Sie soll aber überdies, und das ist viel leicht das Wichtigste, unser ganzes öffentliches und gesellschaftliches Leben aus dem Wirtshause hinausführen, an das es in weit höherem Maße gebunden ist als bei den angelsächsischen und nordischen, aber selbst bei den romanischen Völkern. Es wird niemals gelingen, die Menschen vom Alkohol zu befreien, so lange das politische gewerkschaftliche, gesellige und Vereinsleben sich im Wirtshause abspielt und mangels anderer Unterkunftsräume abspielen muß. Finden doch selbst Vorträge gegen den Alkoholismus am Biertische statt Erst wenn man beobachtet, daß andere Völker die keineswegs abstinent sind, sondern ganz tüchtig trinken, sich zu Sitzungen und Versammlungen, zu Spiel und Tanz und Vereinstätigkeit niemals im Wirts hause zusammenfinden, sondern in Volks Partei oder Gemeindehäusern, die selbst verständlich vollkommen alkoholfrei geführt werden, erkennt man, wo der Hebel anzusetzen ist; das Leben des Volkes muß aus dieser Durchdringung mit dem alkoholdurchseuchten Wirtshause losgelöst wer den Diese Volkshäuser und Heime fehlen uns so gut wie ganz; die wenigen in größeren Städten bestehenden sind auf Alkoholausschank aufgebaut, können nur durch ihn erhalten werden, wiederum wird es zur Pflicht viel zu trinken, damit die Schuldzinsen bezahlt werden können. Wandel kann hier aber nur eintreten, wenn die Zahl der Schankstätten vermindert wird, geeignete Räumlichkeiten dadurch frei gemacht und die Mittel zur Einrichtung von Volkshäusern aufgebracht werden. All das kann auf dem im vorliegenden Gesetzentwurfe vorgeschlagenen Wege erreicht werden.

Dieser setzt eine durchgreifende Änderung unserer ganzen bis jetzt durch die Gewerbeordnung festgelegten Schankbewilligungsgesezgebung voraus. Die erste Bedingung ist, daß die Konzessionen nicht mehr wie bisher auf unbeschränkte Zeit, sondern nur für eine bestimmte, nicht allzu lange Spanne erteilt werden; nach deren Ablauf muß um Neuerteilung angesucht werden Der gegenwärtige Zustand ist der, daß eine einmal erteilte Konzession überhaupt nie mehr verschwindet; selbst wenn sie nicht ausgeübt wird, bleibt sie unantastbares Eigentum der Familie, in der sie einmal besteht; sie wird verpachtet, verkauft, vererbt, belehnt, geht von einem Gebäude auf ein anderes über. Daß eine Gasthauskonzession erlischt, ist ein außerordentlich seltenes Ereignis Dieser Zustand ist ungesund und falsch, lag auch ursprünglich gar nicht in der Absicht des Gesetzgebers, hat sich aber durch Lässigkeit und Bequemlichkeit der Behörden herausgebildet die ja auch beide Augen zudrückten, wenn eine Großbrauerei viele Dutzende von Konzessionen erwarb, ein Unfug, der erst vor nicht gar zu langer Zeit abgestellt wurde.

In England kann jede Bewilligung Jahr für Jahr zurückgezogen wer den nach der schottischen Schankbill gelten die Bewilligungen acht Jahre. Im vorliegenden Entwurfe wurde als Höchstmaß der Zeitraum von 20 Jahren vorgeschlagen, weil man an nehmen kann, daß die in ein Unternehmen oder ein Geschäft gesteckten Mittel sich nach längstens zwanzig Jahren amortisiert haben; in der Regel wird ein weit kürzerer Zeitraum genügen.

Nach 20 Jahren erlischt die Konzession auf alle Fälle, ob nun der Inhaber eine Privatperson oder eine Gesellschaft oder die Gemeinde ist. Es muß um neuerliche Erteilung angesucht werden; wird sie nicht gewährt, so erwächst daraus keinerlei Anspruch auf Entschädigung, im Falle der Wiederverleihung muß die Verleihungsgebühr (§ 9) neuerdings entrichtet werden. Legt der Inhaber der Konzession diese vor Ablauf der 20 Jahre zurück oder stirbt er, so erlischt sie, niemand anderer hat Anspruch darauf, sie kann auch nicht über tragen oder durch einen Stellvertreter aus geübt werden; nur wenn im Falle des To des oder der bleibenden Invalidität des Inhabers die Frau, bzw. Witwe oder die Waisen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht wären, kann die Bewilligung, wenn notwendig, auch durch einen Stellvertreter, bis zum Ablaufe der 20 Jahre ausgeübt werden.

Aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmungen müßten alle jetzt ausgenützten und seit mindestens 20 Jahren betriebenen Konzessionen sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes verfallen; das wäre eine Härte, die vermieden werden muß; dies geschieht dadurch, daß nach § 3 des Entwurfes alle seit wenigstens 10 Jahren ausgeübten Konzessionen noch durch weitere 10 Jahre bestehen und dann verfallen; die seit 11 Jahren und kürzer verliehenen Konzessionen bleiben noch 20 Jahre in Geltung. Da die weitaus größte Zahl aller heute geltenden Schankkonzessionen länger als 10 Jahre besteht, wird zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ein ganz neuer Zustand eintreten; das wird der Angenblick sein, um das neue System einzuführen.

