Beim Bau der Baude des tschechischen Sokols am schwarzen Berg werden Soldaten verwendet. Die Einquartierung derselben erfolgt bei den Kleinhäuslern und Bauern des Bertabschnittes Schwarzschlagbaude unter Zwangsumständen, welche zur Kritik Veranlassung geben. Durch folgenden Fall soll das eine Darstellung erhalten. Mitte Oktober 1928 wurden die Kriegerwitwen Anna Renner in Schwarzenberg Nr. 39 und Antonie Tamm in Schwarzenberg 64 vom Vorsteger in Schwarzenberg herr Karl Braun darauf aufmerksam gemacht, daß sie mit 1. November zum Bau der Sokolbaude bei der Schwarzschlagbaude kommandierte Soldaten ins Quartier bekommen werden. Jede der Genannten Frauen sollte 3 Soldaten bequartieren, wofür ihnen ein geradezu lächerlicher Betrag als Entgeld dargeboten wurde. Die Witwen legten nach dieser Information beim Vorsteger Protest ein. Sie verwiesen in demselben auf ihre unzulänglichen Wohnungsverhältnisse, welche kaum ihnen und ihren Angehörigen genügen und durchaus nicht sich geeignet erweisen, noch Gäste zu beherbergen. Dazu bemerkten sie weiter, daß sie alleinstehende Frauen seien, die schon aus diesem Grunde auch gegen die Einquartierung von Soldaten sich wehren müßten. Sie fühlten sich nicht in der Lage, Ruhe und Ordnung von den Soldaten zu verlangen. Außerdem betrachteten sie in der Einquartierung von Soldaten auch moralische Gefahren für ihre erwachsenen Töchter. Allen vorgebrachten Einwänden gegenüber blieb jedoch das Gemeindeamt ohne Bedachtnahme und mit dem 1. November langte die militäreinquartierung tatsächlich ein, nachdem noch von der politischen Bezirksverwaltung in Trautenau die Quartiergeberinnen auf die Folgen einer Verweigerung der Bequartierung aufmerksam gemacht wurden.
Dieser Fall veranlaßt die Interpellanten an den Minister für nationale Verteidigung sich zu wenden, um die Beschwerden der Witwen zu unterstreichen und deren Berücksichtigung zu verlangen. Sie fragen den Herrn Minister:
Ist er bereit, ungesäumt Verfügungen zu treffen, welcher
der Einsprache der Witwen gegen die Zwangseinquartierung Genüge
leisten?
In der Gemeinde Blaschdorf, Bezirk Wagstadt in Schlesien, soll schon seit jahren eine deutsche Minderheitsschule errichtet werden und ist die notwendige Anzahl deutscher Kinder hiefür vorhanden. Auch ein geeignetes Gebäude zur Unterbringung der Schule ist vorhanden und zwar das Schulgebäude, velches grüher der Expositur der Volksschule Laubias diente. Diese Expositur wurde wohl laut Erlaß des schlesischen Landesschulrates in Troppau vom 4. April 1903 errichtet, aber nicht eröffnet, und sieht auch nicht zu erwarten, daß es in der nächsten zeit zur Eröffnung kommt. Es sind somit die Gründe nach § 7 des Gesetzes vom 3. November 1919 gegeben, dieses Gebäude für die deutsche Minderheitsschule in Zwangsmiete zu geben und zwar auch gegen den Willen der tschechischen Gemeindevertretung von Laubias, die seit Jahr und Tag die freiwillige Überlassung dieses Gebäudes für diesen Zweck verhindert. Bei Errichtung tschechischer Minderheitsschulen im deutschen Sprachgebiet, wird, wie festgestellt werden konnte, über berechtigte Einwürfe wegen Zwangsmieten immer ohne Bedenken und rücksichtslos hinweggegangen, wöhrend sich im vorliegenden Fall, wo es sich um eine deutsche Minderheitsschule handelt, die Behörde fürchtet, den Widerstand der tschechischen Gemeinde zu brechen, Die baldige Errichtung dieser Schule ist aber eine dringende Notwendigkeit.
Die Gefertigten stellen daher an den Minister für Schulwesen
und Volkskultur die Anfrage, ob er bereit ist, alles zu veranlassen,
daß die deutsche Minderheitsschule in Blaschdorf in der
kürzesten Zeit errichtet wird?
Prag, am 6. November 1928.
