So sehen wir, daß wir uns in vielen Dingen im Gegensatz
zu den Ärzten befinden, die ja auf Grund der heutigen Wirtschaftsordnung
ihren Beruf, der ganz anders ist als jeder andere Beruf, als Erwerb
betrachten. Wir stehen aber auf dem Standpunkt, daß die
Ärzte wie in Sowjetrußland vom Staate bezahlt werden
und alle Kranken unentgeltlich zu heilen haben. Mit jener Sozialpolitik,
die in den kapitalistischen Staaten gemacht wird, können
wir nicht nur nicht einverstanden sein, sondern wir müssen
den Kampf dagegen, insbesondere gegen jene Sozialpolitik führen,
die in der Èechoslovakei betrieben wird. Denn sie wird
dazu benützt, um alle Organisationen, Körperschaften
und Einrichtungen der sozialen Fürsorge den staatlichen Interessen
dienstbar zu machen. Wir sehen eine allgemeine Bürokratisierung,
das ist Faszisierung aller Fürsorgeanstalten. Der Einfluß
des Staats wird auf alle Körperschaften ausgedehnt, aber
die Rechte jener Menschen, die in diesen Anstalten auf Grund ihrer
Stellung konzentriert sind, werden abgebaut. Es wird geklagt,
daß die Krankenversicherungsanstalten nicht eine derartige
fürsorgliche Tätigkeit entfalten, wie sich vielleicht
viele Herren der Koalitionsparteien immer wieder vorstellen oder
empfehlen. Dabei vergessen sie oder verschweigen absichtlich,
daß gerade sie es waren, die den Krankenversicherungsanstalten
die Mittel für die Entfaltung ihrer Tätigkeit entzogen
haben. Seit dem die letzte Koalition ans Ruder gekommen ist, sehen
wir einen Abbau und eine Verschlechterung der sozialen Fürsorge
in jeder Beziehung. Ich will nur diesbezüglich auf die allgemeine
Pensionsanstalt in Prag verweisen, die in der letzten Zeit, im
Juni, ein Rumdschreiben versendet hat, in dem sie mitteilt, daß
sie die Heilfürsorge nur auf ganz bestimmte Krankheiten ihrer
Mitglieder einschränkt. Bis jetzt war es Tausenden pensionsversicherten
Mitgliedern, gerade jener Schicht, die zwischen den manuellen
Arbeitern und der kapitalistischen Klasse steht, möglich,
in Bädern oder Fürsorgeanstalten Heilung von der Krankheit,
von der sie betroffen wurden, zu finden. In dem erwähnten
Rundschreiben vom 13. Juni aber heißt es: "Gemäß
den Grundsätzen der Verwaltungskommission der Pensionsversicherungsanstalt
werden Beiträge nur zur sanatoriellen Behandlung bei allen
Tuberkuloseerkrankungen der Lunge und der Knochen bewilligt. Zur
sanatoriellen Behandlung von Nervenkrankheiten, Rheumatismus,
Ischias, Herzkrankheiten, Magenkrankheiten und anderen chronischen
Leiden gewährt die gefertigte Anstalt keine Beiträge".
Das bedeutet eine kolossale Verschlechterung gegenüber der
bis Ende Mai geübten Praxis. Das bedeutet, daß Beiträge
nur jenen Kranken gewährt werden, die an Tuberkulose der
Lungen und Knochen leiden, daß hingegen alle, die an Rheuma,
an Ischias leiden, eine Herz- oder Magenkrankheit haben, überhaupt
nichts bekommen. Dabei wissen wir, daß die Pensionsversicherten,
insbesondere im vorgerückten Alter, von den meisten, dieser
Krankheiten betroffen werden. Wir können also nicht von einem
Ausbau, von einer Erweiterung der sozialen Gesetzgebung sprechen,
sondern nur von einer Verschlechterung derselben auf allen Gebieten.
