbehörden.

§ 36. Prüfung der Geschäftsführung.

Das Ministerium für soziale Fürsorge sowie der Schlichter können die Geschäftsführung der Schlichtungsausschüsse prüfen und die Vorlage von Akten verlangen. Die direkte Aufsicht über die Schlichtungsausschüsse führt der Schlichter. Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Schlichter führt das Ministerium für soziale Fürsorge.

§ 37. Erlaß von Richtlinien.

Das Ministerium für soziale Für sorge erläßt im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Tätigkeit der Schlichtungsausschüsse und der Schlichter allgemeine Richtlinien. In ihrer Entschließung im Einzelfalle sind Schlichtungsausschüsse und Schlichter unabhängig und nicht an Weisungen gebunden.

IX. Verbindlichkeit von Schiedssprüchen.

§ 38. Voraussetzungen für die Verbindlichkeitserklärung und Zuständigkeit.

Wird ein Schiedsspruch von einer Partei angenommen, von der anderen abgelehnt, so kann er auf Antrag der Partei, die den Schiedsspruch angenommen hat, für verbindlich erklärt werden, wenn die durch ihn getroffene Regelung bei gerechter Abwägung der Interessen beider Teile der Billigkeit entspricht und ihre Durchführung aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen erforderlich ist.

Von Amtswegen soll ein Verfahren auf Verbindlichkeitserklärung nur dann eingeleitet werden, wenn das öffentliche Interesse die Einleitung erfordert.

Für die Verbindlichkeitserklarung des Schiedsspruches eines Schlichtungsausschusses ist der Schlichter zuständig, in dessen Gebiet der Geltungsbereich der vorgeschlagenen Gesamtvereinbarung liegt. Das gilt auch dann, wenn er sich nur unwesentlich über das Wirkungsgebiet des Schlichters hinaus erstreckt. Für die Verbindlichkeitserklärung von Schiedssprüchen mit einem größeren Geltungsbereich, sowie von Schiedssprüchen, die eine Schlichterkammer gefällt hat, ist der Minister für soziale Fürsorge zuständig.

§ 39. Das Verfahren bis zur Entscheidung.

Die nach § 38 für die Entscheidung zuständige Stelle hat entweder selbst oder durch eine von ihr beauftragte Stelle die Parteien vor der Entscheidung zu hören. Die Anhörung soll, wenn nicht besondere Gründe vorliegen, mündlich erfolgen. Dabei ist nochmals die Herbeiführung einer Einigung zu versuchen.

§ 40. Die Entscheidung.

Der Schiedsspruch kann nur unter den im § 38 angeführten Voraussetzungen für verbindlich erklärt werden.

Bei der Verbindlichkeitserklärung kann der Schiedsspruch nur mit Zustimmung jener Parteien abgeändert werden, die seine Verbindlichkeitserklärung verlangt haben. Betrifft er mehrere Streitpunkte, so kann die Verbindlichkeitserklärung auf einzelne von ihnen beschränkt werden. wenn sie mit den übrigen nicht notwendig zusammenhängen.

Die Entscheidung über die Verbindlichkeitserklärung ist schriftlich abzufassen, mit Gründen zu versehen und den Parteien zu übersenden.

Die Verbindlichkeitserklärung er setzt die Annahme des Schiedsspruches, die Entscheidung ist endgültig.

X. Satzung.

§ 41. Gesamtvereinbarungen (Kollektivverträge) können durch den Schlichter oder das Ministerium für soziale Fürsorge, wenn sie in ihrem Geltungsbereich eine überragende Bedeutung haben, zur Satzung erklärt werden.

In dem Beschluß sind Inhalt, Geltung Umfand und Beginn der Wirksamkeit und Geltungsdauer der Satzung zu bezeichnen. Der Beschluß ist öffentlich kundzumachen. In der Mitteilung ist zu verlautbaren, daß ein Einspruch innerhalb 30 Tagen bei dem Schlichter oder beim Ministerium für soziale Fürsorge erhoben werden kann.

