Ich will Ihnen hier einige Fälle anführen, um zu zeigen,
daß auch an den Universitäten Zustände herrschen,
die sicher eine Illustration für jene Vorkommnisse bilden,
die sich hinter den Kulissen abspielen. Wir wissen, daß
einzelne Lehrstühle unbesetzt bleiben nur deshalb, weil der
eine oder der andere Bewerber einer politischen oder konfessionellen
Richtung angehört, die dem einen oder andern Herrn nicht
paßt. So sehen wir z. B., daß an der èechischen
Universität die Lehrkanzel für Psychiatrie seit dem
Tode Prof. Heverochs unbesetzt bleibt, nur deshalb, weil der so
ziemlich einzige Petent Prof. Taussig ein Jude ist. Nur deshalb
wird die Lehrkanzel nicht besetzt. Diese reaktionären Tendenzen,
die sich an der èechischen Universität zeigen, sind
in verstärktem Maße an der deutschen Universität
zu beobachten. Die deutsche Universität wird vollstädig
jenen nationalen Kreisen überlassen, die ein hakenkreuzlerisches
System dort eingeführt haben. Das zeigen uns einige interessante
Fälle, u. zw. will ich sie hier etwas eingehender besprechen.
Professor Dr. Oskar Fischer, derselbe, der während des Kriege
die Frau des Präsidenten Masaryk in einem seiner Senatorien
versteckt gehalten hat, als der Haftbefehl gegen sie ergangen
ist, wird in der Èechoslovakei folgendermaßen behandelt:
Prof. Dr. Fischer ist 1876 in Schlan geboren, promovierte im Jahre
1900, habilitierte sich für Psychiatrie und Neurologie 1906
und wurde tit. Extraordinarius 1917. Von ihm stammen rund 60 wissenschaftliche
Publikationen aus dem Gebiete der Neurologie und Psychiatrie,
sein Hauptgebiet war die Histopathologie des Nervensystems und
namentlich die Erforschung der progressiven Paralyse und der senilen
Demenz, deren moderne pathologische Erkenntnisse vornehmlich auf
seinen Arbeiten beruhen. Weiter machte er sich einen Namen auf
dem Gebiete der Therapie der Tabes und progressiven Paralyse und
er hat das Phlogetan und die moderne chemische Therapie durch
künstliche chemische Fieberung eingeführt. Aus rein
persönlichen Gründen wurde er beim Abgang des Professors
Pick, trotzdem er als der qualifizierteste galt, glatt übergangen
und dasselbe geschieht auch jetzt, nachdem die Lehrkanzel für
Psychiatrie wieder frei geworden ist. Die persönlichen Gründe
datieren aus dem Kriege, in der er als Chefarzt der neurologischen
Abteilung des Garnisonsspitals in Prag und später des Barackenspitals
in Pardubitz tätig und durch sein humanes Verhalten den Soldaten
gegenüber bekannt geworden war. Er war es, der sich traute,
über den bekannten schwachsinnigen Trinker Oberstabsarzt
Halbhuber ein Gutachten abzugeben und offen zu sagen, daß
sein Vorgesetzter schwachsinnig ist. Deswegen wurde er in einen
Prozeß verwickelt, in dem er sogar des Verbrechens der Schwächung
der Heermacht angeklagt war. Halbhuber erfreute sich der besonderen
Freundschaft der nationalistischen Kreise Prags und einiger Professoren
der medizinischen Fakultät, die sich nicht scheuten, im Prozeß
Fischer-Halbhuber diesen als einen besonders intelligenten Arzt
hinzustellen, trotzdem einige Tage darauf fünf Gerichtspsychiater
den Halbhuber als schwachsinnig erklärten. Von da an stammt
die feindliche persönliche Einstellung einiger Professoren
des medizinischen Kollegiums, die die Niederlage ihres schwachsinnigen
Freundes, des bekannten Wüterichs Halbhuber, nicht verwinden
können. Solche Dinge sind es, welche maßgebend sind,
ob jemand in den Augen dieser Professoren qualifiziert ist, mit
ihnen in einem Kollegium zu sitzen. Ein weiterer Fall hat sich
abgespielt und zwar der des Dr. Wodak. Dr. Ernst Wodak. Ohrenarzt
in Prag, veröffentlichte über 80 Publikationen, darunter
ca. 40 Arbeiten über die Physiologie des menschhlichen Gleichgewichtsapparates,
auf Grund deren er heute als einer der Begründer dieses Gebietes
gilt. Weiter entdeckte er eine neue Behandlungsart der Schwerhörigkeit
mit Arsen, die heute allgemein in der Welt verwendet wird. Er
ist korrespondierendes Mitglied der rumänischen otorhinologischen
Gesellschaft, die ihn hiezu in Anerkennung seiner Verdienste um
den Fortschritt des Faches machte, er wurde als einziger deutscher
Facharzt in das internationale Kollegium rhinolarynologicum gewählt.
