§ 33. Gebühren und Stempelfreiheit.
Für die Tätigkeit der Schlichtungsausschüsse
und der Schlichter werden keine Gebühren eingehoben.
Vollmachten zu Vertretungen und Verfahren,
Vereinbarungen und Schiedssprüche sind stempelfrei.
§ 34. Beitreibung und Verrechnung der
Geldstrafen.
Ordnungsstrafen werden von der politischen
Verwaltung eingetrieben und sind zur Unterstützung der Arbeitslosen
des Bezirkes zu verwenden.
§ 35. Kosten der Schlichtungsbehörden.
Der Staat trägt die Kosten der Schlichter
und Schlichtungsausschüsse.
§ 36. Prüfung der Geschäftsführung.
Das Ministerium für soziale Fürsorge
sowie der Schlichter können die Geschäftsführung
der Schlichtungsausschüsse prüfen und die Vorlage von
Akten verlangen. Die direkte Aufsicht über die Schlichtungsausschüsse
führt der Schlichter. Die Aufsicht über die Geschäftsführung
der Schlichter führt das Ministerium für soziale Fürsorge.
§ 37. Erlaß von Richtlinien.
Das Ministerium für soziale Für sorge
erläßt im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden
der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Tätigkeit der
Schlichtungsausschüsse und der Schlichter allgemeine Richtlinien.
In ihrer Entschließung im Einzelfalle sind Schlichtungsausschüsse
und Schlichter unabhängig und nicht an Weisungen gebunden.
§ 38. Voraussetzungen für die Verbindlichkeitserklärung
und Zuständigkeit.
Wird ein Schiedsspruch von einer Partei angenommen,
von der anderen abgelehnt, so kann er auf Antrag der Partei, die
den Schiedsspruch angenommen hat, für verbindlich erklärt
werden, wenn die durch ihn getroffene Regelung bei gerechter Abwägung
der Interessen beider Teile der Billigkeit entspricht und ihre
Durchführung aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen
erforderlich ist.
Von Amtswegen soll ein Verfahren auf Verbindlichkeitserklärung
nur dann eingeleitet werden, wenn das öffentliche Interesse
die Einleitung erfordert.
Für die Verbindlichkeitserklarung des
Schiedsspruches eines Schlichtungsausschusses ist der Schlichter
zuständig, in dessen Gebiet der Geltungsbereich der vorgeschlagenen
Gesamtvereinbarung liegt. Das gilt auch dann, wenn er sich nur
unwesentlich über das Wirkungsgebiet des Schlichters hinaus
erstreckt. Für die Verbindlichkeitserklärung von Schiedssprüchen
mit einem größeren Geltungsbereich, sowie von Schiedssprüchen,
die eine Schlichterkammer gefällt hat, ist der Minister für
soziale Fürsorge zuständig.
§ 39. Das Verfahren bis zur Entscheidung.
Die nach § 38 für die Entscheidung
zuständige Stelle hat entweder selbst oder durch eine von
ihr beauftragte Stelle die Parteien vor der Entscheidung zu hören.
Die Anhörung soll, wenn nicht besondere Gründe vorliegen,
mündlich erfolgen. Dabei ist nochmals die Herbeiführung
einer Einigung zu versuchen.
§ 40. Die Entscheidung.
Der Schiedsspruch kann nur unter den im §
38 angeführten Voraussetzungen für verbindlich erklärt
werden.
Bei der Verbindlichkeitserklärung kann
der Schiedsspruch nur mit Zustimmung jener Parteien abgeändert
werden, die seine Verbindlichkeitserklärung verlangt haben.
Betrifft er mehrere Streitpunkte, so kann die Verbindlichkeitserklärung
auf einzelne von ihnen beschränkt werden. wenn sie mit den
übrigen nicht notwendig zusammenhängen.
Die Entscheidung über die Verbindlichkeitserklärung
ist schriftlich abzufassen, mit Gründen zu versehen und den
Parteien zu übersenden.
Die Verbindlichkeitserklärung er setzt
die Annahme des Schiedsspruches, die Entscheidung ist endgültig.
