Es kommt heute sehr häufig vor, daß
Güterzüge in den Dispositionsstationen zur Abfahrt bereit
stehen, daß man aber entweder keine Lokomotive oder keinen
Lokomotivführer hat, so daß die Züge abgesagt
werden müssen. Wir hören unausgesetzt Klagen aus den
breitesten Kreisen der Bevölkerung über die großen
Verspätungen der Personenzüge und insbesondere auch
der dem internationalen Verkehr dienenden Schnellzüge alles
Folgen des wahnsinnigen Personalabbaues. Dieser Zustand ist geradezu
schon betriebsgefährlich geworden, bei dem weder die Bediensteten
noch die Dienstvorstände eine Verantwortung zu tragen vermögen.
Selbst den pflichteifrigsten Beamten und Bediensteten, die ihr
Alles für die klaglose Abwicklung des Verkehrs aus sich herauszugeben
gewillt sind und die auch bestrebt sind, die Entwicklung des Unternehmens
in jeder Beziehung zu fördern, wird jede Lust und Liebe zum
Dienste benommen. Es herrscht die allgemeine Anschauung in den
Kreisen der Eisenbahnbediensteten und Beamten, daß unter
dem obwaltenden System jeder gute Wille und Diensteifer direkt
ertötet wird. Dagegen nützen natürlich auch die
geheimen Befehle, die seitens der Direktionen hinausgegeben werden
und die so eine Art Antreibemaßnahmen beinhalten, absolut
nichts. Die Eisenbahnverwaltung ist bestrebt, die Schuld an den
Unregelmäßigkeiten im Verkehr, an den vielen Verspätungen
u. s. w. den Bediensteten zuzuschieben. Es wird in solchen geheimen
Ukasen gesagt, daß dies auf die Interesselosigkeit und die
Lauheit der Bediensteten zurückzuführen sei. In Wahrheit
liegt die Ursache, das bemerke ich noch einmal, an dem unzulänglichen
Personalstand und an den unmenschlichen Dienstleistungen, die
die Folge dieses unzulänglichen Personalstandes sind.
Wir haben früher eine Zeit gehabt - das
war natürlich unter Verkehrsverhältnissen, die mit den
heutigen nicht zu vergleichen sind - wo der Verkehrsbeamte auch
den Telegraphendienst mit versehen mußte. Durch jahrelange
Bemühungen der Organisation ist es gelungen, daß für
den Telegraphendienst ein besonderer Telegraphist eingestellt
wurde. Durch die Systemisierung, die ich vorhin gekennzeichnet
habe, sind auf vielen Strecken, in vielen Stationen diese Telegraphisten
wieder abgebaut worden und man hat trotz des gesteigerten Verkehrs,
wo der Verkehrsbeamte seine Gedanken überall haben muß,
diesen den Telegraphendienst wieder aufgebürdet, so daß
der Verkehrsbeamte mitunter bis zur letzten Minute, ja bis zur
letzten Sekunde beim Telegraphenapparat stehen muß, wo er
schon den Zug draußen abfertigen und expedieren soll. Ist
es da ein Wunder, wenn Malheure geschehen, wie z. B. jenes in
Saitz im vorigen Monat, wo ebenfalls die Telegraphisten abgebaut
worden waren und nach dem Unglück erst wieder eingestellt
wurden? Es müssen also erst die traurigsten Erfahrungen gemacht
werden, es muß erst kostbare Menschenleben kosten und Millionen
Sachschäden heraufbeschworen werden, bevor man in den Ämtern
bei dem gegenwärtigen reaktionären Regime einsieht,
daß eine solche Personalpolitik direkt gemeingefährlich
ist.