Wird kein Einspruch erhoben, so ist nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist öffentlich kundzumachen, daß der Beschluß auf Feststellung der Satzung in Rechtskraft erwachsen ist. In der Kundmachung ist der Wirksamkeitsbeginn der Satzung zu verlautbaren.

§ 42. Vom Tage der Geltung der Satzung gelten für alle im Vertrage bezeichneten Arbeitnehmer und Arbeitgebergruppen die festgelegten Arbeits- und Entlohnungsbestimmungen.

Der Inhalt dieser Kollektivverträge ist unabdingbar, d. h. in den einzelnen Arbeitsverträgen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfen keine schlechteren Bedingungen enthalten sein.

§ 43. Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Verlautbarung in Kraft. Seine Durchführung wird dem Minister für soziale Fürsorge aufgetragen.

Motivenbericht.

Als ein Exportstaat, der in seiner Produktion die Konkurrenz des Auslandes aushalten muß und nur durch eine auf hoher Ausfuhr basierende Produktion seine Bevölkerung zu ernähren im Stande ist, muß die Èechoslovakei bestrebt sein, in möglichst reibungsloser Erzeugung ohne große Erschütterungen und Stockungen zu günstiger Entwicklung der Wirtschaft fortzuschreiten. Diesen Weg einzuschlagen, ist der Wirtschaft der Èechoslovakei bisher nicht gelungen. Nach den bisher vorliegenden Aus weisen des statistischen Staatsamtes betrugen in den Jahren 1921 - 1925 infolge der Streiks und Aussperrungen die Verluste an Arbeitstagen allein 13,325.596 und an Lohnkronen 488,424.561 Kè. Dies sind nur die Verluste, welche die Arbeitnehmer treffen. Nachdem in vielen Erzeugungszweigen die Löhne in der Produktion keine all zu große Rolle spielen, sind die Verluste für die Wirtschaft ein Vielfaches dieser Ziffer. Dazu kommt der Entfall in der Handelsbilanz, der Entfall an Steuern, an Transporten etc. Im Jahre 1925, dem letzten Jahre, über das Ausweise vorliegen, betrugen die Verluste infolge Aussperrungen und Streiks 1,614.058 Arbeitstage und 45 Millionen 427.604 Kè an Arbeitslöhnen.

Nun haben wir in der Èechoslovakei eine Anzahl von Gesetzen und Verordnungen zur Regelung von Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis in Geltung, und zwar:

Die Schiedskommissionen bei Kündigungen nach dem Betriebsausschußgesetz vom 12. August 1921 Slg. 330.

Die Schiedskommissionen in der Metallindustrie nach dem Gesetz vom 5. Dezember 1919 Slg. 655.

Die Distriktskommissionen nach dem Heimarbeitergesetz vom 12. Dezember 1919 Slg. 29.

Die Lohnschiedskommissionen im Baugewerbe nach dem Gesetz vom 28. März 1928 Slg. 43, II. Hauptstück.

Die Bergbauschiedsgerichte nach dem Gesetze vom 3. Juli 1924 Slg. 170.

Die schiedsgerichtlichen Ausschüsse der Genossenschaften nach § 144 der Gewerbeordnung.

Die Gewerbegerichte nach dem Gesetze vom 27. November 1896 R. G. Bl. 218.

Ein wirklicher Effekt dieser schiedsgerichtlichen und Schlichtungseinrichtungen war trotzdem in der Wirtschaft nicht fühlbar, weil diese Gesetze sich auf ein allzu begrenztes Feld der Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnisse erstrecken. Teilweise ist auch ihre Kompetenz eine sehr begrenzte und es stehen ihnen fast gar keine Mittel zur Durchsetzung der Anerkennung ihrer Schiedssprüche zur Verfügung.

