Wo bleibt die schlesische Kommission? Vielleicht
wird sie errichtet werden, das weiß man noch nicht, vielleicht
auch nicht. Aber wenn sie errichtet werden wird, so wird sie aus
sieben Mitgliedern bestehen (Výkøiky na
levici.) und man kann sich vorstellen,
wie die Beteiligung der Deutschen ausschauen wird. Sie wird auch
ihren Sitz in Brünn haben. Troppau verlor nicht nur die Landesanstalten,
sondern auch die staatlichen Ämter werden abgebaut, z. B.
die Finanzlandesdirektion. (Posl. dr Schollich: Die dümmsten
Kälber wählen ihre Metzger selber!) Ganz richtig!
Es wurde die Landesfinanzdirektion abgebaut, von der ein Teil
nach dem anderen nach Brünn verlegt wird, neuerlich wurde
das Katastralmappenarchiv verlegt. Diese Angelegenheit behandle
ich in einer lnterpellation, ich will auf sie nicht weiter eingehen.
Alle Vorsprachen, es gab deren sehr viele, auch die im Dezember,
blieben ohne Ergebnis, selbst Fragen der Verkehrsverbesserung
wurden von den beteiligten Ministerien in einer Art behandelt
- insbesondere vom Eisenbahnministerium - die man nur als Hohn
und Spott hinstellen kann. Das zeigt sich insbesondere in der
Frage der Konzessionierung von Kraftwagenlinien, die von der Gemeinde
Troppau angestrebt worden ist. Insgesamt bewarb man sich um neun
Linien nach verschiedenen Richtungen, ich greife nur eine heraus,
die Linie Troppau-Mladetzko-Hof. Das Ministerium bewilligt nur
Mladetzko-Hof. So sieht es auch bei den anderen Bewilligungen
aus. Die Stadtgemeinde wird vom Kraftwagenverkehr abgeschnitten,
liegt sozusagen mitten in einer Wüste und vom Rande dieser
Wüste gehen die Linien aus. Das ist etwa so, wie wenn man
z. B. einen Zeppelinverkehr Berlin-New York einrichten würde,
aber das Luftschiff darf nicht von Berlin aus benützt werden,
sondern erst von einem Punkte 100 km von der Küste, irgendwo
im Atlantischen Ozean, wohin die Reisenden, die mitfahren wollen,
schwimmen müssen. Das sind doch haarsträubende Dinge,
so werden die notwendigen Entschädigungen einer Stadt für
den Verlust ihres ganzen Ansehens gewährt, so wird sie von,
den Ministerien behandelt und abgespeist. Nun, auch diese Angelegenheit
werde ich noch ausführlicher behandeln.
Wir stellen die weitere Frage: Wo bleibt die
Rückgabe der Troppauer Autonomie? Wir befinden uns jetzt
in einem ganz unmöglichen Zustand. Die Bezirksbehörde
von Troppau - Land verwaltet heute noch eine Anzahl An gelegenheiten,
die der Stadt Troppau, also der Bezirksbehörde Troppau-Stadt
zukommen. Unterdessen ist die Bezirksvertretunh Troppau-Land konstituiert
und entscheidet infolge dessen auch über Angelegenheiten
der Stadt Troppau die Bezirksvertretung, die mit der Stadt Troppau
nicht das Geringste zu tun hat, denn die Stadt Troppau hat nicht
mitgewählt, ihre Gemeindevertretung soll ja Bezirksbehörde
sein; und dieser unmögliche Zustand bleibt weiter bestehen,
sei es aus Schlamperei, sei es aus Absicht. Es ist eben unmöglich,
daß der Innenminister gleichzeitig Landespräsident
ist. Entweder kümmert er sich um das eine oder um das andere.
Er ist Präsident noch dazu in einem Gebiete, welches durch
die Zuteilung Schlesiens vor eine Unmenge neuer Aufgaben gestellt
wurde. Das ist ein Zustand, der schon in der kürzesten Zeit
von ganz unheilbaren Folgen begleitet sein wird. Aber es wird
nichts getan, um ihn zu beseitigen, anscheinend ist für die
Koalition der Minister Èerný glatt
unentbehrlich; es scheint, daß kein fähiger Mensch
da ist.