Ich habe vorhin davon gesprochen, daß
die Entlassung von Eisenbahnarbeitern, insbesondere von deutschen
Eisenbahnarbeitern, genau so weiter geht als wie es zur Zeit der
allnationalen Koalition der Fall war. An diesem System hat sich
bis heute absolut nichts geändert, ja im Gegenteil, es ist
noch schlechter geworden, trotzdem die drei deutschen bürgerlichen
Parteien in der Regierung sitzen und die Herren Landbündler
- es waren dies die Herren Køepek
und Spina - von Wiedergutmachung gesprochen haben. Aber
der Herr Dr. Spina hat als Minister schon längst
seine Anschauung korrigiert. Er hat vor nicht allzu langer Zeit
einmal ausgesprochen, daß es selbstverständlich sei,
daß Bedienstete die èechische
Sprache beherrschen müssen, obwohl er genau weiß, daß
es vielen deutschen Bediensteten nicht möglich war, diese
Sprache zu erlernen und obwohl auch er ganz genau weiß,
daß die deutschen Bediensteten ihren Dienst in der gewissenhaftesten
Weise versehen, schon deswegen. weil sie fortwährend unter
dem Damoklesschwert schweben. (Pøedsednictví
se ujal pøedseda Malypetr.)
Es hat sich auch in der Frage der Besetzung
von verantwortlichen Stellen, wie z. B. von Vorstandstellen in
dem sogenannten verdeutschten Gebiet, wie es von èechischnationalistischer
Seite bezeichnet wird, nicht das Mindeste geändert, ja im
Gegenteil, es scheint, als ob die chauvinistische Politik von
èechischer Seite insbesondere im Jubiläumsjahre wieder
neu belebt werden wird. Und dagegen sind natürlich
unsere Herren Deutschbürgerlichen, die immerfort davon reden,
daß sich doch so manches zum bessern gewendet hat, machtlos,
sie sind gar nicht imstande, dieser chauvinistischen Politik auch
nur einigermaßen Einhalt zu bieten. Auch in jüngster
Zeit sind wieder Beispiele dafür vorhanden, daß Vorstandsstellen
im deutschen Gebiet, nicht im verdeutschten Gebiet, ausgeschrieben
worden sind, daß deutsche Beamte auf solche Stellen kompetiert
haben, daß man aber auf künstliche Weise Kompetenten
gesucht hat, damit man diesen bestqualifizierten deutschen Beamten,
die auch ihrem Range nach Anspruch auf diese Posten gehabt hätten,
entweder gleich qualifizierte oder im Rang über ihnen stehende
nichtdeutsche Beamte vorziehen kann. Die "Národní
Politika" hat am 23. September geschrieben: "Es verlautet,
daß dieser Beamte" - ich will den Namen aus begreiflichen
Gründen nicht nennen - "den Vorstandsposten. dort und
dort bekommen soll. Es wäre das traurigste Ereignis
für die èechoslovakische Minderheit, wenn einem solchen
Staatsfeinde der Posten verliehen würde." (Posl.
Schweichhart: Der Koll. Marcha steht dorten! Belchren Sie ihn
ein wenig!) Koll. Marcha
hat von dieser Stelle aus bei Besprechung des Saitzer Eisenbahnunglückes
erzählt, daß die Bediensteten in der Saitzer Station
sich unausgesetzt streiten und nichts anderes zu tun haben als
darüber zu reden, ob sie in die Restauration oder in den
Konsumverein gehen sollen. Wir wissen, woher Koll. Marcha
diese Informationen hat. In der Station Saitz ist eine kleine
Restauration, Koll. Marcha ist sehr oft Gast dort und hat
seine Informationen offenbar von der Restaurateurin erhalten,
von diesen Informationen hat er dann hier Gebrauch gemacht. Ich
habe es mir angelegen sein lassen und mir in Saitz die Stationsverhältnisse
angesehen. habe aber vergeblich nach einem Konsumverein gesucht.
Schließlich habe ich erfahren, daß neben der Straße
hinter der Station ein kleines Häuschen gebaut worden ist,
wo das Verkaufslokal untergebracht wer den soll, weil es dort
nicht bleiben konnte, wo es bisher war. Es ist begreiflich, daß
sich die Restaurateurin in Saitz über die Bediensteten aufregt,
weil diese eben keine Alkoholiker sind. Koll. Marcha hat
dies auch von dieser Stelle anerkannt und gesagt, daß der
eine von beiden Bediensteten, die beschuldigt sind und heute noch
in Untersuchungshaft sitzen, niemals Alkohol genossen hat. Da
begreift man wieder nicht, wieso die Bediensteten dann unter sich
in Streit geraten könnten darüber, ob sie in die Restauration
gehen sollen oder nicht.