§ 41. Gesamtvereinbarungen (Kollektivverträge)
können durch den Schlichter oder das Ministerium für
soziale Fürsorge, wenn sie in ihrem Geltungsbereich eine
überragende Bedeutung haben, zur Satzung erklärt werden.
In dem Beschluß sind Inhalt, Geltung
Umfand und Beginn der Wirksamkeit und Geltungsdauer der Satzung
zu bezeichnen. Der Beschluß ist öffentlich kundzumachen.
In der Mitteilung ist zu verlautbaren, daß ein Einspruch
innerhalb 30 Tagen bei dem Schlichter oder beim Ministerium für
soziale Fürsorge erhoben werden kann.
Wird kein Einspruch erhoben, so ist nach Ablauf
der vorgeschriebenen Frist öffentlich kundzumachen, daß
der Beschluß auf Feststellung der Satzung in Rechtskraft
erwachsen ist. In der Kundmachung ist der Wirksamkeitsbeginn der
Satzung zu verlautbaren.
§ 42. Vom Tage der Geltung der Satzung
gelten für alle im Vertrage bezeichneten Arbeitnehmer und
Arbeitgebergruppen die festgelegten Arbeits- und Entlohnungsbestimmungen.
Der Inhalt dieser Kollektivverträge ist
unabdingbar, d. h. in den einzelnen Arbeitsverträgen zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfen keine schlechteren Bedingungen
enthalten sein.
§ 43. Dieses Gesetz tritt am Tage seiner
Verlautbarung in Kraft. Seine Durchführung wird dem Minister
für soziale Fürsorge aufgetragen.
Als ein Exportstaat, der in seiner Produktion
die Konkurrenz des Auslandes aushalten muß und nur durch
eine auf hoher Ausfuhr basierende Produktion seine Bevölkerung
zu ernähren im Stande ist, muß die Èechoslovakei
bestrebt sein, in möglichst reibungsloser Erzeugung ohne
große Erschütterungen und Stockungen zu günstiger
Entwicklung der Wirtschaft fortzuschreiten. Diesen Weg einzuschlagen,
ist der Wirtschaft der Èechoslovakei bisher
nicht gelungen. Nach den bisher vorliegenden Aus weisen des statistischen
Staatsamtes betrugen in den Jahren 1921 - 1925 infolge der Streiks
und Aussperrungen die Verluste an Arbeitstagen allein 13,325.596
und an Lohnkronen 488,424.561 Kè. Dies sind
nur die Verluste, welche die Arbeitnehmer treffen. Nachdem in
vielen Erzeugungszweigen die Löhne in der Produktion keine
all zu große Rolle spielen, sind die Verluste für die
Wirtschaft ein Vielfaches dieser Ziffer. Dazu kommt der Entfall
in der Handelsbilanz, der Entfall an Steuern, an Transporten
etc. Im Jahre 1925, dem letzten Jahre, über das Ausweise
vorliegen, betrugen die Verluste infolge Aussperrungen und Streiks
1,614.058 Arbeitstage und 45 Millionen 427.604 Kè an Arbeitslöhnen.
Nun haben wir in der Èechoslovakei
eine Anzahl von Gesetzen und Verordnungen zur Regelung von Streitigkeiten
aus dem Arbeitsverhältnis in Geltung, und zwar:
Die Schiedskommissionen bei Kündigungen
nach dem Betriebsausschußgesetz vom 12. August 1921 Slg.
330.
Die Schiedskommissionen in der Metallindustrie
nach dem Gesetz vom 5. Dezember 1919 Slg. 655.
Die Distriktskommissionen nach dem Heimarbeitergesetz
vom 12. Dezember 1919 Slg. 29.
Die Lohnschiedskommissionen im Baugewerbe nach
dem Gesetz vom 28. März 1928 Slg. 43, II. Hauptstück.
Die Bergbauschiedsgerichte nach dem Gesetze
vom 3. Juli 1924 Slg. 170.
Die schiedsgerichtlichen Ausschüsse der
Genossenschaften nach § 144 der Gewerbeordnung.
Die Gewerbegerichte nach dem Gesetze vom 27.
November 1896 R. G. Bl. 218.