Gelegentlich der parlamentarischen Behandlung
des Gesetzes über die Organisation der politischen Verwaltung
haben wir nicht nur gegen das Ernennungsrecht Stellung genommen,
sondern auch darauf verwiesen, daß man den staatlichen Beamten
noch mehr Macht in die Hände spielt, als sie bis dahin schon
hatten. Wir haben darauf hingewiesen, daß diese Bezirkshauptleute
nun geradezu angereizt werden, sich zu Bezirkspaschas zu entwickeln.
Für diese Behauptung haben wir gerade in den letzten Tagen
ein kennzeichnendes Beispiel, ein Schulbeispiel erlebt (Výkøiky:
Komotau!), das ist Komotau. Die Stadt Komotau
und die Nachbargemeinde Oberdorf haben sich vereinigt. Bis zur
Neuwahl der Gemeindevertretung werde im Einvernehmen mit der staatlichen
Behörde eine nach dem Schlüsselverhältnis der politischen
Parteien zusammengesetzte Verwaltungskommission eingesetzt, an
deren Spitze der frühere Bürgermeister Dr Storch steht.
Nun ist zwischen dieser Verwaltungskommission und dem Bezirkshauptmann,
einem gewissen Dr Wagner, ein Zwist ausgebrochen, dessen Ursache
darin liegt, daß die Bezirksbehörde verlangte, daß
auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes über die Organisation
der politischen Verwaltung der Neubau eines Amtshauses vorgenommen
werde, ein Neubau, welcher annähernd zwei Millionen
Kè verschlingen würde. Dieses Ansinnen hat die Gemeindeverwaltungskommission
in ihrer Sitzung am 18. Jänner mit überwiegender Mehrheit
abgelehnt, mit einer Mehrheit, die aus Mitgliedern der Nationalpartei,
der Nationalsozialisten und Kommunisten bestand,
und zwar mit dem Hinweis darauf, daß durch die Bestimmungen
des Gemeindefinanzgesetzes die Gemeinde eben nicht in der Lage
sei, diesen ungeheueren Betrag auszugeben, schon mit Rücksicht
darauf, daß im Gemeindevoranschlag von den Oberbehörden
eine Unmenge von Streichungen vorgenommen wurde auf dem Gebiete
des Schulwesens, der sozialen Fürsorge, der Hygiene usw.
Die Gemeinde ist kaum in der Lage, ihre Straßen ordentlich
zu kehren und sie soll nun einen solchen Riesenbetrag für
ein Amtsgebäude hinauswerfen. Sie hat sich bereit erklärt,
der Behörde eine Anzahl von Kanzleiräumen vorläufig
zur Verfügung zu stellen. Darauf erfolgte die Auflösung
mit folgender klassischen Begründung: "Die aus Deutschnationalen,
Nationalsozialisten und Kommunisten bestehende Mehrheit der von
der Staatsverwaltung eingesetzten Gemeindeverwaltungskommission
in Komotau glaubte wegen Übergehung ihrer Parteien bei der
Ernennung von. Fachleuten für die Bezirksvertretung in Komotau
gegen die Staatsregierung demonstrieren zu müssen..."
(Rùzné výkøiky.) Was
sich so ein Mensch herauszunehmen wagt! (Výkøiky.)
Es kommt noch schöner: "... indem
sie den für die definitive Unterbringung der Bezirksbehörde
in Komotau vorgesehenen Kredit aus dem Voranschlag ausgeschieden
hat. Diese politische Demonstration erfolgte trotz vorausgegangener
Abmahnung ohne die geringste Rücksichtnahme auf die aus einer
solchen Stellungnahme entspringenden finanziellen Nachteile für
die Stadtgemeinde und auf die dadurch beeinträchtigten wirtschaftlichen
Interessen der erwerbenden Bevölkerung sowie unter Verleugnung
früherer wiederholter Zusicherungen". Der Bezirkshauptmann
erlaubt sich nicht nur, gegen politische Parteien in einer Art
und Weise zu polemisieren, die jeder Beschreibung spottet, sondern
er vernadert sie auch noch bei der Bevölkerung. So etwas
ist Vertreter der Staatsgewalt! "Nachdem hiermit die Mehrheit
der Verwaltungskommission auf politische Manifestation mehr Gewicht
legt, als auf die ihr obliegende Wahrung des öffentlichen
Interesses, ein Personenwechsel aber bei der durch das Wahlgesetz
gegebenen Bindung der politischen Parteien keine Abhilfe zu schaffen
vermag, so löse ich mit heutigen Tage die Gemeindeverwaltugskommission
auf und bestelle den Obergerichtsrat im Ruhestande Dr Jungmann
zum Regierungskommissär der Stadt Komotau und betraue ihn
mit der Führung der Gemeindeverwaltung." Da spricht
man in der Geschichte von aufgeklärtem Absolutismus. Diese
Zeit liegt 150 Jahre hinter uns. Das ist allerdings auch ein Absolutismus,
aber ein aufgeklärter bestimmt nicht, sondern ein verblödeter.