1926 wurde er von dem physiologischen Institut der Universität
Florenz zu einem Vortrag eingeladen, 1928 von der Universität
Saragossa (Spanien) eingeladen, dort Vorlesungen zu halten. Trotz
der ausgezeichneten Gutachten von Weltkapazitäten, wie Hajek
(Wien), Alexander (Wien), Stenger (Königsberg), Kobrak (Berlin)
etc. wurde seine Habilitierung von der hiesigen deutschen Universität
wiederholt aus rein persönlichen Gründen abgelehnt.
Ein krasser Fall hat sich unlängst zugetragen. Die dermatologische
Abteilung der Poliklinik sollte neu besetzt werden. Für dieses
Fach gibt es drei Dozenten in Prag, die 10 bis 20 Jahre habilitiert
und bekannte Fachärzte sind. Das Professorenkollegium schlug
aber als einzigen Kandidaten einen noch nicht habilitierten jungen
Arzt vor, weil die drei oben erwähnten Dozenten jüdischer
Abstammung sind. Von besserer Qualifikation des Protektionskindes
- allerdings ein Arier! kann keine Rede sein. Befindet sich doch
auch unter den nicht Berücksichtigten Dozent Dr. Hecht, der
sich durch seine wissenschaftliche Tätigkeit - 123 wissenschaftliche
Publikationen - als Fachmann eines internationalen Rufes erfreut.
Im Alter von 24 Jahren wurde er als Experte für Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten vom damaligen österreichischen
Innenminister nach Wien zu einer Enquete berufen. Er hat als erster
an den Schulen über Geschlechtskrankheiten Vorträge
gehalten (1910 bis 1912). Er ist Gründer und Leiter der deutschen
Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in
der Èechoslovakischen Republik. Er ist Fachbeirat des Gesundheitsministeriums
in diesen Fragen. Er war einer der Mitautoren unseres rühmlichst
bekannten Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.
Aber es ist auch einer der bekanntesten Serologen, dessen Aktivmethode
zur Diagnostik der Syphilis neben der Wassermann´schen am
meisten benützt wird. Sein Name hat in der ganzen Welt, besonders
aber in Frankreich und Amerika, einen guten Klang. Er schrieb
unter anderem eine Monographie über maligne Syphilis, ferner
ein Buch über die soziale Bedeutung und Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten, das als Standardwerk gilt. Und dieser
international bekannte Fachmann war im Vorschlag für die
dermatologische Abteilung der Poliklinik nicht enthalten. Die
Einstellung gegen ihn geht so weit, daß er seit 1913 gezwungen
ist, seine wissenschaftlichen serologischen Arbeiten in seinem
kleinen Privatlaboratorium auf eigene Kosten vorzunehmen. Und
das alles, weil Hecht der Abstammung nach Jude ist, weil er in
jungen Jahren ohne Protektion zu wissenschaftlicher Anerkennung
gelangt ist und vor allem, weil er der kommunistischen Partei
angehört. Vor zwei Jahren hat das Unterrichtsministerium
unter Minister Srdínko den Versuch gemacht, Hecht
eine eigene Arbeitsstätte an der deutschen Universität
zu verschaffen. Das Professorenkollegium der medizinischen Fakultät
hat sich dagegen ausgesprochen und damit Hecht eine intensive
wissenschaftliche Betätigung unmöglich gemacht.
Es ist also außer Zweifel, daß in diesem Staate die
Wissenschaft im Argen liegt und allen möglichen Einflüssen
unterliegt, bald nationaler, bald konfessioneller und vor allem
politischer Natur. Es ist außer Zweifel, daß die Gesundheitspolitik
und Sozialpolitik in diesem Staate nur ein Stiefkind sein kann,
weil die Intentionen hier nur darauf eingestellt sind, Profit
herauszuholen, wo es nur möglich ist, und alles andere beiseite
zu lassen. Unter allen diesen Gesichtspunkten müssen wir
diese Gesetzesvorlagen betrachten, wie sie für die Arbeiterschaft
Bedeutung haben und wie für die kapitalistische Wirtschaftsordnung.
