Lang, lang ist´s her. Zwei Jahre sitzen
nun dieselben Herren schon in der Regierung, in die sie als Männer
nicht eher einzutreten gelobten, bis die kulturelle Selbstverwaltung
dem deutschen Volke gewährt wurde. Sie haben, als man sie,
um mit Dr. Hodža zu reden "im kritischesten
Augenblick des èechoslovakischen Parlamentarismus und infolgedessen
auch der Verfassung" zur Mitarbeit aufforderte - nicht freiwillig,
sondern nur durch die Verhältnisse gezwungen - ganz daran
vergessen, vorerst den Èechen das berühmte Blatt Papier
zu reichen, auf dem sie ihre Forderungen aufschreiben wollten.
Sie hatten vergessen, daß die Gewährung der deutschen
Schulautonomie nebst Erfüllung einer Reihe anderer Forderungen
die Voraussetzung ihres Eintrittes in die Regierung sein sollte.
Sie haben vergessen, daß durch ihren unvermittelten Eintritt
der Widerspruch zwischen ihren Worten und Taten selbst für
den dümmsten Wähler offenbar und sichtbar wird. Zwei
Jahre hätten die Herren Minister und die deutschen Regie
rungsparteien inzwischen Zeit gehabt, reichlich Zeit, diesen Fehler
auszubessern und die versäumte Gelegenheit nachzuholen, wenn
sie ernsthaft den Willen hatten, auf dieser Forderung, ohne die
es ein Kulturleben für uns überhaupt nicht gibt, wie
sich Spina am 27. November 1923 ausdrückte, zu verharren.
Leider aber und mit schmerzlichem Bedauern müssen wir feststellen,
daß die deutschen Regierungsparteien wie in den übrigen
Fragen so auch hier vollständig versagt haben. Von einer
deutschen Schulautonomie hört man schon seit langem nichts
mehr, darüber zu sprechen oder anzufragen, wann sie endlich
kommen werde, wird als überflüssige Belästigung
in den Kreisen der deutschen Regierungsparteien empfunden. Nur
noch bei Tagungen und Versammlungen wird zur Beruhigung der eigenen
Anhänger und zur Täuschung der Öffentlichkeit die
Forderung nach wie vor in kräftigen Worten erhoben. So wurde
beim Kreisparteitag des Bundes der Landwirte am 17. Juni d. J.
in Freudenthal in Anwesenheit des Ministers Dr. Franz Spina
nach einem Bericht des Abgeordneten Hodina über
Schulfragen einstimmig eine Entschließung angenommen, in
der es heißt: "Das Gesetz über die Schulautonomie
ist so rasch als möglich der gesetzgebenden Körperschaft
zur Verhandlung und zur Beschlußfassung vorzulegen. Auf
dem Gebiete des Minderheitsschulwesens muß das Prinzipeder
Gleichheit aller Nationen unbedingt zur Geltung gebracht werden
und es dürfen neue Minderheitsschulen nur dort errichtet
werden, wo auch wirklich die entsprechende Anzahl von Kindern
vorhanden ist. Minderheitsschulen ohne vorgeschriebene Kinderzahl
müssen gesperrt werden." Den Herren des Bundes der Landwirte,
besonders Herrn Dr. Spina und Hodina müßte
es doch ein leichtes sein, diesen selbstverständlichen deutschen
Forderungen Anerkennung zu verschaffen und ihre Durchführung
zu erzwingen, andernfalls sie eben der Regierung den Rücken
kehren müßten. Welchem Zwecke dienen also solche papierene
Entschließungen über Selbstverständlichkeiten?
Utaliquid feeisse videatur, damit es den Anschein hat, daß
etwas geschieht. Ernst zu nehmen ist solches Blendwerk nicht.
Wenn wir also die deutsche Schulautonomie bis
heute, zwei Jahre nach dem Eintritt deutscher Parteien in die
Regierung, noch nicht haben, dann müssen wir geradezu
die deutschen Regierungsparteien dafür verantwortlich machen.
