Durach die Interpellation (Druck 1621/I) erbat ich seinerzeit
die Verfügung der Absperrung des Bahnüberganges der
Lokalbahn Reichenberg-Gablonz-Tannwald in km 4.282. Diese Maßnahme
bedeutete schon seit langem eine außerordentlicheNotwendigkeit,
die eine überzeugende Berechtigung wpäter durch das
am 31. Mai 1928 stattgefundene Bahnunglück erfuhr, dem leider
ein blühendes Menschenleben zum Opfer fiel.
Trotz meiner allerdings bis heute unbeantwortet gebliebenen Interpellation
und der gleichlaufenden Bemühungen der Stadtvertretung in
Maffersdorf kam es zu keiner befriedigenden Lösung der Angelegenheit,
vielmehr sind die Standpunkte der Direktion der csl. Staatsbahnen
in Königgrätz wie der Verwaltung der Reichenberg - Gablonz
- Tannwalder Bahn entgegengesetzt dem aus Verantwortlichkeit gestellten
Verlangen der Interessenten nach genügenden Sicherungen der
Bahnübergänge für die Zukunft.
Schon dieserhalb ist es unerläßlich, auch den Standpunkt
des Hern Ministers zu kennen, weshalb die Interpellanten die Frgen
wiederholen:
1.) Was gedenkt der Herr Minister wegen genügender Sicherungen
bei den Bahnübergängen der Reichenberg - Gablonz - Tannwalder
Eisenbahn zu verfügen?
2.) Ist er bereit, auch wenn dadurch Kosten verursacht würden,
die Durchführung dieser Sicherungen in Auftrag zu geben?
Prag, den 6. November 1928.
Auf Grund des Gesetzes vom 3. Juli 1923, S. d. G. u. V. No. 217,
über die Wahlen in die Gewerbegenossenschaften, bezw. der
Regierungsverordnung vom 6. Dezember 1923, S. d. G. u. V. No.
233, sind auch die im Sinne des § 120 der Gewerbeordnung
errichteten Gehilfenversammlungen verpflichtet, nicht nur die
Neuwahlen nach dem zitierten Gesetze durchzuführen, sondern
auch ihre Statuten dieser neuen Wahlordnung anzupassen. Zu diesem
zwecke bestimmte der Artikel XIII. der Regierungsverordnung vom
6. Dezember 1923, S. d. G. u. V. No. 233, daß das Ministerium
für Industrie, handel und Gewerbe Musterstatuten herauszugeben
habe. Weder in dem angeführten Gesetze noch in der zugehörigen
Durchführungsverordnung wird gesagt, daß diese Musterstatuten
unverändert von den Gnosenschaften oder Gehilfenversammlungen
angenommen werden müssen oder daß für die neuen
Statuten der Gehilfenversammlungen nur die Drucksorten dieser
Musterstatuten verwendet werden dürfen.
Verschiedene Gehilfenversammlungen haben nun im Sinne des vorbezeichneten
Gesetzes, bezw. der Durchführungsverordnung neue Statuten
ausgearbeitet, ordnungsgemäß beschlossen und zur Genehmigung
eingereicht. Da die Durchführungsverordnung, lediglich besagt,
daß die neuen Statuten mit der euen Wahlordnung in Einklang
zu bringen sind, wurden die Statuten so ausgearbeitet, bschlossenund
zur Genehmigung eingereicht, daß die nicht nur dem Gesetze
in jeder Beziehung angepaßt sind, sondern auch nahezu wortwörtlich
den vom Ministerium für Industrie, Handel und Gewerbe herausgegebenen
Musterstatuten entsprechen.
Trotzdem verlangt die politische Landesverwaltung in Prag mit
Ersaß vom 2. April 1928. Eingangszahl 133905, 3/C 366 ai
1928, von der Gehilfenversammlung beim Handelgremium Aussig, daß
die Statuten de Gehilfenversammlung auf den vom handelministerium
herausgegebenen Drucksorten vorzulegen sind. Diese Drucksorten
sind auch in der Staatsprache, und zwar an erster Stelle, auszufüllen.
