Was aber jedem normaldenkenden Menschen unverständlich
sein und bleiben wird, ist die Tatsache, daß den maßgebenden
Faktoren des èechischen Regierungssystems auch dieser vorliegende
Gesetzesantrag dazu herhalten muß, um uns Deutsche in nationaler
Beziehung zu verletzen und uns eine raffiniert ausgeklügelte
Art und Weise nationaler Schädigung und Beeinträchtigung
erkennen zu lassen, die man uns ganz langsam in Zukunft zufügen
wird, ohne daß wir die Möglichkeit haben, uns dagegen
zur Wehre zu setzen. Es handelt sich um die planmäßige
Gefährdung der deutschen Landesstellen der Allgemeinen Pensionsanstalt
in Prag, Brünn und Troppau, von denen die letztere bereits
durch den Gesetzesantrag verloren gegangen ist, während die
beiden ersteren langsam in Zukunft umgebracht werden sollen. Abgesehen
von der Slovakei beruhen die heute bestehenden Landesstellen der
Allgemeinen Pensionsanstalt auf dem Pensionsversicherungsgesetz
vom 16. Dezember 1906 und auf der zur Durchführung dieses
Gesetzes erlassenen Verordnung des Ministeriums des Innern vom
5. November 1908. An diesem Zustand haben die folgenden Gesetzesnovellen,
einschließlich der vom Jahre 1920 nichts geändert.
Die im Jahre 1901 eingebrachte Regierungsvorlage des Pensionsversicherungsgesetzes
hatte eine ganz zentral organisierte Pensionsanstalt für
Österreich mit dem Sitze in Wien vorgesehen. Gegen
diese Organisation, richtete sich der Kampf besonders der èechischen
Abgeordneten im Wiener Parlamente, welcher schließlich zu
einem Kompromiß, eben den jetzt noch bestehenden Landesstellen,
führte. In den bestehenden Landesstellen
der Pensionsanstalt haben wir eine durch Jahrzehnte eingelebte
Organisation, die sich in jeder Hinsicht ausgezeichnet bewährt
hat. Selbst der Motivenbericht bezeichnet es als überflüssig,
eine alte bewährte Organisation zu zerstören und mit
einer neuen Organisation zu experimentieren, deren Zweckmäßigkeit
und Erfolg doch nur unsicher wäre. Es wird ausdrücklich
zugegeben, daß man die Landesstellen nicht ohne bedeutenden,
kaum zu überwindenden Widerstand aufgeben könnte. Tatsächlich
wird ja auch das Landesstellensystem beibehalten, nur die
deutschen Landesstellen werden als überflüssig erklärt.
Die seinerzeit von den èechischen Abgeordneten im Wiener
Parlament geltend gemachten nationalpolitischen Gründe werden
jetzt den Deutschen nicht zugestanden.
Schon bei den Beratungen der Fachkommission begann der Kampf der
Èechen gegen die deutschen Landesstellen. Nach den Anträgen
der Fachkommission sollten die bestehenden deutschen Landesstellen
in Böhmen, Mähren und Schlesien aufgehoben, und nur
drei gemeinsame Landesstellen, eine für
Böhmen in Prag, eine für Mähren und Schlesien in
Brünn und eine für die Slovakei und Karpathorußland
in Bratislava errichtet werden. Der Einspruch der deutschen Kommissionsmitglieder,
begründet durch den dringenden Wunsch der Dienstgeber
und Dienstnehmer auf Erhaltung der deutschen Landesstellen blieb
erfolglos. Bei allen Verhandlungen der Fachkommission war es die
klare Absicht der Èechen, die deutschen Landesstellen aufzuheben.
So kam der Regierungsantrag endlich vor den
Ministerrat zur Vorgenehmigung. Wer den in dieser Vorlage enthaltenen
§ 84 las, konnte ihn nicht anders verstehen, als daß
in Böhmen, in Mähren-Schlesien und in der Slovakei nur
je eine Landesstelle bestehen solle, zumal diese Auffassung auch
durch den Wortlaut der § 124, Abs. 11, § 134, Abs. 2
und § 135, Abs. 2 vollkommen bestätigt erschien. Die
deutsche Bevölkerung konnte es nicht verstehen, daß
dieser deutsche Besitzstand unter einer Regierung verloren gehen
solle, in der zwei deutsche Ministersitzen, zumal die Regierung
schon darauf aufmerksam gemacht worden war, daß die deutschen
Regierungsparteien keinesfalls einer Gesetzesvorlage zustimmen
können und werden, wenn dieselbe die seit 20 Jahren bestehenden
deutschen Landesstellen der Allgemeinen Pensionsanstalt aufhebt
oder auch nur in ihrem Wirkungskreis beschränkt. Und tasächlich
wurde die deutsche Öffentlichkeit durch die Zeitungsnachricht
angenehm überrascht, daß die beiden deutschen Minister
die Forderung nach Erhaltung der deutschen Landesstellen mit aller
Energie erhoben und sogar mit ihrer Demission gedroht haben, wenn
diesem deutschen Wunsche nicht Rechnung getragen werden sollte.