Dies soll nun dadurch geschehen, daß keineswegs mehr alle bestehenden Bewilligungen neu er eilt werden, sondern nur ein bestimmter Bruchteil. Die Zahl der Alkoholausschank und Verkaufsstellen wird in ein bestimmtes Verhältnis zur Bevölkerungszahl zu bringen sein, wie das auch schon anderwärts geschehen ist; so in Holland, wo je nach der Einwohnerzahl der Gemeinde auf 250-500 Köpfe eine Schankstätte entfällt; in Polen, wo eine Schankstätte auf 2000 Köpfe vorgesehen ist; in Schottland mit einer Verkaufsstelle auf 1000 Seelen in der Stadt und 500 auf dem Lande. Übrigens ist der Plan ja auch schon bei uns aufgetaucht und es gibt sogar eine Ministerialverordnung, die verlangt, daß bei Konzessionsverleihungen auf ein derartiges Verhältnis Rücksicht genommen wird; natürlich dürfte da überhaupt nie und nirgends eine neue Konzession verliehen werden, da das Verhältnis überall weit überschritten wird, darum kümmert sich niemand um diese Verordnung; es wird vielmehr nach wie vor trotz der unsinnig großen Zahl von Konzessionen so gut wie jedem Ansuchen um eine neue stattgegeben.

Der im Entwurfe gewählte Schlüssel von 1:500 in Städten mit mehr als 10.000 Seelen und 1:400 in kleineren Orten ist gewiß nicht zu weitgehend. Für eine Kleinstadt mit 4000 Einwohnern sind 10 Alkoholschank und Verkaufsstätten durchaus aus reichend, besonders wenn es ein öffentliches Volkshaus mit Versammlungsräumen Sitzungs- und Lesezimmern gibt, die das Bedürfnis nach Geselligkeit, Vereinstätigkeit, Lesestoff ohnedies befriedigt.

Es muß darauft bestanden werden, daß auch der Verkauf alkoholischer Getränke also Flaschenbierhandlungen, Wein- und Likörhandlungen konzessionspflichtig und in die Verhältniszahl einbezogen werden, weil sonst der Zweck der Reform vereitelt wird. Ein großer Teil der Flaschenbierabfüllungen hat sich zu Winkelkneipen entwickelt, ebenso werden die für den Handel mit Spirituosen in geschlossenen Gefäßen geltenden Bestimmungen ungescheut übertreten. Unbedingt notwendig ist es auch, daß alkoholische Getränke nicht mehr in Kaufläden, Krämereien, Konsumsvereinsniederlagen feilgeboten werden; gerade dadurch wird der Alkoholgenuß gefördert und in die Familie getragen, gerade da wird zum Trinken animiert. Die Konsumvereine sollen ihre Kundschaft mit nützlicher und notwendiger Ware versorgen, es wider spricht ihrer Aufgabe, wenn sie mit Alkohol handeln.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß diese Forderungen, sowie manche andere, die in diesem Entwurfe erhoben werden, sich mit den Wünschen der Gastwirteorganisationen decken. Auch sie verlangen, daß der Verkauf von Wein und Bier in Flaschen, der Verschleiß von gebrannten Getränken in Flaschen, die Abfüllung von Bier in Flaschen konzessionspflichtig seien; sie fordern die Einführung der Verhältniszahl, die allmähliche Auflassung der überschüssigen Konzessionen, sie bekämpfen den Unfug der Verpachtungen, des Übertragens der Konzessionen, bestehen auf Ausübung durch den Inhaber der Bewilligung, lauter Forderungen, die mit denen des Gesetzentwurfes übereinstimmen. Daß scheinbare Gegner die gleichen Forderungen erheben, rührt daher, daß sich die Absichten des Entwurfes keineswegs gegen das Gasthaus an sich und gegen den Wirtestand richten, sondern gegen den gegenwärtigen Mißstand, daß das Gasthaus zum Trinkhaus geworden ist und die unsinnige Konkurrenz sowie die Abhängigkeit vom Alkoholkapital den Wirt zwingt, Trinksitte und Völlerei mit allen Mitteln, besonders durch Kombination mit zweifelhaften Genüssen anderer Art zu fördern. Wird es nur wenige Gaststätten geben, so werden sie anderer Art sein und auch anders geführt werden.

In einem Punkte freilich unterscheidet sich der Entwurf wesentlich von den Forderungen der Gastwirte; sie wollen die Gemeinden aus der Reihe der zur Erreichung einer Konzession Berechtigten ausschliessen, der Entwurf will ganz im Gegenteil die Gemeinde an erster Stelle als Konzessionärin einsetzen, sie allein soll auch berechtigt sein, mehr als eine Konzession zu verwerben. Durch die Einführung der Verhältniszahl - die durch Volksabstimmung, wie noch später zu erörtern, noch weiter verringert werden kann - wird die Zahl der Schank und Verkaufsstellen auf ein Drittel und noch tiefer herabgesetzt wer den. Welche der bestehenden Bewilligungen sollen wieder verliehen werden und auf welchem Wege wird die Neuerteilung erfolgen? Es ist sicher, daß der Betrieb der übrigbleibenden Konzessionen ein gutes Geschäft sein wird, darum erscheint es als durchaus richtig und sozial, das Erträgnis nicht allein dem Privatinteresse zufließen zu lassen, sondern vor allem der Allgemeinheit zu sichern. Darum bekommen die Gemeinden das Vorrecht, sie müssen zunächst befragt werden, ob sie die Bewilligungen erwerben wollen, im bejahenden Falle sind sie ihnen zu erteilen. Es ist zu hoffen und muß angestrebt werden, daß die Gemein den in möglichst ausgedehntem Maße von ihrem Rechte Gebrauch machen.