Am 18. Oktober wurde der Leitartikel des Sozialdemokrat an folgenden
Stellen konfisziert:
.... "Die geflissentlich und mit bestimmter Absicht erweckten
illusionen sind wie Rauch ind alle Winde geflogen, was die Gegenwart
zeigt, ist das Bild einer bis zum platzen vollgegessenen Bourgeoisie
im Gegensatz zu der ein kümmerliches Dasein fristenden Volksmasse.
Die Löhne haben bei weiten noch nicht das Vorkriegsniveau
erreicht., was an sozialen Errungenschaften die Arbeiterschaft
in der ersten zeit der Existenz des neuen Staatswesens zu gewinnen
vermochte, wird in der Praxis unter der wohlwollenden Duldung
der Staatsgewalt unterhöht, die Demokratie zu einer Karikatur
herabgewürdigt, die Fraiheit gedrosselt, so daß die
presse und Versammlungsfreiheit vogelfrei sind und dem Staatsapparat
ist als Hauptfunktion die Aufgabe zugewiesen, der machstellung
und der Bereicherungsucht der bestizenden Klassen zu dienen. Gewinner
der nationalen Revolution des Jahres 1918 ist nicht das tschechische
Volk, sondern nur seine Besitzklasse, die allerdings die zehn
Jahre der errungenen nationalen Freiheit mit solchem Tempo für
ihre Mastkur auszunützen verstanden hat, wie man nach ihm
vergeblich in der Geschichte Ausschau halten wird.
... Es ist auch kein zufall, sondern die Gesetzesmacherei und
Verwaltungskunst der Regierungskoalition auf Konto zu buchen,
daß sich in der letzten Zeit die Baukatastrophen ebenso
häufen, wie die Unglücksfälle auf den Eisenbahnen.
So ergrift Unzufriedenheit und Verdrossenheit immer größere
Kreise der Bevölkerung."
Am 28. Oktober wurden zur größeren Feier des Staatsjubiläums
im Leitartikel des Sozialdemokrat die nachfolgenden Stellen beschlagnahmt:
"Grundsätze und Versprechungen, illusionen und Programme
gingen freilich zum Teufel im Machtrausch der neuen Zeit. Eine
Bourgeosie, die ihren Stolz darein gesetzt hat, demokratischer,
humaner, freitheitlicher als das Bürgertum anderer Nationen
zu sein, hat sich diesem ebenbürdig und gewachsen gezeigt
an Gewalttätigkeit, Skruppellosigkeit und Klassengeist. Und
nicht das Bürgentum allein, nicht die wenigen Tausende, die
maßlos reich wurden, die vielen hunderttausende Kleinbürger
und Intellektuelle, einst die Träger der revolutionären
Idee, und darüber hinaus Massen von Arbeitern, gaben alle
Traditionen pris, um teilzunehmen an der Eroberung der verdeutschten
Gebiete, an der Berdrängung deutscher Abreiter von ihrem
Arbeitsplatz. Mit dem Abfall von der Beute hat die tschechische
Bourgeoisie jahrelang ganze Parteien bedacht, breite Wählerschichten
gefangen, um sie in den Dienst der nationalen Eroberungsideologie
zu stellen. Können die tschechischen Arbeiter auch heute
noch all das, was scheinbar zu ihrem Vorteil, in ihrem nationalen
Interesse geschah, mitfeiern und billigen? Können die tschechischen
Arbeiter Inhalt und Ergabnis des ersten Jahrzehnts ihrer Republik
feiern?
Dem tschechischen Arbeiter hat der nationale Staat die Gewähr
ungestörter kultureller Entwicklung, die Sicherung gegen
nationale Entfremdung gebracht. Manche von uns haben geglaubt,
daß auch auf dem Boden des alten Staates eine Ordnung der
Dinge möglich gewesen wäre, die dem tschechischen Volk
im gleichen Maße wie den anderen österreichischen Völkern
seine nationale Entwicklung garantiert hätte, aber wir verstehen,
daß dem tschechischen Arbeiter die vollkommenste Autonomie
auf dem Boden Österreichs den eigenen Staat nicht ersetzen
könnte, daß der tschechische Arbeiter bereit ist, den
Staat zu verteidigen, den er sich geschaffen hat. Wir sehen vielleicht
klarer und nüchterner, daß die nationale Befreiung
vom tschechischen Proletariat mit dem Aufgeben des großen
Wirtschaftsgebietes, mit verstärkten Militär- und Steuerlasten,
mit größeren außenpolitischen Schwierigkeiten
bezahlt wurde. Aber wir sind überzeugt, daß die tschechischen
Arbeiter, auch wenn sie all das ebenso klar und nüchtern
sehen könnten, ihren Staat dennoch jeder anderen Ordnung
der mitteleuropäischen Verhältnisse vorziehen würden.