Über die Statuten ist auch de Bezirksverband der Genossenschaften
zu hören.
Der Gehilfenausschuß in Eger legte die gleichen Statuten
der Landesverwaltung in Prag zur Genehmigung vor. Mit. Zahl 29184
vom 27. Oktober 1927 wurde der Gefilfenversammlung Eger mitgeteilt,
daß die neuen Statuten genehmigt worden sind. nach einigen
Tagen wurde die Genehmigung wegen angeblicher Fehlentscheidung
zurückgezogen und der Gehilfenversammlung gleichzeitig aufgetragen,
nur die vom Handelministerium herausgegebenen Musterstatuten zweisprachig
ausgefüllt in Vorlage zu bringen. Nachdem die Gehilfensversmmlung
Eger das Ablehnte und nochmals die ordnungsgemäß beschlossenen
und allen gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Statuten, die
sie sich selbst ausgearbeitet hatte, neuerten, die sie sich selbst
ausgearbeitet hatte, neuerdings zur Genehmigung vorlegte, forderte
die politische Landesverwaltung unter Zahl 421480 ai 1927 - 3/C
- 145/82 vom 3. November 1927 wiederum die eheste Vorlage vom
8 Exemplaren der durch das handelministerium herausgegebenen neuen
Statuten, die zweisprachig auszufüllen sind. Auch auf diese
Aufforderung hin reichte die Gehilfenversammlung Eger, weil ihr
keine gesetzliche Bestimmung als Begründung für das
Verlangen der politischen Landesverwaltung bekannt ist, wieder
die von ihr selbst ausgearbeitetenund dem Gesetze voll entsprechenden
Statuten bei der Politischen landesverwaltung ein. Diese änderte
darauf ihren Standpunkt und verlangte mit Erlaß vom 20.
Juni 1928, zahl 224901 ai 1928, 3/C 589 ai 1928 eigentümlicherweise
im Wege über das Handelgremium Eger von der Gehilfenversammlung,
diese Statuen auch in der Staatssprache vorzulegen.
Auch andere Politische Bezirksverwaltunen verlangen, daß
ausschließlich die vom Handelsministerium ausgearbeiteten
und herausgegebenen Musterstatuten von den Gehilfenverammlungen
zu verwenden sind und zweisprachig ausgefüllt weren müssen.
Zu bemerken ist aber, daß Statuten in der bleichen Form
und inhaltlich gleich für eien anderen Gehilfenausschuß
anstandslos genehmigt worden sind.
Daraus geht gervor, daß die Behörden in jedem einzelnen
Falle andere Entscheidungen treffen. Es besteht keine gesetzliche
Bestimmung, daß die Gehilfenversammlungen nur die vom Handelministerium
herausgegebenen Drucksorten zu verwenden haben. Ebenso besteht
keine Verpflichtung für die Statuten auch noch irgendein
Gutachten eines Bezirksverbandes der Genossenschaften einzuholen.
Den Gehilfenversammlungenkann es auch nicht veoten werden, ihre
Statuten den tatsächlichen Bedürfnissen anzupassen,
besonders dann, wenn sie das Gesetz und die neue Wahlordnung in
jeder Beziehung beachten.
Es besteht ber auch keine gestzliche Verpflichtung, daß
die Gehilfenversammlungen Aussig, Reichenberg, Eger, B. Leipa
doppelsprachige Statuten einreichen, weil es sich durchwegs um
Orte handelt, in denen die Handelsgenossenschaften oder Gremien
die deutsche Geschäftssprache beschlossen haben. Da dieser
Beschluß auch für die Gehilfenversammlungen berechtigt,
einsprachig deutsche Statuten einzureichen.