Allerdings werden daran Bedingungen geknüpft, zunächst die, daß sie die Bewilligung selbst ausüben, nicht verpachten, weil dadurch der angestrebte Zweck wieder vereitelt würde, der Betrieb muß durch Angestellte geführt werden, die im festen Gehalte stehen; Tantiemen, Prozente, sonstige Arten von Gewinnbeteiligung dürfen sich, wenn sie als zweckmäßig angesehen werden, niemals auf die Erträgnisse aus dem Alkoholausschanke oder Verkauf, sondern nur auf den Gewinn aus Speisen und alkoholfreien Getränken erstrecken; am Alkoholabsatz soll niemand persönliches Interesse haben, um nicht dazu anzueifern. Die Gemeinden übernehmen ferner die Bindung, das gesamte aus dem Alkohol fließende Reinerträgnis ausschließlich solchen Zwecken zuzuwenden, die eine Verminderung des Alkoholverbrauches und damit Hebung von Volksgesundheit, Sittlichkeit und Bildung herbeiführen. Dies ist schon deshalb unbedingt notwendig, weil sonst die Gemeinden zu Alkoholinteressenten werden und den Verbrauch zu steigern suchen; sehr bald würden die Finanzkommissionen den Alkohol als geschätzte Einnahmsquelle betrachten und das Trinken würde ein Gradmesser des Lokalpatriotismus werden; das muß auf alle Fälle vermieden werden.

Die in Schweden und der Schweiz gesammelten Erfahrungen lehren, daß selbst die Bestimmung, daß das Alkoholreinerträgnis zu Wohlfahrtszwecken zu verwenden ist, noch Gefahrenquellen enthält. Die Behörden lernen bald, alle möglichen Erscheinungen als Alkoholwirkung hinzustellen und die zu ihrer Bekämpfung notwendigen Beträge auf Alkoholkonto zu buchen, darunter Ausgaben, die zu den sozialen Pflichten der Gemeinden gehören und auf alle Fälle geleistet werden müßten, so z. B. die Erhaltung von Idiotenanstalten, Hilfsklassen und dergleichen. Darum müssen die Zwecke, für die das Alkoholerträgnis aufgewendet werden darf, im Verordnungswege dem Sinne des Gesetzes entsprechend ganz genau verzeichnet werden. Bau und Erhaltung von Volkshäusern, alkohol freien Speisehäuser, Büchereien und Lesesälen sind darunter zu verstehen. Faßt man den Begriff so enge, dann wird auch die Abnahme des Alkoholverbrauchs und des Erträgnisses keine Störung hervorrufen; im Gegenteil, wenn diese Einrichtungen das Alkohol verdrängen und über flüssig machen, hört das Bedürfnis nach den aus seinem Genusse fließenden Geldern von selbst auf.

Es wird als Regel anzustreben sein, daß die Gemeinden alle Bewilligungen erwerben, die nach dem Bevölkerungsschlüssel und der Art der Beantwortung der im § 9 vorgesehenen Fragen überhaupt vergeben werden können. Wo das nicht möglicht ist, werden die freibleibenden an Private, die den gesetzlichen Bedingungen entsprechen oder aber auch an Gesellschaften verliehen, die sich ausschließlich mit dem Betriebe von Alkoholschank und Verkaufsstätten befassen, diese selbst durch fest Angestellte bewirtschaften und sich verpflichten, den über eine bestimmte Verzinsung des Kapitals hinaus verbleibenden Reingewinn der Gemeinde zu den oben genannten Zwecken zu überreichen. Aktiengesellschaften, besonders Aktienbrauereien, aber auch Brauhäuser und Bierbrauer, Brennereien, Likörerzeuger sind vom Alkoholausschanke und Kleinhandel ausgeschlossen, sie dürfen keine Konzession erhalten.

An Arbeiterheime, Volkshäuser u. dgl. und die sie erhaltenden Vereine oder Gesellschaften dürfen gleichfalls keine Konzessionen verliehen werden, denn diese Anstalten müssen alkoholfrei werden; die Bewilligungen, die sie jetzt haben oder die in ihnen ausgeübt werden, erlöschen nach 10 Jahren, bzw. 20 Jahren nach ihrer Erteilung, wenn zurzeit des Inkrafttretens des Gesetzes noch nicht 20 Jahre seit Erteilung verstrichen sein werden. In England, Amerika, Skandinavien. Finnland sind alle diese Häuser seit jeher alkohol frei, die Kosten ihrer Erhaltung werden aus den Mieten für Benützung der Säle und Räume, durch Aufenthaltsgelder usw. gedeckt. Selbstverständlich wird die Gemeinde (oder die oben genannte gemeinnützige Gesellschaft, die an ihre Stelle die Bewilligung, erwirbt) aus dem Erträgnisse des Alkoholvertriebs die erforderlichen Beisteuern zur Erhaltung der Volkshäuser liefern. Alkoholfreie Getränke, Kaffee, Speisen können dort, wo ein Bedürfnis da nach besteht, in solchen Häusern natürlich abgegeben werden, die Bewilligung dazu ist stets zu erteilen.

Bahnhofswirtschaften sind alkoholfrei zu führen; Konzessionen zum Ausschanke oder Verkaufe alkoholischer Getränke sind dort nicht mehr zu erteilen.

