Úterý 18. èervna 1929

Was zunächst geschehen müßte, ist, daß die Landesanstalt aus der Umklammerung der Kliniken hinauskäme, auf das Land, daß sie modern eingerichtet werde; das mindeste wäre ein Aufbau der Klinik und eine moderne Einrichtung, wenigstens aber eine Aufstockung des Gebäudes. Die Herren Professoren haben das Wort ergriffen, sie haben ihre Pflicht erfüllt, aber nicht ihre ganze Pflicht. Die Herren Professoren hätten mehr sagen müssen. Sie hätten auf das materielle Leid der Krankenpflegerinnen hinweisen müssen, auf die Bezahlungs- und Besoldungsverhältnisse derselben, auf den Skandal, daß Krankenpflegerinnen Monate lang warten müssen, um zu ihrem kärglichen Gehalt zu kommen. Sie hätten auf den Skandal der Ernährung der Krankenpflegerinnen hinweisen müssen, auf den Umstand, daß durch die Raumnot vier und fünf Krankenpflegerinnen in einem Raum zusammengepfercht sind, d. h., daß diejenigen, die nach einem schweren, mühevollen Tag einige Stunden Schlaf und einen Augenblick Erholung suchen, daß diejenigen, die Nachtdienst haben, den Schlaf nicht finden können. Die Professoren hätten ein Wort mehr sagen müssen, sie hätten auf die Notlage der Spitäler und Krankenanstalten auf dem Lande hinweisen müssen. Wenn auch heute das Krankenhauswesen auf dem Lande eine höhere Stufe erlangt hat als im alten Österreich, so ist dieser Umstand nicht der Regierung zu verdanken, sondern lediglich dem, daß nach dem Umsturz Tausende und Tausende von Menschen, die bisher von der Gemeindeverwaltung ausgeschaltet waren, nun in diese und auch in die Bezirke eingezogen sind und diesem ihnen ganz neuen Aufgabenkreis ein tiefes Interesse und Verständnis entgegengebracht haben. Erst einer späteren Zeit wird es vorbehalten sein, diese wundervolle Tatsache auch gebührend zu achten. Die Regierung ist diesen Menschen nicht zur Hilfe gekommen, denn die Sanitätssteuer reicht bei weitem nicht hin, um unser Krankenhauswesen etwa auf die Höhe zu bringen, die die moderne Entwicklung der Wissenschaft fordert. (Posl. Grünzner: Wird so geachtet, daß sie die soziale Fürsorge drosselt und vernichtet!) Die Regierung es ist so, wie es Genosse Grünzner sagt - hat diesen Menschen nicht geholfen, ist ihnen nicht zu Hilfe gekommen, sondern sie hat durch das Verbrechen des Gemeindefinanzgesetzes, das die sozialhygienische Tätigkeit der Gemeinden und Bezirke nahezu unterbindet, diesen Leuten Prügel vor die Füße geworfen.

Nach einer 10-jährigen Tätigkeit, Untätigkeit - ich habe mich nur versprochen - nach einem 10-jähriggen Winter- und Sommerschlaf sind uns nun auf einmal die beiden Gesetze, so paradox es klingen mag, überstürzt in das Haus geworfen worden. Gestatten Sie mir, daß ich zu der Geschichte dieser Überrumplung und Überstürzung auch einige Worte sage. Es war einen Tag unmittelbar vor Pfingsten, als die Einladungen an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses versandt wurden, der Ausschuß sollte sich einen Tag nach den Pfingstfeiertagen am Diensttagmorgen versammeln. Ich bin überzeugt, daß es schon technisch nicht möglich war, daß die Einladungen alle Ausschußmitglieder erreichen, und sie waren auch wirklich nicht da. Eine Anzahl war da, aber das waren Mitglieder der Oppositionsparteien, die Mitglieder der Koalitionsparteien zumeist gefehlt, und so ist es gekommen, daß nach stundenlangem Warten der Vorsitzende, trotzdem der Ausschuß zahlenmäßig beschlußfähig war, entgegen der Geschäftsordnung, den Ausschuß einfach vertagte. In einigen Tagen haben wir uns im Ausschusse versammelt und nun war auch nach Ansicht des Vorsitzenden der Gesundheitsausschuß beschlußfähig und hat getagt. Aber mitten in der Generaldebatte wurde ein Subkomitee gewählt, eine Sitzung des Subkomitees einberufen, und in der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses hatte ich - ich war just mitten in der Generaldebatte in meiner Rede unterbrochen worden - das Vergnügen, auf einer meiner Meinung nach ganz veränderter Diskussionsgrundlage meine Rede fortzusetzen. Ich glaube, auch wenn wir hier an allerhand gewöhnt sind, das war doch ein Übermaß an Verletzung der Geschäftsordnung, an Verletzung Demokratie.