Die Nichtgenehmigung der neuen Statuten beeinträchtigt ganz
empfindlich die Arbeit der Gehilfenversammlungen. Die Gefertigten
fragen daher den Herrn Handelsminister:
1.) Ist er bereit, den Verwaltungsbehörden Weisungen zu geben,
die eine rasche und klaglose Genehmigung der Statuten der Gehilfenversammlungen
ermöglichen?
2.) Ist er bereit, den Behörden Weisungen zu geben, daß
auch andere Statuten-Entwürfe, als jene auf den Drucksorten
des Handelsministeriums, zugelassen und genehmigt werden, sobald
sie den gestzlichen Erfordernisen entsprechen?
3.) Ist er bereit, das Vorgehen einezlner Bezirksverwaltungen,
das im Widerspruche mit der Sprachenverordnung steht, in Einklang
mit dem Gesetze zu bringen?
Prag, am 7. November 1928
Der Herr Finanzminister hat mehrmals bei seinen Ausführungen
im Abgeordnetenhause betont, daß er die rücksichtslose
Eintribung von Steuern verurteilt und wünscht, daß
auch die wirtschaftlichen Kräfte der Steuerzahler Rücksicht
genommen wird. Mit diesen Worten steht das Vorgehen der Steueradministration
in Freudenthal in schärfstem Widerspruch, wie folgender Fall
beweist:
Der Gärtner Bruno Langer in Bennisch wurde durch eine Elementarkatastrophe
geradezu ein Bettler. hagelschlag hat ihm den rund 1750 m2
großen Pachtgarten vernichtet und alle Pflanzenkulturen,
Gewächshaus und Mistbeete zerstört, bezw. zertrümmert.
Langer besitzt keine Barmittel, ist verheiratet und Vater eines
kaum einjährigen kindes. Die Bahausung, in der er it seiner
Familie zu leben gezwungen ist, ist nur 2 m breit, 4 m lang und
1,80 m hoch, hat kaum Platz für 1 Bett, einen Tisch und einen
Ofen. Der Vorgänger des durch den Hagelschlag geschädigten
langer benützte diesen Raum als Gerümpelkammer.
Langer richtete nun an die Steueradministation in Freudenthal
ei Gesuch, worin er unter Anführung des schweren Schadens,
der ihn betroffen hat, um Nachlaß der Steuer hat. Die Antowort
der Steueradministration Freudenthal war, daß man dem Gärtner
die Steuern von 60 auf 78 Kronen erhöht hat und bei sonstiger
Exekution die Bezahlung bis 30. November verlangte.
Da dieses Vorgehen im Widerspruch auch zu den Ministerialerlässen
steht, die besagen, daß man in berücksichtigungswürdigen
Fällen Entgegenkommen und Verständnis für die Bevölkerung
zeigen soll, fragen die Gefertigten den herrn Finanzminister,
ob er bereit ist, vorliegendenFall sofort untersuchen und die
vorgeschriebene Steuer zur Abschreibung bringen zu lassen?
Mit Erlaß des Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur
vom 5. Dezember 1924, Z. 145949-II (erschienen im Vestnik, deutsche
Übersetzung, vom Jahre 1924, S. 582) wurde das Quartiergeld
der staatlichen Direktoren der Mittelschulen, Lehrerbildungsanstalten,
höheren handels- und Gewerbeschulen, die über keine
Naturalwohnung verfühen, geregelt und wie folgt festgesetzt:
In Groß-Prag | jährlich 4.500 Kc, |
in Orten der 1. u. 2. Ortszulagenklasse | 4.050 Kc, |
in Orten der 3. Ortszulagenklasse | 3.600 Kc, |
in Orten der 4. Ortszulagenklasse | 3.150 Kc. |
Hievon wird die Hälfte der Aktivitätszulage der früheren
6. Rangsklasse in Abzug gebracht und zwar:
Prag | jährlich 3.580 Kc, |
1. und 2. Klasse | 3.314 kc, |
3. Klasse | 3.048 kc, |
4. Klasse | 2.690 Kc. |
Diese Beträge sollen hinreichen , damit der Direktor eine
standesgemäße Wohnung bezahlt, was volkommen ausgeschlossen
ist. Dazu sind viele Direktoren gezwungen, neu erbaute Wohnungen
mit hohen Mietzinsenzu nehmen, die ein Vielfaches von Wohnungen
in alten Häusern kosten.