Die Presse der deutschen Regierungsparteien beschwichtigte wochenlang
die deutsche Bevölkerung, daß die Erhaltung der deutschen
Landesstellen so gut wie gesichert sei, daß nur die entsprechende
Änderung des Textes des § 84 noch Gegenstand der Beratungen
der politischen "Osmièka" bilden wer de.
Erst im Zuge der Beratungen des sozialpolitischen Ausschusses
sickerte abermals die Kunde durch, daß besonders der Minister
Šrámek und der Vertreter
der èechischen klerikalen Partei der Erhaltung der deutschen
Landesstellen neue Schwierigkeiten entgegensetzen und daß
die deutschen Regierungsparteien gezwungen sind, einen schweren
Kampf mit ihren èechischen Koalitionsgenossen auszufechten.
Unmittelbar vor der endgültigen Abstimmung im sozialpolitischen
Ausschuß wurde den deutschen Regierungsparteien
ein Text für den § 84 präsentiert, der zwar vorläufig
die deutschen Landesstellen formell bestehen läßt,
sie aber durch seine Bestimmungen der Willkür des Ministers
für soziale Fürsorge ausliefert und sie zum ehesten
Absterben verurteilt. Diese Gesetzesformel wurde den deutschen
Regierungsparteien mit dem nicht ernst zu nehmenden Ultimatum
vorgelegt, daß die deutschen Regierungsparteien dafür
zu stimmen haben oder es werde das Pensionsversicherungsgesetz
eben von einer anderen Mehrheit gemacht werden. Unbegreiflicherweise
sind die deutschen Regierungsparteien vor diesem Druck zurückgewichen
und haben wiederum die Politik der Nachgiebigkeit den Èechen
gegenüber betätigt. Unter der allnationalen èechischen
Koalition ist es gelungen, die deutschen Landesstellen
in Böhmen, Mähren und Schlesien zu erhalten, unter der
gemischnationalen Regierungsmehrheit wird die Axt an diesen deutschen
Besitzstand angelegt. (Posl. dr Koberg: Die Troppauer Landesstelle
verschwindet soeben!) Die ist schon erledigt. Alle
solche Argumente, die für die Aufrechterhaltung der deutschen
Landesstellen der Allgemeinen Pensionsanstalt sprachen, stoßen
bei den èechischen Regierungsparteien auf taube Ohren.
Die Vertröstungen der deutschen Regierungspresse, daß
ja die deutschen Landesstellen vorläufig
erhalten bleiben, daß ihre Organisation und ihr Wirkungkreis
durch die Verordnung einer Regierung bestimmt werden solle, in
der zwei deutsche Minister sitzen, die schon ihren Einfluß
zur Erhaltung der deutschen Landesstellen entsprechend
ausüben werden, sind nach unseren bisherigen Erfahrungen
keineswegs geeignet, unsere Befürchtungen zu zerstreuen.
Im Gegenteil, wir sehen klar und deutlich, daß die planmäßige,
von den Èechen angestrebte Vernichtung der deutschen Landesstellen
sich mit unheimlicher Schnelligkeit verwirklicht.
Zuerst wird mit dem Hinweis auf die Auswirkung der Verwaltungsreform
die deutsche Landesstelle in Troppau aufgelöst und in die
deutsche Landesstelle in Mähren überführt. Damit
ist schon eine von den verhaßten deutschen Landesstellen
tatsächlich verschwunden. Bleiben also noch die beiden deutschen
Landesstellen in Prag und Brünn übrig. Die Abgrenzung
des Wirkungsbereiches der deutschen Landesstelle in Böhmen
erfolgte bisher nach dem Territorialprinzip, während in Mähren
das sogenannte Personalitätsprinzip zugrundegelegt wurde.
Diese unterschiedliche Organisation des Wirkungsbereiches war
auch bisher die einzigmögliche Gewähr für die Erhaltung
des deutschen Besitzstandes in Böhmen und Mähren. Was
wird nun geschehen? Vorerst wird gegen die Brünner deutsche
Landesstelle ins Treffen geführt, daß der nationale
Kataster, nachdem ihr Sprengel bestimmt ist, heute nicht mehr
besteh e, daß also die gesetzliche Grundlage für die
Beibehaltung des Personalitätenprinzips verloren gegangen
sei. Aus Unifizierungsgründen wird man daher für die
deutsche Landesstelle der vereinigten Länder Mähren
und Schlesien das in Böhmen geltende Territorialprinzip einführen.