Sie haben es an der notwendigen Zähigkeit bei Erkämpfung
dieser Forderung vollständig fehlen lassen. Daß die
Èechen damit rechneten und annahmen daß die Gewährung
der Schulautonomie die erste Konzession an
die Deutschen nach dem Eintritt in die Regierung sein werde, dafür
ist mir die Rede Beweis, welche der Herr Minister für Schulwesen
und Volkskultur Dr. Hodža bei
der ersten Voranschlagsberatung dieser Regierung am 9. November
1926 gehalten hat, wobei er die Selbstverwaltung der Schulen bereits
mit 1. Juli 1927 ankündigte. Seine Worte waren klar und eindeutig.
Die Zeitungen berichteten über dieses Aufsehen erregende
Ereignis wie folgt: "Zur Frage der Selbstverwaltung der Schulen
bemerkt der Minister, daß man vor der Lösung dieser
Frage stehe. Die Selbstverwaltung sei dringend und werde daher
noch vor Aktivierung der Gaue durchgeführt werden müssen.
Die Selbstverwaltung werde durch eine Reform, teils in den Bezirken,
teils in den Ländern, durchgeführt werden. Dort, wo
die Gaueinrichtung bereits funktioniert, in der Slovakei, will
der Minister diese Reform soweit es um die Landesschulselbstverwaltung
geht, schon in diesem Jahre durchführen, in den historischen
Ländern ungefähr vom 1. Juli 1927 angefangen. Von Einzelheiten
könne er noch nicht sprechen, weil über die Sache verhandelt
werde, aber er erkläre schon heute, daß im Rahmen der
Schulselbstverwaltung der Bezirke und der Landesausschüsse
alle Bevölkerungsschichten ohne Unterschied der Nationalität
alle jene Bedingungen finden werden, daß sie sagen können,
sie haben die Selbstverwaltung der Schule". So heißt
es in der "Bohemia" vom 10. November 1926.
In meiner Erwiderung auf die Rede des Herrn
Ministers Dr. Hodža vom
25. November 1926 habe ich ausdrücklich vor überschwänglichen
Hoffnungen gewarnt und Zweifel darüber geäußert,
ob der Minister auch in der Lage sein werde, dieses Versprechen
zu erfüllen und im Kampfe gegen die Chauvinisten im eigenen
Lager durchzusetzen. Was ich befürchtete und voraussagte,
ist eingetreten. Minister Dr. Hodža hat sehr
bald bereut, sich über dieses gefährliche Thema freimütig
geäußert zu haben, als er von èechischer Seite
deshalb stark angegriffen wurde. Unter dem Eindruck des Sturmes
fanden wahrscheinlich die deutschen Parteien
nicht den Mut, diese Voraussetzung ihrer Mitarbeit nachhaltigst
zu vertreten und auf ihrer Erfüllung zu bestehen. Angesichts
der deutschen Schwäche steckte naturgemäß und
sehr zufrieden Dr. Hodža wieder
zurück und äußerte sich vorsichtigerweise nicht
mehr, als er später, im Laufe der Jahre 1927 und 1928, mehrmals
im Kulturausschuß von mir um bestimmte Auskunft ersucht
wurde, ja er weigerte sich sogar am 14. Juli 1927, ein Memorandum
des deutschparlamentarischen Schulausschusses über diesen
Gegenstand entgegenzunehmen, wobei er eine Vorlage darüber
bis zum Oktober 1927 in Aussicht stellte. Heute schreiben wir
bereits Oktober 1928, der Entwurf einer Schulautonomie ist noch
immer nicht erschienen und dürfte wohl, da wir von keiner
Seite etwas darüber hören, sobald überhaupt nicht
vorgelegt werden. Aus der stolz verkündeten Schulautonomie
wird schließlich nichts anderes herauskommen, als eine durch
die Verwaltungsreform notwendige Neugliederung der Schulbehörden
im Rahmen der Bezirks- und Landesschulräte, wozu jetzt bereits
durch die Auflösung des schlesischen Landesschulrates und
Überführung der Agenden desselben an den mährischen
Landesschulrat der Anfang gemacht wurde. Wie dem immer sein möge
und welche Absichten auch die Herren von der èechischen
Mehrheit haben, das eine wollen wir wieder einmal laut und vernehmlich
betonen und auch den deutschen Regierungsparteien eindringlichst
in Erinnerung bringen: Wir werden nicht ruhen und rasten, bis
wir dieses erste und primitivste Recht des deutschen
Volkes in diesem Staate, die selbständige Verwaltung unserer
Kulturgüter, unserer Schulen von der Volksschule bis zur
Hochschule und zum Ministerium erstritten und erkämpft haben.