Die ortszulage genügt also in keiner Weise und ist es nur
ein Gebot der Gerechtigkeit, diese Beträge den gegenwärtigen
Verhältnissen entsprechend zu erhöhen und zwar zumindest
auf folgende Sätze:
Prag | jährlich 8.400 Kc |
1. und 2. Klasse | 7.200 kc |
3. Klasse | 6.000 Kc |
Da ein Großteil der Direktoren Naturalwohnungen besitzt,
daher kein Quartiergeld beanspruchen kann, ist der jährliche
Mehraufwand nur ein geringer.
Die Gefertigten fragen daher den Herrn Minister für Schulwesen
und Volkskultur, ob er gewillt ist, in Würdigung dieser Verhältnisse
einen Antrag auf Erhöhung des Quartiergeldes der staatlichen
Mittelschuldirektoren ausarbeiten zu lassen und der Bewilligung
zuzuführen?
Prag, am 25. Oktober 1928.
In der Letzten Zeit treiben sich in Nortmähren und Schlesien
verschiedene Losagenten herum, die besonders in den ländlichen
Schichten der Bevölkerung unter schwindelhaften Vorspiegelungen
teils zum Beitritte von Losspielgeselschaften auffordern, teils
Losratengeschäfte abschließen, durch welche die Käufer
schwer geschädigt werden.
Nach Zeitungsmitteilungen hat die Böhmische krdit- und Eskomptegesellschaft
durch ihre Agenten im Bezirke Zwittau allein mehr als 200 Beitritte
zu solchen Losspielgesellschaften erzielt, obwohl solche Losspielgesellschaften
von den Finanzbehörden als unzulässig verboten wurden.
in ganz Nordmähren und Schlesien dürften es viele Tausende
sein, die durch die geleisteten Anzahlungen um ihr Geld geprellt
wurden.
Zut Illustrierung dessen, wie dabei vorgegangen wird, führen
wir im Nachstehenden einen konkreten Fall an:
Am 6. September kamen zu dem Landwirt Ernst-Luley und dessen Frau
Anna in Wiese, Bezirk Jägerndorf, zwei Herren und eine Dame
im Auto vorgefahren, gerae in der Mittagsstunde, wo in der Wirtschaft
am meisten zu tun ist und beredeten die Genannten zum Ankaufe
vom 80 cechoslovakischen Staats-Teilbaulosen vom Jahre 1921 um
den Betrag von 16.000 Kè. Zunächst begannen sie damit,
daß sie in Erfahrung gebracht hätten, die Eheleute
besäßen ein Staatsbaulos seit dem Jahre 1924, welches
sie in Monatsraten abgezahlt hatten. Dann erkundigten sie sich
um die Anzahl der Kinder. Darauf erklärten sie, 25 solche
Losbesitzer herausgezogen zu haben, um ihnen zu Reklamezwecken
Gewinnste in der Lotterie zu verschaffen. Zu diesem Behufe müßten
sie 80 neue Lose erwerben, worauf sie jedoch bloß 2400 Kè
erlegen müßten. Weitere 4.800 Kè sollten in
Monatsraten zu je 1.200 Kè gezahlt werden.
Die restlichen 9000 Kè bracuten sie überhaupt nie
zu bezahlen, die würden vielmehr vom sicheren Gewinne seinerzeit
abgerechnet werden. So erklärte die Beamtin der Firma Kredit-
und Depositenhaus Kleiner in Brünn den Eheleuten Luley und
da diese letzteren die geforerte Anzahlung von 2400 Kè
nicht bar im Hause hatten, borgte diese Beamtin ihnen drauf noch
700 Kè, welche die Eheleute Luley an die Adresse Jer Emil,
hotel Široky, Olmütz sandten (am 10. September d. J.).