Wenn wir uns nun fragen, warum dieses Übermaß? Des Rätsels Lösung liegt nicht fern. Der parlamentarische Betrieb, die parlamentarische Maschinerie hat sich totgelaufen. Das Parlament braucht Arbeit, und doch sieht die Regierung in jeder neuen Vorlage eine große Gefahr, große Konfliktsmöglichkeiten, vielleicht tötlicher Art, und darum haben sich die Koalitionsparteien auf diese Vorlage gestürzt, über deren Inhalt vielleicht auch die "Osmièka" einer Meinung ist, darum die überstürzte Behandlung der beiden Vorlagen. (Posl. Hackenberg: Um nach außenhin einen Parlamentarismus zu zeigen!) Man muß den Parlamentarismus vortäuschen.

Nun haben wir die Vorlagen vor uns und wir haben uns mit ihnen zu beschäftigen. Eine Reihe von Bestimmungen, die die Ärzte und die Bevölkerung brauchen würden, enthalten die Vorlagen nicht, was sie darüber enthalten, ist von Übel. In der Vorlage steht z. B. nichts, unter welchen Umständen von einem Arzt ein operativer Eingriff an einem Ohnmächtigen vorgenommen werden kann, der früher diese Einwilligung dazu nicht gegeben hat. In der Vorlage steht z. B. nichts über die Unterbrechung der Schwangerschaft bei medizinischer Indikation, die bisher nicht erlaubt war. Es ist nicht überall so wie bei uns. In Deutschland ist die Unterbrechung der Schwangerschaft bei medizinischer Indikation erlaubt. Wir werden neuerlich, wenn auch nicht im Zusammenhang mit diesem Gesetz, den Antrag einbringen, daß bei medizinischer, bei eugenischer und sozialer Indikation die Unterbrechung der Schwangerschaft straffrei zu sein habe. Nicht weil wir glauben, daß die Unterbrechung der Schwangerschaft schlechthin etwas sei, wofür wir uns einsetzen sollten. Durchaus nicht. Wir selbst wissen, daß eine Unterbrechung der Schwangerschaft im allgemeinen immer ein brutaler Eingriff, immer unrationell ist. Rationell ist nur die Vorbeugung der Schwangerschaft. Auch dafür begeistern sich unsere Herrschaften nicht. Es ist nicht überall so wie bei uns. In Holland werden von öffentlichkeitswegen im ganzen Lande Vorträge gehalten, wie der Schwangerschaft vorzubeugen sei, Beratungsstellen eingerichtet, und doch ist heute Holland das Land, welches zwar die geringste Anzahl der Geburten hat, aber auch die geringste Anzahl der Kindersterblichkeit. Denn bei einer gesunden Bevölkerungspolitik kommt es nicht darauf an, wieviel Kinder geboren werden, sondern daß die geborenen auch aufgezogen werden. Es ist nicht überall so wie bei uns. In England drüben hat schon im Jahre 1926 im House of Lords, im englischen Oberhaus der Lord Bookmaster, ein Hochadeligerr den Antrag eingebracht, daß den sozialen Körperschaften erlaubt werden solle, verheiratete Frauen darüber aufzuklären, wie der Schwangerschaft vorzubeugen sei. Dieser Antrag ist angenommen worden. Dieser Adelige, dieser fromme Mensch hat gesagt, daß ihn nur die Hochachtung vor der. Heiligkeit des Lebens zu seinem Antrag gebracht hat. Ich denke, es müßte ein wenig auch unseren Herren von gestern, dem Herrn Minister Tiso, klar werden, daß der Bewegung für die bewußte Geburtenregelung ein tiefer sozialer und ethischer Ernst innewohnt.