Wir werden uns auch mit keinem Bettel, mit keinem Provisorium,
aus dem erfahrungsgemäß nur zu leicht ein Definitivum
wird, abspeisen und auf bessere Zeiten vertrösten lassen.
Wir fordern und verlangen mit aller Rücksichtslosigkeit das
uneingeschränkte Entscheidungsrecht in Angelegenheiten unseres
nationalen Schulwesens, in allen unser Volk betreffenden Kulturfragen.
Wir halten den heutigen Zustand, wo Fremdnationale über unsere
kulturellen Bedürfnisse und Notwendigkeiten entscheiden,
für geradezu unerträglich, das deutsche Volk schwer
beschämend und erniedrigend. Die deutschen Regierungsparteien
fordern wir auf, hier kraft ihrer Teilnahme an der Macht in der
kürzesten Zeit Wandel zu schaffen und machen sie dafür
verantwortlich, wenn dies nicht geschehen und der unwürdige
Zustand noch länger andauern sollte.
Leider muß ich auch hier gleich wieder
unserer tiefsten Besorgnis Ausdruck geben, daß die deutschen
Regierungsparteien auch in dieser Frage versagen werden. Diese
Befürchtung findet ihre hinreichende Begründung in der
Tatsache, daß deutsche Regierungsparteien im letzten Jahre
einem Gemeindefinanzgesetze ihre Zustimmung gaben, welches sich
besonders gegen das deutsche Schulwesen außerordentlich
schwer auswirken mußte. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)
Wir haben bei Beratung dieses Gesetzes
eindringlich davor gewarnt und auf die Gefahr hingewiesen, welche
darin besteht, daß nach dem Gesetze der Bürokratie
das Recht gegeben wird, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
der einzelnen Ausgaben in Gemeinde und Schule zu überprüfen
und die Höhe der hierfür zu verwendenden Beträge
festzusetzen. Wir mußten umsomehr davor warnen, eine solche
unumschränkte Macht in die Hände von Beamten zu legen,
weil in allen diesen Ämter und Aufsichtsbehörden, welche
zur Entscheidung berufen sind nur Èechen sitzen und damit
unsere kümmerlichen Reste der Selbstverwaltung
den willkürlichen Eingriffen dieser èechischen Beamten
vollkommen preisgegeben sind und damit vernichtet werden. Alle
unsere berechtigten Warnungen wurden in den Wind geschlagen, unsere
ernstesten Einwürfe verlacht und als Ausgeburten
unserer angeblich krankhaften Phantasie bezeichnet. Leider mußten
wir auch hier wieder einmal Recht behalten, wie die kurze Wirksamkeit
des Gesetzes im letzten Jahre bereits beweist. Durch das neue
Gemeindefinanzgesetz ist die finanzielle Lage unserer Gemeinden
und Bezirke geradezu unhaltbar und trostlos geworden und die notwendige
und überall auch bereits eingeleitete Sparsamkeit bedroht
unser Schulwesen schwer. Denn nichts ist natürlicher als
das zuerst bei den Schulauslagen gespart wird, die ja ohnehin
vielfach als ganz unproduktive Ausgaben gelten. Wie sollte auch
der èechische Beamte der Aufsichtsbehörde ermessen
und beurteilen können, was eine deutsche Schule vielleicht
unbedingt unter den gegebenen örtlichen Verhältnissen
braucht, um ihrem schweren Erziehungswerke
mit bestem Erfolge entsprechen zu können? Das bisherige Verhalten
dieser Beamten bei Behandlung der Gemeindevorschläge und
besonders der Schulvoranschläge zeigt zur Genüge, wie
berechtigt alle diese Bedenken sind und waren Vielen Gemeinen
wurde der Schulvoranschlag bis zur Hälfte zusammegestrichen
und selbst unbedingt notwendige Posten erbarmungslos herausgenommen.