(Posl. dr Lehnert: Da hat man den Kaiser Josef von den Denkmälern
gestürzt!) Sehr richtig! Jetzt sollten sie den
Herrn Wagner auf den Sockel des Kaiser-Josef-Denkmals aufstellen
als Kennzeichen des Geistes, der in der Staatsverwaltung herrscht.
(Výkøiky posl. Knirsche.)
Wir sind mit der Darstellung der Komotauer
Angelegenheit noch nicht fertig. Nun hat sich Herr Dr Storch in
einem Aufrufe an die Bevölkerung gewendet, indem er auch
mitgeteilt hat, welches der Grund dieser Auflösung ist. Die
Bezirksbehörde hat dem "Deutschen Volksblatt",
welches in einer Notiz: "Die Gemeindeverwaltungskommission
der Stadt Komotau aufgelöst" von dieser Auflösung
unter Abdruck der amtlichen Kundmachung die Bevölkerung verständigte,
eine amtliche Berichtigung zugeschickt. Sie ist geradezu köstlich
und ich kann es mir nicht ersparen, hier wenigstens einige Sätze
daraus festzuhalten, wobei ich allerdings voraus setze, daß
das geehrte Präsidium des Abgeordnetenhauses nicht vielleicht
zum Schutze des Herrn Bezirkspaschas von Komotau mir diese Sätze
aus meiner Rede herauszensuriert. (Posl. dr Lehnert: Das haben
wir auch schon erlebt!) Da heißt es: "In dem mit
Die Gemeindeverwaltungskommission der Stadt Komotau aufgelöst
überschriebenen Artikel der Nr. 30 des Deutschen Volksblattes
wird behauptet, daß die Gemeindeverwaltungskommission deshalb
aufgelöst worden sei, weil sie den Neubau eines Amtsgebäudes
verweigert hat. Dies ist ein grober Irrtum. Denn die amtliche
Kundmachung sagt klipp und klar, daß die Auflösung
der Verwaltungskommission wegen ihrer demonstrativen Stellungnahme
gegen die Regierung erfolgte." Die demonstrative Stellungnahme
gegen die Regierung besteht allerdings nur darin, daß die
Gemeindeverwaltungskommission den Betrag für den Neubau aus
dem Gemeindevoranschlag herausgestrichen hat. Sie hat also tatsächlich
den Neubau verweigert, aber der Bezirkshauptmann sagt, daß
dies nicht der Grund der Auflösung ist, sondern der Grund
der Auflösung sei eine Demonstration. Ich bin kein Psychiater
und man kann nicht verlangen, daß ich die Gehirnwindungen
des Herrn Bezirkshauptmannes von Komotau näher untersuche.
(Posl. dr Lehnert: Das kann auch ein Fachmann nicht!) Koll.
Dr Lehnert, der Arzt ist, bestätigt, daß das
auch nicht möglich wäre. Ich nehme das zur Kenntnis
und überlasse es der hochwohlweisen Regierung, selbst den
Weg zu finden, um den guten Mann zu..... (Výkøiky.)
Er sagt also: "Das ist ein grober Irrtum,
denn die amtliche Kundmachung sagt klipp und klar, daß die
Auflösung der Verwaltungskommission wegen ihrer demonstrativen
Stellungnahme gegen die Regierung erfolgte, wobei die Streichung
des für den Neubau vorgesehenen Kredites diese politische
Manifestation nur sinnfällig zum Ausdruck bringen sollte".