Ein wirklicher Effekt dieser schiedsgerichtlichen
und Schlichtungseinrichtungen war trotzdem in der Wirtschaft nicht
fühlbar, weil diese Gesetze sich auf ein allzu begrenztes
Feld der Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnisse erstrecken.
Teilweise ist auch ihre Kompetenz eine sehr begrenzte und es stehen
ihnen fast gar keine Mittel zur Durchsetzung der Anerkennung ihrer
Schiedssprüche zur Verfügung.
Nachdem vor allem unser Nachbarstaat Deutschland.
mit dem uns die stärksten Handelsbeziehungen verbinden, in
der Gesetzgebung zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnisse
weit voraus ist, macht sich diese Lücke in unserer Gesetzgebung
in drückender Weise auf unsere Wirtschaft und vor allem auf
die sozialen Verhältnisse unserer Arbeitnehmerschaft fühlbar.
Diesen Mangel soll der vorliegende Entwurf eines einheitlichen
umfassenden Schlichtungsgesetzes abhelfen.
Der Streik ist ein Kampfmittel um die wirtschaftlichen
Forderungen der Arbeitnehmer und um eine entsprechende Regelung
des Arbeitsverhältnisses überhaupt. Unter den
Streiks und Aussperrungen des Jahres 1925 figurieren jene mit
einer Dauer unter 12 Tagen mit einem Lohnverluste von nur 3 Mill.
152.164 Kè; jene mit einer Dauer von 12 bis 24 Tagen weisen
einen Lohnverlust von 11,631.521 Kè und jene mit
einer Dauer von über 24 Tagen einen solchen von 30,643.919
Kè aus. Von den Streiks endeten mit vollem Erfolg 4.95%,
durch Vergleich 37.60% und mit Mißerfolg 57.45%. Damit ist
gesagt, daß die Mehrzahl der Streiks von längerer Dauer
waren und diese mit besonderer Hartnäckigkeit
geführt wurden, weil ja naturgemäß mit der längeren
Dauer des Streiks auf beiden Seiten die Neigung zu einem Ausgleiche
immer mehr schwindet und es auf das Biegen und Brechen hinausläuft.
Man muß sich aber die Frage vor legen,
ob ein Aushungern der Arbeitnehmerschaft bei längerer Dauer
des Streiks und der Abschluß eines zusammengebrochenen Streiks
durch ein Diktat des Arbeitgebers der Wirtschaft Vorteile bringen?
Ein solcher erzwungener Abschluß läuft gewöhnlich
auf eine Kampfpause hinaus, während welcher zu neuen erbitterten
Maßnahmen Kräfte gesammelt werden. Die Wirtschaft kann
dagegen nur Interesse an einer dauernden, geregelten, ruhigen
Entwicklung haben. Diese ist nur auf dem Wege gegenseitiger vernünftiger
und beiderseits anerkannter Vereinbarungen möglich und wird
gewöhnlich erleichtert durch den Einfluß einer gesetzlich
anerkannten verbindenden Schlichtungsstelle und Schlichtungseinrichtung,
wie sie der vorliegende Gesetzentwurf schaffen soll. Nachdem die
sicherste Grundlage eines gesunden Arbeitsverhältnisses langlaufende
Kollektivverträge sind, wird in dem Entwurf das größte
Gewicht auf das Eingreifen der Schlichtungseinrichtungen beim
Zustandekommen und der Einhaltung der Kollektivverträge gelegt,
die dem Beginn jedes Arbeitsverhältnisses vorangehen sollen
und in deren Verbesserung und Vervollständigung die Bereinigung
jeder Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnisse ausklingen
soll. Geregelte Kollektivverträge sind eine genaue und richtunggebende
Rechnungsgrundlage für die Erzeugung und eine beruhigen de
Sicherung für den Lebensstandart des Arbeitnehmers und seiner
Familie.
In formeller Hinsicht wolle der An trag dem
sozialpolitischen und sodann dem Budgetausschuß zur Beratung
zu gewiesen werden. Die Kosten der Schlichter und Schlichtungseinrichtungen
nach diesem Gesetze sind im Voranschlag des Ministeriums für
soziale Fürsorge vorzusehen und aus diesem zu decken.