Wie oberflächlich die Gesetze gemacht wurden, davon überzeugen die §§ 5 und 8. Der § 5 sagt, daß ein Professor der Medizin im Ruhestande, der aus dem Auslande berufen worden war, die Privatpraxis in der Èechoslovakei nicht ausüben dürfe, wenn er nicht mittlerweile die èechoslovakische Staatsbürgerschaft erreicht hat. Nirgends ist aber eine Gewähr, daß er sie auch erhält. Das bedeutet in der Auswirkung, daß er innerhalb der Èechoslovakei, wenn er die Staatsbürgerschaft nicht erhalten hat, die Praxis nicht ausüben darf, wenn er aber wieder in sein Vaterland heimkehrt, er die Pension verliert. Im § 8 fehlt die Bestimmung einer Frist, binnen deren die politische Behörde erster Instanz erklären muß, daß sie die im Abs. 1 verlangte Erklärung als gegeben erachtet. Es können dadurch Wochen vergehen, ehe der Arzt, der seine Praxis ordnungsgemäß angemeldet hat, in den Besitz der im Abs. 4 angeführten Bestätigung gelangt, das heißt also, daß er wochenlang in seiner Existenz außerordentlich geschädigt ist. Wo die Paragraphen über rein formale, organisatorische Regelungen hinausgegangen sind, haben sie den lebhaftesten Widerspruch der Ärzteschaft, aber auch der Bevölkerung gefunden. Leidenschaftlich umstritten waren besonders die sogenannten Mobilisierungsparagraphen 16 und 17. Sie sind im Ausschuß gestrichen worden, sie sollen aber durch einen Koalitionsantrag in veränderter Form wieder auferstehen und das ist an sich ein geschäftsordnungsmäßiger Skandal, daß wir heute über Bestimmungen zu beraten haben, die weder im Gesundheitsausschuß noch im sozialpolitischen Ausschuß vorberaten waren. Nach dem Wortlaut des § 16 ist die Epidemiebereitschaft der Ärzte nicht in Verbindung gebracht mit der Kriegsbereitschaft der Ärzte, aber meine Damen und Herren, es ist natürlich ganz klar, daß im Falle des Kriegsausbruches diese Organisation sofort in die Dienste des Krieges gestellt würde. Die §§ 16 und 17 waren darüber hinaus überflüssig. Die Epidemiebereitschaft der Ärzte herzustellen, ist eine Angelegenheit der Behörden und ist nicht schwierig durchzuführen. Wenn wir daran denken, wieviel junge Ärzte es gibt, wieviel unbesoldete Ärzte es gibt, wieviel ledige Ärzte es gibt, wieviel notleidende Ärzte es gibt, ist es einem ganz klar, wenn man nur für diese gefährliche und mühevolle Arbeit entsprechenden Lohn verheißt und wenn man ihre Hinterbliebenen oder Geschädigten nicht etwa mit einem Bettel abweist, wie das etwa im § 17 der ursprünglichen Vorlage geschieht, daß wir dann die Epidemiebereitschaft hier haben werden. Die Ärzte haben niemals versagt in Zeiten der Epidemiegefahr, es ist in der Geschichte der Medizin nicht dagewesen, daß die Ärzte versagt hätten. Dieser Paragraph ist also nicht nur überflüssig, er ist auch aus einem anderen Grunde gefährlich. Er öffnet einer willkürlichen Behandlung Tür und Tor, denn auf Grund dieser Bestimmung ist es den Behörden ohne weiters möglich, einen etwa aus politischen oder nationalen Gründen mißliebig gewordenen Arzt gesundheitlich und in seiner Existenz zu schädigen, ihn aber auch vielleicht für eine lange Zeit aus seinem Wirkungskreis überhaupt zu entfernen.

Es ist für diese Gesetze symbolisch, daß sie in der Beratung so nahe gerückt sind dem Gendarmeriegesetz. Geradezu charakteristisch ist es für das Ärztekammergesetz, daß die Disziplnarvorschriften weitaus den größten Raum einnehmen.