Dieses historische Dokument glaubte ich den Herren Kollegen nicht
vorenthalten zu dürfen. Am 10. d. M. fand eine von der deutschen
Nationalpartei und den Nationalsozialisten einberufene öffentliche
Protestversammlung gegen diese Auflösung statt, sie war sehr
stark besucht und wurde vom Regierungsvertreter in dem Augenblick
aufgelöst, wo der Redner Dr Storch auch auf die Ernennungen
zu sprechen kam und an diesen Ernennungen Kritik übte. Aber
nicht genug an der Auflösung, der Regierungsvertreter - ja
es waren sogar deren zwei, einer genügte scheinbar nicht
- ließ den Saal durch Gendarmerie mit gefälltem Bajonett
räumen und er hat diese Gendarmerie erst dann zurückgezogen,
als nach längeren Verhandlungen mit ihm die Versammlungseinberufer
und Versammlungsleiter ihm erklärten, daß sie selbst
den Auftrag zur Räumung des Saales geben, worauf die Gendarmerie
zurückgezogen wurde. Nun stellen Sie sich vor: ein Redner
tut nichts anderes als die Ernennungen unter die kritische Lupe
zu nehmen und das genügt, den Saal räumen zu lassen.
(Posl. dr Lehnert: Da können wir doch gleich nach Rußland
gehen!) Das übersteigt doch die Handhabung des alten
Majestätsbeleidigungsparagraphen!
Der Bericht über diese Versammlung ist
aber auch von der Zensur, die doch dem Bezirkshauptmann untersteht,
an mehreren Stellen beschlagnahmt worden. Alle rot angestrichenen
Stellen sind beschlagnahmt (ukazuje èasopis),
d. h. mit anderen Worten: Der Bezirkspascha
schützt sich sowohl in der Versammlung gegen jede Kritik,
indem er die Versammlung auflösen läßt, er schützt
sich aber auch in der Presse vor jeder Kritik, indem er sie beschlagnahmen
läßt. Das sind die Segnungen der Verwaltungsreform.
Dieses Beispiel ist gleichzeitig ein Schulbeispiel für die
Unfähigkeit dieser Regierung und des ganzen Systems auf politischem
Gebiete und auf dem Gebiete der Verwaltung. Ihre Unfähigkeit
auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiete haben wir bei der mangelhaften
Lösung einer Reihe von Fragen feststellen können. Daß
sie zur Lösung des wichtigsten Problems in diesem Staate,
nämlich der nationalen Frage, unfähig ist, beweisen
die Klagetöne, die aus dem Lager der deutschen Regierungsparteien
ertönen. Insbesondere die christlichsoziale Partei hat sieh
zum reinsten Klageweib der gemischtnationalen Regierung entwickelt.
Ihre Abgeordneten mit dem Herrn Justizminister Dr Mayr-Harting
finden an dem Verhältnisse zwar nichts auszusetzen, wir
hören wenigstens niemals von ihnen Worte der Kritik, dafür
aber die Senatoren, vor allem Dr Medinger, Dr Ledebur
und insbesondere der Parteivorsitzende Dr Hilgenreiner
gewähren uns einen Einblick in die Verhältnisse,
der unsere Behauptung voll bekräftigt, daß die
deutschen Regierungsparteien das fünfte Rad am èechischen
Staatswagen sind, ein Eingeständnis, für welches wir
ihnen nur dankbar sein können. Ich verweise auf die Reden,
die sie im Senate bei der Behandlung des Staatsvoranschlages gehalten
haben. Herr Sen. Dr Hilgenreiner hat sich auch kürzlich
in einem Aufsatz zu dieser Frage geäußert und seiner
Mißstimmung mit folgenden Worten, die ich wörtlich
zitiere, Ausdruck verliehen: "Leider ist gerade dieser Hauptpunkt
des Regierungsprogrammes, eine gerechte Regelung der nationalen
Verhältnisse, gegenüber anderen Fragen bis heute
in den Hintergrund getreten. Ohne Zweifel hat die zweijährige
Zusammenarbeit èechische und deutsche Parteien einander
näher gebracht". (Výkøiky a smích
na levici.) Ich bitte, näher gebracht
kann man auf alle mögliche Weise werden. "Aber"
- so heißt es weiter in den Ausführungen des Senators
Dr Hilgenreiner - "die grundlegenden Streitfragen
wurden uns Deutschen zum Schaden kaum berührt. Zu einer offenen
direkten Diskussion der nationalen Fragen als Gleiche mit Gleichen
ist es innerhalb der Mehrheit bisher überhaupt noch nicht
gekommen. Versuche der deutschen Regierungsparteien, die bestehenden
Mißverhältnisse auszugleichen, sind großen Teils
erfolglos geblieben. In der Gesetzgebung und Verwaltung ist bis
heute das Bestreben zu bemerken, Recht und Besitzstand der Deutschen
in diesem Staate noch mehr zu verkürzen. So bei der Bodenreform,
bei der Aufnahme in den Staatsdienst, beim Minderheitsschulwesen,
bei den Ernennungen für die Landesund Bezirksvertretungen,
bei den Landesstellen der Privatbeamtenversicherung usw."