Ging doch der unausgesprochene Plan dieser èechischen Beamten
dahin, den Voranschlag soweit herunter zu drücken,
daß die deutschen Gemeinden mit den 200 bis 300%
Gemeindeumlagen auskommen, damit aus dem Dotationsfond umso leichter
die Millionen den èechischen Gemeinden zugewiesen werden
können. Sparsamkeit auf dem Gebiete des deutschen Schulwesens
muß zur Verkümmerung des hohen deutschen
Schulwesens führen. Die Folgen dieser Maßnahmen sehen
wir bereits. Viele früher bestandene Errungenschaften mußten
abgebaut werden, z. B. der äußerst wichtige schulärztliche
Dienst, die Schulzahnpflege, die Ausspeisung an unterernährte
Kinder und dergleichen mehr. Auch die Beträge für die
unentgeltliche Abgabe von Lehrbehelfen an arme Kinder wurden meist
zur Gänze gestrichen und ebenso die Beträge für
Anschaffung von Lehrmitteln für die Schulen selbst auf ein
Minimum herabgesetzt. Selbst an der Gebäudeinstandhaltung,
an der Beheizung und Beleuchtung wurde gespart, so daß ein
geordneter Schulbetrieb da und dort in Frage gestellt ist.
Nur ein Beispiel für diese Sparwut: In
einer Dorfgemeinde waren für Reinigen der Schule u. zw. drei
Klassenzimmer, Direktionskanzlei, Lehrmittelkabinett, Stiegen,
sowie für Beheizung 40 Kè monatlich eingesetzt, gewiß
ein unsozialer Schundlohn. Dieser Betrag wurde von dem Beanten
der Aufsichtsbehörde auf die Hälfte herabgesetzt, worauf
die Bedienerin selbstverständlich sich
dagegen wehrte und erklärte, dann möge der weise Herr
dieser Aufsichtsbehörde diese Arbeit um diesen Betrag selbst
machen. Wohin wird dieses unzeitgemäße Sparsystem auf
dem Gebiete des Schulwesens führen? Die Schulen werden verfallen,
nur selten gereinigt werden, werden damit Brutstätten von
Tuberkulose und Bleichsucht werden. Ohne reichliche Lehrmittel
wird ein gedeihlicher Unterricht nicht erteilt werden können
und veraltete und beengte Schulen durch Neubauten zu ersetzen,
ist in der Zukunft geradezu unmöglich.
Man hat uns den Vorwurf gemacht, daß
wir Deutsche im alten Österreich ein vorzüglich entwickeltes
Schulwesen hatten, das mit Hilfe des Staates errichtet wurde.
Dieser Vorwurf ist ungerechtfertigt. Richtig ist, daß die
Deutschen in Österreich ein vorbildliches Schulwesen hatten
unrichtig ist die Behauptung, daß wir es dem Staate zu verdanken
hatten, sondern wir Deutschen haben dieses blühende Schulwesen
aus eigener Kraft mit eigenem Gelde geschaffen. Die deutschen
Gemeinden setzten einen gewissen Stolz darein, ein schönes
Schulgebäude, eine mit Lehrmitteln reich versehene Schule
zu besitzen. Wenn die Èechen den gleichen Eifer nicht aufbrachten,
so darf man uns heute hierfür nicht verantwortlich machen.