Da finden wir, daß diese zwei Gesetzesvorlagen nichts anderes
bedeuten, als eine Bürokratisierung, eine Faszisierung der
Ärztekammern, einen erhöhten Einfluß der Staatsmacht
auf diese Ärzteorganisationen, um sie für den Staat
und seine imperialistischen Zwecke dienstbar zu machen. Es wurde
gesagt, daß die zwei ominösen Paragraphen 16 und 17
aus der Vorlage verschwunden sind, wo von der Mobilisierung der
Ärzte bei Seuchengefahr gesprochen wird. Meine sehr Verehrten!
Es ist kein Zufall, daß diese zwei Paragraphen in das Gesetz
hineingekommen sind und wieder hinauskamen, kein Zufall deshalb,
weil wir in der Faszisierung aller Institutionen in diesem Staate
ein Mittel sehen, den imperialistischen Krieg vorzubereiten. Son
sind auch diese zwei Gesetze als Vorkriegszeitgesetze zu werten,
mit deren Hilfe man die Autonomie der Ärztekammern zerstört,
um den staatlichen Einfluß zu stärken, damit man diese
Institutionen und ihre Träger für Zwecke des Staates
im Falle der Gefahr und für die Vorbereitung zum Kriege benützen
kann, wie man es braucht. Wir nehmen zu diesen zwei Gesetzen deshalb
eingehend Stellung und haben eine Anzahl von Abänderungsanträgen
eingebracht weil wir all die Tendenzen bekämpfen müssen,
einesteils das Wirkungsfeld der Ärzte einzuschränken,
anderenteils den Ärztekammern eine Disziplinargewalt zu geben,
die die bürgerlichen Gerichte zu erfüllen hätten,
wo die Ärztekammern nichts anderes als Ständeorganisationen
sind, um die gemeinsamen Interessen der Ärzte zu vertreten.
Es wurde von uns insbesondere auch der Kampf gegen die Erteilung
des Facharzttitels durch die Ministerien geführt, weil wir
uns sagten, die Erteilung des Fachtitels könne und dürfe
nicht die Aufgabe einer administrativen Körperschaft sein,
sondern müsse jenen obliegen, die die Möglichkeit einer
Kontrolle und der Beurteilung der Fähigkeiten des Petenten
haben. Es war interessant, als uns der Vertreter der mährischen
Ärztekammer bei einer Aussprache mitteilte, daß das
Ministerium einem Arzt den Fachtitel erteilt hat, der bereits
früher dreimal um den Fachtitel angesucht hat. Einmal zur
Erlangung des Spezialistentitels für Tuberkulose, als ihm
dieser abgelehnt wurde, für interne Krankheiten, und als
ihm auch dieser Titel nicht bewilligt wurde, erhielt er vom Ministerium
den Fachtitel für physikalische Behandlung. Dieser Arzt ist
jener Herr, der magnetisches Fett gegen Tuberkulose verkauft.
Sie können sich vorstellen, wie fachgemäß vom
Gesundheitsministerium der Fachtitel erteilt wurde. Wir wandten
uns gegen diese Methoden und sagten, die Vorbedingungen für
den Fachtitel zu beurteilen, solle den Ärzten obliegen, den
Kliniken und den Ärztekammern. Wir wandten uns gegen die
Bürokratisierung, daß die Staatsmacht einen erhöhten
Einfluß für ihre Politik gewinne. Es soll Aufgabe der
Ärztekammern und der Ärzte selbst sein, zu bestimmen,
wie die Honorare für ärztliche Leistungen festgesetzt
werden sollen. Gewiß kann uns dieser Zustand nicht entsprechen,
weil der Arme auf das Diktat des Honorars durch den Arzt angewiesen
ist. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß im kapitalistischen
Staate der Staat vor allem für alle jene zu sorgen verpflichtet
ist, die durch die kapitalistische Wirtschaftsordnung krank und
unbrauchbar geworden sind. Wir wandten uns auch - und darin befanden
wir uns in einem Gegensatz zu den Ärzten - gegen den falschen
Begriff der Standesehre, die noch ein mittelalterliches Überbleibsel
ist, wo von Ehrenkommissionen statt von Disziplinarkommissionen
die Rede ist. Wir wandten uns gegen den Versuch, bei den Wahlen
die Zusammensetzung der einzelnen Ärztekammern zu korrigieren,
wie insbesondere in der Slovakei, wo es eine gemeinsame Ärztekammer
für die Slovakei und die Karpathoukraina gibt. Wir verlangten
die Wahlen nach dem Proportionalwahlsystem, was aber abgelehnt
wurde, weil man nationalpolitische Befürchtungen für
die Zusammensetzung der Ärztekammern hatte. Wir haben an
der Proletarisierung des Ärztestandes natürlich kein
Interesse, weil wir wissen; je proletarisierter der Ärztestand
ist, desto gefährlicher ist er für den kranken Arbeiter,
der kranke Arbeiter wird nur Objekt des Erwerbes. Wir wenden uns
gegen diese Proletarisierung. Die Ärzte sollen so gestellt
sein, daß sie nach einem Pauschale den Kranken behandeln
und heilen.