Wir haben über die einzelnen Paragraphen in den Ausschüssen gesprochen, wir legen auch heute unsere Abänderungs- und Ergänzungsanträge vor. Im Einzelnen möchte ich darauf hinweisen, daß es insbesondere vier Fehlerquellen, vier Hauptmängel sind, die das Ärztekammergesetz zu einer Unmöglichkeit machen. Der erste Hauptmangel ist, daß sich das Gesetz aufbaut auf dem veralteten und antiquierten Begriff der Standesehre. Ein zweiter Hauptmangel ist, daß die Mitwirkung der Ärzte am Sanitätswesen nahezu ganz ausgeschaltet wird, ein dritter Hauptmangel ist, daß die Vorlage blind an den primitiven Erfordernissen der Demokratie vorübergeht, der vierte Hauptmangel ist, daß die Vorlage blind an der Tatsache vorbeigeht, daß in der Èechoslovakei nicht eine einzige Nation lebt, sondern eine Anzahl von Nationen, daß die Èechoslovakei kein Nationalstaat ist, sondern ein Nationalitätenstaat. Ich werde im Einzelnen auf diese Hauptmängel noch zurückkomme.

Die Kammervertretung ist jenes Organ der Ärztekammer, welche Träger aller ihrer Rechte und Pflichten ist, aber die Wahlen in die Kammervertretung bestimmt das Ministerium, denn alle dahinzielenden Worte in den Bestimmungen sind abgeschwächt durch das beigefügte Wort "in der Regel" oder aber "womöglich". Und wir, die wir das Ministerium für Volksgesundheit zu kennen das Vergnügen haben, wir wissen, daß dem Ministerium, wenn es will, alles möglich ist und wenn es nicht will, alles unmöglich ist. Die bürokratische Bevormundung treibt im Ärztekammergesetz direkt Blüten. Die Ärztekammern sind einer Aufsichtsbehörde untergeordnet, diese Aufsichtsbehörde hat die Ärztekammer zu kontrollieren. Diese Aufsichtsbehörde kann die Ärztekammer auflösen, ist aber durchaus nicht verpflichtet, etwa sofort für die Neuwahl der Ärztekammer zu sorgen, sie ist, wie es hier heißt, lediglich dazu verhalten, innerhalb dreier Monate die Neuwahlen für die Ärztekammer vorzubereiten. Die wichtigsten Bestimmungen werden nicht im Gesetz verankert, sondern der Durchführungsverordnung überwiesen, z. B. die Wahlen. Die Wahlen werden vom Ministerium gemacht. Wie sie gemacht werden, darüber schweigen die Bestimmungen. Kein Wort der Sicherung dafür, daß die Wahlordnung eine gerechte ist, kein Wort der Sicherheit dafür, daß das Wahlverfahren ein gerechtes ist, kein Wort der Sicherheit dafür, ob etwa das Proportionalverfahren aufgenommen ist, und darum bitte ich Sie, meine Damen und Herren, unsere Abänderungsanträge nach dieser Richtung anzunehmen.

Ich habe schon gesagt, daß die Vorlage ganz achtlos an der Frage der Autonomie vorübergeht. Wir haben bisher in der Slovakei und Karpathorußland keine Ärztekammer besessen, wir haben sie nur in Mähren und Böhmen, aufgerichtet auf der Basis der Sektionierung. Diese Einrichtung hat sich bisher gut bewährt. Aber das paßt den Herrschaften nicht, ein friedliches, ein sachliches Arbeiten paßt den Herrschaften nicht, da müssen künftige Konfliktsmöglichkeiten hineingetragen werden, da müssen künstlich Reibungsflächen geschaffen werden. Wie sehr das Bestreben auch vonseiten unseres Gesundheitsministeriums vorliegt, möchte ich an einem kleinen, aber bezeichnenden Beispiel illustrieren. Wenn ein Staatsbeamter oder ein Staatsbediensteter auf Grund des Heilfonds zum Kurgebrauch nach Karlsbad kommt, erhält er zugleich mit der Bewilligung zum Kurgebrauch auch ein Verzeichnis der in Karlsbad ordinierenden und praktizierenden Ärzte, aber nicht etwa ein Verzeichnis aller Ärzte, sondern lediglich das Verzeichnis jener Ärzte, die èechoslovak scher Nationalität sind. Es ist bezeichnend, daß es einer Regierung vorbehalten ist, in der Mayr-Harting und Spina sitzen, mit diesem kärglichen Rest von Autonomie restlos