Nunmehr sind die Verhältnisse anders.
Jetzt wird das vernachlässigte èechische Schulwesen
mit den reichlichen Mitteln des Staates, also mit deutschen Steuergeldern,
aufgepäpelt und in einer Weise ausgestattet, die berechtigten
Neid erregen muß. Mehr als 100 Mill. Kè werden jährlich
allein für vielfach ganz überflüssige
èechische Minderheitsschulen im deutschen Sprachgebiet
hinausgeworfen, für wenige èechische Kinder werden
wahre Prachtpaläste um Millionen aufgeführt und diese
Schulen mit Lehrmitteln auf das Reichlichste ausgestattet. Von
den hunderten Millionen des staatlichen
Schulvoranschlages für 1929, im ganzen 923,900.286 Kè,
entfällt jährlich nur ein ganz geringer Bruchteil auf
das deutsche Schulwesen. Die deutschen Gemeinden werden aber in
der Zukunft nicht einmal in der Lage sein, ihr
durch den Staat vernachlässigtes Schulwesen aus eigener Kraft
aufzubauen, weil in der Gemeindeverwaltung das notwendige Geld
nicht da sein wird, weil die Aufsichtsbehörde nicht die Bewilligung
geben wird. Wie soll z. B. die notwendige Rentabilität bei
einem Schulgebäude nachgewiesen werden? Infolgedessen wird
man die Bewilligung nicht erteilen. Es ist daher begreiflich,
daß die Lehrerorganisationen als erste zu diesen furchtbaren
Auswirkungen des Gemeindefinanzgesetzes Stellung nehmen und die
Aufmerksamkeit aller Bevölkerungskreise auf die schweren
Schädigungen lenken, welche das Gesetz zur Folge hat. Ich
erwähne nur die Entschließung, welche der deutsche
Landeslehrerverein in Böhmen dieser Tage gefaßt hat,
und die Entschließung des Verbandes deutscher Hilfsschulen,
die ausdrücklich das Gleiche erwähnten und die Abänderung
des Gesetzes verlangen. Neben den einjährigen Lehrklassen,
vierte Bürgerschulklasse und Hilfsschulen, sind auch die
Kindergärten und Krippen, die unverbindlichen Gegenstände
an vielen Schulen, die Schnellschrift, Maschinenschreiben, Musik,
Handfertigkeitsunterricht u. a., die heute vielfach nur durch
die Unterstützung der Gemeinden erhalten werden, in Frage
gestellt. Mit Recht schreibt die "Freie Schulzeitung",
das Organ des Deutschen Lehrerbundes, im März 1928: "Die
Lage ist ernst. Die Gemeinden befinden sich in einer Zwangslage,
aus der die Gesetzgebung einen tauglichen Ausweg finden muß.
An den obersten Schulbehörden liegt es, Vorkehrungen zu treffen,
daß ein Schade vermieden wird, dessen Folgen nicht abzusehen
sind."
Ich behaupte demgegenüber, daß die
staatliche Schulbehörde gar kein Interesse daran hat, das
deutsche Schulwesen auf seiner hohen Stufe zu erhalten. Der Kampf,
den wir die ganzen zehn Jahre seit Bestand dieses Staates um die
Erhaltung unseres Schulwesens führen, die verlorenen mehr
als 3000 Schulklassen sind mit Beweis genug für meine Behauptung
und daß daher von dieser Seite Hilfe und Unterstützung
nicht zu erwarten ist. Umso schwerer lastet die Verantwortung
auf den deutschen Parteien, welche in der Regierung sitzen. Niemals
durften sie einem Gesetz ihre Zustimmung geben, durch dessen Anwendung
das deutsche Schulwesen an der Wurzel getroffen wurde und dessen
Folgen unheilvoll sein müssen, umsoweniger, als sie rechtzeitig
von uns gewarnt und auf die Folgen aufmerksam gemacht wurden.