Gerade an diesem Tage drängt es uns, das Wesentliche auszusprechen
und den tschechischen Arbeitern zu sagen, daß ihnen und
uns die Art, wie dieser Staat geschaffen wurde, sein Charakter
als Nationalitätenstaat ohne verfassungsmässige Regelung
der nationalen Frage, sein Charakter als ein Werkzeug der nationalen
Eroberung keinen Nutzen gebracht hat. Wir bezahlen beide die Rechnung
unserer Bourgeoisien, wir verbrachten unsere Kräfte - sie
in einer zermürbenden und ergebnislosen Koalitionspolitik,
wir in einem verlustreichen, schweren Dreifrontenkrieg. Müssen
wir die tschechischen Arbeiter versichern, daß wir ihnen
die nationale Freihait gönnen , daß 3ir sie seit 1899
für sie wie für uns programmatisch gefordert, daß
wir die Lolösung der Tschechen von Österreich verstanden,
ihren Kampf um die nationale Republik der Tschechen und Slowaken
brüdrlich verfolgt haben? Aber so, wie die Dinge kamen, konnten
wie sie nicht billigen, und so, wie es geworden ist, hat es weder
uns noch dem tschechischen Proletariat genützt.
Der Reallohn der Arbeiter ist niedriger als in der Vorkriegszeit,
die soziale Gesetzgebung hat uns wenig gebracht, und das wenige
nimmt man uns stückweise wieder ab. Die politischen Freiheiten
sind kaum größes als früher. Presse- und Meinungsfreiheit,
Wahlrecht und Immunität wurden eingeschränkt, Steuerlasten,
Militärlasten drücken uns, die Selbstverwaltung wird
uns genommen, die nackte Klassenherrschaft der Bourgeoisie triumphiert
seit zwei jahren. Die Bilanz, die wir als Proletarier und Sozialisten
ziehen, ist nicht erfreulich. Wir wissen schon den historischen
Fortschitt von der Monarchie zur Republik zu würdigen, aber
wir sind auch keine bürgerlichen Republikanner, um die Bedeutung
der Staatsform zu überschätzen, keine Doktrinäre,
die in der Demokratie schon ein Endziel sehen. Wir sehen in ihr
ein Mittel zum Kampf und so wie man sie hierzulande beschnitten
hat, ein wenig taugliches. Die Passivposten sind größes
als die Aktiva, das ist die nüchterne, sachliche Bilanz der
zehn Jahre, die wir als Sozialisten ziehen!
Und können wir als Deutsche das Jubiläum leiern? Wir
haben weniger Schulen als vor zehn Jahren, weniger Freiheit der
Presse und der Meinung, wir haben weniger Arbeitsplätze,
wir sind von den öffentlichen Ämtern so gut wir ausgeschlossen,
wir können uns als Nation nicht ausleben, nicht sicher fühlen,
nicht entwickeln. Der deutsche Arbeiter ist, weil er deutsch spricht,
weil er deutscher Kultur ist, benachteiligt und in seiner Existenz
gefährdet. Können wir an diesem Festtg der tschechischen
nation etwas anderes proklamieren als unsere Forderung nach Gleichberechtigung,
als unseren Protest gegen eine Staatstheorie, die in dreieinhalb
Millionen Deutschen, die in einem Viertel der Staatsbevölkerung
nur Immigranten und Kolonisten sehen will, die uns aus dem Bilde
des Staates tilgen möchte?
Daß uns die Geschichte auf den Boden dieses Staates gestellt
hat-wir können es nach dern Ereignissen dieser zehn Jahre
nicht mit Begeisterung quittieren. Aber da wir hier mitzuleben,
mitzukämpfen berufen sind, werden die Probleme dieses Staates
auch zu den unseren. Wie hat er sie in den ersten zehn Jahren
seines Bestandes zu lösen versucht? Dieser Staat hat ein
wehr wichtiges innerpollitisches Problem zu lösen, die Frage
des Verhältnisses der Nationen zueinander. Er hat in zehn
Jahren auch nicht den leisesten Versuch gemacht, es zu lösen.