aufzuräumen. Ein Hauptfehler der Vorlage ist, daß sie sich aufbaut auf dem ganz veralten Begriff der Standesehre. Welch mittelalterliches Gespenst steigt da vor einem auf! Was ist die Standesehre? Am Ende des Jahres 1928 ist vonseite des Gesundheitsministeriums an die Verwaltung der Krankenhäuser ein Erlaß, eine Mitteilung herabgelangt, daß verschiedene Ärzte in privaten und staatlichen Anstalten vom Patienten 3. Klasse für besondere Leistungen Extrahonorare verlangt hätten, und das Ministerium hat zugleich auf ein Gesetz aus dem Jahre 1924, auf das sog. Spiritusgesetz, hingewiesen, das derartige Handlungen mit großen Strafen bedroht. Wir haben aber nicht gehört, daß etwa das Gesundheitsministerium eingeschritten wäre, wir haben nicht gehört, daß etwa die Ärztekammern sich an das Gesundheitsministerium gewendet hätten, um die Namen jener anzuprangern, um vielleicht jene vor Gericht zu bringen - etwa um der Standesehre willen. Was ist das, Ehre? Eine gesetzliche Bestimmung auf einem so schwankenden dehnbaren Begriff aufzubauen, ist von Übel. Auch der Begriff Ehre ist umstritten. Jeder versteht unter diesem Begriff etwas anderes. Der eine glaubt, er sei es der Ehre schuldig, sich vor einem Rüpel, der ihn etwa gröblich beleidigt hätte, unter der Einhaltung bestimmter Formalitäten sich totschießen zu lassen. Einer hält es mit seiner Ehre vereinbar, etwa als hoher Staatsbeamter Provisionsgelder zu nehmen und so die Allgemeinheit zu schädigen; derselbe hält es aber vielleicht mit seiner Ehre nicht vereinbar mit einem subalternen Beamten gesellschaftlich zu verkehren. Was ist das Standesehre? Haben etwa Ärzte eine andere Sorte von Ehre wie die Advokaten oder aber wie die Schneider oder wie die Textilarbeiter oder die Juristen, oder Goldarbeiter? Ich glaube nicht, daß sie es haben und wenn wir nun einen solchen Begriff im Gesetz verankern würden, dann würden wir für einen Stand ein Privilegium schaffen, dann würden wir uns in strikten Widerspruch versetzen mit den klaren Bestimmungen der Verfassung, die ausspricht, daß Vorrechte, die aus der Geburt, aus dem Geschlecht und aus dem Beruf stammen, zu beseitigen sind. Das ist Mittelalter. Aber das ist nicht das ganze Mittelalter des § 1. Da ist noch ein ganz anderes Stück Mittelalter, über das ich jetzt ein wenig sprechen werde. Die Mitwirkung der Ärzte an dem öffentlichen Gesundheitswesen, an der Gesundheitspolitik ist durch die Fassung des § 1 nahezu ausgeschaltet, ganz im Gegensatz zur bisherigen Regelung, ganz im Gegensatz zur Fassung des altösterreichischen Gesetzes, das die Ärzte, wenn auch in ganz bescheidenen Formen, aber doch in Anspruch genommen hat, bei Fragen des öffentlichen Gesundheitswesens. Was sagt uns nun der § 1 inbezug auf den Wirkungskreis der Ärztekammer? Er sagt gar nichts, er schweigt sich aus. Das Gesundheitsministerium wünscht offenbar die Mitarbeit der Ärzteschaft nicht. Das können die Bürokraten ganz allein, die können es viel besser. Die Bevölkerung, das Volk, die misera plebs und dazu gehören auch die Ärzte - die haben zu zahlen und zu schweigen, wenn sie nicht gefragt werden. Es ist nicht überall so wie bei uns. Wenn auch in § 19 von der Entsendung der Ärzte in die Sanitätsräte die Rede ist, so ändert das an der Sachlage nichts, denn die Kammer hat nach der klaren Bestimmung des § 1 nur über eine abgegrenzte Anzahl von Dingen zu beraten und hat durchaus keine Weisungen zu geben. Und wenn wir auch Stadt-, Land- und Bezirksgesundheitsräte haben, so möchte ich dazu sagen, daß diese Körperschaften heute gar nicht in Funktion treten, und wenn sie tun, daß die Ärzte dort natürlich nicht als Repräsentanten der Ärztekammer anzusprechen sind. In Deutschland haben die