(Posl. dr Schollich: Trotzdem sagt Hilgenreiner: "
Wir sind und bleiben in der Regierung!") Wir sind
jedenfalls für dieses offene Eingeständnis sehr
dankbar. Die Antwort aus dem èechischen Lager ist deutlich
genug. Die "Národní Politika" schreibt:
"Es ist doch zur Genüge bekannt, daß die deutschen
Regierungsparteien aus eigenem Standesinteresse in die Regierung
ohne irgendwelche Voraussetzungen, Bedingungen
und Konzessionen eingetreten sind. Sie haben auch diesen bedingungslosen
Eintritt in die Regierung der deutschen Opposition gegenüber
bekannt und verteidigt. Wozu also diese Gaukeleien mit den Forderungen?
Wenn die deutsche christlichsoziale Partei und ihre deutschen
Verbündeten in der Mehrheit an der Koalition mit den èechischen
Parteien kein Interesse mehr haben, so sollen sie lieber die Konsequenzen
daraus ziehen. Das würde wenigstens zur Klärung im èechischen
Lager führen". Aber diese Konsequenzen
zieht man natürlich nicht, man wagt sie einfach nicht zu
ziehen, sondern erklärt nach einer derartigen Kritik, wie
sie schärfer von uns auch nicht ausgesprochen werden könnte:
"Trotzdem bleiben wir selbstverständlich in der Regierung".
Das, was in dem Aufsatz des Senators Dr Hilgenreiner steht
und was in der Antwort, die ihm die "Národní
Politika" erteilt, enthalten ist, beinhaltet nichts anderes,
als was wir schon oft behauptet haben, was man aber immer als
Verdrehung unsererseits hinzustellen beliebte. Die Herren waren
mit uns seinerzeit in der Beurteilung des Hauptproblems dieses
Staates vollständig einig. Das bewies die vom jetzigen Minister
Dr Spina am 18. Dezember 1925 im Abgeordnetenhaus im Namen
von vier Parteien abgegebene staatsrechtliche Erklärung.
Hätten die Herren zur Stange gehalten, statt um der Getreidezölle
und der Kongrua willen aus der nationalen Front auszubrechen,
so wären wir heute weiter. Die deutschen Sozialdemokraten
hätten sich nicht auf das schlechte Beispiel berufen können.
Da auch die Nationalpartei sich zur Frage der Selbstverwaltung
in zustimmendem Sinne geäußert hat, so hätten
wir heute eine geschlossene nationale Front.
Im Ringen der Völker muß man Geduld
haben und die Dinge ausreifen lassen. Die Herren sagen zu uns
immer, man müsse mit ihrem Experimente Geduld haben, müsse
zuwarten, bis etwas daraus wird. Wir antworten: Warum habt Ihr
nicht Geduld gehabt, zuzuwarten, bis sich eine andere Sachlage
ergibt? Warum habt Ihr Euch nicht den Standpunkt zu eigen gemacht,
daß die Nationalitäten- und Minderheitenfrage - uns
Sudetendeutsche rechne ich nicht zu den Minderheiten - eine europäische
Frage und infolgedessen auch ihre Lösung etwas schwierig
ist, und sich nicht etwa mit einigen Ermahnungen und Sittensprüchlein
durchführen läßt. Das gilt auch für diejenigen,
die da meinen, daß alle Gegensätze im deutschen Lager
mit dem einfachen Rezept der Einigkeit beseitigt werden können.
Einigkeit um der Einigkeit willen ertötet jeden Fortschritt
und ist kein taugliches Mittel. Nur dann hat sie einen
Zweck, wenn sie auf einem einheitlichen Ziel fußt. Erst
einheitliches politisches Wollen macht aus unserem Volke das,
was Franzosen, Engländer und auch Èechen schon sind
und was sie uns im nationalen Wettstreit überlegen macht:
Die Nation. Wir Nationalsozialisten
arbeiten bewußt an der politischen Willensgestaltung unseres
Volkes. Wir wollen es zur Nation gestalten. Diesen Zweck verfolgen
unsere völkischen Tage, verfolgen unsere Richtlinien, verfolgt
die kurze Formulierung des èechisch-deutsch en Problems
als eines Kampfes um die Geltung und Gleichberechtigung unserer
Sprache, um die Erhaltung unserer Schule, unseres Arbeitsplatzes
und unserer Scholle. Wie die Èechen unsere Tätigkeit
zu werten wissen, beweist sinnfällig der Umstand, daß
wir weder in den Landes- noch in den
Bezirksvertretungen ernannte Mitglieder besitzen. Wir begegnen
uns in der Auffassung der Lage mit den Anschauungen des heute
schon genannten Professors Dr Rádl, des einzigen mutigen
und aufrichtigen Èechen, der u. a. auch den Mut gehabt
hat, die Volkszählungspraktiken vom Jahre 1921, diese Volkszählung,
die in Wirklichkeit eine Volksverzählung war, offen in seinem
Buche anzuprangern, als Beispiel zur Nachahmung den Herren der
èechischen sozialdemokratischen und èechischen nationalsozialistischen
Partei empfohlen, die diesen Mut niemals besessen haben.
In der vom Koll. Dr Spina im Jahre 1925
abgegebenen staatsrechtlichen Erklärung ist das Problem klar
und deutlich mit den Worten gekennzeichnet: "Deshalb fordern
wir, daß auch der Aufbau des Staates und die Art, wie er
regiert wird, sich nach den Bedürfnissen und Forderungen
aller ihn bewohnenden Völker richtet". Das ist ein klares
Bekenntnis zur nationalen Selbstverwaltung auf der Grundlage nationaler
Siedlungsgebiete. Sie muß das gemeinsame Ziel des gesamten
Sudetendeutschtums sein. Ihre zeitgerechte und richtige Lösung
ist auch das Hauptproblem dieses Staates. Die gegenwärtige
Regierung erachten wir zu seiner Lösung nicht für befähigt,
obzwar sie eine gemischtnationale Regierung ist und daher in erster
Reihe den Beweis für ihre Befähigung auf diesem Gebiete
zu erbringen hätte. Dadurch ist unsere Einstellung zu ihr
auch klar gegeben. (Potlesk poslancù nìm.
strany nár. socialistické.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Nach langen
Mühen und Plagen ist endlich die Frage der Nachfolge Švehlas
gelöst worden. Herr Minister Udržal hat
sich heute dem Hause als neu ernannter Ministerpräsident
vorgestellt, und somit ist ein politisches Zwischenspiel, das
reichlich lange Zeit gedauert und das sich meist im Dunkel des
Achterausschusses und der interministeriellen Beratungen abgespielt
hat, nun endlich zu Ende. Habemus papam - wir haben einen neuen
Papst - wenn er sich selbst auch nur als eine Art Platzhalter
des immer noch als erkrankt geltenden Herrn Ministerpräsidenten
a. D. Švehla bezeichnet und der Hoffnung Ausdruck
gibt, daß es dem Kranken wieder möglich werde, die
Zügel der Regierung zu ergreifen. Aber diese Lösung
scheint keine endgültige zu sein, scheinbar sind in dem Antlitz
nicht nur des Herrn Ministerpräsidenten sondern auch des
ganzen Kabinetts mehrere greisenhafte Züge bemerkbar, welche
darauf hindeuten, daß immer noch Kräfte am Werke sind,
um die Lebensdauer dieser Regierung einzuschränken, so daß
man sagen könnte, daß die Füße derer, die
diese Regierung hinaustragen werden, schon vor der Türe stehen.