Er ist der einzige wirkliche Erbe des alten Österreich, mit
seinen sechs Nationen (auf ein Viertel der Einwohnerzahl der alten
Monarchie), mit seiner westlichen und östlichen Staatshälfte,
seiner Zwischenlage zwischen den kulturen des Westens und des
Ostens, seinen komplizierten religiösen und ökonomischen
Problemen. Wo ist die Gesetzgebung und Verwaltung, Kultur- und
Schulpolitik, auch nur ein Anfang zur Lösung der großes
Aufgaben, vor die sich das Staatsvolk gestellt sah. Wenn das tschechische
Volk in diesen Tagen ein Mindesmaß von Besinnung aufbringt,
möge es bedenken, daß es gefährlicher und schwerer
ist, einen alten, stabilisierten Staat umzugestalten, als einem
jungen, werdenden, von allem Angang an die zweckdienliche Lebensform
zu geben. Die Republik hat aber auch ihr großes außenpolitisches
Problem, die Sicherung ihrer Grenzen, die Sicherung ihres Bestandes
im europäischen Staatensystem. In zehm Jahren hat Herr Benes
keine Idee, keinen Plan, kein Konzept entwickelt. Für ihn
steht und fällt die Republik mit den Pariser Vertägen
. Für ihn existiert die Tschechoslowakei nur als der Schützling
Frankreichs, als der bewaffnete Vasall Poincares. Das ist kein
Programm, das ist heute nach zehnjährigen Bestande des Staates
nur noch eine gefährliche Selbsttäuschung.
Dieser Staat hat in zehn Jahren alle Klassenprobleme seiner Bourgeosie belöst, er hat sich als Mittel und Feld der Ausbreitung und des Aufstiegs seiner bestizenden Klasse erwiesen. Als Lebensform seiner Völker steht er da, wo er vor zehn Jahren began. Nach innen und nach außen est er konsolidiert durch Polizei, Armee, Bündnisse, Zensoren, Gesetze und Behörden - nicht durch Willen und Interesse seiner Völker und seiner Nachbarn.
Am 6. November wurden nachfolgende Stellen beschlagnahmt:
"Seit wir einen deutschen , christlichsozialen Justizminister
haben, seit derselbe Mayr-Harting, der sich früher mit Vorliebe
als Wortführer der Opposition und ihrer demokratischen Forderungen
aufspielte, das wichtige Justizressort verwaltet, hat für
die deutsche Arbeiterbewegung eine Zeit verschärfter, unerträglicher
Schikanen und Verfolgungen begonnen.
Man konfisziert, unsere Zeitungen in der rücksichtslosesten
Weise und mit der durchsichtigen Absicht, uns finanziell zu schädigen,
uns für unsere oppositionelle Haltung mit Geldstrafen von
Zehntausenden Kronen zu belagen. Diese Konfiskationen haben einen
Grad erreicht, der das Ausland auf die Pressefreiheit unter dem
Regime mayr-Harting aufmerksam macht und zur bildmäßigen
Wiedergabe unserer verstümmelten Blätter führt.
Man verfolgt unsere Organisationen in einer Weise, die an die
zeiten der ärgsten Verfolgungen der Arbeiterbewegung unter
der Ära Taaffe erinnert! Der Prozeß gegen unsere Jugendorganisation
stellt eine unerhörte Verschärfung der politischen Persekutionspraxis
dar und gemahnt an die großen Hochverratsprozesse, die das
alte Österreich - allerdings im Kriege und unter dem Ausnahmezustand
- gegen die tschechische Freiheitsbewegung inszeniert hat.
Schon im vormährigen Gemeindewahlkampf hat man unsere Agitation
durch das Verbot von Plakaten und Flugblättern hemmen wollen
und uns durch derartige Amtshandlungen schwren finanziellen Schaden
zugefügt. Es gibt westlich der Leitha und dr. Weichsel keinen
parlamentarisch regierten europäischen Staat, in dem es den
staatlichen Behörden infallen würde, in den Wahlkampf
der politischen Parteien durch Verbote von Plakaten einzugreifen.
Es gibt im zivilierten Europa keine Partei, die zum Schutze ihrer
politischen Interessen an den Zensor und den Staatsanwalt appellieren
würde.
Der Mayr-Harting macht den Zensor zur Hauptstütze in seinem
Wahlkampf gegen die Sozialdemokratie!
... "In Wirklichkeit pfeifen sie auf die Demokratie und verlassen
sich lieber auf den Staatsanwalt, der im Auftrage des christlichsozialen
Justizministers unsere Zeitungen konfisziert, unsere Jugendorganisationen
verfolgt und ihre Demokratie besteht darin, daß sie, was
noch keine deutsche Partei gemacht hat, sogar nach dem Schutzgesetz
gegen uns rufen."
Alle die angeführten Stellen enthalten nichts als eine zwar
scharfe, aber nirgends die Grenzen des gesetzlich Zulässigen
überschreitende sKritik und zum Teil sogar nichts als die
Feststellung nackter Tatsache konfisziert wird, daß die
Löhne der Arbeiter den Reallohn der Vorkriegszeit nicht erreicht
haben? Oder ist es nicht ein Skandal, daß der Staatsanwalt
Angriffe auf den Justizminister zenuriert und so die Parteilichkeit
der Konfiskationspraxis ganz unverhüllt in Erscheinung treten
läßt.
Diese Zensur - denn angesichte der ständigen Praktizierung
des objektiven Verfahrens ist die Konfiskationspraxix nichts anderes
als Zensur - wird von Tag zu Tag unertäglicher. Sie hat auch
bereits das Interesse des Auslands erreicht und damit das gerade
Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erzielt.
Wir fragen den Herrn Minister:
1.) Wie vermag er die angeführten Konfiskationen mit seiner Erklärung anläßlich der Budgetbertung in Einklang bringen, wonach das Anwachsen der Konfiskationen nicht auf eine schärffere Zensur, sondern auf die radikalare Schreibweise der oppositionellen Presse zurückzuführen zei?
2.) Was gedenkt er zu unternehmen, um die Preßfreiheit,
also einen Bestandteil der Rechtsordnung, die er zu wahren berufen
ist, vor den Staatsanwälten zu schützen?
Prag, den 6. November 1928
Bei der Erteilung von Kinolizensen werden die Bewerber durch eine
Klausel in der Lizent verpflichtet, 2 bis 5% des jährlichen
Reingewinnes aus dem Kinounternehmen an die Landesämter für
Kriegsbeschädigtenfürsorge abzuführen. Diese Beträge
erreichen mehr als 12 Millionen Kronen jährlich. Weder aus
dem Staatsvoranschlag, noch aus den Jahresberichten der Landesämter
geht hervor, in welcher Weise diese Beträge verwendet werden,
sodaß nicht einmal die Gewähr besteht, daß sie
ausschließlich der Kriegsbeschädigtenfürsorge
zugeführt werden, noch weniger, daß sie in gerechter
Weise verteilt werden.
Wir fragen daher den Herrn Minister:
1.) Ist er bereit, einen erschöpfenden Bericht darüber zu erstatten, welchen Zwecken die von den Kinounternehmern an die Landesämter für Kriegsbeschädigterfürsorge abgeführten Beträge zugeführt werden?
2.) Ist r bereit, anzuordnen, daß diese Beträge den
organisationen, die sich ausschließlich mit Kriegsbeschädigtenfürsorge
befassen, zugeführt werden?
In den Sitzungen vom 9. und 30. Dezember 1926 haben der sozialpolitische
und auch der Budgetausschuß Entschließungen angenommen
, in denen das Ministerium für soziale Fürsorge aufgefordert
wurde, die Rückenstattung der an die Kriegsbeschädigten
ausgezahlten Unterstützungen nicht zu verlangen, wenn das
bis zum Ende des Jahres 1925 rechtsgültig versteruerte Einkommen
des betreffenden Perzipienten Kè 13.000 nicht übersteigt.
Diese Entschließung wurde auch im Abgeordnetenhause und
im Senat eintimmig angenommen. Dasselbe wiederholte sich anläßlich
der Behandlung des Gesetzes über die Höhe der Einkommensgrenze,
welche vom Bezüge einer Kriegsbeschädigtenrente ausschließt,
auch in den Jahren 1927 und 1928.