Ausdrücklich wurde den Eheleuten zugesichert, daß sie
bereits nach Zahlung der letzten Monatsrate von 1.200 Kè
sofort die Lose selbst bekomen werden. Deshalb entschlossen sie
sich umrecht bald in den Besitz der Lose zu kommen, die noch restlichen
4.800 Kè auf einmal im Banzen einzusenden. Darauf erhielten
sie statt der Lose eine Verkaufsliste, aus der hervorgeht, daß
sie noch 9.600 Kè schulden, welchen Betrag sie in monatlichen
Raten zu 1.200 Kè abzahlen könen. Für Zinsen,
Evidenz- und Depotgebühren wurde ein Betrag von 400 Kè
vieteljährlich in Rechnung gestellt, wobei für das erste
Vieteljahr dieser Betrag im Voraus bezahlt wurde.
Nun erst wurde den Eheleuten Luley klar, daß sie in Irrtum
geführt worden waren. In der Aufregung und unter dem Eindrucke
des Zuredens der Agenten hatten sie eine Erklärung, die von
der Geamtin der Firma Kleiner diktiert wurde, unterschrieben,
auf deren Inhalt sie sich jetzt gar nicht mehr besinnen können.
Der Schwindel ging so weit, daß den Leuten in sichere Aussicht
gestellt wurde, daß sie den Gewinn in längstens einem
halben Jahre beim Steueramte beheben können, sie mögen
dann die Beamten der Gesellschaft, die ihnen dieses gute Geschäft
vermittelten, nicht vergessen. Zu ihrer Deckung hatten sich die
Agenten eine Bestätigung unterfertigen lassen, in der ausdrücklich
bemerkt ist, daß die Käufer alle Bedingungen des Vorverkaufsscheines
selbst gelesen haben, daß die Vertreter der Firma Kleiner
ihnen alles gründlich erklärten und ihnen Verspreechungen
oder Angaben, die im Prospekte nicht enthalten sind, nicht gemacht
haben. Daraus allein geht die betrügerische Absicht schon
klar hervor.
Die Eheleute haben tatsächlich bisher 7.200 Kè bezw.
7.600 Kè bar erledigt und dafür nichts erhalten als
eine Verkaufsliste über die ihnen zugeteilten 80 Teilbaulose,
welche sie erst ach vollständiger Erfüpllung der in
diese Scheine angeführten Bedingungen ausgefolgt erhalten
sollen. Im Falle die Ratenzahlungen nicht eingehalten werden oder
nur unregelmäßig einlaufen, erklärt sich de Käufer
nach den gedruckten Verkaufsbedingungen damit einvestanden, daß
die Firma das Geschäft storniert und die eingezahlten Beträge
zur Deckung der Spesen benützt. Dabei sind nach einem weiteren
Punkte die Spesen für Stempel, Depotgebühren usw. über
Aufforderung noch separat zu vergüten. Diese fürchterlichen
Bedingungen sind wederim Vorverkaufsscheine noch in der ersten
Korrespondenz über den Kaufanschluß enthalten, sondern
erst in dem Verkaufsscheine der unter Nr. 105 von dem Kredit-
und Depozitenhaus Kleiner - Brünn, am 27. September 1928
ausgestellt wurde.
Es ist klar, daß durch ein derartiges Vorgehen weite Kreise
der ländlichen Bevölkerung schwer geschädigt werden.