Ärztekammern einen weiten Wirkungskreis. Dort werden sie gefragt, dort wird ihre Meinung eingeholt. Sie erheben aber auch spontan ihre Stimme. Bei uns ist das nicht der Fall, bei uns werden sie zurückgewiesen auf die Erledigung rein formaler Angelegenheiten, auf die Erledigung ihrer Organisationsfragen, auf die Erledigung von Disziplinarfragen beschränkt. Darüber hinaus wünscht man die Mitarbeit der Ärzte nicht. Das sind Reste mittelalterlicher Standesanschauungen, darin steckt geradezu zünftlerischer Geist. Der Aufgabenkreis der Ärztekammern könnte und müßte in einem fortschrittlichen Geiste erweitert werden, so wie es der Wichtigkeit des ärztlichen Berufes gebührt. Die Ärzte müssen als beratende Körperschaften in Fragen der Volksgesundheit mitwirken, ihre Meinung müßte eingeholt werden, sie müßten an den Gesetzen initiativ mitwirken, sie müßten aber auch ihre Stimme warnend und kritisch erheben dürfen. Das, was hier geschieht, ist keine Gegenwartsarbeit und viel weniger noch ist es ein Schritt in die Zukunft hinein, in eine Zeit hinein, in der der Sozialismus den Ärzten als den Trägern der Volksgesundheit innerhalb der Volkswohlfahrt eine wichtige Funktion zubilligt. Das ist keine Zukunftsarbeit, das ist keine Gegenwartsarbeit, das ist Vergangenheitsarbeit. Jetzt, wo wir die Gesetze beraten, heute, schon in der Stunde ihrer Geburt, gehören diese zwei Gesetze in die geistige Rumpelkammer der Zeit. Wir werden gegen dieses Gesetz votieren. (Souhlas a potlesk poslancù nìm. soc. dem. strany dìlnické.)

3. Øeè posl. Schmerdy (viz str. 35 tìsnopisecké zprávy):

Die in Verhandlung stehenden zwei Ärztegesetze, das ist das Gesetz über die ärztliche Praxis und das Gesetz über die Ärztekammern haben nicht nur ihre Bedeutung für den ärztlichen Stand und die öffentlich-rechtliche Gesundheitspflege, sondern müssen insbesondere bewertet werden vom Standpunkte der Arbeiterschaft im kapitalistischen Staate. Denn das Ziel der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist die Herauspressung von Profiten aus der Arbeiterklasse. Der Arbeiter ist einfach das Bereicherungsmittel für den Kapitalisten, und wird dieses lebendige Werkzeug unbrauchbar, schlecht oder überflüssig, wurde es wie eine Zitrone ausgepreßt, dann wird es erbarmungslos weggeworfen. Das Elend der Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter, Invalidität, nichts wird berücksichtigt, riesige Massen werden über Bord geschleudert, ohne die geringste Beunruhigung des Gewissens, das sich nur dann rührt, wenn die Kapitalistenklasse und deren Einrichtungen gefährdet werden und ins Wanken geraten. Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus die Sozialpolitik und die gesetzlichen Vorkehrungen der kapitalistischen Regierungen betrachten, ist es für die Arbeiterschaft klar, daß alle diese Maßnahmen nicht im Interesse der arbeitenden Schichten, sondern nur zum Schutze der kapitalistischen Klasse und zur Erhaltung der privatkapitalistischen Wirtschaftsordnung, d. h. der Ausbeutung, erfolgen. Alle Sozial- und Gesundheitspolitik muß in der mörderschen Wirtschaftsordnung zum Hohne werden, da täglich, ja stündlich tausende schaffende Menschen durch unerhörte Ausbeutung und Rationalisierung an ihrem Leben, ihrer Gesundheit und Existenz bedroht sind und zu Krüppeln geschlagen werden. Mit einigen gesetzlichen Bestimmungen und der privatlichen Wohltätigkeit versucht die Kapitalistenklasse die Schattenseiten ihrer Wirtschaftsordnung zu überbrücken und auszugleichen, aber alle Versuche müssen scheitern an der maßlosen Ausbeutung und Profitsucht des Kapitalismus. Wir sehen den unerhörten Raubbau an Arbeitskraft und Gesundheit durch die immer schärfer werdende Ausbeutung und