Durch die letzte Novellierung des Sozialversicherungsgesetze ist
es soweit gekommen, daß die Arbeiter immer wieder über
die Unzulänglichkeit der Einrichtungen, auf die sie angewiesen
sind, klagen. Die Ernennungen des Fürsorgeministeriums in
die Bezirkskrankenversicherungsanstalten sind der gröbste
Hohn. Ich will darüber nicht eingehend sprechen. Allgemeine
Empörung, nicht nur bei der Arbeiterschaft, sondern bei allen
Schichten, die daran interessiert sind, herrscht über jene
Methoden, die das Ministerium für soziale Fürsorge hier
eingeschlagen hat. Wir sehen, daß die Sparmaßnahmem
in den Krankenversicherungsanstalten nur auf Kosten der kranken
Arbeiter erfolgen, und wissen, daß die Sparmaßnahmen
sich sicherlich in einigen Jahren bitter rächen werden an
der allgemeinen Gesundheit Wir sehen aber auch, daß die
Bezirkskrankenversicherungsanstalten zu den sonderbarsten Miteln
greifen. Nicht nur, daß man die Kranken durch Ärztekommissionen
gesund macht, wir sehen auch, daß einige Krankenanstalten,
die gewissenlos verwaltet und geführt werden, den Versuch
machen, die Arbeiter um die gesetzlichen Unterstützungen
zu prellen, indem eine Kasse die Leistungen auf die andere überwälzt
und den Arbeitern nichts gibt. Ich kenne Fälle, wo Arbeiter
sich jahrelang mit den Kassen um die ihnen gesetzlich zustehende
Krankenunterstützung herumstreiten mußten. Keine Kasse
wollte zahlen, eine verwies auf die andere. Es steht also außer
Zweifel fest, daß die Arbeiterschaft auf die Sozialpolitik
im bürgerlichen Staate mit andern Augen sieht, als vielleicht
die Herrschaften selbst sehen.
Meine Herren! Schon von meinen Vorrednern wurde auf eine Eiterbeule
hingewiesen, die sich hier in Prag gezeigt hat, das ist der Spitalskandal
in Prag. Vor zwei Jahren wurde unter Beteiligung vieler ausländischer
Ärzte in Prag eine Ärztetagung abgehalten. Als diese
Ärzte den Wunsch äußerten, die Klinik zu besuchen,
versuchte man, sie davon abzuhalten, aus begreiflichen Gründen,
die wir heute kennen. Und als sich diese Ärzte doch nicht
abhalten ließen, die Klinik zu besuchen, waren sie erschrocken
über diese Zustände im Allgemeinen Krankenhaus von Prag,
und es war die allgemeine Meinung der ausländischen Aerzte,
daß diese Zustände nicht nur skandalös sind, sondern,
daß sich gleichwertiges nur am Balkan findet. Die Zeitungen
haben sich in letzter Zeit sehr eingehend mit dieser Frage befaßt.
Es wird wohl gesagt daß die Regierung alles unternehme,
um die sanitären Zustände in der Èechoslovakei
so zu gestalten, daß sie den modernen Anforderungen entsprechen.
Wir können hier nur vom Gegenteil sprechen. Soweit wir uns
an der Besichtigung des Allgemeinen Krankenhauses beteiligt haben,
konnten wir nur konstatieren, daß die Zustände an der
Klinik nicht nur so sind, wie sie in den Blättern geschildert
wurden, sondern daß sie bei weitem schlechter, skandalöser
und unerhörter sind, als sie geschildert wurden. Und man
kann sich schon vorstellen, was in dieser Hinsicht in der Metropole
diese Staates vorgehen muß, wenn sich die Ärzte in
die Öffentlichkeit flüchten müssen, wenn sie der
Öffentlichkeit die Zustände schildern müssen, um
deren Gewissen wachzurufen und für sich zu gewinnen. Es ist
sicherlich von Vorteil, wenn ich den Protest der klinischen Vorstände,
also ein authentisches Dokument, hier zur Vorlesung bringe, um
nur einen kleinen Begriff davon zu geben, was sich an der Klinik
abspielt. Da heißt es (ète): "Auf der
Klinik Schloffer führt vom Erdgeschoß eine keinen Meter
breite, dreimal gewundene und beschädigte Treppe in den Keller.