Aber stumm und ergeben, ja geradezu sträflich gleichgültig
lassen sie alles über sich ergehen, sehen zu, wie das deutsche
Schulwesen immer mehr und mehr vernachlässigt und seiner
völkischen Erziehungsarbeit mit Absicht entfremdet wird.
Welchen unheimlichen Grad der Verblendung diese
Regierungsdeutschen und ihre Anhänger und Nachbeter bereits
erreicht haben, beweist ihr Schweigen zu den Vorgängen, die
mit der Festfeier zum Staatsjubiläum zusammenhängen.
Ich habe schon in meiner Rede im Budgetausschuß zum Kapitel
Schulwesen darauf verwiesen, daß es nach meiner und jedes
anständigen Menschen Auffassung unmoralisch ist, unsere deutschen
Schulen zu Festlichkeiten zu zwingen, die mit dem deutschen Empfinen
im Widerspruch stehen, und ich habe dabei auf einen Ausspruch
des Präsidenten Masaryk verwiesen, der in seinen "Erinnerungen"
davon spricht, daß es das schrecklichste in seiner Schulzeit
war, wenn in den Schulen habsburgische und österreichische
Schulfeierlichkeiten abgehalten wurden und patriotische Gefühle
geheuchelt werden mußten. Ich habe in richtiger Würdigung
dieser Gesinnung ersucht, von den deutschen Lehrern, Professoren
und Schülern anläßlich der zehnjährigen Bestandesfeier
dieser glorreichen Republik einen überschwänglichen
Patriotismus nicht zu verlangen weil bei allem, was dem deutschen
Volke während der zehn Jahre hier in diesem Staate wiederfahren
ist, kein aufrichtiger und nationalbewußter Deutscher Freude
über seine Zugehörigkeit zu diesem Staate und aufopfernde
Liebe für seine Zukunft empfinden kann. Statt diese Gefühle
zu schonen und darauf entsprechend Rücksicht zu nehmen, uwingen
Sie in Ausnützung der staatlichen Gewalt deutsche Beamte
und Lehrer, Ihre patriotischen Feste mitzufeiern und Freude und
Begeisterung zu heucheln, wo sich das deutsche Herz in namenlos
ein Weh zusammenkrampfen muß. Das Ministerium für Schulwesen
und Volkskultur fordert mit Erlaß vom 5. Oktober 1928, Z.
5397, alle Schulleitungen auf, am Sonntag den 28. Oktober den
Schülern in eindrucksvollen Festveranstaltungen die Bedeutung
des Tages durch geeignete Vorträge klar zu machen und bei
dieser Gelegenheit besonders die Befreiungsbestrebungen und das
Ringen um die nationale Einheit des èechischen Volkes und
in den Staaten des kleinen Verbandes
zu besprechen. Die Ausführung eines solchen Auftrages kann
einem aufrechten deutschen Lehrer nicht schwer fallen, wenn er
es versteht, an dem Beispiele des èechischen Volkes und
Staates zu zeigen, was unbeugsamer nationaler Wille
vermag, woraus sich auch für das heute gefesselte
deutsche Volk die Nutzanwendung von selbst ergibt. Gelang es dem
kleinen èechischen Volke, sich in zäher, zielbewußter
Arbeit die Freiheit und die Eigenstaatlichkeit zu erringen, dann
wird auch den dreieinhalb Millionen
Sudetendeutschen in der Zukunft möglich sein, ihre Freiheit
aus èechischer Knechtschaft und ihr Recht auf Selbstbestimmung
zu erkämpfen. In diesem Sinne fordere ich die Lehrer und
Professoren, denen diese undankbare Aufgabe als Festredner zufällt,
auf, die Schüler zu belehren und für unseres Volkes
Freiheitskampf zu begeistern.
Unglaublich aber ist, was darüber hinaus
gehend seitens des Schulministeriums den deutschen Schulen aus
diesem Anlasse noch zugemutet wird. An allen deutschen Schulen
gelangt eine im Verlage des Ministeriums erschienene Flugschrift
"Unsere Schulen im ersten Jahrzehnt der Èechoslovakischen
Republik 1918 bis 1928" zur Verteilung, die wohl das Höchste
darstellt, was an Heuchelei und Verdrehung geleistet wird. In
dieser Schrift wird unter anderem von
der ruhmvollen Hussitenzeit gesprochen, in der der èechische
Staat im Vordergrund der europäischen Geschichte stand, von
der herrlichen Zeit der Auferstehung am 28. Oktober 1918, wo die
kühnen und ehrenbedeckten Helden aus allen
Weltteilen zurückkehrten und wo alle Menschen ohne Unterschied
der Nationalität und Religion, die mit der blutigen Herrschaft
der Habsburger nicht einverstanden waren, ihre Seelen begeistert
öffneten und die Freiheit des Geistes und des Körpers
begrüßten. Neben einer Unzahl von Geschiehtslügen
und Fälschungen wird in überschwänglichen Worten
die ungebundene Freiheit, die jeder èechoslovakische Bürger
in dem neuen Freiheitsstaat genießt, gepriesen. Sätze
wie: "In den Schulen gibt es weder die österreichische
Gewalttätigkeit und Sklaverei, noch die Entnationalisierung.
Jedes Kind hat ein Recht auf die Ausbildung in der Muttersprache"
was natürlich unrichtig ist - "Die Regierung der Èechoslovakischen
Republik ist gerecht und will nicht Schlechtes mit Schlechtem
vergelten.... Der èechoslovakische Bürger entnationalisiert
nicht und nimmt den Kindern die Muttersprache nicht...... Die
Seele der Schüler wurde nicht mehr durch seelenlose strenge
Befehle und blinde Disziplin einige schnürt, sondern befreit"
- solche Sätze entlocken uns nur
ein mitleidiges Lächeln. Wenn aber der Satz der Flugschrift
wahr sein soll: "Die Bürger der Èechoslovakischen
Republik wollen ehrliche und aufrichtige Bürger und nicht
Heuchler sein, wie sie das alte Österreich erzog, dem verstellter
Gehorsam genügte", dann übergebe man diese Flugschrift
sofort dem Feuer und führe sie der Vernichtung zu, da sie
das deutsche Volk ehrlich, einmütig und schärfstens
ablehnen muß. Für èechische Schulen mag sie
geeignet und zutreffend sein, nicht aber für deutsche
Schulen, und ich fordere daher die deutschen Eltern auf, diese
Flugschrift sofort zu verbrennen, bevor sie noch die deutschen
Kinderseelen vergiftet und entweiht.
Wenn wir ehrliche, aufrichtige Bürger
und nicht Heuchler sein wollen, dann haben wir die Pflicht, unsere
Kinder von den Schul- und Staatsfeierlichkeiten am 28. Oktober
fernzuhalten und diesen Tag zu einer deutschen Erbauungsstunde
und Belehrung zu verwenden. [Další vìta
byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 24. øíjna 1928 podle §u 9, lit.
m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy. Viz str. 106 této tìsnopisecké
zprávy.] Niemand.
weder das Ministerium, noch eine Schulleitung, noch ein ergebener
Ortsschulrat kann aber die Eltern zwingen, an diesem Ferialtage
ihre Kinder zur Schule und zur Feier zu schicken. [Další
vìta byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 24. øíjna 1928 podle §u 9, lit.
m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy. Viz str. 106 této tìsnopisecké
zprávy.] Die Teilnahme an
diesen Festlichkeiten wollen wir den Regierungsdeutschen überlassen,
die jedes Empfinden für deutsche Würde bereits verloren
haben und ruhig zugehen, wie unsere nationalen Erziehungsstätten,
die Schulen, zu Drillstätten èechischer
staatsoffizieller Gesinnung gemacht werden.