Wir wissen, daß der Arzt als Amtsorgan nicht ein Ideal ist.
Wir sehen das insbesondere beim Militär, wo kranke Soldaten
dem Militärarzte ausgeliefert sind, die es nicht ganz genau
nehmen. Es liegt mir ferne, dem einen oder dem anderen Arzte,
seines nun ein Ziviloder Militärarzt, nahezutreten. Es gibt
aber unerhörte und unglaubliche Fälle. Ich habe von
dieser Stelle aus vor längerer Zeit den Fall des Soldaten
Grescho geschildert, der an schwerer Diabetes erkrankt war, vom
Militärarzt aber nicht als krank befunden wurde, obzwar der
Soldat Grescho zu einem Skelett abgemagert war, so daß die
Chargen und die Offiziere mit ihm Mitleid hatten und ihn in den
Magazinen versteckten, nur damit er nicht an die Öffentlichkeit
komme und dort vielleicht ein abschreckendes Beispiel biete. Als
der Mann auf 45 kg herabgemagert war, stellte man ihm ein Urlaubszeugnis
aus, laut welchem er vom Militärarzt als vollständig
gesund und infektionsfrei in die Heimat befördert wurde.
Hier angelangt, ist er im Schönberger Spital nach zwei Tagen
dem Tode erlegen. Als wir diesen Mann knapp vor seiner Einlieferung
ins Spital von einem Arzte untersuchen ließen, erklärte
dieser, daß dieser Zustand fast unglaublich sei, wie es
denn möglich sei, einen solchen Menschen monatelang beim
Militär zu behalten, obzwar die Harnprobe ergab, daß
er 5.8% Zucker hat. Der Grescho hat am Totenbett im Schönberger
Spital noch einen Artikel geschrieben, wo er ausspricht, daß
er vom Militär gemordet wurde, wo er ausspricht, daß
er weiß, daß er unrettbar verloren ist, daß
er aber nur deshalb geopfert wurde, weil er kommunistischer Angehöriger
ist, daß man ihn vom Militär nicht entlassen wollte,
weil er Kommunist ist. Dieses Beispiel könnte man unzähligemal
vermehren, unzähligemal in der Privatpraxis der einzelnen
Anstaltsärzte, unzähligemal bei den Ärzten des
Militärs und sicherlich auch in den Spitälern. (Posl.
Landová-Štychová: A také ve vìznicích!)
A také ve vìznicích, sehr richtig, vielleicht
dort noch krasser, dort haben wir den Fall Peschek, der haarsträubend
mit offener Knochentuberkulose im Gefängnis gehalten und
nicht entlassen wird, weil er nach dem Schutzgesetz angeklagt
ist. Es ist außer Zweifel: die kapitalistische Wirtschaftsordnung
hat an der Wiederherstellung der Gesundheit der erkrankten Menschen
nur so weit Interesse, als sie für den Produktionsprozeß,
als sie für das Profitinteresse der kapitalistischen Klasse
von Bedeutung sind. Alles andere sind Mittelchen, die man anwendet,
und so hat man auch diese beiden Vorlagen ein wenig aufgeputzt
mit den Bestimmungen über die erste Hilfe bei Tag und bei
Nacht, und mit der Bestimmung, daß der Arzt verpflichtet
ist, Hilfe zu leisten. Das ist ein Aufputz, der nach außen
hin den Anschein erwecken soll, daß ein Fortschritt in der
Gesundheitspolitik gegeben sei. Aber wir sehen, daß alle
diese Gesetze hinfällig werden müssen an dieser mörderischen
Wirtschaftsordnung, daß vielleicht eine kleine Milderung
der Schattenseiten, eine Milderung der Gegensätze erzielt
werden kann, daß es aber keine Lösung dieser Frage
gibt. Und es war treffend zu hören, wie ein Arzt bei dieser
Beratung im Gesundheitsausschuß erklärte: "Meine
Herren der Regierung und des Parlaments, ihr verlangt von uns,
daß wir gezwungen sind, gegen unsern Willen den Kranken
zu behandeln, obzwar ihr kein Recht dazu habt. Gibt es ein Gesetz,
wenn ein Hungriger auf der Straße ohnmächtig zusammenfällt,
daß irgend ein Geschäftsmann der Lebensmittelbranche
oder jemand anderer verpflichtet ist den Hungrigen zu laben?"
Nein! Und der betreffende Arzt hat recht gehabt. Leider ist es
so in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, daß hungrige
Menschen auf der Straße verrecken können, ohne daß
das Gewissen der Öffentlichkeit, des Staates, der kapitalistischen
Klassen geweckt werden kann,- um diesem Hungrigen zu helfen. Und
der Arzt sagte: "Wenn dieser lahùdkáø
nicht verpflichtet ist, den Hungrigen zu laben, wie können
Sie uns zwingen, wie können Sie uns vorschreiben, daß
wir einen Kranken laben sollen?" Meine Herren, das zeigt
so deutlich die Einstellung leider auch eines großen Teiles
des Ärztestandes, daß dieser Ärztestand zu einem
Erwerbsberuf wurde, zwar nicht für alle, aber für viele.
Sicherlich muß sich aus dieser Einstellung dann ein Gegensatz
bilden zwischen Privatinteresse und dem allgemeinen Interesse;
aber durch dieses Gesetz der ärztlichen Praxis kann dieser
Gegensatz nicht behoben werden. Wenn man in diesem Gegensatz zwischen
Privatinteresse und allgemeinem öffentlichen Interesse versucht
hat, in der Ärztevorlage das öffentlich rechtliche Gesundheitswesen
zu konzentrieren, so sind das alles nur Hilfsmittel, sind alles
Mittelchen zur Überbrückung, aber in Wirklichkeit werden
in der kapitalistischen Wirtschaft diese Unstimmigkeiten bleiben,
solange bleiben, bis es der Arbeiterklasse gelingt, die kapitalistische
Wirtschaftsordnung zu beseitigen, zu zertrümmern und an ihre
Stelle eine neue zu setzen, und die Gegensätze werden bleiben,
solange es den arbeitenden Menschen nicht gelingt, in gemeinsamer
Front den Kampf aufzunehmen nicht gegen die Auswucherungen der
kapitalistischen Klasse, sondern gegen diese privatkapitalistische
Wirtschaftsordnung selber. Wir sehen, daß diese zwei Vorlagen
nur ein weiteres Glied in der Kette des Faszisierungsprozesses
des öffentlichen und staatlichen Lebens sind, daß auch
diese Gesetze nichts anderes sind als Vorkriegsgesetze, daß
die Bürokratisierung der Ärztekammer und der Ärzteschaft
selbst erfolgen soll, d. h. eine Faszisierung, daß die Staatsmacht
hier ihren erhöhten Einfluß zeigt und daß die
Autonomie der Ärztekammern vollständig zerstört
wird. Dieselben Tendenzen haben wir aufgezeigt bei Verhandlung
des Sozialversicherungsgesetzes, beim Pensionsversicherungsgesetz,
dieselben Tendenzen werden vorbereitet für das neuzuschaffende
Unfallversicherungsgesetz und für das Bruderladengesetz.
Außer Zweifel: Wenn die Arbeiterklasse auch nicht ganz unmittelbar
an diesem Gesetz interessiert ist, so ist sie doch interessiert
an den Auswirkungen, an den Folgeerscheinungen und an den Methoden,
die in diesem Gesetz festgelegt sind. Es ist außer Zweifel,
daß die Arbeiterschaft daran interessiert ist, daß
der Ärztestand sichergestellt wird, denn je besser die Ärzte
gestellt sind, desto mehr Ärzte werden sein, desto besser
wird die Behandlung der Kranken, desto besser wird es für
die Arbeiterschaft selbt sein. Je schlechter die Ärzte gestellt
sind, desto weniger Ärzte wird es geben. Und so machen Sie
es, indem sie die Ausländer ausschalten, desto schlechter
und gefährlicher ist das Gesetz für die Volksgesundheit.
Und deshalb führen wir bei diesem Gesetz, das die Arbeiter
nur mittelbar interessiert, genau so den Kampf wie bei allen anderen
Gesetzen, die die Arbeiterschaft unmittelbar interessieren. Wir
sind überzeugt, die Arbeiterschaft wird erkennen, daß
jede einzelne gesetzliche Bestimmung, daß jedes einzelne
Gesetz, welches in diesem Haus beschlossen wird, nur Gesetze gegen
die Arbeiterschaft sind, daß diese Gesetze nur im Interesse
der kapitalistischen Klasse gelegen sind und wir deshalb nicht
nur kein Interesse an diesen gesetzlichen Bestimmungen haben,
an diesen kleinen Mittelchen, die sie der Arbeiterklasse hinwerfen,
sondern, daß wir den unversöhnlichen Kampf führen,
bis zu jenem Augenblick, bis es uns gelingen wird, die Macht auch
in diesem Staate zu ergreifen. (Potlesk komunistických
poslancù.)
Ich weiß wirklich nicht, wen ich ansprechen soll, die Bänke,
das leere Haus oder wen sonst. Nach den chiliastischen Ausführungen
des Koll. Schmerda, der alles von der Zukunft erwartet,
der mit dem Heranreifen des kommunistischen Zeitalters auch das
Heraufdämmern eines unbedingten Erdenglückes erhofft,
der seine ausführliche Rede mit Zeitungsartikeln und falsch
verstandenen Zitaten aus einer Rede von mir gespickt hat, auf
die ich später zu sprechen kommen werde, ist es vielleicht
gut, wenn man bei dieser Gelegenheit einmal eine Frage bespricht,
die sonst hier in diesem Hause nicht behandelt wird. Nach dem
Weltkriege, als man tatsächlich eine Weltenwende herankommen
spürte, habe ich einmal den Ausspruch getan: "Von jetzt
an muß eine Zeit kommen, wo das Geld nicht der Maßstab
der Dinge ist, sondern der Mensch". Und wenn wir diese Gesetze,
die uns heute beschäftigen, betrachten, so fällt mir
der Ausspruch ein: "Ein guter Arzt kann nur ein guter Mensch
sein."
Über unseren Stand wird in diesem Hause sehr selten gesprochen
und diese zwei Gesetze, so wenig geeignet sie auch dazu sind,
bieten doch Gelegenheit, sich einmal über diesen Stand und
über diese Frage etwas näher auszulassen. Kein Stand
ist mit unserem zu vergleichen, was Opferbereitschaft, was Mut,
Verachtung der Gefahr und des Todes zu jeder Zeit und in jeder
Lage betrifft. Was die Nervenanspannung, das hohe sittliche Verantwortungsgefühl
betrifft, kann sich kein anderer Stand über den unseren stellen.
Aber solche Eigenschaften, wie sie von einem guten Arzt verlangt
werden, kann man natürlich nicht mit Gesetzen schaffen, die
lassen sich überhaupt nicht schaffen, sondern die müssen
wachsen, organisch entstehen. Dazu gehört ererbtes und anerzogenes
Gut. Aus einem Material, das nicht die sittliche Vorbedingung
eines solchen Standes bringt, kann man keine guten Ärzte
schaffen, und wenn das sittliche Material vorhanden ist und man
es nicht erzieht, es heranbildet, tüchtig macht in jeder
Hinsieht, dann wird auch kein guter Ärztestand entstehen.
Es ist widersinnig, so etwas mit Zwang versuchen zu wollen. Zwang
erzeugt immer das Gegenteil von dem, was er will. Er erzeugt Widerstand,
Widerspruch und Erbitterung.
Das sehen wir auch bei diesen zwei Gesetzen, die doch, das kann
man nicht annehmen, vom Ministerium etwa mit Absicht gegen die
Ärzte gemacht worden sein können.
Es war ja zu begrüßen, daß in diesem Staate ein
Gesundheitsministerium errichtet wurde - ist doch die Gesundheit
das höchste irdische Gut des Menschen und ist die Gesundheit
schließlich ein Gut, das alle angeht, ob es ein èechischer
Chauvinist ist oder ein anderen Mensch. Denn die Krankheiten greifen
ja von einem Volksteil auf den anderen über, ohne zu fragen,
ob er ein Deutscher oder ein Èeche ist.
Wenn das damals zu begrüßen war, so ist es heute zu
verwundern, daß Gesetze, die vom Gesundheitsministerium
in´s Haus gebracht werden, von der ganzen Ärzteschaft
abgelehnt werden. Das gibt zu denken, und zwar in der Hinsicht
und in der Richtung, daß das Gesundheitsministerium entweder
nicht das ist, was es scheint, oder, daß es den Kontakt
mit diejenigen Faktoren nicht genügend gepflegt und gehalten
hat, ohne die es überhaupt keine Wirkung auf die Öffentlichkeit
haben kann.
Wir haben in der Ärztesprache für jene Kollegen, die
immer etwas ohne Grund unternehmen, ut aliquid fieri videatur
wie der Lateiner sagt - damit es scheint, als ob etwas gemacht
würde - für solche Kollegen haben wir auch den Ausdruck
Polypragmatiker einer der Vieles macht, was gar nicht notwendig
ist. Dann haben wir einen zweiten Spruch: bei jeder Behandlung,
bei jeder Kur ist das erste: Primum non nocere - lieber nichts
machen, als etwas, was schadet.
Und diese zwei Grundgedanken und Grundprinzipien unseres Berufes
haben sich scheinbar die maßgebenden Persönlichkeiten
im Gesundheitsministerium bei der Entwerfung dieser Gesetze nicht
vor Augen gehalten. Primum non nocere - lieber etwas, was in Ruhe
ist, gehen lassen. Bisher ging es. Es war kein zwingender Grund,
etwas zu unternehmen. Aber man glaubte, vielleicht etwas machen
zu müssen, damit wieder ein Gesetz da ist, damit sich das
Gesundheitsministerium rührt. (Posl. dr Koberg: Im Polizeistaat
muß alles reglementiert werden!) Sehr richtig. Das alte
lateinische Sprichwort sagt: "Plurimae leges, deterima res
publica" - und das trifft in diesem Staate zu. Je mehr Gesetze,
desto verdorbener der Staat. Denn wenn er nicht verdorben wäre,
brauchte er nicht so viel Gesetze.
Nun haben wir wirklich im alten Österreich gegen jetzt viel
weniger Gesetze gehabt. Es ist ein ganzer Regen von Gesetzen und
Verordnungen, von Dekreten und Erlässen ständig auf
uns niedergegangen, aber besser geworden ist nichts. Und so ist
es auch mit diesen zwei Gesetzen. Sie sind entsprungen der Vorstellung
von der Omnipotenz des Staates, daß er alles machen muß,
das er alles in seine Hand nehmen muß und daß erst
dann das Glück der Menschheit gesichert ist. Das ist nicht
nur im èechischen Staate so, sondern das ist ausgesprochen
auch im russischen Staate so, wo der Staat auch eine einzige große
Fabrik ist, ein einziges großes Kontor, ein einziges großen
Beamtenheer und Bedientenschaft, wo nur eine Spitze da ist, die
alles reguliert, vom Frühstück bis zum Nachtmahl und
von der Geburt bis zum Tode. Das ist in Italien so, wo der Faszismus
alles in eine Schablone zwängt, und das macht man hier in
der Èechslovakei auch so. Das ist Impotenz, weil das kein
Staat auf die Dauer leisten kann. Da müssen wir wirklich
sagen: "Amerika, Du hast es besser! " Amerika ist das
Land der Freiheit, da ist nicht alles reglementiert, und wem es
hier in einem Staate nicht paßt, der kann in den nächsten
auswandern. Amerika hat 48 Staaten, von denen jeder seine eigene
Gesetzgebung hat. Oder wir können, wenn Amerika uns geographisch
und daher vorstellungsmäßig zu weit liegt, die Schweiz
nehmen, wo ich, wenn mir z. B. die Bestimmungen des Kantons Zürich
nicht passen, in den Kanton Basel gehen kann. Aber wir sind hier
gezwungen, in diesem Einheitsstaate zu bleiben, als organischer
Bestandteil des Staates alles das über uns ergehen lassen,
was einige regierende Personen oder Parteien beschließen
und machen. (Výkøiky posl. dr Koberga.)