Trotzdem das Landesgericht in Brünn als Berufungsinstanz
bereits rechtskräftig entschieden hat, daß alle Beitrittserklärungen
zu Losspielgesellschaften rechtlich bedeutungslos sind und daß
jeden derartige Geschäft nichtig ist, wurde diesem Treiben
bis heut behördlich nicht Einhalt getan. Noch immer überfluten
Agenten solcher Losratenfirmen unsere Landgemeinden und entlocken
auf die raffinierteste Weise vielen Leuten ihr mühsam erspartes
Geld. Es ist höchste Zeit, dagegen energisch einzuschreiten
und deshalb fragen die Gefertigten an:
Sind Sie bereit, zum Schutze de landwirtschaftlichen Bevölkerung
in dieser angelegenheit das Erforderliche zu veranlassen?
Prag, am 24. Oktober 1928.
Im Amtsblatt der schlesischen Landesregierung (Uredni vestnik)
Nr. 40 vom 3. Oktober ist die Neuwahl der Gemeindevertretung von
Tabor bei Troppau, Röwersdorf, im Bezirk Jägerndorf,
Sandhübel und Breitenfurt im Bezirk Freiwaldau für den
21. Oktober ausgeschrieben. Während nun die Kundmachung für
Tabor und Röwersdorf in tschechischem und deutschem Wortlaut
veröffentlicht ist, erscheint die Kundmachung für die
Wahlen in Sandhübel und Breitenfurt nur tschechisch abgefaßt!
Für zwei rein deutsche Gemeinden kennt das Amtsblatt der
höchsten Landesbehörde die Sprache der eingeborenen
Bevölkerung nicht! Sandhübel hat nach der letzten Volkszählung
neben 1130 deutschen Einwohnern 5 Tschechen, Breitenfurt aber
hat 1194 deutsche Einwohner und gar keinen Tschechen.
Dieses Vorgehen der schlesischen Landesregierung ist vollständig
unverständlich und fehlt hiefür jede Begründung.
Die Gefertigten fragen daher den Herrn Minister des Innern:
Sind Sie bereit, den Tatbestand untersuchen zu lassenund bekannt
zu geben, warum die Ausschreibung der Wahlen für die Gemeinde
Sandhübel und Breitenfurt im Amtsblatte nur in tschechischer
Sprache erfolgte, bezw. den schuldigen Beamten hiefür zur
Verantwortung zu ziehen?
Prag, am 7. November 1928.
Beim Postamte Bodenstadt (Bezirk Mähr. Weißkirchen)
herrschen seit einigen Jahren Zustände, die sich zu einem
Skandal ausgewachsen haben und deren Abstellung nicht mehr länger
hinausgezogen werden kann. Die Postmeisterin Agnes Soucek scheint
von Diensträumen keinen Begriff zu haben, denn es wurde schon
des Öfteren beobachtet, wie sie sich im abgesperrten Dienstraume
mit rauchenden Männern ungeniert unterhält. Die Benützung
der Telefonzelle ist ganz unmöglich, da die Pareien im Schalterraume
jedes Worthören, ds der Telefonierende spricht. Die Postmeisterin
stellte vor einiger Zeit ihre Schwester Josefine Soucek, ein ehemaliges
Dienstmädchen, als Gehilfin an. Diese Person, der jede Eignung
zu dieser verantwortlichen Stelle fehlt, ist unfähig, dutsche
Telegramme zu übernehmen. Wiedeholt wurden Telegrame auch
von ganz dem Postamte fernstehenden Personen aufgenomen. Auch
den Hilfsdienst versieht eine nicht geeignete Hilfskraft, während
die Postmeisterin sich mehr in der Haupttafik des Bürgermeisters
Schwarz, die sie leitet, aufhält. Das Postamt selbst scheint
für sie ganz nebensächlich zu sein. Wenn sich nun diese
junge Hilfskraft nicht auskennt, heißt es einfach unverrichteter
Dinge abziehen oder warten , bis die Postmeisterin aus der Trafik
abgeholt wird. Die Parteien werden in unglaublicher Weise schikaniert.