Es ist ja begreiflich, daß bei den Spannungen, die im Schoße
der Regierung und der Mehrheitsparteien vorhanden sind, eine definitive
Lösung umso schwerer gefunden werden kann, als ja immerhin
die Möglichkeit von Neuwahlen besteht, zumal ja die Zeit
schon weit vorgeschritten ist und gewisse Parteien darauf drängen,
daß Neuwahlen ausgeschrieben werden. (Posl. dr Schollich:
Der Parlamentarismus zeigt einen gewissen Marasmus!) Jawohl.
Wenn ich noch einmal auf das abgeführte
Intriguenspiel zurückkomme, so muß ich feststellen,
daß nicht der jetzige Ministerpräsident als Sieger
hervorgegangen ist, sondern eigentlich Herr Minister Šrámek,
der, wie wir alle wissen, zu den allerbeliebtesten und von allen
höchst geschätzten Männern der Regierung und des
Parlaments gehört.
Nun, wie so üblich, hat auch der Herr
Ministerpräsident heute eine Regierungserklärung vor
dem Hause abgegeben. Wir haben im Laufe der letzten Jahre schon
häufig Gelegenheit gehabt, Regierungserklärungen zu
hören und können sagen: Sie sind alle im großen
und ganzen auf ein und denselben Ton abgestimmt; mit einem Aufwand
von Worten und schönen Phrasen umschreibt jede Regierung
ihren künftigen Arbeitsplan: aber in so allgemeinen Redensarten
hat sich bis jetzt noch keine gehalten wie gerade die Regierungserklärung
des jetzigen Herrn Ministerpräsidenten. Was er als erstrebenswertes
Ziel seiner Politik hingestellt hat, sind wirklich nur große
Prinzipien, Schlagworte, möchte ich sagen, denen wahrscheinlich
der Inhalt fehlen wird, weil es nur darauf ankommt, etwas zu sagen
und dabei darunter etwas ganz anderes zu meinen. Wenn man aus
all diesem Rankenwerk von Worten den Kern herausschält, so
kommt man darauf, daß alles beim alten bleibt, daß
wir nach dem bewährten Muster des Herrn Švehla einfach
weiterregieren, so wie wir bisher regiert haben. Wenn das wirklich
- ich bin überzeugt, daß es so ist - der Kern der Regierungserklärung
und der Wille derjenigen, die die Regierung in der Hand haben,
ist, so ist es für uns selbstverständlich, daß
wir Deutschnationalen uns zu dieser Regierung genau so einzustellen
haben werden wie zu den früheren Regierungen. Wir werden
auch dieser Regierung gegenüber, die genau in das alte Fahrwasser
der früheren Regierungen hineinsegeln wird, die Rechte unseres
Volkes zu verteidigen haben und wir werden wahrscheinlich erfahren,
daß es unter dieser Regierung genau so wie unter den früheren
keinen Tag geben wird, ohne daß Interessen des deutschen
Volkes hier geschmälert und angegriffen werden, so daß
wir uns genau so wie früher dieser Regierung gegenüber
in strengster Abwehrstellung zu befinden haben wer den
und die Rechte unseres Volkes mit allen uns zu Gebote stehenden
Mitteln verteidigen müssen. Allerdings, von seinem Standpunkt
aus hat er nicht Unrecht gehabt, denn er als èechischer
Ministerpräsident kann ja von seinem
Standpunkt aus gewiß auf eine ganze Reihe von Erfolgen zurückblicken,
die sein Vorgänger und alle die, die früher vor ihm
da waren, für das èechische Volk und auch in gewisser
Beziehung für den rein èechischen Staat nach Hause
gebracht haben. Das èechische
Regierungssystem, das sich seit der Gründung des Staates
mit einer bewundernswerten Konsequenz stets gleich geblieben ist,
hat für die èechische Nation zweifellos große
Erfolge aufzuweisen. Und ich muß sagen, daß gerade
seit der Zeit, als es den Èechen
gelungen ist, drei deutsche Parteien an ihren Regierungskarren