Nachdem vor allem unser Nachbarstaat Deutschland. mit dem uns die stärksten Handelsbeziehungen verbinden, in der Gesetzgebung zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnisse weit voraus ist, macht sich diese Lücke in unserer Gesetzgebung in drückender Weise auf unsere Wirtschaft und vor allem auf die sozialen Verhältnisse unserer Arbeitnehmerschaft fühlbar. Diesen Mangel soll der vorliegende Entwurf eines einheitlichen umfassenden Schlichtungsgesetzes abhelfen.

Der Streik ist ein Kampfmittel um die wirtschaftlichen Forderungen der Arbeitnehmer und um eine entsprechende Regelung des Arbeitsverhältnisses überhaupt. Unter den Streiks und Aussperrungen des Jahres 1925 figurieren jene mit einer Dauer unter 12 Tagen mit einem Lohnverluste von nur 3 Mill. 152.164 Kè; jene mit einer Dauer von 12 bis 24 Tagen weisen einen Lohnverlust von 11,631.521 Kè und jene mit einer Dauer von über 24 Tagen einen solchen von 30,643.919 Kè aus. Von den Streiks endeten mit vollem Erfolg 4.95%, durch Vergleich 37.60% und mit Mißerfolg 57.45%. Damit ist gesagt, daß die Mehrzahl der Streiks von längerer Dauer waren und diese mit besonderer Hartnäckigkeit geführt wurden, weil ja naturgemäß mit der längeren Dauer des Streiks auf beiden Seiten die Neigung zu einem Ausgleiche immer mehr schwindet und es auf das Biegen und Brechen hinausläuft.

Man muß sich aber die Frage vor legen, ob ein Aushungern der Arbeitnehmerschaft bei längerer Dauer des Streiks und der Abschluß eines zusammengebrochenen Streiks durch ein Diktat des Arbeitgebers der Wirtschaft Vorteile bringen? Ein solcher erzwungener Abschluß läuft gewöhnlich auf eine Kampfpause hinaus, während welcher zu neuen erbitterten Maßnahmen Kräfte gesammelt werden. Die Wirtschaft kann dagegen nur Interesse an einer dauernden, geregelten, ruhigen Entwicklung haben. Diese ist nur auf dem Wege gegenseitiger vernünftiger und beiderseits anerkannter Vereinbarungen möglich und wird gewöhnlich erleichtert durch den Einfluß einer gesetzlich anerkannten verbindenden Schlichtungsstelle und Schlichtungseinrichtung, wie sie der vorliegende Gesetzentwurf schaffen soll. Nachdem die sicherste Grundlage eines gesunden Arbeitsverhältnisses langlaufende Kollektivverträge sind, wird in dem Entwurf das größte Gewicht auf das Eingreifen der Schlichtungseinrichtungen beim Zustandekommen und der Einhaltung der Kollektivverträge gelegt, die dem Beginn jedes Arbeitsverhältnisses vorangehen sollen und in deren Verbesserung und Vervollständigung die Bereinigung jeder Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnisse ausklingen soll. Geregelte Kollektivverträge sind eine genaue und richtunggebende Rechnungsgrundlage für die Erzeugung und eine beruhigen de Sicherung für den Lebensstandart des Arbeitnehmers und seiner Familie.

Zu § 43.

In formeller Hinsicht wolle der An trag dem sozialpolitischen und sodann dem Budgetausschuß zur Beratung zu gewiesen werden. Die Kosten der Schlichter und Schlichtungseinrichtungen nach diesem Gesetze sind im Voranschlag des Ministeriums für soziale Fürsorge vorzusehen und aus diesem zu decken.

Prag, am 7. Jänner 1929.

Simm, Ing. Jung, Horpynka, Ing. Kallina, Dr. Schollich, Matzner, Siegel, Dr. Lehnert, Weber, Schneider, Dr. Koberg, Dr. Keibl, Dr. Holota, Dr. Korláth, Koczor, Nitsch, Füssy, Szentiványi, Geyer, Dr. Wollschack, Krebs, Knirsch, Wenzel.








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