So erhielt z. B. der Kaufmann Albert Schmidt ein Paket Schuhwaren,
das irrtümlicherweise den Namen Rudolf Schmidt, Schuhwarenlager
in Bodenstdt, trug. Es war klar, daß es sich hier nur um
einen Irrtum der absendenden Firma handelte, zumal Herr Schmidt
zum Beweis einen Brief der Firma darüber volegen konnte,
worin die Sendung an ihn avisiert war. Trotzdem weigerte sich
die Postmeisterin, das Packet abzugeben.
Die Postmeisterin weigert sich auch, Geldbeträge von parteien nach einhalb drei Uhr zu übernehmen, obwohl die Amtstunden bis 6 Uhr gehen. Der Telephonverkehr ruht von 11 Uhr vormittags bis 2 Uhr nachmittags, also zu einer Zeit, wo Börsennachrichten vielfach gegeben werden.
Das sind nur einige Übelstände, deren Zahl noch vielfach
vermehrt werden könnte und wofür die gesamte Bevölkerung
Zeuge ist.
Auf Grund dieses Tatbestandes stellen die Gefertigten an den Herrn
Postminister die anfrage, ob er bereit ist, auf dem Postamte in
Bodenstadt Ordnung machen zu lassen, diese Übelstände
ehestens zu beseitigen und die Postmeisterin Soucek durch einen
geeigneten und gähigen Beamten zu ersetzen?
Prag, am 7. November 1928.
Die Regierung hat mit Verordnung Nr. 163 vom 14. September 1928
auf Grund des § 12, Absatz 7 des Gesetzes Nr. 103 vom 24.
Nuni 1926 die Einreihung einer Reihe von Gemeinden in höhere
Ortsklassen mit Wirksamkeit vom 1. September 1928 verfügt.
Bei dieser Neueinreihung ist jedoch eine ganze Reihe von Orten
übergangen worden, deren Einreihung in höhere Ortsklassen
im Sinne des § 12, Absatz 7 des Gesetzes Nr. 103/1926 durchaus
gerechtfertigt wäre. So wurden zum Beispiel unter vielen
anderen die Städte und Orte Asch, Albrechtsdorf, Antoniewald,
Bilin, Böhmisch-Leipa, Dessendorf, Franzensbad, Friedek,
Haida, Gross-Hammer, Halbstadt, Jägerndord, Josefstal, Karbitz-Bahnhof,
Kreibitz-Teichstdt, Leitmeritz, Maffersdorf, Morchenstern, Ober-Maxdord,
Polaun, Prichowitz, Rossbach, Saaz, Schlesisch- und Mährisch-Ostrau,
Schönbriesen, Schumburg a. D., St. Joachimstal, Tannwald,
Trautenau, Unter-Maxdorf, Warnsdorf und Znaim vollständig
übergangen, obwohl die Staats- und öfentlichen Angestellten
aller Verwaltungszweige und Dienstkategorien dieser Städte
und Orte über deren ungerechte Einreihung in zu niedrige
Ortsklassen bereits seit mehr als zwei Jahren bittere Klage führen
und infolge der herrschenden außerordentlichen Teuerungesverhältnisse
um eine Überreihung in höhere Otsklassen petitionieren,
was der Regirung aus deren Eingaben sehr wohl bekannt sein müßte.
Dadurch ist diesen Angestellten, die ohnehin über die Auswirkungen
des Gehaltsgesetzes und die ungerechte, ohne Befragung der Interessenvertretungen
durchgeführte Stellensystemisierung mit Recht erbittert sind,
ein neues, schweres Unrecht zugefüht worden.
Die Gefertigten fragen daher die Regierung:
Ist sie bereit, die Verordnung Nr. 163/28 ehestens dahin abzuändern,
bezw, zu ergänzen, daß die Höherreihung nicht
nur auf Grund der Einwohnerzahl, sondern insbesondere unter Berücksichtigung
der Teuerungsverhältnisse durchgeführt und vor allem
auch die in vorstehender Interpellation angeführten Gemeinden
angemessen berücksichtigt werden?
Prag, den 8. November 1928.