Unmittelbar nach dem Verfalle der jetzt ausgeübten und bestehenden Konzessionen, der demnach 10 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes eintreten wird (mit Ausnahme der verhältnismäßig geringen Zahl von Bewilligungen, die in den letzten 10 Jahren vor Annahme des Gesetzes er teilt worden sind und daher einige Jahre länger in Wirksamkeit bleiben) findet die erste Volksabstimmung nach § 9 statt. Von der Beantwortung der Fragen wird es dann abhängen, ob alle nach dem Bevölkerungsschlüssel zulässigen Konzessionen erteilt werden oder nur 1/4, 1 oder 3 davon oder ob die Gemeinde der Bezirk oder der Stadtteil ganz trocken gelegt werden, d. h. daß darin alkoholische Getränke öffentlich nicht mehr ausgeschenkt und verkauft werden dürfen.

Nach dem polnischen Gesetze muß der ganze Bezirk trocken gelegt werden, wenn 23 der Gemeinden den Alkoholvertrieb eingestellt haben, d h im letzten Drittel fällt er dann von selbst weg. Dort finden die Abstimmungen entweder auf Beschluß der Gemeindevertretungen oder auf Verlangen von wenigstens einem Zehntel der mehr als 21 Jahre alten Einwohner statt.

In Schottland wurde durch Beschluß des englischen Parlamentes im Jahre 1913 das Local Veto (GBR.) eingeführt, nachdem das Unterhaus es schon im Jahre 1912 beschlossen hatte; das Haus der Lords hatte seine Zustimmung zunächst verweigert, entschloß sich aber dann zu einem Kompromisse. Die wichtigsten Bestimmungen der Bill sind folgende:

1. Vom Jahre 1920 an sind GBR. Abstimmungen zulässig.

2. Wenn wenigstens 10% der stimmberechtigten Bürger es verlangen, muß eine Abstimmung stattfinden. Die Votierenden haben sich über drei Fragen auszusprechen:

A. Beibehaltung des bestehenden Zustandes (no change-resolution);

B. Verminderung der Wirtschaften (limiting resolution);

C. Aufhebung der Wirtschaften (no license resolution).

Die Eigentümer der aufgehobenen Wirtschaften bekommen keine Entschädigungen.

Im Jahre 1920 wurde auch für Wales die Lokaloption eingeführt; Abstimmung hat in Wales noch keine stattgefunden.

Die im Jahre 1920 in Schottland durch geführte erste Abstimmung hat insoferne eine Überraschung gebracht, als sich von 191 Bezirken nur 18 für das Verbot und 24 für Verminderung aussprachen, während 149 die Beibehaltung des alten Zustandes also keine Verminderung der Lizenzen wünschten. Aber gerade dieses Ergebnis beweist den wahrhaft demokratischen Charakter des Systems; es bringt den Willen der Mehrheit zum Ausdrucke. Über dies wirkt es auch sehr erzieherisch; sehr viele Menschen, die sich mit dem Probleme nie beschäftigt haben werden durch die Abstimmungen veranlaßt und gezwungen, darüber nachzudenken, ob es denn wirklich notwendig ist daß an jeder Strassenecke Alkohol feilgeboten wird.

In Norwegen bestand noch vor Einführung des Verbotes aller mehr als 12% Alkohol enthaltenden Getränke das GBR. Alle sechs Jahre können 5% der stimmberechtigten Einwohner eine Abstimmung darüber verlangen, ob der bestehende Zu stand bleiben oder geändert werden soll. Das Ergebnis war, daß auf dem Lande fast überall Alkoholverbot herrscht, Schnappsschankstätten fanden sich nur in den Städten. Es muß aber beachtet werden, daß die Gesetzgebung sich dort nur auf gebrannte Getränke bezieht, die in Skandinavien bis vor kurzem das ausschließliche Volksgetränk darstellten.

In Holland lag der Volksvertretung im Jahre 1920 ein Initiativantrag auf Einführung des GBR vor. Er wurde von der zweiten Kammer angenommen, in der ersten aber mit 18 gegen 17 Stimmen, also mit einer Mehrheit von nur 1 Stimme verworfen. Der Antrag wurde vor kurzem wieder eingebracht und steht noch in Verhandlung.

In Dänemark ist das GBR. auf dem Wege, es nat sich dort via facti durchgesetzt, obwohl es gesetzlich noch gar nicht ein geführt ist. In sehr vielen Gemeinden Dänemarks wird bei jeder neu zu erteilenden Schankbewilligung verlangt und auch durchgeführt, von deren Ergebnis es ab hängt, ob die Erlaubnis erteilt wird. Schon im Jahre 1917 wurde der Regierung und dem Reichstage eine Angabe überreicht, die das GBR forderte; sie trug nicht weniger als 722,820 Unterschriften*)

In Österreich wurde dem Nationalrate im Oktober 1922 von der sozialdemokratischen Partei ein Gesetzentwurf vorgelegt der die Schankordnung gleichfalls aufgrund des GBR. regeln will Der Verschleiß von alkoholischen Getränken wird mit Ausnahme des Großhandels konzessionspflichtig gemacht. Neu erteilten Bewilligungen erlöschen im Jahre 1942, alle bisher aus geübten radizierten Schankgewerbe im Jahre 1947. Über Verlangen eines Zehntels der Gemeindewahlberechtigten oder über Beschluß der Gemeindevertretung ist eine Abstimmung darüber durchzuführen. ob Ausschank und Verschleiß fortgesetzt wer den sollen; bis zum Jahre 1942 muß eine Mehrheit von zwei Dritteln, nach dem Jahre 1942 eine einfache Mehrheit der ab gegebenen Stimmen für die Einstellung sein, damit der Beschluß Gültigkeit hat. Der Antrag wurde bis zum Ende der Legislaturperiode nicht erledigt, ist daher verfallen; er soll aber demnächst wieder ein gebracht werden.

*) Seit Abfassung des Motivenbrichtes hat das dänische Parlament das GBR. angenommen.

In Deutschland hat das Reichswirtschaftsministerium einen Entwurf zu einem Schankstättengesetz ausgearbeitet und vorgelegt, der bis zur Ausschußberatung gedieh, aber infolge der verworrenen politischen Verhältnisse nicht weiter verhandelt wurde. Er setzt Bewilligungszwang und Bedürfnisnachweis voraus. Gemein den, Gemeindeverbände und Vereine zur Bekämpfung des Alkoholismus haben bei Erteilung der Erlaubnis den Vorrang. Die Betriebe, die am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes bestehen, verlieren die Befugnis nach 30 Jahren. Durch Landesgesetz kann angeordnet werden daß auf Verlangen von mindestens einem Zehntel eine Abstimmung der wahlberechtigten Gemeindemitglieder darüber stattfindet, ob 1. für neu zu errichtende Gast und Schankwirtschaften die Erlaubnis geistige Getränke auszuschänken noch erteilt wer den darf oder nicht; 2. die Erlaubnis geistige Getränke auszuschänken für bestehende Gast und Schankwirtschaften im Falle des Besitzwechsels erneuert werden darf oder nicht; 3. das Ausschänken und Verabfolgen geistiger Getränke oder bestimmter Art solcher Getränke a) nur im Kleinhandel oder b) nur in Gast und Schankwirtschaften oder c) in Gast und Schankwirtschaften im Kleinhandel verboten werden soll.

Es ist also auch in diesem Gesetzentwurf das GBR., wenn auch nur als Eventualfall, vorgesehen.

Die Labour Party in England steht in überwiegender Mehrheit auf dem Boden des GBR.; sie hat eine Agitationsschrift herausgegeben, zu der J. Ramsey Macdonald das Vorwort verfaßte; es heißt darin: Jedermann gibt zu, daß das Trinkproblem vom sittlichen und wirtschaftlichen Stand punkte aus dringend ist. Der Handel mit alkoholischen Getränken ist eine Gefahr für die Öffentlichkeit und das Land geworden; er korrumpiert die Politik.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß das GBR. so wie in Schottland auch in England eingeführt werden wird, wenn die Labour Party lange genug am Ruder bleibt und die brennendsten Fragen der äußeren und inneren Politik bereinigt hat.

Der Parteitag der ungarländischen Sozialdemokratie 1922 im Dezember hat die Einführung des GBR. gefordert.

Dieses System hat sich eben überall als die wirksamste und demokratischeste Form der Bekämpfung der Trinksitten er wiesen und wird sich sicher Bahn brechen. Die Form, in der es angewendet wird, ist ja nicht in allen Staaten genau dieselbe, die Unterschiede sind aber nicht wesentlich. Die Verbindung mit der Einwohnerverhältniszahl und der Kommunalisierung des Schankwesens, wie sie im vorliegenden Entwurfe vorgeschlagen wird erscheint als die beste, es ist dadurch eine Grundlage gegeben, von der aus die weitere Entwicklung vor sich gehen kann. Als Ersatz für die Kommunalisierung dort, wo sie ab gelehnt wird, ist eine an das Gotenburger System erinnernde Einrichtung vorgesehen, die so wie die Kommunalisierung den Zweck verfolgt, das Privatinteresse am Alkoholvertriebe auszuschalten.

Der demokratische Geist des GBR. ist ohne Zweifel sein größter Vorteil. Man kann über die Einführung des Referendums, der Volksabstimmung geteilter Ansicht sein, so weit durch sie die Entscheidung über grundsätzliche Fragen, große politische Probleme den Volksvertretungen entzogen werden soll. Hier aber handelt es sich darum, die Entscheidung aus den Händen der Bürokratie in die des Volkes zu legen, das nun selbst darüber bestimmen kann und soll. ob es dem Alkohol vertrieb weiter dulden oder verbannen will.

Die Verminderung der Schankstätten würde nach dem Inkrafttreten des Gesetzes sehr langsam vor sich gehen. Zehn Jahre lang würden Schankstätten nur durch den Tod oder die Geschäftsniederlegung des eine Bewilligung Besitzenden zu bestehen aufhören; und es würde im ersteren Falle, um Härten möglichst zu vermeiden, die Weiterführung nach Witwenrecht stets zuzulassen sein, wo wirtschaftlicher Schaden zu verhüten ist. Aus den Bahnhofswirtschaften allerdings müßte der Alkohol sofort oder doch nach ganz kurzer Frist verschwinden, weil das Gesetz ihn dort ausdrücklich verbietet; aber das wird finanziell nur die Bahnverwaltung treffen, die voraussichtlich die Pachtzinse etwas herabsetzen muß, was keine allzu schwere Einbuße darstellt, ganz gewiß aber vielem Unfug und Mißbrauch Einhalt tun wird. Es wirkt sehr irreführend auf die öffentliche Meinung, wenn gerade die Bahnverwaltungen, also doch öffentliche Körperschaften, als Durststillendes Getränk zunächst und gewöhnlich ausschließlich Alkoholika anbieten.

Anders liegen die Dinge bezüglich des Verschleißes der alkoholischen Getränke in den Läden, ebenso bei den konzessionierten Flaschenbierabfüllungen, die mit Krämereien, Greislereien u. dgl. vereinigt sind; beides muß alsbald nach Inkrafttreten des Gesetzes aufhören, denn § 2 verbietet es. Aber die damit verbundene wirtschaftliche Schädigung ist erträglich, denn sowohl Kaufläden und Konsumvereine als auch die mit Flaschenbierhandlungen verbundenen Krämereien können auch ohne diese bestehen. In kleineren Gemeinden wird es eigene Verkaufsstellen kaum mehr geben, sie werden mit den Schankstätten vereinigt werden, wo man die Getränke auch zu kaufen bekommen wird sei es offen, sei es in verschlossenen Gefäßen. In größeren Städten wird sich eine geringe Zahl von Verkaufsstätten erhalten; ihre Zahl wird zusammen mit den Schankstätten in die Verhältniszahl nach § 3 einzurechnen sein.

Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes verfallen alle jene Bewilligungen, die seit zwanzig Jahren und länger bestehen, also die bei weitem größere Zahl, in sehr vielen Gemeinden, besonders in den kleinen Landgemeinden, werden es alle oder fast alle sein. Selbstverständlich kann nach Inkrafttreten des Gesetzes nirgends eine neue Konzession erteilt werden, wo die Zahl der bestehenden die Verhältnis zahl überschreitet, was wohl überall der Fall ist. Nun findet sofort die erste, schon vorher vorzubereitende Abstimmung statt; von ihrem Ergebnisse hängt es ab, wie viele Konzessionen wieder verliehen wer den dürfen. Wird Frage 1 so beantwortet, daß alle nach der Verhältniszahl zulässigen Konzessionen erteilt werden sollen, was in den meisten Gemeinden zu erwarten ist, oder wird Frage 2 dahin beantwortet, daß nur 75, 50 oder 25% der zulässigen Bewilligungen erteilt werden sollen, so ist von der politischen Verwaltungsbehörde aufgrund der letzten Volkszählung die Zahl der auszubietenden Konzessionen zu er rechnen. Zunächst ist die Gemeinde zu fragen, ob sie auf alle oder einen Teil der Bewilligungen und auf welche Anspruch erhebt; diese sind ihr dann zu erteilen; verzichtet sie ausdrücklich auf alle oder auf einen Teil, so sind die freibleibenden in erster Reihe an Gesellschaften, die sich darum bewerben und die daran geknüpften Bedingungen übernehmen, erst, wenn beides nicht durchführbar sein sollte, an Privatpersonen, sei es an die bisherigen Inhaber, sei es an andere, zu erteilen. Die Erteilung erfolgt durch die politischen Verwaltungsbehörden; sowohl bei der Auswahl unter den Konzessionsbewerbern als auch bei Anstellung der Geschäftsführer der Gemeinden und Gesellschaften, die der Behörde namhaft gemacht werden müssen, sind die sittlichen Eigenschaften besonders zu prüfen; Normen dafür sind, soweit sie nicht schon in der Gewerbeordnung enthalten sind, in der Durchführungsverordnung zum Gesetze festzusetzen.

In der Durchführungsverordnung sind auch Richtlinien für die Entscheidung der Frage zu geben, welche der bestehenden Schank und Verkaufsstätten zu belassen und welche aufzuheben sind. Die Entscheidung muß von praktischen Gesichts punkten aus getroffen werden. Man wird zunächst auf örtliche Verhältnisse Rücksicht nehmen, so daß eine gleichmäßige Verteilung in der Gemeinde stattfindet, besonders wenn sie ausgedehnt ist oder aus mehreren Ortsteilen besteht; man wird die vom gesundheitlichen und aesthetischen Standpunkte aus günstigen Räumlichkeiten vorziehen. Grundsatz soll sein, daß Hotels und große Restaurants, die Fremdenzimmer abgeben und viel Speisewirtschaft betreiben, die Konzession zum Ausschanke alkoholischer Getränke nicht mehr bekommen, noch weniger Kaffeehäuser, Konditoren, Touristeneinkehrhäuser, Klubs, Gaststätten in öffentlichen Gebäuden wie Theater, Konzerthäuser, Parlamente u. dgl. Übernimmt die Gemeinde den Betrieb aller oder eines Teiles der Konzessionen, so steht es ihr im Einvernehmen mit der politischen Behörde frei, welche weitergeführt, welche aufgelassen werden sollen.

Ist der Zustand in solcher Weise geregelt, so dürfen bis zur nächsten, nach 10 Jahren vorzunehmenden Abstimmung nur dann erteilt werden, wenn alte er löschen, was nur bei solchen geschehen kann, die in den Händen von Privatpersonen sind, oder wenn die Bevölkerung so anwächst, daß die Zahl der Konzessionen unter die durch die Abstimmung festgesetzte Verhältniszahl sinkt. Ob Konzessionen wieder, bzw. neu zu erteilen sind, wird durch Beantwortung der Frage 3 § 5 entschieden; wird sie verneint, so verfallen frei werdende Bewilligungen und wer den auch keine neuen mehr erteilt, selbst wenn die Zahl der bestehenden unter den Schlüssel sinkt.

Es erscheint, wie besonders hervorgehoben werden soll, durchaus nicht not wendig, für Ausflugs oder Badeorte, Kurorte und sonstige Verkehrszentren Aus nahmen zu gestatten, etwa eine höhere Verhältniszahl zuzugestehen. Die Zahl der Hotels, Gasthöfe, Einkehrhäuser, Erholungsunterkünfte, Speisenanstalten usw., der Kaffeehäuser, alkoholfreier Stätten wird durch dieses Gesetz, also auch durch die erhältniszahl gar nicht berührt, man kann ihrer so viele errichten, als dem Bedürfnisse entspricht, dies wird nach wie vor dem Urteile der die Konzessionen er teilenden städtischen und staatlichen Behörden überlassen bleiben; nur müssen und werden sie alkoholfrei geführt wer den. Daß in Wallfahrtsorten, Touristen zielen u. dgl. eine Alkoholschankstätte neben der anderen zu finden ist, muß als Auswuchs gebrandmarkt werden, der mit den wirklichen Zwecken dieser Einrichtungen gar nichts zu tun hat. Ebenso ist es ein Mißbrauch, daß bei Volks und Vereinsfesten fliegende Alkoholschanksätten bewilligt und errichtet werden; wenn der artige Veranstaltungen nicht besucht wer den und nicht bezahlt machen, wenn man den Alkohol wegläßt, dann verdienen sie aufgelassen zu werden. Derartige Sonderbewilligungen kann es natürlich nach Einführung des Gesetzes nicht mehr geben. Übrigens ringt sich die Überzeugung, daß Wandern, Sport, Volksfeiertage und Volks feste usw. vom Alkohol frei zu halten sind, ohnedies schon bei allen Vernünftigen durch, so daß solche gesetzliche Hindernisse die öffentliche Meinung durchaus nicht verletzen werden. Sehr oft geht diese Verquickung des Festes mit Alkoholmißbrauch den Veranstaltern schon heute gegen die Überzeugung, sie lassen ihn nur zu, weil es von anderer Seite eben auch geschieht.

Es bedarf wohl nicht erst der eingehen den Begründung, daß nach § 7 weder die Gemeinde noch die gemeinnützige Gesellschaft Ausschank und Verschleiß durch Pacht weitergeben darf, sondern selbst durch Angestellte ausüben muß, so wie daß der Ertrag nur zur direkten oder indirekten Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden ist. Kommunalisierung und Gotenburger System, die da beide neben einander zur Anwendung kommen sollen, haben denselben Zweck, es soll durch Ausschaltung des Anreizes, den der Gewinn aus der Alkoholisierung des Volkes bildet, die Versuchung vermindern und es dahin bringen, daß man in der Gaststätte ebenso gerne gesehen wird, wenn man Kaffee oder Fruchtsaft trikt oder eine Aufenthaltsgebühr entrichtet wie wenn man Bier oder Schnapps verzehrt. Freilich wird bei Errichtung der gemeinnützigen Gesellschaften sehr sorgfältig darauf gesehen werden müssen, daß sich das Alkohol kapital nicht ihrer bemächtigt, sei es auch durch Strohmänner, und so deren Bestrebungen durchkreuzt und behindert; sie müssen in möglichst weitgehendem Maße der Kontrolle durch die Gemeinde und die Öffentlichkeit unterliegen. Würde das Pachtsystem zugelassen, so müßte der Pächter sich zu bereichern suchen und auch dann würde der Zweck nicht erfüllt Andererseits darf die Gemeinde aber auch ihren Voranschlag nicht auf die Einnahmen aus dem Alkohol aufbauen; der Fiskalismus ist genau so gefährlich wie die Gewinnsucht des Einzelnen. Nur wenn der Gemeindekassier kein Interesse daran hat daß Alkohol abgesetzt wird, weil es der Gemeinde nichts einträgt, wird die Gemeinde den Alkoholgenuß nicht fördern Das Wesentlichste aber ist, daß nur auf diesem Wege die Mittel beschafft werden können, um die Volkshäuser, Büchereien und Lesezimmer zu schaffen, die die wichtigste Vorbedingung für die Befreiung des Volkes vom Wirtshauszwange sind; der Alkohol muß die Mittel liefern, um sich selbst überflüssig zu machen.

Vielleicht erscheinen die Bestimmungen des § 12 als übertrieben und unnötig; aber es ist unbedingt notwendig den Unfug des Fuselkonfekts aus der Welt zu schaffen oder doch unschädlich zu machen. Diese Kognakbohnen und Likörbonbons werden fast ausschließlich von Kindern und Jugendlichen gekauft, die dadurch schon im zarten und schutzbedürftigen Alter mit einem ganz abscheulichen, minderwertigen Schnapps Bekanntschaft machen. Wenn man jetzt im Laden nicht ausdrücklich verbietet, daß einem solcher Schnappskonffekt gegeben wird, so bekömmt man das Zeug so gut wie jedesmal beim Einkauf von Mischungen von Bonbons oder Praliées. Es ist nachgewiesen, daß junge Leute nach Genuß von 1 Kilogramm Likörbonbons betrunken gewesen sind. Man kann nicht Ausschank und Verschleiß durch strenge Gesetze regeln, ohne auch diesen Mißbrauch einzubeziehen. Vielleicht wäre es am richtigsten, die Erzeugung solcher ganz überflüssiger Zuckerware ganz zu verbieten; denn welchen Sinn soll diese Kombination von Süßigkeiten mit einem berauschenden Stoffe haben; da dadurch aber Handel und Fabrikation sich zu sehr geschädigt fühlen würden, so soll es bei den in § 12 aufgezählten Beschränkungen sein Bewenden haben. Daß der Verkauf an Kinder und Jugendliche verboten wird, ist selbstverständlich, da sie ja auch keinen Branntwein kaufen dürfen, es war nur ein Übersehen. daß dieses Verbot nicht schon in das Gesetz vom 17. Februar 1921, das den Verkauf alkoholischer Getränke an Jugendliche untersagt, aufgenommen worden ist.

Schließlich noch einige Worte über die Wirkung, die das Gesetz auf die im Gastgewerbe tätigen Unternehmer und Arbeitnehmer ausüben wird. Die letzteren wer den nicht allzu viel davon verspüren, denn die Zahl der Hotels, Cafés, Speisehäuser usw. wird nicht abnehmen; die kleinen Schankstätten werden verschwinden, die beschäftigen aber nur wenig Leute, und unter diesen ist wieder ein großer Teil weiblichen Geschlechtes, den aus dem Frohndienste des Alkoholbetriebes zu befreien soziale Pflicht ist. Durch die Verminderung der Schankstätten werden die übrigbleibenden ihren Umfang erweitern, so daß sie mehr Angestellte verwenden werden als bisher; auch werden ja die Gemeinden und Gesellschaften, die Konzessionen erwerben werden, Geschäftsführer usw. brauchen. Erst dann, wenn durch die Abstimmungen die Gemeinden trocken gelegt werden, wird der Bedarf sinken; das wird aber gewiß erst später und so all mählich geschehen, daß bei der ohnedies nicht sehr großen Zahl von Menschen, die vom Alkoholvertriebe Arbeit bekommen, bedenkliche Wirkungen ausgeschlossen sind.

Ärger betroffen werden natürlich die Wirte, Schänker und Alkoholkleinhändler; von ihnen wird ein beträchtlicher Teil schon durch die Einführung der Verhältniszahl überflüssig werden. Nun ist aber zu bedenken, daß erstens ein recht großer Teil von Wirten, besonders in den Landgemeinden und Kleinstädten den Alkoholausschank und das Wirtsgewerbe nur als Nebengeschäft betreibt; sie sind Metzger und Selcher, Landwirte, Krämer, so daß eine Berohung ihrer Existenz nicht ein treten wird, und daß zweitens recht viele Menschen, die irgend ein anderes Gewerbe erlern haben, aus Gründen. die hier nicht erörtert werden können, zum locken den Wirtsgeschäfte greifen, ein Gasthaus pachten und ihr Leben darauf aufbauen, daß sie möglichst Viele zum Genuße des Volksgiftes verführen. Auf beide Arten von Alkoholschänkern braucht man wenig Rücksicht zu nehmen; fehlt diese Gelegenheit, so werden sie ebenso gut ihr Leben auf andere Weise fristen.

Die Besitzer der Konzessionen sind heute größtenteils Hausbesitzer, für Die freilich die schankberechtigung eine wesentliche Erhöhung des Wertes ihres Objektes bedeutet. Sie werden im Laufe der bis zur Durchführung des Gesetzes verstreichenden zehn Jahre Zeit genug haben durch Abschreibung usw. den veränderter Verhältnissen Rechnung zu tragen.

Schließlich wird der beste Teil der Wirte, der Sachkenntnis besitzt und sich allgemeinen Ansehens erfreut, auch dann noch nicht nur als Hoteliers, Kaffetiers, Leiter von Speisehallen usw. sondern auch als Geschäftsführer in den Gemeinde- und Gesellschaftsschankstätten, eventuell auch als Inhaber einer der noch für Private zur Verfügung stehenden Konzession Brot und Stellung finden. Der Abbau wird gerade auf dem vorgeschlagenen Wege so langsam und allmählich vor sich gehen, daß die Zahl der Opfer äußerst gering sein wird. Solchen zur Seite zu stehen, die am Ende doch in ihrer Existenz bedroht wer den, wird Sache und soziale Pflicht der Gesellschaft sein.

In formeller Beziehung wird beantragt, daß der Entwurf dem Gesundheitsausschuß und dem Ausschusse für Handel und Gewerbe zugewiesen wird. Es handelt sich um ein Problem, das zunächst eine Reform der Gewerbeordnung bedeutet, daher gründlich vom Standpunkte des wirtschaftlichen Verkehrs geprüft werden muß. Höher steht aber die Rücksicht auf die Gesundheit, Sittlichkeit und Entwicklung der Völker; Handel und Wandel sind nur Mittel zum Zwecke, Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, der Volksgesundheit, der Ertüchtigung der heranwachsenden Geschlechter sind das Ziel, dem jede Politik zuzustreben hat, darum muß auch der Gesundheitsausschuß, in dessen Wirkungskreis dieser Teil der Politik fällt, den Gesetzentwurf zunächst beraten. Ihm fällt die Entscheidung zu. ob der Weg, den der Entwurf beschreitet, zum Ziele führt, und darum gewählt wer den soll, der Gewerbeausschuß hat dann die Einzelheiten zu prüfen.

Eine Belastung des Staatsschatzes durch das Gesetz findet nicht statt, es ist daher nicht notwendig, für eine Bedeckung Sorge zu tragen.

Prag, am 23. März 1926.

Blatny, Taub, Kaufmann, de Witte, Schweichhart, Kirpal, Hackenberg, Pohl, Heeger, Grünzner, Dietl, Schuster, Dr. Czech, Cibulka, Juran, Dr. Gáti, Muna, Roscher, Bolen, Haiplick, Kreibich, Schäfer.


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