Die Mährisch-Ostrauer "Morgenzeitung"
hat am 17. September eine Notiz gebracht, der zufolge wieder 50
Eisenbahner ohne Angabe von Gründen entlassen worden sind,
gleichzeitig aber werden wieder neue Kräfte eingestellt.
Nun fragt sich so mancher Bediensteter, was denn eigentlich die
Ursache ist, daß unausgesetzt Entlassungen erfolgen. Man
sucht heute nach allen möglichen Ursachen, um unliebsame
Bedienstete, auch wenn sie noch so gewissenhaft sind, einfach
aus dem Dienste hinausschmeißen zu können. Die Begründung
besteht heute bekanntlich darin, daß man die Bediensteten
beschreibt, so wie während des Krieges die Militärkamarilla
die Menschen beschrieben hat, die zur Heeresdienstleistung einrücken
mußten. Damals hat man die Bediensteten mit "politisch
verdächtig" oder "politisch unzuverlässig"
bezeichnet. Heute betreibt die Eisenbahnverwaltung Gesinnungsschnüffelei
in der Weise, daß festgestellt wird, ob ein Bediensteter
nicht der herrschenden politischen Richtung, d. h. nicht einer
der Parteien der herrschenden Mehrheit oder der gewerkschaftlichen
Organisation, die mit einer der Regierungsparteien befreundet
ist, angehört, und wenn das nicht der Fall ist, so wird eben
ein solcher Bediensteter als vertrauensunwürdig bezeichnet.
Wir haben Fälle zu verzeichnen, wo schon definitiv ernannte
Bedienstete wieder in das provisorische Verhältnis zurückversetzt
wurden, in dem einen Amtsblatt erfolgte ihre Ernennung, in dem
andern wurde die Ernennung widerrufen und als Grund wurde
angegeben, daß der Betreffende nicht vertrauenswürdig
ist. Wir haben also eine ärgere Gesinnungsschnüffelei
als im alten Österreich unter Guggenberg und die èechoslovakische
Eisenbahnverwaltung sowie überhaupt das ganze herrschende
Regime wird sich in Zukunft gleichfalls
überzeugen müssen, daß., man mit solchen Mitteln
die Gesinnung aus den Herzen und Köpfen nicht zu entfernen
vermag, welche Erfahrung auch die alte österreichische Verwaltung
machen mußte. Es wird in der Èechoslovakei endlich
auch in den Köpfen aller denkenden Staats- und Eisenbahnbediensteten
Licht werden und sie werden schon erkennen lernen, mit was für
einem System sie es zu tun haben. In der Regel wird vorgeschützt,
daß es nur gegen die Kommunisten gehe. Wir verwahrten uns
immer dagegen und verurteilen jede Gesinnungsunterdrückung.
Aber es trifft häufig nicht einmal zu, daß es sich
dabei um Kommunisten handelt und das steht auch in der erwähnten
Notiz der Mährisch-Ostrauer "Morgenzeitung", daß
es sich in diesem Falle gar nicht um Kommunisten handelt, sondern
um Bedienstete, die als Kommunisten denunziert wurden. Wir haben
heuer eine ganze Reihe von Fällen zu verzeichnen, daß
Bedienstete weder Mitglieder der kommunistischen Partei, noch
Mitglieder kommunistischer Gewerkschaftsorganisationen gewesen
sind, sondern einfach als Kommunisten denunziert und deshalb nicht
als vertrauenswürdig bezeichnet wurden, weshalb man sich
ihrer so zu entledigen versuchte. Gegen ein solches System kann
nicht scharf genug protestiert werden und es wäre nur zu
wünschen, daß die Eisenbahnbediensteten endlich einmal
zur Erkenntnis kämen, daß sie diesem System den Garaus
machen müssen.
Bei dieser Gelegenheit wäre auch noch
ein Wort über die noch nicht durchgeführte Unifizierung
von einigen tausend Bediensteten der ehemaligen Privatbahnen,
der Buštìhrader, der Aussig-Teplitzer, der Friedländer
Bezirksbahnen usw. zu sagen, die in den Jahren 1922 und 1923 verstaatlicht
wurden oder im Jahre 1925 in den Staatsbetrieb übernommen
worden sind. Die èechoslovakische Eisenbahnverwaltung
hat sich ein ganz eigenartiges System der sog. Unifizierung zurecht
gelegt. Viele von den Herren werden sich noch daran erinnern,
daß, wenn Eisenbahnverstaatlichungen in Österreich
vorgenommen wurden, die Bediensteten einer solchen verstaatlichten
Bahn einfach mittels Erklärung ihren Willen zu bekunden hatten,
ob sie in den Status der Staatsbahnbediensteten und unter die
Normen der Staatsbahnen eingereiht werden wollen oder weiter unter
den Normen ihrer früheren Stammbahn behandelt werden wollen.
Jeder Bedienstete, der sich für die Unifizierung
für die Einreihung in den Status der Staatsbahnbediensteten
erklärte, wurde damals ohne weiteres und ohne jegliche Bedingungen
übernommen. In der Èechoslovakei aber hat man
eine ganze Reihe von Bedingungen aufgestellt. Die Bahnen sind
verstaatlicht worden und man müßte annehmen, daß
mit der Verstaatlichung des toten Materials auch das lebende mit
verstaatlicht wird. Aber da macht man
einen großen Unterschied und schreibt den Angestellten Bedingungen
vor, so vor allem den Nachweis der Kenntnis der èechischen
Sprache. Kann er diese Kenntnis nicht nachweisen, so wird er minderqualifiziert
und bleibt mit seinen bisherigen Bezügen sitzen
und kann nicht einmal unter den Normen seiner früheren Stammbahn
vorrücken. Man hat davon gesprochen, daß man die Sache
im Jubiläumsjahr im Gnadenwege machen werde. Meine Herren,
es gibt keinen Gnadenakt in dieser Frage, sondern nur ein Recht
und die Staatseisenbahnverwaltung hat die noch nicht unifizierten
Bediensteten der Aussig-Teplitzer Eisenbahn und der Buštìhrader
Eisenbahn sowie all der kleineren Bahnen im Staatsbetriebe ohne
jegliche Bedingungen zu übernehmen. Wir hoffen, daß
diese Erkenntnis sich endlich einmal durchringen
wird. In letzter Zeit hört man wieder, daß gewisse
Juristen der Meinung seien, es sei dies eine Frage der Neuaufnahme
von Bediensteten, auch wenn sie schon Jahrzehntelang bei irgendeiner
Bahn gedient haben. In umgekehrter Weise geht man aber in Bezug
der Pauschalien einer solchen Privatbahn vor. Bei der ehemaligen
Aussig-Teplitzer Eisenbahn. z. B. haben die Verschubbediensteten
einer ganzen Reihe von Stationen in den Kohlengebieten Anspruch
auf ein höheres Verschubpauschale, das gleichzeitig als ein
Streckenpauschale anzusehen ist und zwar deswegen, weil sie das
Brutto von den Kohlenschächten abzuziehen und aus der Ausgangsstation
in andere Stationen weiterzubefördern haben. Dieses Pauschale
war nahezu doppelt so hoch als das Verschubpauschale bei den Staatsbahnen.
Was macht nun die Staatseisenbahn. verwaltung? Sie hat einfach
gesagt, daß die Vorschriften der Aussig-Teplitzer Eisenbahn
vom Zeitpunkte der Unifizierung aufgehört haben zu bestehen
und daß daher die Leute keinen Anspruch mehr auf das höhere
Pauschale haben, sondern nur auf jenes, wie es die Vorschriften
der Staatsbahnen festsetzen. Da weiß man also sehr schnell,
wo man den Bediensteten etwas entziehen kann. Wo es sich aber
darum handelt, den Bediensteten auch die Vorteile anderer Vorschriften
zukommen zu lassen, hat man es nicht so eilig, ja man entzieht
ihnen diese Vorteile sogar.
Man könnte über das Eisenbahnwesen der Èechoslovakei
noch sehr viel sprechen, leider mangelt es an der notwendigen
Zeit. Ich möchte nur noch bemerken, daß wir über
das Investitionsbudget noch manches zu sagen hätten. Daß
wir nicht zufrieden sind mit der unzulänglichen
Summe, die im Budget für die Eisenbahnerweiterungsbauten,
für den Ausbau von Bahnhöfen usw. eingestellt sind.
Diese Summe ist viel zu gering. Sie ist vor gesehen mit 331,590.000
Kè und zwar für den Bau von neuen Bahnen 62,030.000
Kè, wozu dann noch der Beitrag
aus der Refundierung der Verkehrssteuern im Ausmaße von
175,600.000 Kè kommt. Was an Bauten vorgesehen ist, erstreckt
sich lediglich auf die Slovakei, obzwar wir oben insbesondere
in Nordböhmen ungemein mangelhafte Eisenbahnverkehrsverhältnisse
haben. Ich verweise da nur auf die unzulänglichen Bahnhöfe
in Bodenbach, Aussig und Böhm. Leipa, obzwar in Böhm.
Leipa damit angefangen wurde, so werden aber Jahre vergehen, bevor
der dortige Bahnhof den modernen Anforderungen entsprechend ausgebaut
sein wird. Ich habe bei der Gelegenheit des Unglücks von
Saitz auch auf die Unzulänglichkeit des Bahnhofes in Brünn
hingewiesen. Aber so oft wir auch diese Zustände schon kritisiert
haben, so scheint es, daß sich insbesondere die Finanzverwaltung
absolut nicht dazu herbeilassen will, größere Summen
für den Ausbau unserer Eisenbahnen zur Verfügung zu
stellen. Die Eisenbahnen haben ja nicht den Zweck, als kaufmännische
Unternehmungen große Profite abzuwerfen, sie haben höhere
Aufgaben zu erfüllen, sie haben der gesamten Volkswirtschaft
zu dienen, sie zu hebe. In dieser Richtung ist in den letzten
Jahren so gut wie nichts geschehen. (Výkøiky
na levici.) Zehn Jahre hindurch hat man
das Gebiet des Ausbaues der Eisenbahnen vernachlässigt. Wenn
ein Ausbau in nur einigermaßen den heutigen Verhältnissen
entsprechender Weise durchgeführt werden sollte, so müßte
dafür mindestens eine Milliarde in das Budget eingestellt
werden. Daß Geldmittel vorhanden sind, sehen wir ja im Rechnungsabschluß
und es wäre darüber so manches zu sagen. Leider erlaubt
es mir die kurz bemessene Zeit nicht.
Nur noch auf eines möchte ich verweisen:
Seit Jahren wird nun der Voranschlag gesondert für die Staatsverwaltung
und für die staatlichen Betriebe zusammengestellt. Das müßte
doch zur Folge haben, daß man auch diese Betriebe vollständig
autonom belassen müßte, damit sie im eigenen Wirkungskreise
imstande wären, eine ordentliche Wirtschaft zu führen.
So aber legt die Finanzverwaltung die Hand darauf und auch im
Verwaltungsausschuß der Eisenbahnen hat das entscheidende
Wort der Vertreter des Finanzministeriums zu sprechen und wenn
die Herren Eisenbahnbeamten auf Grund ihrer Erfahrungen noch so
oft darauf hinweisen, daß das oder jenes notwendig sei,
wenn der Vertreter des Finanzministeriums erklärt, es gehe
nicht. es darf nicht geschehen, weil die Mittel nicht bewilligt
werden, so wird eben einfach nichts gemacht.
Die Zustände in der Pensionsliquidatur
der Eisenbahnen habe ich schon wiederholt von dieser Stelle und
auch im Budgetausschuß entsprechend gekennzeichnet. Sie
sind himmelschreiend, skandalös. Ich habe den Herrn Eisenbahnminister
persönlich ersucht, er möge sich endlich einmal selbst
über die unhygienischen und beengten Räume und die Personalverhältnisse
überzeugen. Das Personal reicht dort absolut nicht aus und
entspricht auch nicht dem normierten Stande. Da das Budget wieder
so zusammengestellt ist, daß man von ihm eigentlich nur
sagen kann, es dient der besitzenden Klasse und ist gegen die
Arbeiterklasse gerichtet, so werden wir selbstverständlich
dagegen stimmen. (Souhlas a potlesk nìm. soc.
demokratických poslancù.)
Wir haben vor uns, meine verehrten Damen und
Herren, den dritten Staatsvoranschlag, den die gemischtnationale
Regierung vorlegt. Über die Kennzeichnung dieser Regierung
sind sich die Koalitionsjuristen und Koalitionsrabbiner nicht
recht einig. Nach Švehla ist es eine Regierung des
nationalen Ausgleiches, nach Dr Engliš ist ihr Hauptzweck
das Sparen, nach Sen. Køepek ist
es eine Regierung des Besitzes. Am Treffendsten ist entschieden
die Kennzeichnung des Sen. Køepek.
Das beweist das Nachgeben der Regierung gegenüber den Forderungen
der Zuckerbarone, während sie gegenüber den Wünschen
der Staatsangestellten, Ruheständler und Kriegsbeschädigten,
die sich in ihrem nie versiegenden Optimismus vom Jubiläumsjahr
etwas erhofften, harthörig bleibt. Auch die Kleinbauern und
Kleingewerbetreibenden, denen der Fiskus das letzte Hemd vom Leibe
zieht, werden kaum in Jubiläumsstimmung sein.
Trotzdem wird jubiliert werden. Wir wissen
ja, wie es gemacht wird. Man sorgt da für, daß doch
Jubiläumsstimmung da ist. Denn wozu wären dann die politischen
Bezirksverwaltungen da? So liegt z. B. vor mir ein Erlaß
der politischen Bezirksverwaltung in Sternberg und ein solcher
der politischen Bezirksverwaltung in Mähr. Schönberg
- und die anderen haben es ja nicht anders gemacht - worin Aufträge
an die Gastwirte usw. enthalten sind, zu beflaggen und worin eingeschärft
wird, daß dieser 28. Oktober noch feierlicher gefeiert wird
als sonst der 28. Oktober. (Posl. Wünsch: Die Arreste
sollte man beflaggen!) Sehr richtig. Die werden nachher
beflaggt werden können, wenn sie voll sind. Eine Regierung
der Sparer ist diese Regierung insoferne, als sie an den ärmsten
Teufeln spart, darunter, wie der Staatsvoranschlag erweist, allein
25 Millionen Kè an den Kriegsbeschädigten. (Posl.
Simm: Ein Skandal!) Ebenfalls zur
Erhöhung der Jubiläumsstimmung! Die zwingt auch die
Selbstverwaltungskörper derart zum Sparen, daß ihnen
das Lebenslicht auszugehen droht. Der Staat selbst spart freilich
nicht. Er gibt vielmehr einschließlich der Staatsbetriebe
21.3 Milliarden Kè aus, d. h. mehr als das weit
größere alte Österreich ausgegeben hat, das sich
in seinem Staatsvoranschlage vom Jahre 1913 mit insgesamt 20 Milliarden
heutiger èechischer Kronen begnügte.
Die Haupteinnahmen stammen aus indirekten Steuern,
Zöllen, Abgaben, Gebühren. Die direkten Steuern sind
im Rückgange. Das Ministerium für Landwirtschaft kostet
beispielsweise neunmal soviel, als die Bodensteuer einbringt.
Diejenigen, die mit diesem Ministerium in engerem Zusammenhang
stehen, werden sich freilich immer als Hauptsteuerträger
hinstellen. Die Regierung des Besitzes lebt also trotz ihrer christlichsozialen
Beimischung hauptsächlich von den armen Teufeln. Was auf
wirtschaftlich sozialem Gebiet festzustellen ist, ist auch auf
nationalpolitischem Gebiete festzustellen. Hier ist der Aus gebeutete
das Sudetendeutschtum, es ist der größte Steuerträger,
das einzige Gebiet, auf welchem es Gleichberechtigung, ja ein
Vorrecht besitzt, ist eben jenes der Steuergebarung. Die hunderte
Millionen von Steuern, die aus ihm herausgezogen werden,
werden für èechische Minderheitsschulen, für
Straßen und Bauten im èechischen Gebiet und Subvention
für èechische Zwecke verausgabt. Also alles in allem
- wenn man von Konsolidierung spricht - eine Konsolidierung auf
Kosten des deutschen Michels, der in seiner
pazifistischen Erfüllungspolitik nicht die Ketten klirren
hört, die ihm umgelegt wurden. Die Erfüllungspolitik
der deutschen Regierungsparteien hat fürchterliche Verwüstungen
angerichtet, auch draußen unter unserem Volk, ohne den geringsten
Erfolg zu bringen. Ein Schulbeispiel dafür ist die kürzlich
erfolgte Vereinigung des Hauptverbandes der deutschen Industrie
mit dem Svaz. Die Dummköpfe von Industriellensekretären,
die immer der Meinung sind, daß Wirtschaft mit Politik nichts
zu tun hat und daß die Wirtschaft das Maßgebende ist,
die in einer sonderbaren Unterschätzung der Politik leben,
ohne die Verhältnisse in diesem Staate zu verstehen, haben
mit ihrer Bereitwilligkeit nichts anderes erreicht, als daß
in Kürze der schon jetzt angekündigte Hauptsturm auf
die deutsche Industrie erfolgen wird und ihr das auf die Industrie
übertragene System der Bodenreform droht. Die Herren von
den deutschen Regierungsparteien könnten sich ein Beispiel
an den Slovaken nehmen, die, wenn ich nur auf ein Beispiel hinweise,
bei der Verwaltungsreform wahrlich anders bedacht worden sind
als wir, trotzdem sie ein schwächeres Volk darstellen, und
die es trotzdem nicht so billig geben. Denn wie wir überall
in den Wandelgängen hören können, machen die Herren
Slovaken wieder einmal Mätzchen und sind nicht so ohne weiters
bereit, für den Staatsvoranschlag zu stimmen, während
wir die deutschen Regierungsparteien immer abstimmungsbereit finden.
Überblicken wir alles, was in den zehn Jahren des Bestandes
des Staates an uns verbrochen wurde - ich will es mir ersparen,
das ganze Elend noch einmal hier aufzurollen - und was in den
zwei Jahren an uns verbrochen worden ist, seitdem der Herr Dr
Mayr-Harting und Genossen hier an der "Macht"
teilnehmen, so haben wir wirklich keinen Anlaß, den 28.
Oktober festlich zu begehen, weder in nationaler, noch in sozialer,
noch in wirtschaftlicher, noch in kultureller noch in freiheitlicher
Hinsieht! Ein Beispiel bloß greife ich heraus und das ist
die Zensur. Die Zensur, die in diesem Staate wirklich so blödsinnig
gehandhabt wird, daß selbst Kaiser Franz I., der bekanntlich
kein konstitutioneller Herrscher war, diese Art von Zensur abgelehnt
hätte. Hat er sich doch schon über die Zensur im vormärzlichen
Österreich geäußert, daß sie blöder
ist, als er selbst annahm. (Výkøiky: Ein
Waisenknabe gegen Mayr-Harting!) Sehr richtig.
Ein Beispiel für die Zensur liefert die Verstümmelung
unseres Parteitagberichtes in unserem Blatte "Der Tag".
Eine einzige Nummer, die Folge 204 vom Dienstag den 23. d. Mts.
ist - sage und schreibe - an 16 Stellen beschlagnahmt worden.
Man sollte am 28. Oktober diese Folge als Festnummer heraushängen!