Aus den von Dr Hotowetz in der Zeitschrift "Die Pensionsversicherung"
veröffentlichten statistischen Daten wird die deutsche Landesstelle
in Brünn in Zukunft maximal 13.000 Versicherte umfassen.
Nach den Berechnungen des Dr Hotowetz hat Brünn dann eine
zu kleine deutsche Landesstelle, die wegen ihrer verhältnismäßig
höheren Verwaltungskosten und wegen ihres verhältnismäßig
größeren Beamtenapparates im Vergleich zu einer größeren
Landesstelle als unökonomisch bezeichnet werden muß.
Die Regierung wird also aus Gründen der Ökonomie die
deutsche Landesstelle in Brünn auflösen. Damit verschwindet
die zweite deutsche Landesstelle. Aus Unifizierungsgründen
wird dann die Regierung zu der Schlußfolgerung kommen, daß
auch die deutsche Landesstelle in Prag überflüssig ist
und daher ohne Beeinträchtigung der ganzen Organisation aufgelassen
werden kann. So erreicht die èechische Regierung
auf Umwegen das, was sie heute durch einen Gewaltakt gegen die
Deutschen zu tun sich vorläufig noch scheut. Die Zukunft
wird lehren, daß unsere Bedenken und Befürchtungen
vollkommen berechtigt sind. Schlag auf Schlag
wird sich verwirklichen, was die Opposition als angeblich wesenloses
Gespenst heute an die Wand malt. Wir führen bisher einen
ergebnislosen Kampf um unseren deutschen Besitzstand in diesem
Staate. Wir bekämpfen furchtlos gesetzliche Bestimmungen,
die durch die Dehnbarkeit ihrer Auslegung die èechischen
Machthaber in die Lage versetzen, uns eine Niederlage nach der
anderen zu bereiten.
Unverständlich bleibt uns nur das Verhalten
der deutschen Regierungsparteien, die ihre günstige Position
in der Regierungsmehrheit auch bei dieser Gelegenheit nicht
auszunützen verstanden. Jetzt, da die èechischen Parteien
noch nicht in der Lage sind, eine neue Regierungsmehrheit zu bilden,
hätten die deutschen Regierungsparteien
ruhig mit ihrem Austritt aus der Regierungsmehrheit drohen und
so die Erhaltung der deutschen Landesstellen erzwingen können.
Wenn sie dies nicht getan haben, so werden sie später einmal
die Verantwortung vor dem ganzen deutschen Volke für ihre
Handlungsweise zu tragen haben.
Ich gebe zu, daß eine ganze Reihe von
gesetzlichen Bestimmungen der Regierungsvorlage ohne weiters vom
sozialen Standpunkte auch für die Deutsche Nationalpartei
annehmbar ist. Wir begrüßen es, daß eine der
dringendsten Forderungen auf dem Gebiete der sozialen Politik,
auf deren Notwendigkeit im Laufe der letzten Jahre auch die Deutsche
Nationalpartei wiederholt nachdrücklichst hinzuweisen Gelegenheit
hatte, endlich ihre Erfüllung finden soll. Wenn auch die
Gestaltung der künftigen Pensionsversicherung, die eine Lebensfrage
für tausende deutscher Privatangestellter darstellt, in manchen
Punkten noch einer Verbesserung fähig ist, so könnte
die deutsche Nationalpartei doch wenigstens jenen Bestimmungen
zustimmen, die ohne Änderung und Verschlechterung aus dem
Entwurf der Fachkommission in den Regierungsantrag übernommen
wurden. Die deutsche Nationalpartei anerkennt auch die berechtigten
Forderungen der Journalisten und könnte ohne Bedenken dem
heute vorliegenden § 124 zustimmen, zumal ja diese Bestimmungen
von der anerkannten Journalistenorganisation als Kompromiß
mit der Regierungsmehrheit angenommen wurden. Solange aber von
der Regierung dem Parlamente Gesetze vorgelegt werden, die eine
schwere Schädigung des nationalen Besitzstandes der Deutschen
enthalten, wie dies im Falle der deutschen Landesstellen in diesem
Gesetze geschieht, darf die deutsche Nationalpartei der Regierung
nicht ihr Vertrauen aussprechen und muß aus nationalpolitischen
Gründen einem solchen Gesetz ihre Zustimmung versagen.