Dort neben den Kohlenschuppen und anderen Aufbewahrungsräumen
befinden sich auch zwei Kellerzimmer der Orthopaedie. Die armen
Krüppel, einbeinige, die kaum kriechen können, müssen
zuerst unter Schmerzen die Treppen herunterhumpeln, denn getragen
können sie nicht werden, dazu sind die Stufen zu schmal;
ein Warteraum ist nicht vorhanden, nur eine aus Kistenbrettern
zusammengehauene Bank, die von der Treppenseite der Zugluft, von
der Kellerseite der Hitze der Beheizungsanlage ausgesetzt ist.
Klosett befindet sich keines dort." - Und als wir bei der
Besichtigung Professor Schloffer fragten, wo die Kranken ihre
Notdurft verrichten, so hieß es, hier vorn im Warteraum.
Der Warteraum war nichts anderes als der Kellergang, der durch
alle möglichen Röhre und Kisten und Gerümpel vollständig
verstellt wird. "Klosett befindet sich keines dort. Kommt
einem der Kranken ein Bedürfnis an, so ist es ihm fast unmöglich,
dies zu befriedigen, denn er müßte die famose Treppe
hinaufkriechen. Es bleibt ihm also meistens keine andere Wahl,
als auf dem Kohlenhaufen seiner Notdurft nachzugehen. Der Zandersaal
sieht wie ein mittelalterliches Laboratorium aus, die Geräte
scheinen fast durchwegs aus derselben Zeit zu stammen." Auf
unsere Frage wurde uns bedeutet, daß man neue Instrumente
und neue Einrichtungen für den Zandersaal nicht schaffen
könne, weil kein Platz vorbanden ist. Neben dem Zandersaal
ist noch ein kleiner Raum im Keller, wo die Wärterin wohnt
und die Nacht zubringt.
"Im Erdgeschoß, in gleicher Linie mit dem Erdboden,
befindeden sich nun die operativen Räume, bezw. die Krankenzimmer.
Wer nur auf wenige Stunden den Betrieb dieser Klinik sich angesehen
hat, der meint, daß es unmöglich ein Kulturstaat sein
kann, der solche Verhältnisse duldet und auf alle Beschwerden,
Eingaben nicht antwortet, der es nicht einmal der Mühe wert
findet, durch unvoreingenommene Fachleute einen Lokalaugenschein
vornehmen zu lassen, der tausende Staatsbürger so leiden
läßt."
Meine Herren, als dieser offizielle Bericht erschien, haben wir
von unserer Partei im Gesundheitsausschuß, der an demselben
Tage tagte, die sofortige Unterbrechung der Sitzung und Besichtigung
der Klinik auf Grund dieser Vorkommnisse beantragt. Unser Antrag
wurde abgelehnt mit der Motivierung, daß erst das Ministerium
von diesen Zuständen verständigt werde und daß
man erst dann darüber beraten werde, ob und wie man die Besichtigung
vornehmen solle. Meine Herren! Gerade der Minister für Gesundheit,
der Herr Dr. Tiso, der hat wohl in Konnersreuth die Therese
Neumann besucht, während seiner Amtszeit aber ist es ihm
niemals, auch nicht ein einzigesmal eingefallen, die wichtigste
Anstalt der Hauptstadt des Staates zu besuchen, um sich zu überzeugen,
welche Zustände dort herrschen. Es ist begreiflich, daß
Herrn Dr. Tiso die Therese näher steht als die Klinik,
als das Wohl von tausenden Menschen, die dort Zuflucht und Hilfe
suchen, ihm ist die Resl wichtiger für die Tätigkeit
der Heiligen Kirche, als die Gesundheit der Menschen, die zu Krüppeln
wurden, denen die kapitalistische Wirtschaftsordnung die Gesundheit
geraubt hat. (Výkøiky na levici.) Als unser
Antrag abgelehnt wurde und am nächsten Tag im Gesundheitsausschuß
doch der Beschluß gefaßt wurde, die Kliniken zu besuchen,
sahen wir, daß die Kommission, die sich auch aus Vertretern
der Koalitionsparteien zusammensetzte, über die Zustände
entsetzt darüber war, daß es menschenmöglich ist,
derartige Zustände jahrelang in Prag zu dulden, ohne daß
eine einzige verantwortliche Person hier irgendetwas getan hätte,
um Abhilfe zu schaffen. Ich will in diesem offiziellen Protest
der klinischen Vorstände fortfahren. Es heißt weiter
(ète): "Der Hörsaal dient gleichzeitig
als Operationssaal, Gipszimmer, Bestrahlungsstätte und zu
orthopädischen Zwecken. Von da gelangen wir in den Warteraum.
Dort sitzen auf zwei Bänken die zu Operierenden, diese, denen
doch gewiß nicht allzu leicht zumute ist, müssen leichte
Operationen, Narkotisierungen, Endoskopien (Untersuchungen der
Blasen, der Speiseröhre, des Mastdarmes) mit ansehen und
erbrechen oft vor Uebelkeit. Daran schließen sich zwei Operationssäle
An vier, oft fünf Tischen wird zu gleicher Zeit operiert.
Der kleine Saal besitzt keine Ventilationsmöglichkeiten.
Die Wasserzuleitung versagt häufig, die Atmosphäre ist
fürchterlich; unnötig zu sagen, was das für ein
Handicap für das Gelingen einer Operation ist. Der größere
Saal ist etwas besser bestellt und besitzt wenigstens eine manchmal
funktionierende Lüftungsanlage. Zwischen zwei anderen Zimmern
befindet sich noch ein Narkotisierungsraum, wenigstens führt
er den Namen. In Wirklichkeit ist es eine Rumpelkammer ohne Fenster,
in 6 unregelmäßigen Ecken, von der Größe
einer gewöhnlichen Küchenspeis. Anschließende
daran kommt nun das Badezimmer für 30 Aerzte, das aus einer
sicher 50jährigen, halb zerfressenen Badewanne besteht und
soviel Raum einnimmt, daß nur ein ganz kleiner Mann sich
umdrehen kann. Dort sollen sich die Aerzte, die nach schweren
Operationen verschwitzt, beshmutzt und ermüdet sind, reinigen
und Erholung finden."
Meine sehr Verehrten! Als wir diesen Raum besichtigten, wurden
gerade drei Operationen vorgenommen und man konnte sich überzeugen,
unter welch skandalösen und lebensgefährlichen Umständen
Operationen an Menschen vollführt werden, wo nebenbei noch
die Gefahr der Infektion besteht. Das, was als Warteraum bezeichnet
wird, dient nach den Ausführungen des Herrn Professor Schloffer
nicht nur als Warteraum, sondern auch als Vorbereitungsraum für
Operationen, wo Narkotisierungen, Blasen- und Mastdarmspülungen
vor den Augen jener Leute vorgenommen werden, die zwischen Tod
und Leben schwaben und die schon im nächsten Augenblick selbst
am Operationstisch liegen sollen. Es war dies ein haarsträubender
Anblick, und das Gruseln überlief jeden, der nur an die Möglichkeit
dachte, daß eventuell er selbst oder einer seiner Familienangehörigen
einmal gezwunge wäre, sich hier in diesen elenden Räumen
einer Opertion unterziehen zu müssen. Herr Professor Schloffer
erklärte uns weiter, daß in diesem Raume täglich
10 schwere Operationen vorgenommen werden, und daß man außerdem
noch in dringenden Fällen im Demonstrationssaal, wo Schmutz
und Staub herrscht, Operationen vorzunehmen gezwungen ist. Auf
unsere Frage, ob sich in dieser Abteilung ein Bad befände,
hieß es, daß im ganzen Trakt der Schlofferschen Abteilung
ein einziges Bad eingerichtet ist, was doch für ein Spital
die erste Bedingung ist. Auf unsere Frage, wo die eingeliferten
Kranken gebadet werden, sagte man uns, daß in den einzelnen
Krankenzimmern Badewannen aufgestellt werden, wo die zu Operierenden
vor den Augen der anderen Patienten gebadet werden. Das ist ein
derart unerhörter Skandal, daß eine Regierung, die
nur ein bißchen Gewissen hätte, es nicht dulden könnte,
daß derartige Zustände hier herrschen. Es wurde hier
schon gesagt, daß für 30 Aerzte, die täglich mit
Verwundeten in Berührung kommen, die mit Infektionskrankheiten
kämpfen, nur eine einzige Badewanne zur Verfügung steht.
Wo jene Leute aber nach den Operationen sich reinigen sollen,
davon ist keine Rede.
Es heißt weiter in dem offiziellen Protest der klinischen
Vorstände (ète): "Nun kommen wir in die
gegenüberliegende Ambulanz. Der Warteraum bietet etwa 20
Personen zur Not Platz. Durchschnittlich müssen aber 50 Personen
Platz finden. Da nicht gelüftet wird, ist die Luft dick und
schwül, so daß fortwährend Ohnmachtsanfälle
zu verzeichnen sind. Die weibliche Am ulanz hat nur einen Behandlungstisch
und bietet nur für einen Arzt und eine Schwester Platz, die
gleichzeitig die Schreibformalitäten und die Behandlung durchführen
müssen. Auch hier, durch Ueberfüllung des Warteraumes,
sehen die Wartenden der Entblößung der Wunden und den
ärztlichen Eingriffen zu. Die männlich Ambulanz ist
etwas größer, wird dafür aber auch um mehr als
das Doppelte in Anspruch genommen und gleicht eher einem Schlächtersaal
als einer Klinik. Bis Mai wurden 4000 Männer behandelt."
In dem offiziellen Protest der klinischen Vorstände wird
gesagt, daß dieser Warteraum für 20 Personen berechnet
ist, daß er aber gewöhnlich von 50 Personen belegt
ist. In Wirklichkeit ist in diesem Raum - und das werden mir alle
Damen und Herren bestätigen, die sich an dieser Exkursion
beteiligt haben - nicht einmal Platz für 10 Personen; überdies
ist dieser Raum ein Warteraum für Männer und Frauen,
es haben also die weibliche und männliche Ambulanz, die nebeneinanderliegen,
nur diesen gemeinsamen Raum, und Tatsache ist, daß der Raum
für die weibliche Ambulanz ein derart skandalöser ist,
daß dort gleichzeitig an einem Tisch und in den einzelnen
Ecken dieses kleinen Raumes Personen untersucht und verbunden
werden und auch kleine Operationen an ihnen vollführt werden.
Richtig ist, daß es dort wie in eine Schlächterhaus
aussieht. Ueberall, auf allen Gängen, in allen Warteräumen
und in allen Zimmern stehen offene Kübel mit blutiger Watte,
mit Verbandzeug und allen möglichen Dingen, die das Erbrechen
nicht nur bei Kranken, die empfindlicher sind, sondern auch bei
gesunden Besuchern bewirken müssen.
Es heißt dann weiter (ète): "Die Krankenzimmer
bieten Raum für 108 Betten. Der tägliche Belag aber
beträgt bis 140 Kranke. Wie werden diese nun untergebracht?
Auf Matratzen, in Badewannen, auf bloßen Laken liegen schwere
Fälle und der Platzmangel ist so drückend, daß
die Ärzte gegen ihr ärztliches Gewissen gezwungen sind,
täglich Patienten vorzeitig zu entlassen. Ueberhaupt werden
die Operierten nur solange dort behalten, als es sich halbwegs
mit der Menschlichkeit in Vereinbarung bringen läßt.
Der diensttuenden Schwester ist ein fensterloser, schrankähnlicher
Raum zugewiesen, der kaum genügend Luft zum Atmen enthält.
Sehenswert sind die Klosette. Für 1000 Patienten zwei Klosette
in einem vermoderten Zustand." Es war unglaublich für
die Kommission, als sie die Klosettanlagen dieser klinischen Abteilung
besichtigte, festzustellen, daß diese Aborte, die sich dort
befinden, und ein Pissoir für 600 Hörer, für 30
Aerzte, für 80 liegende Patienten und für eine Unzahl
von ambulanten Kranken ausreichen müssen. Es ist das ein
Zustand, der unglaublich erscheint, unglaublich deshalb, weil
es fast ausgeschlossen ist, daß solche Zustände hier
in Prag herrschen könnten. "Dazu stehen im Vorraum Kübel,
die die nicht verzehrten Speisereste der Kranken enthalten, offen
herum. Die Speisen verfaulen, Fliegensschwärme sammeln sich,
verpestete Luft füllt die Räume. Interessant ist, daß
die Spitalsverwaltung diese verwesten Speisereste an Viehzüchter
um teures Geld verkauft und die Kübel so lange stehen läßt,
bis sich eben ein Käufer hiefür gefunden hat.
Die Roentgenstation erledigte dieses Jahr bisher 7500 Fälle.
Sie besteht aus vier winzig kleinen Löchern, die eher als
Kohlenschuppen, denn zur Roentgenbeobachtung taugen, Ueberall
herrscht elektrische Hochspannung, die Drähte hängen
frei herum, so daß für einen des Raumes Unkundigen
Lebensgefahr besteht. Unnötig zu sagen, daß die Tragbahren
in einem vollkommen vernachlässigten Zustand sind, der Fußboden
stellenweise aufgesprungen, verschmutzt u. s. w."
Man könnte das, was die klinischen Vorstände hier anführen,
fortsetzen und zeigen, in welchem Zustande sich eine der wichtigsten
Anstalten dieses Staates befindet, eine Anstalt, wo Tausende die
Rettung ihres Lebens suchen, wo die Ärzte Tag und Nacht gezwungen
sind, ihrer schweren Pflicht nachzukommen, wo sie die Aufgabe
haben, das Leben Hunderter von Menschen zu retten. Es ist natürlich,
daß im kapitalistischen Staat alle diese Fürsorgeeinrichtungen
nur notdürftig hergestellt werden, weil sie nicht danach
angetan sind, Profite für die kapitalistische Wirtschaftsordnung
abzuwerfen. Nur alle jene Anstalten, nur all jene Einrichtungen
der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die für die kapitalistische
Klasse Profite abwerfen, werden gefördert, werden ausgebaut,
wie sie eben die kapitalistische Klasse braucht. Die Zeitungen
haben unzählige Berichte in den letzten Tagen gebracht und
darin aufgezeigt, daß sich im allgemeinen alle solchen Einrichtungen,
Kliniken und Spitäler in einem ähnlichen Zustande befinden.
Ist es nicht ein Hohn, wenn wir hören, daß vor einigen
Tagen Prof. Dietrich, der Vorstand des Institutes für gerichtliche
Medizin, bei der Abschiedsvorlesung erklärt hat, er müsse
ausdrücklich feststellen, daß er die Anstalt genau
so übergebe, wie er sie vor 36 Jahren übernommen habe.
Nichts hat sich während dieser Zeit geändert, obzwar
genügend Pläne, genügend Vorschläge gemacht
wurden, um dort die räumlichen Schwierigkeiten zu beheben.
Sie wissen aus der Presse, daß die Klinik für Nervenleiden
des Prof. Haškovec gesperrt wurde, weil ein Streit zwischen
Staat und Gemeinde um das Gebäude ausgebrochen ist, ein Streit,
der nicht anders als auf Kosten der Nervenkranken ausgehen konnte.
Es streiten sich Staat und Gemeinde, es streiten sich die einzelnen
Ministerien, das Gesundheitsministerium mit dem Schulministerium,
wer die notwendigen Mittel flüssig machen soll, um die Anstalten
nicht nur auszubauen, sondern auch sie zu erhalten.
Es wird alles mit dem Geldmangel motiviert. Und schon daraus erkennen
wir die Höhe der Kultur eines Staates, wenn wir einen Vergleich
ziehen zwischen seiner Einwohnerzahl und den Krankenbetten in
diesem Staate. So finden wir, daß in Amerika auf 100 Einwohner
ein Krankenbett kommt, in Deutschland auf 200, in Prag aber auf
400 Einwohner ein Krankenbett. Schon daraus können wir schließen,
welche fürchterliche Zustände hier in Prag herrschen.
(Posl. Landová-Štychová: To je zloèinná
sabotáž na zdraví národa!) Tak jest.
Man spricht von Kulturfragen, spricht von nationalen Fragen, man
spricht von der Entwicklung und von dem Schutz des Volkes und
wir sehen, daß in dieser kapitalistischen mörderischen
Wirtschaftsordnung die Menschen durch Hunger, durch Elend, aber
auch durch Krankheiten besiegt und gemordet werden, daß
niemand dazu beiträgt, um diese skandalösen Zustände
abzuändern. Für alle möglichen Zwecke hat man die
nötigen finanziellen Mittel, für das Gesundheitswesen,
für soziale Einrichtungen, Fürsorgeanstalten jedoch
hat man nichts übrig. Es wurde schon angekündigt, daß
das Budget für den Militarismus im nächsten Jahr um
80 Mill. Kè erhöht werden soll. (Posl. Landová-Štychová:
Oni musejí oslavit sv. Václava!) Sehr richtig,
oslavit sv. Václava! Da gibt es für alle möglichen
Feierlichkeiten und Empfänge, für Reppräsentationen
genug Gelder; für Krankenhäuser, für Spitäler,
für Kliniken hat man nichts. Ich will hier auf das neuerbaute
Spital auf der Bulowka hinweisen, das im Jahre 1930 eröffnet
werden soll und wo 1100 Betten zur Verfügung stehen werden.
Die komplette Einrichtung des Spitals kostet 70 Mill. Kè.
Das Militärbudget soll im nächsten Jahr, wie bereits
erwähnt, um 80 Mill. Kè erhöht werden. Das bedeutet,
daß man für dieses Geld oder für Gelder, die man
sonst für Mordwerkzeuge benötigt, 1200 Betten in Prag
neuerrichten könnte. Es wäre nötig, daß man
Isolier-Pavillone für Infektionskrankheiten, für Tuberkulöse
in den einzelnen Spitälern hier und in der Provinz einrichtet,
daß man moderne Roentgenanlagen schafft, denn wir wissen
aus der Praxis, daß sehr viele Verbrennungen von Kranken
in den Spitälern in Prag und draußen vorkommen, weil
die Roentgenapparate teilweise veraltet sind und weil die Anstalten
nicht die Mittel haben, um die entsprechenden Forschungen auf
dem Gebiete anzustellen. Es kommt zu Prozessen. Das ist aber nicht
das Gefährlichste daran, sondern gefährlicher ist der
Umstand, daß infolge der Verbrennungen zahlreiche Menschen
zugrundegehen müssen. All das wird immer und immer wieder
damit motiviert, daß kein Geld für all diese Dinge
vorhanden ist. Als wir im Allgemeinen Krankenhaus die Frage stellten,
was die Ursache dieser Zustände ist, wurde uns bedeutet,
daß das Allgemeine Krankenhaus mit den klinischen Abteilungen
ungefähr 34 Mill. Kè Schulden hat und daß eine
Erhöhung des Budgets von 3 auf 9 Mill. Kè notwendig
wäre, um die laufenden Ausgaben zu decken. Ich habe gesagt,
dafür hat man nichts übrig. Für Zuckerbarone, für
die Sanierung von verkrachten Banken, für Filme, für
alle möglichen Dinge gibt es Millionen und Abermillionen.
Der Militarismus kostete im Jahre 1928 1400 Mill. Kè. Wieviel
könnte da für die leidende Menschheit geleistet werden!
Für den Rüstungsfonds, der ganz kontrollos verwaltet
wird, werden 315 Millionen verausgabt. Ich will an einigen kleinen
Beispielen zeigen, wofür Geld da ist und welche Schichten
der Bevölkerung an der Futterkrippe in diesem Staate sitzen.
So finden wir, daß der Landeskulturrat, in dem die Häusler,
die Kleinbauern, die Landbevölkerung nicht vertreten sind,
jährlich 12 bis 13 Millionen an Subventionen verteilt, daß
der Zentralausschuß dieser Körperschaft jährlich
25 Millionen an Staatsgeldern verteilt. Subventionen für
Viehställe, Magazine, für Geflügel, Weideplätze,
für Rindvieh und Schweinefutter, Düngemittel, Kaninchen,
Tauben und Teiche, für alle möglichen Dinge gibt es
Millionen und Abermillionen, für die Kliniken und Spitäler
gibt es kein Geld und man überläßt sie ihrem Schicksal.
Subventionen gibt man insbesondere den Herren Agrariern und ihren
Genossenschaften. So bekommt die landwirtschaftliche Vorschußkasse
in Litomyšl 50.000 Kè Subvention zum Einkauf von Vieh.
Die landwirtschaftliche Vorschußkassa in Klattau erhält
20.000 Kè zum Einkauf von Kunstdünger. Kunstdünger
und Vieh sind wichtiger als Menschen, die durch die kapitalistische
Wirtschaftsordnung unbrauchbar geworden sind und nicht mehr ausgebeutet
werden können. (Posl. Landová-Štychová:
Je tu ještì slib království nebeského
po smrti!) Tak jest. Alles wird dotiert, untereinander verteilen
Sie die Gelder, wie sie brauchen. Wir wissen, daß die Regierung
und das Parlament für alles mögliche Gelder übrig
hat. Ich erinnere nur daran, daß bei der Aufbesserung der
Pensionen der Generäle ein pensionierter General ca. 50.000
Kè bekommen hat. Ein römisch-katholischer Feldkurat
bekommt 42.000 Kè jährlich. Ein Militärpferd
kostet jährlich 6000 Kè, ein Polizeihund 1200 Kè
eine Briefposttaube 800 Kè. Für diese Zwecke, für
die Militarisierung des öffentlichen Lebens gib es Millionen
und Abermillionen. Für die Kliniken, für die Tuberkulösen,
für die Kinder in den Prager Schulen hat man nichts übrig.
Ja, für die Pferdezucht gibt es 23 Mill. jährlich, aber
6 oder 9 Millionen für das Prager Allgemeine Krankenhaus
kann das Gesundheits- und Schulministerium nicht aufbringen. Für
die russischen Emigranten gibt die Regierung 4 Millionen aus,
für die Rekonstruktion der genossenschaftlichen Spiritusrabrik
werden jährlich 4 Millionen Kè ausgegeben. Für
ein Bad in einem Spital aber hat man nicht die notwendigen Gelder,
und es hat Herr Abg. Johanis hier ein treffendes Beispiel
gesagt, daß das Spital mit der Staatsverwaltung sich ein
ganzes Jahr um die Anschaffung eines neuen Sparherdes gestritten
hat, weil der alte verbrannt ist. Spiritusfabriken sind natürlich
für die Profitgier der Kapitalisten und Agrarier wichtiger.
Auch für die Gendarmerie hat man jährlich 45 3/4
Millionen Kè, für die Kliniken, für die Spitäler
nichts.
Sehr verehrte Anwesend! Tagtäglich sieht man in Prag neue
Bauten, Paläste entstehen. Die philosophische Fakultät,
die Rechtsfakultät und andere Paläste gehen der Vollendung
entgegen. Ich will damit nicht sagen, daß diese Bauten überflüssig
seien, ich will nur sagen, daß doch die Ausgaben für
die Gesundheit von Tausenden und Abertausenden von Menschen wichtiger
sind. Vom Jahre 1918 bis zum Jahre 1927 wurden fast 20 Milliarden
für den Militarismus in diesem Staate ausgegeben. Das zeigt
uns, daß hier für alles Geldmittel vorhanden sind,
nur nicht für die arbeitenden Menschen, nicht für jene
Einrichtungen, die notwendig sind, um die Gesundheit der ausgebeuteten
Menschen wieder herzustellen.
Die Wissenschaft ist schon dadurch ein Stiefkind geworden, daß
die einzelnen Ministerien von Leuten besetzt sind, die an der
Therese Neumann größeres Interesse zeigen als an dem
Volkswohl und an der Volksgesundheit. Wir wundern uns nicht, daß
hier die Wissenschaft auf einer Stufe angelangt ist, die viele
Kreise veranlassen wird, ebenso vorzugehen wie in dem geschilderten
Fall der Spitalschande. (Posl. Landová-Štychová:
Pìstovati náboženský socialismus, to
pøijde lacinìji!) Tak jest.