Es handelt sich darin um zwei politische Berichte, um einen Bericht
des Koll. Knirsch und meinen Bericht, ferner um die beiden
dazu gehörigen Entschließungen. Wie gesagt, die Zensur
hat hier an 16 Stellen eingegriffen. Wenngleich wir auch hier
schon in punkto Zensur recht Merkwürdiges erlebt haben, so
nehme ich doch an, daß das Präsidium des Abgeordnetenhauses
liberaler und vernünftiger denkt als der Aussiger Zensor.
(Posl. dr Schollich: Sie sind auch so ein Gutgläubiger!)
Bitte, ich will einmal gutgläubig sein und die beschlagnahmten
Stellen vorbringen und bitte um Entschuldigung, wenn ich des Aussiger
Zensors wegen meine Redezeit überschreite. Aus meiner Eröffnungsansprache
am Parteitag (voran geht ein Hinweis auf unsere staatsrechtliche
Erklärung vom 21. Oktober 1918) ist folgende Stelle beschlagnahmt
worden: "Durch welche sie sich zu dem auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes
zu errichtenden. Staate des gesamten deutschen Volkes, zum Staate
nationaler Freiheit und sozialer Gerechtigkeit, zum "dritten
Reiche" bekannte". Das darf also in einem Parteitagsberichte
nicht vorkommen. (Posl. dr Koberg: Historische Tatsachen!)
Sehr richtig.
Ferner sind aus der Kundgebung zum 21. Oktober
drei Stellen in Aussig beschlagnahmt worden, während sie
anderswo durchgingen. Diese Stellen lauten:
1. "Entgegen diesen feierlich verkündeten
Grundsätzen wurden mit vielen Millionen anderer Deutscher
auch die Sudetendeutschen vom Mutterland abgetrennt und
durch das Friedensdiktat von St. Germain gegen ihren einmütigen
Willen dem Èechoslovakischen Staat einverleibt." Dies
ist beschlagnahmt.
2. "Der Parteitag gedenkt in dieser Stunde
vor allem der Brüder, die mit uns Sudetendeutschen
das gleiche Schicksal teilen. Rückblickend auf die zehnjährige
Verbundenheit mit dem Èechoslovakischen Staate gedenkt
der Parteitag in heißem Mitgefühl und in Trauer all
der Opfer, die, wegen des Festhaltens am Rechte der Heimat, gefallen
sind, der Opfer des 4. März 1919."
Das ist die zweite beschlagnahmte Stelle.
Die dritte lautet: "Die durch die Friedensdiktate
geschaffenen Verhältnisse in Europa sind unhaltbar. Sie unterbinden
eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung in allen Staaten
und tragen eine ständige Bedrohung des Friedens in sich."
Aus dem Berichte über die politische und
parlamentarische Arbeit der deutschen nationalsozialistischen
Partei sind folgende Stellen beschlagnahmt worden: "Gekrönt
soll das Werk werden vom wahrhaft deutschen, dem nationalsozialistischen
Staat, dem sog. dritten Reich, das in Wirklichkeit das erste deutsche
Reich der Geschichte wäre." Das ist die eine beschlagnahmte
Stelle. Die zweite lautet: "Wirtschaftlich ist das Sudetendeutschtum,
wie der Saatsvoranschlag der Èechoslovakei erweist,
steuerlicher Ausbeutungsgegenstand des Staates und damit des èechischen
Volkes, das seinem Staate wenig gibt und viel von ihm erhält."
Das Kennzeichnendste aber ist: Beschlagnahmt
sind auch zwei von den vier Forderrungen worden, die wir nicht
etwa erst am Parteitag in Teplitz-Schönau, sondern bereits
vor vielen Jahren aufgestellt haben und die bei allen Kundgebungen
von uns wiederholt wurden. Sie lauten: 1. "Die Angehörigen
eines Volkes bilden eine Nation im staatsrechtlichen Sinne";
2. "Das geschlossene Siedlungsgebiet einer jeden Nation bildet
ein Land". Also nicht einmal das darf nach Ansicht des Aussiger
Zensors gedruckt werden.