Dreimal hat also die gesetzgebende Körperschaft ihren Wunsch
und Willen kundgetan, die Regierung hat bisher auf diese Willensäußerung
nicht reagiert. Das Landesamt für Kriegsbeschädigtenfürsorge
treibt weiter rücksichtslos die Überzahlungen ein, die
Ansuchen an das Ministerium vür soziale Vürsorge um
Schenkung dieser Überzahlungen werden abgewiesen und kein
Mensch kümmert sich um die dreimal angenommene Entschliessung
der gesetzgebenden Körperschaft.
Wir fragen daher den Herrn Minister:
Ise er bereit, sofort zu veranlassen, daß die Rückerstattung
von Überzahlungen in berücksichtigenswürdigen Fällen,
insbesondere, wenn das im Jahre 1925 rechskräftig versteuerte
Einkommen 13.000 Kè nicht übersteigt, nicht gefordert
wird?
Prag, den 8. November 1928.
Dieser Tage wurde die Seilschwebbebahn auf den 1299 m hohen Schwarzberg
im Riesengebirge fertiggestellt. Die Anlage derselben wird ohne
Zweifel dem Verkehre außerordentlich dienen und schon heute
rüsten sich die Baudenbesitzer jenen Teiles des Gebirges,
um den zu erwartenden größeren Zustrom von Turisten
befriedigend empfangen zu können. Eine größere
Zahl von Baudenzubauten sind vorgenommen worden, aber auch Neubuten
werden aufgeführt. Unmittelbar bei der Bergstation der Seilschwebebahn
erbaut der Prager Sokol eine große Neubaude. Es ist nun
auffalend, daß für die Führung dieses Baues Soldaten
zur Verfügung gestellt wurde, die einerseits den Bergstransport
des Baumaterials für den Sokolbau zu erledigen haben, andererseits
die Zufuhr des materials von der Bergstation bis zur Baustelle
selbst vornehmen. Die Armeeverwaltung, welche, verfügte,
daß die Soldaten für diesen erwähnten Neubau herangezogen
werden, ersteht - Vernehmen nach- damit ein Äquivalent eines
Taglohnes von 6 Kronen per Mann. Immerhin bleibt aber der Vorgang
verwunderlich.
Es ist nicht tunlich daß in einer Zeit gerade im ostböhmischen
Gebiete vorherrschender Arbeitslosigkeit die noch bestehenden
Arbeitsmöglichkeiten für die Zivilisten von Soldaten
weggenommen werden, die des erwähnten Taglohnes wegen und
deshalb, weil für dieselben weder eine Sozialversicherung
in der Form von Krankenversicherung, noch eine Pensionsversicherung
geleistet werden muß unter allen Umständen eine unlautere
Konkurrenz für die Privatarbeiter darstellen. Bei dieser
Feststellung sol gar nicht eingehend erwähnt werden, daß
deutsche Vereine kaum der Unterstützung des Prager Sokol
zuteil würden.
Die Interpellanten fragen deshalb den Herrn Minister:
1.) Wie ist seine Stellungnahme dazu, daß durch die Heranziehung
von Soldaten zu privaten Bauten eine schwere Schädigung der
Proffessionisten eintritt?
2.) Ist er bereit, in der Regierung darauf zu verweisen, daß
es besonders untunlich ist, Soldaten zu Bauten nationaler Vereins
von dr. Tendenz des Prager Sokol zu verwenden?
Prag, den 6. November 1928.
In letzter Zeit sind wiederholt Meldungen durch die Tages- und
Fachblätter gegangen, wonach Bestrebungen im Gange sind,
bezw. Gesetzentwürfe vorbereitet werden. Danach woll die
Verehelichung von Lehrerinnen als Dienstverzicht behandelt, das
Dienstverhältnis der Lehrerinnen, welche eine Ehe eingehen,
in ein vertragsmäßiges, mit der Höchstdauer von
zwei Jahren befristetes Verhältnis umgewandelt und die ausscheidenden
Lehrerinnen mit geringen Beträgen abgefertigt werden. Auch
die bei Ainkrafttreten des Gesetzes bereits verheirateten Lehrerinnen
sollen mit Abfertigung entlassen werden, wenn sie nicht bereits
25 Dienstjahre verzeichnen können.
Angeblich sind darüber hinaus auch Bestrebungen im Gange,
welche den Grundsatz der freien Stellenbewerbung und der Parität
der männlichen und weiblichen Lehrkräfte in den Lehrkörpern
beseitigen wollen.