zu spannen, das Tempo viel schneller geworden ist, daß die
Èechen für sich vielmehr nach Hause bringen konnten
als sie in den vergangenen acht Jahren imstande waren. Wenn wir
uns vergegenwärtigen, was das èechische
Regime uns bis jetzt alles gebracht hat, so finden wir, daß
das ganz hübsche nette Sachen sind. Die Geltung der deutschen
Sprache wurde in den vergangenen Jahren immer mehr eingeschränkt
vor den Behörden und auch in den Selbstverwaltungskörpern
selbst, die Rechte der Selbstverwaltungskörper in Bezirk
und Land sind im Laufe der Jahre beinahe vollkommen vernichtet
worden und das gesamte öffentliche Leben wurde der èechischen
Bürokratie ausgeliefert. Es gelang der èechischen
Regierungskunst, uns einen Teil des deutschen
Arbeitsplatzes zu nehmen, die deutschen Staatsangestellten und
Staatsbeamten zum großen Teil aus ihrem Dienst zu jagen,
das allgemeine Wahlrecht anzutasten, das Volksvermögen zugunsten
einer ganz überflüssigen Wehrmacht und Auslandspropaganda
zu verschleudern, das gesamte deutsche Wirtschaftsleben vom èechischen
Bankentrust abhängig zu machen, das deutsche Schulwesen zu
drosseln und weiter niederzuhalten, obgleich die Verhältnisse,
unter denen einmal vielleicht formell eine
Verminderung der Schulklassen gerechtfertigt gewesen wäre,
sich heute längst geändert haben. Wenn wir heute Beschwerde
darüber führen müssen, daß durch die Verwaltungsreform
die Bürokratie in Bezirk und Land und indirekt auch in der
Stadt allein herrschend geworden ist, so können wir gerade
in der letzten Zeit eine ganze Menge Fälle anführen,
welche diese Ansicht, die wir schon seinerzeit bei den Beratung
dieser Gesetzesvorlage geäußert haben, vollauf bestätigen.
Ich brauche nicht lange auf die verschiedenen Abstriche hinzuweisen,
die seitens der Oberbehörde in den Gemeinde- und Bezirksvoranschlägen
gemacht wurden und die den Selbstverwaltungskörpern, sofern
man von solchen überhaupt noch sprechen kann, es unmöglich
machen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Ich habe von dieser Stelle
darauf hinzuweisen, daß erst in der letzten Zeit es in Komotau
einem Herrn Bezirkshauptmann beliebte, die dortige, ich möchte
sagen, freiwillig eingesetzte Verwaltungskommission von Komotau
Stadt und Oberdorf aufzulösen, weil sie sich erkühnte,
einmal nicht den Beschluß zu fassen, den der Herr Bezirkshauptmann
von ihr erwartet und gefordert hat. (Rùzné
výkøiky posl. dr Schollicha a dr Lehnerta.) Gewiß,
wenn wir diesen Fall in eine Interpellation leiten würden
und wenn sie beantwortet würde, so würde man auf die
Machtvollkommenheiten hinweisen, die das Gesetz dem Bezirkshauptmann
gibt, man würde alles schön und in Ordnung finden. Aber
das ist nicht das Wesen der Sache. Das Wesen der Sache ist es,
daß es dem Willen eines Bezirkshäuptlings überlassen
ist, eine derartige Maßnahme zu treffen, ohne irgendeine
andere Behörde, wie es im alten Österreich vorgeschrieben
war, zu fragen, nur deswegen, weil sein Wille nicht ohne weiters
befolgt worden war. Das ergibt wunderbare Auspizien für die
Zukunft. Das ergibt die begründete Besorgnis, daß das,
was hier an einem Orte geschieht, Schule machen und daß
man überhaupt mit den Bezirksvertretungen so umspringen wird,
daß, wenn die Leute, die dort sitzen, die Gewählten
und die Ernannten, nicht alles tun, was der Bezirkshauptmann will,
man die Bezirksvertretung einfach auflöst, den Leuten, wie
es tatsächlich im Gesetze vorgesehen ist, das Mandat nimmt.