Rationalisierung in den Betrieben und Werkstätten. Wir sehen, daß die Unglücksfälle sich mehren und alle Gesetze, die in diesem Hause gemacht werden, nicht danach angetan sind, diesem mörderischen System auch nur ein wenig Einhalt zu tun. Aus den spärlichen Statistiken, die uns zur Verfügung stehen, ist das unaufhörliche Steigen der Unfälle infolge der Rationalisierung zu erkennen. So sind von hunderttausend Versicherten jährlich verunglückt im Jahre 1920 1.289, im Jahre 1921 1.529, im Jahre 1922 1.732, im Jahre 1923 1.759, im Jahre 1924 1.721, im Jahre 1925 1.765 und im Jahre 1926 1.798. Daraus ist zu ersehen, daß die Zahl der Verunglückten in den Betrieben jährlich steigt und alle getroffenen Vorkehrungen an den Folgen der Ausbeutung und Rationalisierung wirkungslos abprallen. Der Raubbau an der Arbeitskraft und Gesundheit steigt von Tag zu Tag und ist diese Wirtschaftsordnung nicht imstande, seiner Herr zu werden. Auch die Berufskrankheiten fordern alljährlich immer mehr Opfer. Es ist außer Zweifel, daß der Arbeiterschutz in den kapitalistischen Staaten nicht so beschaffen ist, wie er erforderlich wäre. Wir sehen fast keinen Schutz der arbeitenden Frauen, der Kinder und Jugendlichen. Die sanitären Einrichtungen in den Betrieb sind sehr mangelhaft und schlecht richte die gesetzlichen Bestimmungen werden eingehalten und dann müssen naturnotwendig die Folgen dementsprechend sein. Der gesetzlich festgelegte Achtstundentag wird durchbrochen und in großem Ausmaß werden Überstunden gemacht. So wurden im ganzen Jahre 1928 mehr als 15 Millionen Überstunden geleistet. Davon entfallen auf den Jänner 859.868, Feber 1,117.814, März 1,183.987, April 907.262, Mai 1,161.595, Juni 1,122.105, Juli 1,258.049, August 1,524.495, September 1,351.309, Oktober 1,859.068 und den November 1,582.509. Alle diese Überstunden wurden von den Behörden bewilligt und dabei ist in der Aufstellung keine Rücksicht darauf genommen, wieviel Überstunden ohne behördliche Bewilligung geleistet wurden. Aus dieser Überstundenzahl gehen die erhöhte Rationalisierung und verschärfte Ausbeutung hervor. Durch Überstunden sowie die mangelhafte Fürsorge der arbeitenden Frauen, Kinder und Jugendlichen wird die Gesundheit der arbeitenden Menschen untergraben und die Arbeiter den Gefahren der Berufserkrankungen und der Unfälle ausgesetzt. Wir wissen, daß natürlich nicht nur das hier Angeführte die Ursache aller Erscheinungen ist, die wir tagtäglich in den Betrieben sehen und die wir aus den Statistiken der Sozialversicherungsanstalten entnehmen, sondern das sind nur die Folgen der Methoden der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Wir wissen, daß der Staat, die Regierung und die kapitalistische Klasse gar kein Interesse daran haben, diese traurigen Verhältnisse irgendwie abzubauen oder abzuändern, weil in dem Augenblick des Abbaues gleichzeitig ihr eigenes Ausbeutungssystems gefährdet wird. Die unzulänglichen Urlaube sind nicht darnach angetan, daß der arbeitende Mensch in die Lage kommt, seinem Körper der tagtäglich, jahraus, jahrein ausgeschunden und ausgemergelt wird, die notwendige Ruhe und Erholung zu geben. Wir wissen, daß insbesondere die Frauen am schwersten betroffen sind, daß für Mutterschutz nicht gesorgt wird; daß die Gewerbeinspektorate nicht jene Aufgaben erfüllen, die ihnen nach dem Gesetze zukommen, daß sie vielmehr ausweichen und den Schlendrian und die fürchterlichen Zustände in den Fabriken nicht sehen wollen, die zu beseitigen sie eigentlich berufen wären. (Posl. Haiblick: Im Gegenteil, sie leugnen ab!) Sehr richtig, geleugnet wir, und wenn die Arbeiter durch ihre Organisationen intervenieren, wird dem nicht Folge geleistet. Außer der Ausbeutung