Schon nach dem geltenden Rechszustand sind die weiblichen Lehrkräfte
gegenüber den männlichen benachteiligt. Sie erhalten
keine Kinderzulage und sind auch dadurch benachteiligt, daß
sie im Falle der Schwangerschaft nur einen dreimonatigen Urlaub
unter Kürzung ihrer Bezüge erhalten, während in
anderen Fällen Krankenurlaube bis zur Dauer eines Jahres
bei unverkürzten Bezügen gewährt werden können.
Laut Mitteilung des Amtsblattes des Schulministeriums ist außerdem
in letzter Zeit die Auszahlung des Sterbequartals nach verheirateten
Lehrerinnen eingestallt worden, was mit dem Gehaltsgesetz in offenem
Widerspruch steht.
Lassen sich alle diese Dinge mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung
der Geschlechter schwer vereinbaren, so würde die Wiedereinführung
des Zölibates eine so krasse Zurücksetzung der weiblichen
Lehrer und damit eine Verletzung der in der Verfassung gewährleisteten
Gleichberechtigung bedeuten, daß wir schon jetzt in aller
Form und mit der größsten Entschiedenheit dagegen Verwahrung
einlegen müssen.
Wir fragen daher den Herrn Minister:
1.) Werden im Schulministerium Gesetzentwürfe über die
Rechtsverhältnisse der weiblichen Lehrkräfte vorbereitet
und wenn ja, welchen Inhalt haben diese Entwürfe?
2.) Ist der Herr Minister bereit, dahin zu wirken, daß der
Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter im Bereiche
seines Ressorts voll respektiert und insbesondere jeder Versuch,
den Lehrerinnen das Zölibat aufzuzwingen, unterlassen wird?
Der Arzt Dr. Ján Opatrný in Pekná Vyhliadka
bei Starý Smokovec errichtete im Herbst 1927 - Sommer 1928
mit einem Kostenaufwand von mehreren Millionen Kronen ein Sanatorium
auf dem Gebiete, welches das Gesundheitsministerium im Frühjahr
1928, als Tuberkulosenrayon erklären lassen wollte. Er erhielt
die Baubewilligung ausdrücklich zu einem Sanatorium und es
wurde ihm seitens der zuständigen Behörden, darunter
auch des Gesundheitsministeriums die ausdrückliche Zusage
zuteil, daß er auch die Bewilligung zur Aufnahme des Betriebes
erhalten werde. Das Sanatorium wurde im Sommer fertig und Dr.
Opatrny rechte am 1. Juli 1928 im Wege des Bezirksamtes in Poprad
das Gesuch um die Bewilligung der Inbetriebsetzung ein. Nachdem
das Gesuch ohne Bescheid blieb, eröffnete Dr. Opatrny im
Vertrauen auf die ihm seinerzeit gegebenen Versprechungen das
Sanatorium und nahm Kranke auf.
Am 15. Oktober 1928 richtete nun das Landesamt für die Slowakei
in Bratislava unter Zahl 56.628/1928 an das Bezirksamt in Poprad
eine Verordnung, wonach mit Berufung auf den G. A. WIV. v. J.
1876 die im Sanatorium befindlichen Personen - mit Ausnahme des
Besitzers und seiner Familie - einer amtsärztlichen Untersuchung
zu unterziehen und die als krank befundenen Personen sofort zu
entfernen seien, da Dr. Opatrny keine Sanatorialbewilligung habe.
Das Landesamt beruft sich dabei auf die Weisung des Gesundheitsministeriums
Zahl 23.582 vom 25. September 1928.
Auf Grund dieser Weisung erschien auch am 22. Oktober 1928 der
Poprader Bezirksarzt Dr. Mlynar im Sanatorium Dr. Opatrny, um
die angeordnete Untersuchung vorzunehmen. Der Besitzer verwahrte
sich dagegen, da hiezu keine gesetzliche Grundlage vorhanden sei.
Darauf erklärte Dr. Mlynar, daß er dann Gewalt anwenden
müsse. Tatsächlich erschien er am 24. Oktober 1928 in
Begleitung des Bezirkskommissärs als Vertreter der Amtsgewalt
und nahm trotz des Protestes des Dr. Opatrny und trotz ausdrücklichen
Protestes der Kranken die Untersuchung dr. dort befindlichen Gäste
vor, darunter auch mehrerer im Bette liegenden in deren Zimmern,
trotz ihres Protestes, was bei einem von den Gästen auch
eine schwere Verschlimmerung seines Zustandes herbeiführte.
Dr. Mlynar erklärte sechs von den Gästen als krank und
ordnete ihre sofortige Entfernung aus dem Sanatorium an.
Die Nachricht von dieser Untersuchung verbreitete sich wie ein
Lauffeuer in der ganzen Hohen Tatra und rief im Kreise der Gäste
ein ungeheure Erregung wach, insbesondere auch darum, weil verschiedene
Amtspersonen die Nachricht verbreiteten, daß auch zwei andere,
große Sanatorien in der Tatra auf diese Weise behandelt
und gesperrt werden wollen, da sie die Sanatorialbewilligung nicht
besitzen.
Dr. Opatrny wandte sich telegraphisch an den Herrn Präsidenten
der Republik und an andere Regierungsbehörden um Schutz vor
solcher Drangsalierung. Etwa 14 Tage später erschien tatsächlich
eine vom Gesundgeitsministerium, der Landesregierung und dem Bezirksamte
entsandte Kommission im Sanatorium Dr. Opatrny, welche das Gebäude
als für Sanatorialzwecke geeignet befand und es dem Besitzer
gestattete den Betrieb bis zur endbültigen Erledigung weiterzuführen.
Die ganze, auf Grund der Weisungen des Gesundheitsministeriums
erfolgte Amtsmißhandlung war daher nicht nur wollkommen
überflüssig, wondern entbehrt auch außerdem einer
jeden gesetzlichen Grundlage! Weder das durch das Landesamt angeführte
Gesetz und Verordnungen lassen die zwangsweise Untersuchung von
in privaten Heilanstalten in Pflege befindlichen Kranken zu. Das
zitierte Gesetz bezw. der angeführte § spricht lediglich
davon, daß ein Sanatorium nur mit Bewilligung des Ministeriums
dess Inneren eröffnet werden kann und setzt für die
Übertretung eieser Bestimmung eine Geldstrafe an, bis zu
einem Höchstmaße von 600 Kc, welches Höchstmaß
aber auch nur im Falle einer wiederholten Übertretung angewendet
werden kann.
Mangels einer gesetzlichen Grundlage stellt das Vorgehen des Bezirksarztes und seines Begleiters eine ganze Reihe schwerer Vergehungen vor, wie Hausfriedensbruch, Verletzung des ärtzlichen Geheimnisses, Mißbrauch der Amtsgewalt usß. Das alles erfolgte auf Anordnung des Gesundheitsministeriums, das scheinbar von den gesetzlichen Möglichkeiten, die ihm gestattet sind, keine Ahnung hat.
Es ist naheliegend, daß derartige rohe Ungesetzlichkeiten ganz besonders geeignet sind, die die Erholung und Heilung suchenden Gäste der Hohen Tatra vor dem Besuche zurückzuschrecken, ihnen den Aufenthalt zu verleiden und den Fremdenverkehr der Hohen Tatra, von welchem der Staat sowohl unmittelbar, als mittelbar einen namhaften Nutzen zieht, zu schädigen, sowiee die in erfreulicher Weise sehr rege Baulust in der Hohen Tatra zu unterbinden. Es ist einfach nicht abzusehen, welch ein nie gutzumachender Schaden es für den Fremdenverkehr der Hohen Tatra gewesen wäre, wenn dieses rohe Vorgehen nicht bei einem kleinen, zufällig nur von Inländern besuchten Sanatorium angewendet worden wäre, sondern bei einem größeren, von Hunderten von Ausländern besuchten Sanatorium, dessen Gäüste dann die Kunde von diesem ungeheuerlichen Vogehen in ds ganze Ausland zetragen hätten!
Wir fragen daher an:
1.) Hat der Ministerrat Kenntnis von den obengeschilderten Verfügungen,
welche die untergeordneten Behörden auf Grund der Weisungen
des Gesundheitsministeriums getroffen haben?
2.) Ist der Ministerrat der Tragweite der nachteiligen Folgen
dieses ungesetzlichen Vorgehens bewußt?
3.) Was gedenkt die Regierung zu tun, damit das Gesundheitsministerium
nicht mehr in die Lage komme, um durch derartige Verfügungen
und Weisungen die Interessen des Fremdenverkehrs, der Krankheilung
und der Entwickelung der Hohen Tatra zu schädigen?
Prag, am 1. Dezember 1928.