Die deutsche Nationalpartei ist sich der Bedeutung,
welche die deutsche Schule und die erzieherische Tätigkeit
des deutschen Lehrers für die Zukunft unseres Volkes und
für seinen Wettbewerb im Daseinskampf der Völker haben,
vollbewußt. Sie wird daher den Kampf um die Befreiung unserer
Schule [Další slova byla usnesením
pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 24. øíjna
1928 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu
vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz
str. 106 této tìsnopisecké zprávy.]
und um die deutsche Kulturautonomie
zähe und zielbewußt weiterführen, allen Leisetretern
zum Trotze, bis zum siegreichen Ende, weil nur dadurch die Möglichkeit
der freien kulturellen Entwicklung unseres Sudetendeutschtums
gegeben ist. (Souhlas a potlesk poslancù nìm.
strany národní.)
Hohes Haus! Wenn wir auch hier in die Aussprache
über das Schulwesen eingehen, so möchte ich gleich feststellen,
daß für uns die Schulfrage in zweifacher Richtung besteht,
nach der völkischen Richtung und nach der kulturell-religiösen
Richtung. Nach der völkischen Seite hin sind und bleiben
wir die unentwegten Forderer und Arbeiter für das Endziel,
die Schulautonomie. Ich möchte den Ausführungen des
Koll. Schollich gegenüber feststellen, weil er meinen
Namen ein paarmal apostrophiert hat, daß ich keines der
Worte, die ich eventuell 1m Jahre 1922 oder wann immer über
diesen Punkt gesprochen habe, zurücknehme, daß ich
ohne Rücksicht, ob in oder außer der Regierung, immer
und zu jeder Zeit, wo ich es für angebracht hielt, den Standpunkt
vertrat, den ich auch jetzt vertrete, und unseren Regierungseintritt
speziell damit begründet habe, daß uns Gelegenheit
gegeben werde, dieser unserer Forderung nach Schulautonomie endlich
einen Inhalt zu geben. (Posl. dr Schollich: Zwei Jahre hab
en Sie Zeit gehabt!) Herr Kollege, wir geben es nicht auf,
seien Sie davon überzeugt, und es wird die Zeit kommen, wo
wir in entsprechender Weise noch darüber sprechen werden.
Wir werden uns nicht früher für befriedigt erklären,
als bis dieses Ziel erreicht ist, eine Autonomie, die das deutsche
Schulwesen unter eigene Verwaltung stellt, von unten bis zu oberst
hinauf, die natürlich rein deutsch sein muß. Wir müssen
sagen, daß erkläre ich auch jetzt noch, keine Forderung
kommt uns natürlicher vor als diese. Die Schulfrage ist solange
nicht gelöst, solange dieses unveräußerliche Verlangen
nicht befriedigt ist.
Nun möchte ich auf eines hinweisen in Bezug auf unsere èechischen
Kollegen. Ich habe den Eindruck, daß die èechischen
Kollegen von Anfang an unmittelbar nach Aufrichtung der Republik
und auch in den ersten Jahren derselben diese unsere Forderung
als etwas Selbstverständliches betrachtet haben, daß
in ihrer heutigen Haltung aber ein bedeutendes
Abschwenken zu konstatieren ist. Ich will jetzt nicht untersuchen,
wo wir vielleicht die Erklärung hiefür zu suchen hätten,
aber ich will nur an das bekannte Mémoire III erinnern,
was da Außenminister Beneš in Paris versprochen
hat. Das ist nichts anderes, als Schulautonomie. Der Satz, der
sieh im Mémoire III findet: "Die Deutschen werden
ihr eigenes Schulwesen haben und selbst besorgen" - ist doch
Schulautonomie. (Posl. dr Schollich: Beneš hat mehr gelogen
als das!) Das ist eine andere Sache.