Wir haben aber noch andere nationalpolitische
Bedenken gegen das vorliegende Gesetz. Während im §
69, Abs. 3 des Gesetzes Nr. 221/24 die Zentralsozialversicherungsanstalt
verpflichtet wird, darauf zu achten, daß unter den Beamten
das Verhältnis der nationalen Zugehörigkeit annähernd
mit der nationalen Zugehörigkeit der Versicherten übereinstimme,
vermissen wir eine analoge Bestimmung hinsichtlich der Zentrale
der Allgemeinen Pensionsanstalt, in dem zur Verhandlung stehenden
Gesetze. Wir befürchten, daß ein Auslassen dieser Bestimmung
ein Präjudiz für das in Vorbereitung stehende Gesetz
über die Krankenversicherung der Privatangestellten bedeutet,
so daß auf diese Weise die deutschen Angestellten geschädigt
erscheinen.
Leider müssen wir aber auch bemerken,
daß gerade in einer Zeit, in der alle deutschen Parteien
die Selbstverwaltung in diesem Staate wenigstens als Etappenziel
ihrer Politik aufgestellt haben, der vorliegende Regierungsantrag
alles enthält, was die Autonomie in der Verwaltung der Pensionsversicherung
systematisch untergräbt. Unserer Ansicht nach hat die Verwaltung
der Pensionsversicherung ausschließlich in den Händen
der Nächstbeteiligten, der Dienstnehmer und der Dienstgeber
zu liegen und die staatliche Aufsicht soll auf jenes Mindestmaß
eingeschränkt werden, das notwendig ist, um die Erfüllung
der gesetzlichen Obliegenheiten zu sichern und Mißbrauch
hintanzuhalten. Wir lehnen es daher ab, daß die Regierungsvorlage
die ehrenamtliche Verwaltung der Pensionsversicherung einschränkt.
Genau so wie wir bei dem Gesetz über die
Bezirks- und Landesvertretungen das Recht der Regierung auf die
Ernennung eines Drittels der Bezirks- und Landesvertreter bekämpft
haben, so verweigern wir auch jetzt unsere Zustimmung dazu, daß
die Regierung das Recht erhalten solle, zu den von den Dienstnehmern
und Dienstgebern nach dem Grundsatz der Verhältniswahl gewählten
Ausschußmitgliedern der Allgemeinen Pensionsanstalt auch
noch Fachleute zu ernennen, weil dies dem Grundsatz der Demokratie
und der Selbstbestimmung der Mitglieder der Allgemeinen Pensionsanstalt
widerspricht, weil ferner durch die Ernennung das Ergebnis der
Verhältniswahl verfälscht wird. Wenn wir uns auch damit
abfinden können, daß der Vorsitzende der Allgemeinen
Pensionsanstalt vom Präsidenten der Republik ernannt wird,
so müssen wir auf der anderen Seite grundsätzlich verlangen,
daß dessen Stellvertreter von der Gruppe der Dienstgeber
und Dienstnehmer durch freie Wahl aus ihrer Mitte bestimmt werden.
Die jetzt im Gesetze vorgesehene Ernennung der Stellvertreter
soll wahrscheinlich nur dazu dienen, das nicht am Ende ein Deutscher
einer der Stellvertreter werde. (Souhlas na levici.) Die
gleiche Forderung nach Wahlen stellen wir auch bei den Stellvertretern
der Obmänner der Landesstellen.
Wir erheben auch Einspruch gegen die weitgehende
Vollmacht, die sich das Ministerium für soziale Fürsorge
hinsichtlich der ganzen Gebarung der Pensionsversicherung einräumen
läßt, nur um seine bürokratische Verwaltungsmethode
der Pensionsversicherung aufzwingen zu können. Wir lehnen
auch die jedem Prinzip der Selbstverwaltung abträgliche Vormachtstellung
des Ministeriums für soziale Fürsorge und des Finanzministeriums
in den Fragen der Vermögensgebarung ab, weil die in der Pensionsversicherung
angehäuften Kapitalien, die aus der Volkswirtschaft angesammelt
wurden, staatlichen Zwecken zur Verfügung gestellt, der Privatwirtschaft
aber restlos entzogen werden sollen.
Heute wissen wir, daß alle unsere diesbezüglichen
Wünsche unerfüllt bleiben werden, weil die Regierungsmehrheit
beschlossen hat, das Gesetz so anzunehmen, wie es nach dem Wunsche
der Regierung dem Hause vorgelegt wurde. So lange aber unsere
wichtigsten Forderungen und Wünsche keine Aussicht auf Erfüllung
haben, muß die Deutsche Nationalpartei gegen das Gesetz
stimmen. (Potlesk poslancù nìm. strany
národní.)