in den Fabriken, wo die Gesundheit und das Leben der Arbeiter bedroht wird, spielt auch die Wohnungsfrage eine gewaltige Rolle. Der Arbeiter, der täglich in stinkigen Lokalen und Betrieben gezwungen ist, seinem Erwerbe nachzugehen um das Stückchen Brot zu verdienen, findet, wenn er nach Hause kommt, nicht jene Ruhe und Ordnung, die als Ausgleich der Berufsarbeit notwendig wäre. Wenn ein Staat, auch der kapitalistische, eine gute Gesundheitspolitik machen will, so kann das nicht mit solchen Gesetzen bewerkstelligt werden, wie dies bei den zwei in Verhandlung stehenden Gesetzen versucht wird, wobei, wie der Herr Berichterstatter Matoušek sagte, nur ein Kompromiß zwischen den Staatsinteressen und den öffentlich-rechtlichen Gesundheitsinteressen herauskommt. Kompromisse werden gemacht, um es sich nicht mit den Ärzten zu verscherzen, und werden daher die Interessen der öffentlichen Gesundheitspolitik preisgegeben. Eine gute Gesundheitspolitik kann nur gemacht werden, wenn der Kampf um eine kürzere Arbeitszeit, um einen höheren Lohn und um den Ausbau der sozialpolitischen Einrichtungen und die Durchsetzung der Forderungen der Arbeiterschaft geführt wird. Wir sind überzeugt, daß im kapitalistischen Staat jede Gesundheitspolitik und ihre Vorkehrungen nur kleine Mittelchen sein können. Nur wenn es gelingen wird, die privatkapitalistische Wirtschaftsordnung zu beseitigen und an ihre Stelle den Arbeiterstaat, die Diktatur des Proletariats aufzurichten, können im Interesse der Arbeiterschaft jene Vorkehrungen getroffen werden, die der arbeitende Mensch zu seinem Leben und zu seiner Existenz braucht. Es ist zweifellos notwendig, daß im proletarischen Staate - in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung können wir gar nicht daran denken, weil dadurch ihre Grundfesten erschüttert würden - alle medizinischen Unternehmungen, wie Apotheken, Sanatorien, Bäder, Heilanstalten, durch öffentliche Fonds unterstützt und nationalisiert werden zum Wohle der arbeitenden Menschen, in deren Dienst sie gestellt werden, nicht in den Dienst der Bourgeoisie, die die Möglichkeit hat, sich vom Nichtstun zu erholen, sondern in den Dienst der Arbeiter, die, wie ich gezeigt habe, tagtäglich in der Berufsarbeit an ihrer Gesundheit aufs schwerste gefährdet werden und deren Kraft ausgebeutet wird. Erste Bedingung für eine wirkliche Gesundheitspflege ist die unentgeltliche Heilfürsorge, die wir aber hier nicht finden. Es wird wohl gesagt, daß Unternehmer, der Staat, die Krankenversicherungsanstalten, alle möglichen Institute, die Heilfürsorge für die Arbeiter pflegen sollen, in Wirklichkeit ist es aber so, daß der Arbeiter selbst durch seiner Hände Arbeit alle Kosten aufbringen muß. Im kapitalistischen Staate können wir heute noch nicht von der Verstaatlichung der Ärzte sprechen. Ohne Zweifel hat der Arzt in der Gesellschaftsordnung eine besondere Stellung. Wir begreifen, daß der Arzt schon jetzt nicht Privatperson, sondern dazu da ist, den Kranken und Mühseligen zu helfen und sie der Gesellschaft wieder zurückzugeben. Wir wissen, daß der Arzt auch im kapitalistischen Staate mit Sorgen zu kämpfen hat, was für ein schwerer Konkurrenzkampf infolge der Überproduktion an den Universitäten tobt. Den Ärzten kann aber nicht durch das Gesetz über die ärztliche Praxis und durch das Ärztekammergesetz geholfen werden, sondern nur dadurch, wenn der Staat die volle Verpflichtung übernimmt, allen kranken Menschen, die in der kapitalistischen Welt unbrauchbar geworden sind, die Heilfürsorge angedeihen zu lassen und die Ärzte dementsprechend zu honorieren. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Horák.)


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP