Hohes Haus! Es ist jetzt nahezu 10 Jahre, daß
die Angestellten in Handel und Industrie für die Novellierung
der Pensionsversicherung eintreten und fordern, daß die
Leistungen sowohl der Altersals auch der Invaliditätsversicherung
der Privatangestellten auf ein Niveau gehoben werden, das wenigstens
einigermaßen den wirklichen Verhältnissen ihrer wirtschaftlichen
Lage entspricht. Die Regierungsvorlage, die heute das Abgeordnetenhaus
zur endgültigen Erledigung zu beraten hat, ist also schon
seit vielen Jahren fällig und es ist somit keine Errungenschaft,
sondern nur die Einlösung einer längst fälligen
Schuld, daß die Pensionsversicherung der Privatangestellten
endlich novelliert wurde. Trotzdem also mit der endgültigen
Verabschiedung der Regierungsvorlage eine alte Schuld eingelöst
wird, ist es kein Zweifel, daß sich die Privatangestelltenschaft
im Allgemeinen und die deutsche Privatangestelltenschaft im Besonderen
freut, daß endlich die sozialen Leistungen des Gesetzes
verbessert werden.
Leider fällt in den Kelch dieser Freude
nicht nur der bittere Tropfen, daß sich die Regierungsmehrheit
zu keiner wirklich grundlegenden und großzügigen sozialen
Auffassung durchringen konnte und deshalb eine Reihe berechtigter
Forderungen der Privatangestelltenschaft unerfüllt geblieben
sind, sondern auch ein anderer noch bitterer Tropfen, der den
deutschen Angestellten auch an den mäßigen sozialen
Erfolgen dieses Gesetzes die Freude nimmt: die Tatsache, daß
man trotz zahlreicher Versicherungen der Regierungsparteien sich
nicht gescheut hat, die Axt an die deutschen Landesstellen zu
legen.
Die Pensionsversicherung der Angestellten besteht bekanntlich
seit etwa 20 Jahren. Als sie im alten Österreich durch das
Abgeordnetenhaus beschlossen wurde, erhoben die èechischen
Parlamentarier, unter denen sich damals auch der jetzige
stellvertretende Ministerpräsident und Minister für
soziale Fürsorge Msgre. Šrámek befand,
die Forderung, daß die Pensionsanstalt auf Grund des nationalen
Autonomieprinzipes zu organisieren sei. (Hört! Hört!)
Tatsächlich wurde damals sowohl in Prag als auch
in Brünn je eine deutsche und eine èechische Landesstelle
der Pensionsanstalt errichtet und neben den historischen Ländern
auch in Troppau eine Landesstelle, die in ihrer großen Mehrheit
deutsch war, geschaffen. Damals gab es auf dem Gebiete von Böhmen,
Mähren und Schlesien insgesamt rund 45.000 Versicherte, von
denen kaum 15.000 der èechischen Nation angehörten.
Für diese 15.000 Angestellte wurden damals 2 Landesstellen
eingerichtet. Während in Böhmen der Grundsatz der Gebietszuteilung,
also das territoriale System festgelegt,
wurde, so daß jene Bezirke, die in ihrer Mehrheit èechisch
waren, ihre Angestellten bei der èechischen Anstalt zu
versichern hatten, während die Angestellten jener Bezirke,
die in ihrer Mehrheit deutsch waren, ihre Versicherungen
bei der deutschen Landesstelle aktivierten, wurde dagegen in Mähren
das sogenannte Personalitätsprinzip eingeführt. (Posl.
inž. Jung: Dieses Prinzip bildete eine Grundlage des mährischen
Ausgleiches!) Jawohl! Dieser Grundsatz
war kurze Zeit vorher bei Schaffung des mährischen Ausgleichs
von beiden Völkern angenommen worden und ist auch den Siedlungsverhältnissen
der beiden Völker in Mähren durchaus angepaßt.
Auf Grund des Personalitätsprinzips wurde in Mähren,
gleichgültig, ob der Angestellte in einer deutschen
oder in einer èechischen Stadt wohnte, der deutsche Angestellte
bei der deutschen Landesstelle und der èechische Angestellte
bei der èechischen Landesstelle eingetragen. Im alten Österreich
hatte man also das Bestreben, auch den nationalen Interessen
der Angestelltenschaft gerecht zu werden, so daß die deutschen
Angestellten ihre deutschen Landesstellen und die èechischen
ihre èechischen Institute selbst verwalteten. Diese Regelung
der Organisation der Pensionsversicherung hat sich außerordentlich
bewährt. Die Landesstellen, gleichgültig
ob die deutschen oder die èechischen, waren gut und gewissenhaft
verwaltet und, was ja der Zweck der nationalen Sektionierung war,
es gab niemals nationale Konflikte in dieser für die Angestellten
eingerichteten Institution.
Gegenwärtig ist die Anzahl der verschiedenen Angestellten
wesentlich größer als vor 20 Jahren. Mit 1. Mai 1928
gab es folgende Landesstellen: 1. Die Prager deutsche Landesstelle
mit 61.881 Versicherten, 2. die Prager èechische Landesstelle
mit 105.184 Versicherten, 3. die deutsche Landesstelle in Brünn
mit 18.246 Versicherten, 4. die èechische Landesstelle
in Brünn mit 28.215 Versicherten, 5. die Landesstelle in
Troppau mit 10.408 und 6. die slovakische Landesstelle in Bratislava
mit 26.530 Versicherten. Wenn man die
historischen Länder vor allem in Rechnung stellt, ergeben
sich folgende Ziffern, wobei festgehalten wird, daß die
Troppauer Landesstelle überwiegend deutsch ist: 135.000 èechische
Angestellte und rund 90.000 deutsche Angestellte. Aus diesen
Ziffern ergibt sich das klare Recht, daß den Deutschen in
Böhmen, Mähren und Schlesien die deutschen Landesstellen
zugebilligt werden müßten. Leider müssen wir heute
beim Abschluß der Beratungen über das vorliegende Gesetz
feststellen, daß infolge der neuen Fassung des § 84,
der die deutschen Landesstellen betrifft und der mit Zustimmung
der deutschen Regierungsparteien im sozialpolitischen Ausschuß
zum Beschluß erhoben wurde, nachfolgende Lage geschaffen
wurde: 1. Die Landesstelle Troppau wird vollständig beseitigt,
2. der Wirkungskreis der Landesstelle von Böhmen, Mähren
und Schlesien wird durch den Abs. 2 von der Regierungsverordnung
neu bestimmt werden. Im Gesetzestext heißt es ausdrücklich,
daß die Mitglieder der schlesischen Landesstelle in Troppau
an die einzelnen Amtsstellen von Mähren aufgeteilt werden.
3. Auf die Landesstellen in Mähren soll ebenso wie bisher
auf die Landesstelle in Böhmen das Territorialprinzip angewendet
werden, d. h. es sollen die Angestellten, gleichgültig, ob
deutscher oder èechischer Nationalität, die
in Bezirken mit èechischer Mehrheit wohnen, der èechischen
Landesstelle und Angestellte in Bezirken mit deutscher Mehrheit,
der deutschen Landesstelle zugeteilt werden. Was bedeutet das?
Es bedeutet, daß die Anwendung des Territorialprinzipes
für das mährischschlesische Gebiet gleichbedeutend damit
ist, daß viele tausende deutscher Privatangestellten nunmehr
bei der èechischen Landesstelle versichert sein werden
und dort natürlich nicht nur um das Recht ihrer Selbstverwaltung,
sondern auch um ihre sprachlichen Rechte betrogen werden. Wer
die Verhältnisse in Mähren und Ostschlesien kennt, weiß,
daß das bedeutet, daß die Angestellten von Brünn,
Iglau, Znaim, Olmütz, Mähr. Ostrau und vielen anderen
politischen Bezirken von nun an in die èechischen
Landesstellen inkorporiert werden. Da besonders die deutschen
Industrieangestellten in ihrer Mehrheit in diesen Gebieten tätig
sind, besteht kein Zweifel darüber, daß die deutschen
Landesstellen wesentlich geringeren Umfang aufweisen werden
als gegenwärtig, trotzdem sie von der Troppauer Landesstelle
mindestens 7000 bis 8000 deutsche Angestellte zugewiesen erhalten
haben werden. Von den mehr als 54.000 Angestellten in Mähren-Schlesien
sind rund 25.000 deutscher und 29.000 èechischer Nationalität.
Die deutsche Landesstelle in Brünn würde, wenn das Personalitätsprinzip
aufrecht erhalten bleibt, zweifellos eine große und rentable
Landesstelle sein. Durch die Beseitigung des Personalitätsprinzips
und die Einführung des Territorialprinzipes werden
aber aller Wahrscheinlichkeit nach mehr als 12.000 Angestellte
der èechischen Landesstelle zugewiesen werden, so daß
die deutsche Landesstelle in Brünn nur mehr 13.000 Versicherte
aufweisen wird. Was das zu bedeuten hat, ist jedem Eingeweihten
klar. Vor einigen Monaten erst ist ein Sonderdruck
der Zeitschrift "Die Pensionsversicherung" erschienen,
in der sich der Präsident der Allgemeinen Pensionsanstalt
Dr Rudolf Hotowetz eingehend mit den Verwaltungskosten der Allgemeinen
Pensionsanstalt beschäftigt. Diese Schrift ist nicht umsonst
als ein Präludium für die Beseitigung der kleineren
Landesstellen von den deutschen Kreisen bezeichnet worden. Am
Schlusse seiner Ausführungen weist er darauf hin, daß
die Verwaltungskosten der deutschen Landesstelle in Böhmen
im Jahre 1927 50.63 Kè und die der èechischen
Landesstelle 48.32
betrug, während sie bei der deutschen Landesstelle in Brünn
91.93, bei der èechischen Landesstelle
in Brünn 64.61 Kè
und bei der Landesstelle in Troppau 76.44
Kè betrug. Präsident Dr Hotowetz
schließt aus diesen Verwaltungskosten, daß, je größer
die Landesstelle ist, desto geringer ihre Verwaltungskosten im
Verhältnis zur Vorschreibung des Versicherungsbeitrages seien.
Je kleiner aber die Landesstelle ist, desto verhältnismäßig
größer seien die Verwaltungskosten. Ganz abgesehen
davon, daß man mit solchen mathematischen Rechnungen das
viel wichtigere und bedeutsamere nationalpolitische Problem nicht
aus der Welt schafft, können diese Ziffern bis zu einem gewissen
Grade stark angegriffen werden. Da könnte man ebenso
sagen, das alte Österreich mußte aufrecht erhalten
werden, weil der österreichische Verwaltungsapparat billiger
war, als der èechoslovakische oder der der vielen kleinen
Nationalstaaten. Mit solchen mathematischen Beweisen kann man
staatliche oder andere Probleme nicht aus der
Welt schaffen. Wir lassen uns auf solche Rechenexempel überhaupt
nicht ein und lehnen es grundsätzlich ab, uns mit derartigen
Beweisführungen unser Recht auf die nationale Selbstverwaltung
in der sozialen Gesetzgebung irgendwie vorenthalten zu lassen.
Ich verweise nur darauf, daß die neue Fassung des §
84 die Möglichkeit bietet, eine wesentlich kleinere deutsche
Landesstelle in Mähren-Schlesien zu schaffen, um bestimmten
Kreisen den Anlaß zu geben, auf deren Unrentabilität
hinzuweisen und sie in einem bestimmten Zeitpunkte zu beseitigen.
Aus diesem Grunde können wir der Fassung des § 84 nicht
zustimmen, der noch dazu die Durchführung dieser Bestimmung
einer Regierungsverordnung überläßt, also dem
Parlament gar keinen Einfluß darauf gewährt, in welcher
Art und Weise diese Regelung erfolgt, wie hoch der Prozentsatz
in den sog. gemischtsprachigen Bezirken sein wird, wie die Zuteilung
erfolgt, ob Ausnahmebestimmungen geschaffen werden usw., eine
Regierungsverordnung, der das ganze Schicksal der mährischen,
aber auch der böhmischen deutschen Landesstelle überlassen
ist. Wir erklären die Fassung des § 84, der die Auflösung
der deutschen Landesstelle in Troppau und die Dezimierung der
deutschen Landesstelle in Brünn ermöglicht, für
einen Kriegsfall und stellen fest, daß die deutschen Regierungsparteien
kein Mandat haben, einer solchen Lösung zum Schaden der deutschen
Angestellten und etwa noch unter Berufung auf die deutschen Angestellten
zuzustimmen. (Posl. dr Schollich: Sie machen gar manches ohne
Mandat!) Sie machen vieles ohne Mandat, aber künftighin
werden sie es machen ohne Parlamentsmandate! Der § 84 enthält
auch noch die Möglichkeit der Neuabgrenzung des Wirkungsgebietes
der Landesstellen in Böhmen und es ist kein Zweifel, daß
auch diese Möglichkeit dazu benützt werden kann, um
der deutschen Landesstelle in Prag Abbruch zu tun. Der Herr Minister
Šrámek hat, wie wir berichtet sind, die Einführung
des Territorialsystems in Mähren damit begründet, daß
es unmöglich sei, in Mähren ein anderes Prinzip als
in Böhmen einzuführen oder aufrecht zu erhalten. Daß
dieses Argument nicht stichhältig ist, geht daraus hervor,
daß in den beiden Ländern seit 20 Jahren verschiedenartige
Prinzipien bei der Zuteilung der Mitglieder an die einzelnen Landesstellen
möglich waren und daß sich diese Verschiedenheit in
beiden Gebieten nicht nur bewährt hat, sondern auch aus den
nationalen Siedlungsverhältnissen erklärbar und berechtigt
ist. Wenn die Regierung so konsequent wäre, wie sie in der
Frage des Zuteilungsprinzips bei den deutschen Landesstellen erscheinen
will, dann hätte die Regierung das Territorialprinzip auch
bei der Verwaltungsreform gelten lassen müssen und für
das einsprachige deutsche Siedlungsgebiet die sudetendeutsche
autonome Selbstverwaltung einrichten und den Sudetendeutschen
das Recht auf eine eigene sudetendeutsche Landesvertretung einräumen
müssen. (Posl. Matzner: Das hätten die deutschen
Regierungsparteien auch verlangen sollen!) Jawohl! (Posl.
inž. Jung: Damals haben Sie gegen unseren Antrag gestimmt!)
Jawohl, mit der Begründung, er sei undurchführbar.
Aber die Herren Èechen sind nur dann konsequent, wenn es
zu ihrem Vorteil gereicht. Sie haben ja schon bei der Gründung
dieses Staates diesen Grundsatz vertreten und
aus den Gründen des nationalen Selbstbestimmungsrechtes die
Zertrümmerung des ungarischen Staates gefordert, der als
Wirtschafts- und Staatseinheit ein mindestens ebenso ideales Raumgebild
war, wie es etwa Böhmen ist. Sie haben aus den Gründen
der nationalen Selbstbestimmung diesen pannonischen Raum zertrümmert,
aber gleichzeitig erklärt, daß man den Sudetendeutschen
das Selbstbestimmungsrecht nicht gewähren könne, weil
das angeblich so ideale Wirtschafts- und Raumgebilde der historischen
Kronländer nicht zertrümmert werden dürfe. Sie
haben also in der Slovakei das nationale Selbstbestimmungsrecht
angewendet und gleichzeitig in den Sudetenländern dasselbe
nationale Selbstbestimmungsrecht geleugnet und hier den èechischen
Wirtschaftsimperialismus als Begründung
der Staatsbildung angewendet. So konsequent also, wie die Herren
jetzt bei den Landesstellen erscheinen wollen, sind sie niemals
gewesen. Das bezeugt auch eine andere Tatsache, die im Zuge des
Gesetzes feststellbar ist. (Posl. inž. Jung:
Aber Politiker waren sie stets zum Unterschied von den deutschen
Regierungsparteien!) Jawohl! Bekanntlich
hat die Verwaltungsreform vier autonome Ländergebilde geschaffen,
Böhmen, Mähren, Schlesien, die Slovakei und Karpathorußland.
Die Regierung begründet ihren Antrag auf Auflassung der Landesstelle
Troppau der Pensionsanstalt mit der neuen Organisation der Verwaltung.
Diese Begründung ist allerdings nur ein Vorwand, um der deutschen
Stadt Troppau auch diese Einrichtung wegnehmen zu können.
Obzwar also die Landesstelle aus Gründen der Verwaltungsreform
verschwinden muß, wird für die Slovakei und Karpathorußland
nur eine einzige Landesstelle in Bratislava errichtet, sodaß
für Karpathorußland keine eigene Landesstelle vorhanden
ist. (Posl. inž. Jung: Obzwar Karpathorußland
eine eigene Stellung in der Verfassung eingeräumt ist!) Jawohl,
über diese Dinge haben wir schon einigemale gesprochen. Die
Herren sind aber nicht prinzipienfest, denn wenn man aus prinzipiellen
Gründen dort, wo eine Landesverwaltung aufgehoben wird, die
Landesstelle aufheben muß, muß man ungeachtet der
Anzahl der zu versichernden Mitglieder auch dort, wo eine neue
Landesverwaltung geschaffen wird, wie dies in Karpathorußland
der Fall ist, auch eine eigene Landesstelle einrichten. Prinzip
bleibt Prinzip, wenn sich schon die Herren an das Prinzip klammern.
Aber die Prinzipienreiterei des Herrn Ministers für soziale
Fürsorge im Falle der Landesstelle Troppau und des Territorialprinzipes,
derzufolge die neu zu bildenden Landesstellen in Mähren
anstelle der gegenwärtigen Landesstellen Troppau und Brünn
entstehen sollen, ist nichts anderes als ein Vorwand, um viele
tausende deutscher Angestellten in die èechische Landesstelle
zu pressen und sie so um das Recht, sich in deutschen
Landesstellen zu versichern, zu prellen. Diese Frage ist mehr
als eine Frage der Privatangestelltenschaft. Wir richten daher
an die Mehrheitsparteien die Frage, ob sie der Meinung sind, daß
mit der Vernichtung bestimmter deutscher Einflußgebiete,
die durch 20 Jahre zum unbestrittenen Besitzstand des deutschen
Volkes gehörten, der Sache des nationalen Friedens in diesem
Lande gedient ist. Was hat das Deutschtum dieses Landes noch zu
erwarten, wenn selbst eine deutschèechische Koalitionsregierung
daran geht, deutsche Verwaltungskörper,
die jahrzehntelang bestanden und sich bewährt haben, aufzulösen,
zu beseitigen und einzuschränken. Ich habe den Auftrag, namens
der deutschen national-sozialistischen Arbeiterpartei zu erklären,
daß wir dieser Regelung der Frage der deutschen Landesstellen
niemals zustimmen werden, daß wir sowohl die Auflösung
der Landesstelle in Troppau, als auch die Benachteiligung der
deutschen Landesstelle in Brünn durch die Einführung
des Territorialprinzips als einen schweren Schlag gegen die sudetendeutsche
Selbstverwaltung empfinden und den Regierungsparteien die volle
Verantwortung für die unwiderruflich eintretenden Schädigungen
deutschen Lebens und deutscher Selbstverwaltung überlassen
werden. Bei dieser Frage kann die sudetendeutsche Bevölkerung
klar und deutlich erkennen, welch ein gewaltiger politischer Fehler
und welch schweres nationales Unglück es war, daß die
deutschen Regierungsparteien ohne irgendwelche Sicherheiten in
die Regierung eintraten, daß die nationalen Rechte unserer
Bevölkerung gewahrt und in vollem Maße durchgesetzt
werden würden, weil sie bedingungslos in diese Regierung
eingetreten sind.
Wenn wir unsere Betrachtungen von diesem traurigsten
Kapitel des Pensionsversicherungsgesetzes auf den sozialpolitischen
Teil lenken, dann müssen wir aufrichtig gestehen, daß
die Vorlage in einer großen Reihe von Bestimmungen den Forderungen
und Wünschen der Angestellten zuwiderläuft und daß
es nicht so ist, wie der geehrte Herr Referent Koll. Petr gesagt
hat, daß die Forderungen der Angestelltenschaft in dem Gesetz
zu 100% honoriert worden sind. Es hat schon mein geschätzter
Herr Vorredner darauf hingewiesen - und ich werde an der Hand
der einzelnen Teile des Gesetzes nachweisen können - daß
dies nicht nur solche Bestimmungen betrifft, bei denen
es sich um finanzielle Fragen handelt; der geehrte Herr Referent
hat gemeint, die Opposition hätte leicht, eine Forderung
von 500 Millionen Kè aufzustellen, aber sie kümmere
sich nicht um die Bedekkung. (Posl. inž. Jung: Der Referent
muß es ja nicht bezahlen!) Er
muß es zwar nicht bezahlen, aber ich gebe zu, daß
dieses Argument sachlich sein könnte. Ich verweise aber darauf,
daß eine ganze Reihe von Bestimmungen, die kein Geld erfordern,
nicht berücksichtigt worden ist und daß diese Forderungen
lediglich aus antisozialen Erwägungen von der Regierungsmehrheit
abgelehnt worden sind.
Vor allem anderen gibt die Tatsache, daß
die Regierungsmehrheit auch bei diesem Gesetze die Selbstverwaltung
der Angestellten soweit eingeschränkt hat, daß man
nur von einer scheinbaren Selbstverwaltung sprechen kann, Anlaß
zu begründeten Beschwerden Nach den Beschlüssen der
Mehrheit des sozialpolitischen Ausschusses wird der Verwaltungsausschuß
der Allgemeinen Pensionsanstalt gemäß § 77 aus
den Vorsitzenden, die von der Regierung ernannt werden, und aus
34 Mitgliedern, von denen 14 von den Angestellten und 14 von den
Arbeitgebern gewählt werden und außerdem aus 6 von
der Regierung aus Kreisen der Fachmänner Ernannten bestehen.
Wenngleich hier das Verhältnis der ernannten zu den gewählten
Vertretern nicht so aufreizend wie bei der politischen Verwaltung
ist, wo sie bekanntlich ein Drittel betragen, so muß doch
auch hier entschiedenster Einspruch gegen den Versuch erhoben
werden, daß den Versicherten das Recht, ihre Institutionen
selbst zu verwalten, neben einer ganzen Reihe anderer gesetzlicher
Bestimmungen, der Aufsicht usw., noch weiterhin durch diese Ernennungen
eingeschränkt wird. "Die Versicherung den Versicherten!"
ist eine so klare und selbstverständliche Losung, daß
sie durch keinerlei Argumente widerlegt werden kann, am allerwenigsten
bei der Pensionsversicherung, die ohne die berühmten Ernannten
bisher auskam und schon im alten Österreich ausschließlich
von gewählten Vertretern verwaltet wurde. Es sind bedauerliche
Verfallserscheinungen der Demokratie in einer demokratischen Republik,
wenn sie zur Erhaltung der Macht bestimmter herrschender Kreise
nurmehr durch das Hilfsmittel von Ernennungen aufrechterhalten
werden kann. Dieses Prinzip kann auch dadurch nicht schmackhafter
gemacht werden, daß der Abg. Dubický im sozialpolitischen
Ausschusse die Beibehaltung der Ernennungen damit begründete,
daß sie im Jahre 1924 bei der Versicherung der Arbeiter
von dem damaligen sozialdemokratischen Minister für soziale
Fürsorge, dem jetzigen Abg. Dr Winter, in die Gesetzgebung
eingeführt worden sei. Wir lehnen jedenfalls diese scheindemokratische
Vertretung ab und stehen auf dem Standpunkte, daß die Versicherten
allein das Recht haben sollen, ihre Versicherung durch gewählte
Vertreter zu verwalten. Wir werden nicht rasten und ruhen, bis
hier und in allen anderen Körperschaften die Ernennungen
gefallen sind. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Stivín.) Wir
werden jede Mehrheit in solchen Belangen unterstützen, die
bereit ist, das System der Ernennungen zu beseitigen.
Wir begrüßen, daß der Umfang
der Versicherungspflichtigen bei der neuen Novelle wesentlich
ausgedehnt worden ist, wenngleich wir gewünscht hätten,
daß noch eine Reihe von Bestimmungen aus dem Gesetze entfernt
werde, die wir für schädlich und die Diktion des Gesetzes
verschlechternd halten. Zu diesen Bestimmungen gehört die
Festsetzung der Zahl 6 im § 1, demzufolge an Stelle des Wortlautes
"Angestellten, die dauernd und nicht bloß vorübergehend
beschäftigt sind" das Wort "überwiegend"
verwendet wurde. Die Änderung, die scheinbar nur geringfügig
ist, muß bewirken, daß die im § 1, Zahl 6 a)
angeführten Arbeitnehmer nur dann versicherungspflichtig
erklärt werden, wenn diese Arbeiter neben der einen überwiegend
andere versicherungspflichtige Arbeiten ausüben. Dadurch
ist die Mögliehkeit zu zahllosen neuen Streitfällen
gegeben, weil sich die Arbeitgeber auf den Standpunkt stellen
können, daß z. B. wenn ein Werkmeister, Aufseher usw.
zwar dauernd angestellt ist, jedoch nur einen kleinen Teil seiner
Arbeitszeit täglich als Aufsichtsperson ausübt, während
er einen größeren Teil seiner Tagesbeschäftigung
den manuellen Arbeiten widmet, er nicht versicherungspflichtig
ist. Es war leider nicht möglich, diese Bestimmung zu beseitigen,
wie es leider auch nicht gelang, die im § 2 neu eingeführte
Bestimmung, daß Angestellte, die das 16. Lebensjahr nicht
überschritten haben, von der Versicherungspflicht ausgeschlossen
sind, zu beseitigen.
Eine sehr gefährliche Bestimmung enthält
der § 2 in der Zahl 8, die festlegt, daß Personen,
welche eine Altersrente beziehen, von der Versicherungspflicht
ausgenommen sind. Die Angestelltenschaft vertritt den Standpunkt,
daß alle im Dienste stehenden Angestellten zu versichern
sind. Die Altersrentner sollen eine ständige Altersrente
bezieh en, die sie unabhängig von einem Nebenverdienst macht.
Der genannte Punkt wird auch weiterhin ermöglichen, daß
altgewordene Angestellte als Lohndrücker benützt werden,
weil es immer Arbeitgeber gibt, die glauben, auf diese Art und
Weise die Pensionsprämie ersparen zu können. Wir haben
beantragt, daß für diese Personen wenigstens der Anteil
des Arbeitgebers zur Pensionsprämie bezahlt werde, damit
die angeführten sozialen Schwierigkeiten wegfallen.
Auch im § 4, Abs. 4 gelang es leider nicht,
die Wünsche der Gewerkschaft der Angestellten durchzusetzen,
daß zur Festsetzung des Wertes der Naturalbezüge zur
Anrechnung für die Pensionsversicherung auch die Mitwirkung
der Berufsorganisation gesichert werde. Es liegt in der Tendenz
der gewerkschaftsgegnerischen Regierungsmajorität, daß
auch dieser Antrag leider nicht angenommen wurde.
Eine viel umstrittene Bestimmung ist die der
anrechenbaren Beitragszeit auf Grund des § 13 vom aktiven
Militärdienst in die Pensionsversicherung. Wir haben schon
im sozialpolitischen Ausschuß eingehend begründet,
daß es eine schwere Ungerechtigkeit für die zum Militärdienst
eingezogenen Angestellten ist, daß ihnen die Militärdienstzeit
nur in der ersten, bezw. zweiten Beitragsklasse eingerechnet
werde. In diese Klasse sind bekanntlich nur die Lehrlinge und
Angestellten mit höchstens 3000 Kè eingereiht. Es
bedeutet in 90% aller Fälle eine Unterversicherung des eingerückten
Angestellten, wenn man ihn mit 20 oder 21 Jahren mit einem Jahresgehalt
von insgesamt 3000 Kè versichern
will. Wir haben deshalb beantragt, daß, wie es die interministerielle
Kommission getan hat, die Einrechnung der Militärdienstzeit
in der vierten Gehaltsklasse, das es mit einer Beitragsleistung
erfolge, die einem Jahresdienstbezug
von 9000 bis 12.000 Kè gleichkommt. Ich habe gefordert,
daß der Vertreter des Ministeriums für nationale Verteidigung
den Beratungen des sozialpolitischen Ausschusses beiwohne und
ein Gutachten abgebe, und in der Tat hat Herr Ministerialrat Dr.
Hubáèek vom Ministerium für
nationale Verteidigung in dieser Frage das Gutachten dahin abgegeben,
daß das Ministerium Wert darauf lege, daß dem zum
Militärdienst eingerückten Soldaten möglichst wenig
soziale Schäden zugefügt werden. Ich habe in meiner
Antragsbegründung im sozialpolitischen Ausschusse darauf
hingewiesen, daß der Antrag der Regierungsparteien eine
schwere Schädigung der zum Militärdienst einrückenden
Angestellten bedeutet, die um mindestens zwei bis drei Gehaltsstufen
geschädigt werden. Es muß sicher auf den zum Militärdienst
eingerückten Angestellten aufreizend wirken, daß er
nicht nur durch 18 Monate seinen Gehalt vollständig einbüßt,
sondern auch durch das Ausscheiden aus seinem Beruf in einer wichtigen
Entwicklungszeit wirtschaftlich und in seiner Vorrückung
geschädigt wird und daß er noch dazu bei seiner Anwartschaft
bei der Pensionsversicherung Sehaden leidet, während der
nicht zum Militärdienst eingerückte Kollege in der Kanzlei
oder in seinem Geschäfte weiter wirken, seinen Gehalt beziehen
und im Dienst vorrücken kann und überdies natürlich
auch in der Pensionsversicherung seine Anwartschaft wesentlich
erhöht. Wir haben darum gefordert, daß die Anrechnung
der Militärdienstzeit für die eingerückten Angestellten
in der vierten Gehaltsklasse erfolge und diese Beitragsleistung
von der Finanzverwaltung getragen werde.
Die im Regierungsantrag gewünschte Einreihung
in die erste Klasse bedeutet allerdings eine große Ersparnis
für den Finanzverwalter, weil er dureh diese Unterversicherung
an einem Soldaten während 18 Monaten 1512 Kè
an Beiträgen ersparen kann. Wir haben berechnet, daß
die Einrechnung der notwendigen Beiträge etwa 3 bis 3 1/2
Millionen Kè ausmachen dürfte. Ein Staat, der jährlich
mehr als 2000 Millionen Kè für militärische Zwecke
ausgibt, muß in der Lage sein, auch 3
1/2 Mill. Kè für die
Angestelltenversicherung auszugeben oder irgendwo einzusparen.
Es ist keine Ausrede, wenn die Regierungsparteien darauf hinweisen,
daß die Soldaten, die im Zivil Gewerbetreibende oder Landwirte
sind, auch keine Versicherungsbeiträge
beim Militär erhalten, denn es ist ja nur die Schuld der
Regierungsparteien, daß die im Jahre 1924 bei der Gesetzwerdung
des Sozialversicherungsgesetzes der Arbeiter beschlossene Herausgabe
eines Gesetzes über die Altersversicherung der selbständig
Gewerbetreibenden und Landwirte bis zum heutigen Tag dem Abgeordnetenhaus
noch nicht vorgelegt wurde. Wäre die Altersversicherung der
selbständigen Gewerbetreibenden bereits Gesetz, dann müßte
natürlich auch ihnen die militärische Dienstzeit in
die Versicherung eingerechnet werden. Wir urgieren daher gleich
bei diesem Anlaß auch die ähnliche Vorlage des Altersversicherungsgesetzes
für Gewerbetreibende, Landwirte und selbständige Berufe.
Ganz besonders gefährlich aber sind die
neuen Bestimmungen über den Anspruch auf die Invaliditätsrente
nach dem § 17 der neuen Gesetzesvorlage. Bisher besagte das
Gesetz: "Erwerbsunfähig ist, wer infolge eines körperlichen
oder geistigen Gebrechens den Berufspflichten seiner letzten versicherungspflichtigen
Stellung nicht mehr zu obliegen vermag". Wer also bisher
nachweisen konnte, daß er nicht mehr imstande sei, seiner
letzten Stellung als Buchhalter, Korrespondent, Ingenieur, Werkmeister
usw. nachzukommen, hatte gesetzlichen Anspruch auf die Invaliditätsrente.
Diese Bestimmung ist jetzt wesentlich verschlechtert worden. Die
Fassung des Regierungsantrages sagt, daß nur jener invalid
und damit rentenberechtigt sei, der den Pflichten seines letzten
Berufes oder eines anderen, seinem bisherigen Berufe und der Art,
in welcher er in ihm beschäftigt war, seiner Stellung in
ihm, sowie seiner praktischen Vorbildung entsprechenden Berufes
nicht weiter zu obliegen vermag, so daß die Rentenkommission
z. B. einen Prokuristen nicht zwingen kann, noch weiter als Maschinenschreiber
zu dienen oder einen Betriebsingenieur, daß er etwa Aufseher
sein könnte oder ähnliches, weil das Stellungen wären,
die seiner bisherigen Tätigkeit nicht entsprechen. Ich habe
aber im sozialpolitischen Ausschuß ausdrücklich darauf
aufmerksam gemacht, daß die Möglichkeit, ja daß
es sogar die Absicht der Verfasser ist, den Rentenanspruch zu
erschweren, indem die Rentenkommission feststellt, der Rentenbewerber
könne zwar z. B. nicht mehr als Korrespondent arbeiten, daß
er also für diese Stellung invalid sei, daß er aber
noch ganz gut z. B. Buchhalter sein könne, also eine Stellung
ausfüllen könne, die gleichbezahlt oder gleichbewertet
ist wie seine bisherige. Damit würde der Korrespondent seinen
Posten, für den er anerkannt invalid ist, verlieren. Wer
aber beschafft ihm, der auf einem bestimmten Arbeitsgebiet invalid
ist, einen anderen Arbeitsposten? Es ist doch bekannt, daß
Industrie- oder Handelsangestellte in vorgerücktem Alter
schwer oder nie eine Anstellung bekommen können. Wir haben
eine ganze Reihe von Betrieben, die ihre Angestellten bei Erreichung
des 50. Lebensjahres automatisch entlassen und alljährlich
eine sogenannte Flugperiode veranstalten, wo sie die älter
gewordenen Angestellten entlassen. Der Angestellte wird also nach
den neuen Bestimmungen des § 17 weder eine Anstellung bekommen,
noch in den Genuß seiner Invaliditätsrente gelangen
und somit trotz jahrelanger Beitragsleistungen dem wirtschaftlichen
Elend und der sozialen Unsicherheit preisgegeben sein. Es ist
eine schwere Verantwortung der Regierungsparteien, daß sie
auch diesen im sozialpolitischen Ausschuß eingehend dargelegten
Verhältnissen nicht Rechnung tragen und die harten und sicher
zu ungerechten Entscheidungen verführenden Bestimmungen des
§ 17 angenommen haben. Es ist nur ein geringer Trost, wenn
der Vertreter des Ministeriums dem Ausschuß erklärte,
diese Bestimmung werde ja loyal angewendet werden. Wozu nimmt
man überhaupt eine solche Bestimmung ins Gesetz, wenn man
von vornherein sagen muß, ihre restlose und penible, also
wirklich dem Gesetze entsprechende Durchführung führe
zu großen Schwierigkeiten und zu großen sozialen Härten?